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Wie soll ich mich verhalten?

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Wie soll ich mich verhalten?
« am: 30 November 2018, 18:51:25 »
Hallo,

ich bin selber zum Glück nicht spielsüchtig, wende mich aber an dieses Forum, weil ich verzweifelt bin und hoffe, dass mir jemand hier einen Rat geben kann. Mein Freund ist Spieler, gibt es manchmal selber zu, streitet es aber genauso häufig auch ab. Zusammen sind wir nun seit sieben Jahren - und genauso lange ist das Thema Spielsucht ein fast täglicher Begleiter für mich geworden.
Angefangen hat es bei ihm sehr früh, er ist immer mit Freunden zusammen in Spielotheken gegangen. Wir sind dann nach einer recht kurzen Zeit zusammengezogen. Zu Anfang war mir das Ausmaß natürlich nicht bewusst, ich dachte er macht das wirklich nur ab und zu. Eines Tages haben wir dann auf seinem Tablet und seinem Handy die Handy-Suchfunktion eingerichtet, für den Fall, dass sein Handy mal geklaut wird. Einige Tage später wollte er dann zur Uni fahren und ich dachte mir ich schau mal, wie diese App funktioniert. Ich habe mir absolut nichts Böses in dem Moment dabei gedacht. Ja, nun war er natürlich nicht auf dem Weg zur Uni, sondern saß in der Spiele nebenan. Ich war sehr wütend und bin selber hin. Ihm war es natürlich sehr unangenehm, aber Konsequenzen hatte es letztendlich natürlich keine für ihn.
Das ist der Beginn. Über die Jahre wurde es immer mal wieder schlimmer, dann wieder besser. Mal musste ich die gesamte Miete übernehmen, weil das Geld dafür verzockt hat, mal schien er alles gut im Griff zu haben. Es gab immer sehr viel Streit wegen der Spielerei. In mir ist ein Kontrollwahn gewachsen. Ich habe ihn sehr oft hinterher spioniert, konnte ihn nicht ruhigen Gewissens aus dem Haus gehen lassen. In mir ist die ständige Angst, dass er wieder dem Reiz der Automaten verfällt. Manchmal reden wir ganz offen über dieses Problem, besonders dann, wenn er es länger geschafft hat, nicht reinzugehen. Ich versuche immer Verständnis für ihn zu zeigen, versuche nachzuvollziehen, was ihn am Spielen reizt, um ihm zu helfen zu widerstehen.
Leider gab es sehr, sehr oft diese Momente, in denen er mich angelogen hat, vorgegeben hat etwas erledigen zu müssen. Durch meinen Kontrollwahn habe ich immer wieder Wege gefunden sein Handy zu orten, seine Bankkonten auf die typischen Geldabhebungen zu überprüfen oder Stichproben in den mir bekannten Lieblingsspielotheken zu machen. Viel zu oft habe ich mit meinem unguten Gefühl recht behalten.

Um ihm zu zeigen, dass dieses Thema eben nicht "seine Sache" ist, wie er ja immer meint, sondern eben auch mein Leben stark beeinflusst, habe ich alles versucht. Ich war wütend, dann war ich traurig, ich habe geheult, ich habe ihn ausgelacht, dass er so schwach ist, ich habe alles versucht. Und ganz oft habe ich ihm versucht zu erklären, was es in mir auslöst, wenn ich nicht weiß wo er steckt. Alles in mir ist dann unruhig, ich denke durchgehend daran, dass er vielleicht Spielen gegangen ist. Das macht mich vollkommen fertig und zermürbt mich. Mittlerweile hat er alle Möglichkeiten eingeschränkt, dass ich herausfinden kann, wo er gerade ist. Ich kann das absolut nachvollziehen. Meine Spionagearbeit dahingehend hat oftmals den Bogen weit überspannt. Aber ich wusste mir nicht anders zu helfen. Schlimmer als die Gewissheit, dass er Spielen ist, war immer noch die Unwissenheit und das Gefühl vielleicht belogen zu werden.

Und ja, es ist jetzt mal wieder soweit. Er ist unterwegs, nicht erreichbar, hat sein Handy vermutlich abgeschaltet, damit ich ihn nicht anrufen kann. Vor zwei Tagen hatte ich bereits schonmal den Verdacht, er könnte Spielen sein. Er hat zwar alles abgestritten, aber mein Bauchgefühl hat mich in mindestens drei von vier Fällen nicht getäuscht. Ich weiß nur nicht, wie ich mich ihm gegenüber jetzt verhalten soll. Ich will ihn nicht zu unrecht angehen aber ich kann doch auch nicht so tun, als ob alles normal wäre.

Vielleicht hat ja jemand einen Rat, wie ich an ihn herankomme. Ich liebe diesen Mann, möchte eine gemeinsame Zukunft mit ihm aufbauen. Aber nicht mit einer Spielsucht, die mir jeden Tag im Nacken sitzt und mir Beklemmungen und Magengeschwüre bereitet.

Re: Wie soll ich mich verhalten?
« Antwort #1 am: 30 November 2018, 18:59:53 »
Hallo SadSun,

ich bin selbst als Betroffener nun seit dieser Woche hier angemeldet, da ich meinem Spielzwang ein Ende setzen will. In meinem Thema wurde das Thema vom User nutella verlinkt:

www.forum-gluecksspielsucht.de/forum/index.php?topic=3167.0

Die darin aufgelisteten Fragen habe dafür gesorgt, dass ich mich in Grund und Boden geschämt habe für mein bisheriges Verhalten in Bezug zu Geld - gerade zu dem verzockten Geld. Hat dein Freund denn irgendwelche Anzeichen dafür gegeben, dass er selber ein übertriebenes Verhalten erkennt? Oder bleibt es bei ihm bei dem typischen "Ich spiele nur zum Spaß"?

Rechne mit ihm doch einfach mal durch was er so an Geld durch seine Zockerei verbrannt hat. Geld wieder reinzuspielen ist nicht möglich, dieser Gedanke muss aus dem Kopf raus. Je früher, desto kleiner der finanzielle Schaden.

Wie weit kommst du denn an ihn ran? Vielleicht kannst du sein Geld einteilen? Sobald er Gehalt bekommt soll er einen Großteil dir überweisen für Miete und weitere Fixkosten, wäre das ein Lösungsansatz?

Ich war immer ein heimlicher Spieler, daher kann ich gar nicht sagen was mir geholfen hätte. Außer jetzt mein eigenes Totalversagen. Das sollte deinem Freund natürlich am besten erspart bleiben.

Viele Grüße

*

nutella

Re: Wie soll ich mich verhalten?
« Antwort #2 am: 30 November 2018, 19:03:40 »
Hallo Sadsun..

Hier habe ich einen sehr interessanten link für Dich..
https://www.spielen-mit-verantwortung.de/hilfe-fuer-angehoerige/angehoerige.html

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nutella


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Offline Olli

  • *****
  • 6.759
Re: Wie soll ich mich verhalten?
« Antwort #4 am: 01 Dezember 2018, 09:35:53 »
Guten Morgen Sadsun!

Es berührt mich immer sehr, wenn ich die verzweifelten Geschichten der Angehörigen lese.
Da kommen Erinnerungen hoch, die ich gerne in der Versenkung gelassen hätte.

Ich war auch solch ein uneinsichtiger Spieler, der sich nichts sagen lassen wollte.
Was für ein Irrsinn - im Nachhinein betrachtet - für mich bedeutete Spielen eine Form von Freiheit.
Hier konnte ich mich vom Alltagsstress erholen ... mich fallen lassen ... entspannen.
Aber ich konnte auch einen für mich damals positiven Stress erleben.

Meine Eltern haben mich damals aus den Hallen geholt - haben gebettelt und gefleht.
Sie haben mich mehrfach raus geworfen und nach ein oder zwei Wochen wieder aufgenommen - darauf war Verlass.
So erlebte ich letztendlich nie die Konsequenzen meiner Handlungen.

Was sind denn ein paar Gespräche mit Dir - laut - leise - einfühlsam - voller emotionsgeladener Wut?
Was sind die Momente, wo Du ihn erwischst? Bloß stellst?
Wie schlimm ist es schon für ihn, wenn er die Miete verzockt und Du für ihn einspringst?

Ich sage es Dir ... es ist lästig ... mehr nicht.
Die Zeit des Spielens wiegt diese Unannehmlichkeit locker auf.
Das "Schöne" für Deinen Freund - auch auf Dich ist Verlass.
Du beruhigst Dich irgendwann wieder - wünschst Dir ja Normalität.
Als Spieler gleiche ich mich dem eine Zeit lang an, bis mich wieder der Spieldruck packt.
Und so drehst Du Dich in einem Kreis - und er sich in seinem.

Doch für wen ist es eigentlich eine Belastung? - Na - nur für Dich.
Wenn er den Belastungen entfliehen möchte, dann nutzt er das Medium Spielen dafür und aktiviert seinen wohl trainierten Verdrängsmechanismus.

Weisst Du, was dann passiert? Entschuldige bitte, wenn ich das hier so brutal schreiben muss: Du bist ihm vollkommen egal.
Er belügt Dich und betrügt Dich um das gemeinsame Geld.
Krankheit hin oder her - wenn er sein Handy abschaltet, dann macht er das mit Vorsatz.

Und das ist der Mann, den Du liebst?
Siehst Du selbst nicht auch nur den Mann den Du sehen möchtest?
Und das Spielen mit allem drum herum sind Unannehmlichkeiten?

Du kannst die beiden Persönlichkeiten in ihm nicht trennen - zur Zeit sind sie fest miteinander verwoben.
Mal überhäuft er Dich mit "Liebe" - so es denn eine ist - dann wieder behandelt er Dich wie Dreck.

Meine Liebe ... Du kannst ihn nicht ändern!
Schau Dir an, wie viel Energie Du in ihn steckst.
Du gehst sogar so weit Dich selbst zu degradieren, indem Du Dich mit diesem negativen Wort behaftest: Kontrollwahn!
Oder schaue Dir den Satz mit der "Spionagearbeit" noch mal an ...

DU hast ein schlechtes Gewissen - denkst Du wirklich allen ernstes, dass er wegen seinem Verhalten eines hätte?

Und mit diesem Mann - in der jetzigen Ausprägung seiner Sucht - möchtest Du ein gemeinsames Leben aufbauen?

Ich leugne nicht, dass Angehörige einen gewissen Einfluss auf die Spieler ausüben können.
Dazu gibt es genug Beispiele von Paaren, die den Genesungsweg gemeinsam gegangen sind - auch erfolgreich.

Doch hier haben die Angehörigen klipp und klar auch ihre Grenzen benannt - genauso wie ihre persönlichen Konsequenzen.
Dabei ist zu beachten, dass jede ausgesprochene Konsequenz auch eingehalten werden muss!
Wenn Du drohst ihn zu verlassen (als Extrembeispiel), dann musst Du auch bereit sein dies im Falle eines Verstoßes gegen Deine Regeln auch durchzuziehen.

In der Suchthilfe heisst es immer, dass ein Spieler seinen persönlichen Tiefpunkt erreichen muss, damit er anfängt umzudenken.
Dies bedeutet schlicht, dass wir die Konsequenzen unserer eigenen Handlungen am eigenen Leibe erfahren.
Es bedeutet, dass wir Verantwortung tragen müssen und uns bewegen - etwas tun müssen - wir! Nicht die Anderen - Wir!
Ob Dein möglicher Verlust für ihn die Grenze überschreitet, wird sich wohl erst zeigen müssen.
Zumindest bekommst Du für Dich dann Klarheit.

Was für Regeln für Eure Beziehung würdest Du aufstellen wollen?
Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
Hier geht es zum Samstagsmeeting_ https://us02web.zoom.us/j/87305340826?pwd=UnFyMlB6bkwyTHU3NGVISWFGNSs2

*

Offline Mo von Glückszone

  • **
  • 49
  • Hallo mein Name ist Mo von Glückszone.
    • Glückszone
Re: Wie soll ich mich verhalten?
« Antwort #5 am: 01 Dezember 2018, 16:36:22 »
Hallo Sadsun,

ich gebe Olli zu 100% recht! @Olli sehr guter Beitrag!

Sadsun Du musst Dir wirklich überlegen, ob Du Dein weiteres Leben mit ihm teilen willst. Du sagst, Du liebst ihn also sieht es so aus. Du musst aber auch bedenken, was ist denn wenn ihr einmal verheiratet seid? Oder wenn Mal Kinder im Spiel sind? Dann wird alles nur noch schwieriger und es gibt genug Beispiele, die zeigen, dass Familien komplett durch die Spielsucht zerstört werden.

Wenn Du wirklich mit diesem Mann zusammen bleiben willst, darfst Du ihn nicht mehr auffangen und Dich vor allem nicht selbst in seiner Spielsucht verlieren. Lass ihn auf die Schnauze fallen. Überlege Dir auch einmal, ob eine räumliche Trennung sinnvoll wäre. Getrennte Wohnungen könnten zumindest für Deinen Selbstschutz hilfreich sein. Übernimm nicht seine Fehler und vor allem bezahle nicht seine Rechnungen. Das ist natürlich bei gemeinsamer Miete schwierig. Als ultima ratio  solltest Du Dir überlegen, ob Du ihm die Trennung vorhältst, sollte sich nichts ändern. Vielleicht weckt ihn das auf. Bei mir hat das funktioniert!

Ganz wichtig ist aber, dass Du nicht an SEINER Spielsucht kaputt gehst. Das hilft keinem von euch beiden!

LG
Mo von Glückszone
Mo von Glückszone

Re: Wie soll ich mich verhalten?
« Antwort #6 am: 01 Dezember 2018, 20:12:41 »
Hey,

ich danke euch erst einmal für eure schnellen Antworten!!

@ DOWNUNDER:

Er weiß eigentlich schon, dass er ein Problem damit hat, aber hin und wieder scheint er das komplett zu verdrängen. Oftmals hat er mir auch schon seine Finanzen überlassen und mir bspw. seine Bankkarte überlassen. Ich habe mir deinen Link mal angeschaut. Vieles trifft sicher auf ihn zu, einiges aber sicher auch nicht. Wie gesagt, manchmal reden wir ja sehr offen darüber. Und wenn er dann längere Zeit nicht mehr Spielen war, dann sagt er von sich selber auch, dass das Ganze ziemlich unnötig ist und wie schön er es findet jetzt Geld für Dinge ausgeben zu können, die er sich wünscht. Wir haben beide jetzt gerade erst unser Studium abgeschlossen. So richtig Geld verdient hat er also vorher nicht, nur durch kleinere Nebenjobs. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass er sein eigenverdientes Geld nicht mehr verzocken würde. Aber sicher bin ich mir da nicht.
Ich wünsche dir ganz viel Kraft zum Durchhalten und drücke dir die Daumen.


@nutella:

Danke für den Link, ich hatte mich da auch schonmal auf den Seiten schlau gelesen, werde mich aber noch einmal eingehender damit befassen.


@Olli:

Vielen, vielen Dank für deine ausführliche Antwort und deine guten Schilderungen. Besonders hilfreich ist für mich, dass es für ihn wahrscheinlich einfach nur lästig ist, wenn ich über das Spielen rede. Zumindest in den "akuten" Situationen.
Ich sehe auch vollkommen ein, dass ich meine "Regeln" nicht konsequent genug durchgesetzt habe. Ich habe schon öfter davon gesprochen, dass ich gehen werde, wenn er nicht aufhört. Getan habe ich es aber nie. Ich leide da denke ich auch etwas unter einer Art Helfersyndrom und möchte ihn nicht mit dieser Sache hängenlassen. Bin ich ehrlich, hat er meine Loyalität allerdings eigentlich gar nicht verdient. Schwierig ist aktuell eben nur, dass ich gar nicht weiß, ob er überhaupt spielen war. Es ist ja nur eine Vermutung, die er entweder schäbig lächelnd bestätigt, sodass es auch Ironie sein könnte, oder komplett abtut und mich angreift, warum ich ihn damit nicht in Ruhe lasse.
Kurzum: ich habe ihm nie wirklich die Grenzen aufgezeigt und er hat nie echte Konsequenzen durch sein Verhalten erlebt, da ich ihn immer und immer wieder aufgefangen habe - wenn auch nur kurzfristig und überbrückend. Wenn jedoch schon die zweite Mahnung ins Haus flattert, weil er die Miete nicht überwiesen hat, da kriegt man natürlich Angst und regelt das Ganze. Das ist jetzt allerdings auch schon zwei Jahre her und seitdem hat er seine Finanzen weitestgehend unter Kontrolle.

Ich werde mir deine Worte bzgl. meiner Zukunft mit diesem Mann noch einmal gründlich durch den Kopf gehen lassen. Wenn es nicht immer wieder diese langen Phasen, in denen er wirklich gar nicht spielen geht, gäbe, die mir das Gefühl geben, dass alles gute wird, wäre vieles einfacher. Es gibt ja oft genug diese offenen Gespräche, in denen er mir genau schildert, was in ihm vorgeht, wie er sich fühlt. Es ist ja auch schon Monate her, dass er wirklich spielen war. Wie bei allen Dingen im Leben gibt es ja auch in der Spielsucht kein schwarz und weiss. Er ist, denke ich, in einer Graustufe. Er würde kein Geld stehlen oder Sachen verkaufen, um Spielen zu können. Aber an manchen Tagen hat er auch innerhalb von wenigen Stunden ein paar hundert Euro am Automaten verloren. Soll ich ihn jetzt dazu zwingen sich überall sperren zu lassen? Soll ich ihn dazu überreden eine Therapie zu machen? Sollen das meine Regeln und Bedingungen sein? Ist das nicht ein bisschen zu krass?

@Mo von Glückszone:

Unter diesen Umständen würde ich ihn auf keinen Fall heiraten und erst recht keine Kinder in die Welt setzen. Das weiß er aber auch. Ich würde ihn sehr gerne damit auf die Schnauze fallen lassen. Ist es denn aber nicht sinnvoll schon präventiv einzugreifen? Ist es denn wirklich so, dass ein Spieler erst dann Einsicht zeigen kann, wenn er auf einem Haufen Schulden sitzt und familiär vor dem Aus steht?


Re: Wie soll ich mich verhalten?
« Antwort #7 am: 01 Dezember 2018, 20:25:41 »
@ DOWNUNDER:

Er weiß eigentlich schon, dass er ein Problem damit hat, aber hin und wieder scheint er das komplett zu verdrängen. Oftmals hat er mir auch schon seine Finanzen überlassen und mir bspw. seine Bankkarte überlassen. Ich habe mir deinen Link mal angeschaut. Vieles trifft sicher auf ihn zu, einiges aber sicher auch nicht. Wie gesagt, manchmal reden wir ja sehr offen darüber. Und wenn er dann längere Zeit nicht mehr Spielen war, dann sagt er von sich selber auch, dass das Ganze ziemlich unnötig ist und wie schön er es findet jetzt Geld für Dinge ausgeben zu können, die er sich wünscht. Wir haben beide jetzt gerade erst unser Studium abgeschlossen. So richtig Geld verdient hat er also vorher nicht, nur durch kleinere Nebenjobs. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass er sein eigenverdientes Geld nicht mehr verzocken würde. Aber sicher bin ich mir da nicht.
Ich wünsche dir ganz viel Kraft zum Durchhalten und drücke dir die Daumen.

Also hast du ja schon eine Art Zugang zu ihm. Gehe mit ihm die Fragen doch mal durch, zeige ihm, dass du dir Sorgen machst. Gar nicht vorwurfsvoll, eher verständnisvoll. Vielleicht treffen von den Fragen ja mehr auf ihn zu als du ahnst. Das ganze Ausmaß kennt nur der Spieler selbst. Der Wahnsinn an der Sache ist ja wirklich, dass der Spieler selbst immer denkt er sein nicht süchtig. Bis das in den Kopf gekommen ist wird sich nur eine kurze Änderung einstellen, bis man wieder in alte Muster verfällt (hatte ich auch).

Mit dem eigenen Geld wäre ich mir nicht so sicher, vielleicht gibt ihm gerade das eine Chance mit höheren Einsätzen zu spielen. Leider kann ich nicht ganz so viel dazu beitragen was ihn angeht, da er ja eher ein Spielhallengänger zu sein scheint. Ich war in meinem Leben nur 2-3 Mal in einer solchen Spielhalle. Meine ganze Geschichte spielt sich online ab. In Spielhallen gefällt mir das Klientel einfach nicht. Die Angst an einer Spielothek vorbeizugehen habe ich nicht, die Buden haben mich noch nie angezogen.

Vielen Dank für deinen Zuspruch und bleibt stark!  :)

Wenn dein Freund sich mal austauschen will, mach ihn doch hier auf das Forum aufmerksam, hier sind genug Schicksale zu lesen. Vielleicht findet er sich ja in einigen wieder und wird wachgerüttelt.

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Offline TAL

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  • 539
Re: Wie soll ich mich verhalten?
« Antwort #8 am: 02 Dezember 2018, 05:15:47 »
Hallo Sadsun,

Olli's Post ist sehr gut, das sagt eigentlich alles.

Zitat
Ist es denn aber nicht sinnvoll schon präventiv einzugreifen? Ist es denn wirklich so, dass ein Spieler erst dann Einsicht zeigen kann, wenn er auf einem Haufen Schulden sitzt und familiär vor dem Aus steht?
Das Problem ist, daß, wie bereits gesagt, jedes Eingreifen deinerseits ihn aus seiner Verantwortung entläßt. Du federst die Konsequenzen seines Handelns ab. Einfach gesagt: Es gibt keinen Lernprozeß.

Das muß nicht zwangsweise so sein, es gibt auch Spieler, die vorher aufwachen. Der persönliche Tiefpunkt ist sicher für jeden anders definiert. Bei manchen reicht schon ein Schlüsselereignis aus, sich zu fragen "Was mache ich hier eigentlich?", andere, wie ich, müssen erst kopfüber im Scherbenhaufen landen, um zu raffen, daß die prekäre Schieflage eine Eigenkreation war.
In jedem Fall aber weiß nur er allein, wenn und wann dieser Moment gekommen ist.

Downunder's Bedenken sind, denke ich, auch berechtigt. Wenn er selber Geld verdient, hat er mehr zur Verfügung. Das ist nicht unbedingt eine positive Sache... Das Problem ist nämlich, daß man den Wert von Geld, und wofür es eigentlich 'gedacht' ist, zusehends aus den Augen verliert. Irgendwann ist es nur noch 'Mittel zum Zweck', um einen Drang, eine innere Unruhe, zu befriedigen.

So seltsam das auch klingen mag, aber Spielsucht ist letztlich absolut kein finanzielles Problem, Geld hat damit wenig zu tun. Es wird nur benötigt, um die Sucht auszuüben. Somit spielen die Summen, und auch die zeitlichen Abstände, eher eine untergeordnete Rolle.

Zitat
Soll ich ihn jetzt dazu zwingen sich überall sperren zu lassen? Soll ich ihn dazu überreden eine Therapie zu machen? Sollen das meine Regeln und Bedingungen sein? Ist das nicht ein bisschen zu krass?

Nein. Überreden ist immer schlecht. Er gibt dann nämlich irgendwann nach, damit du zufrieden bist, ihn in Ruhe läßt, und nicht mehr so genau hinsiehst. Du kannst ihm sagen, was in diese Richtung möglich ist, und daß du ihn unterstützt, sollte er sich dazu entscheiden, aber ob er das wahrnimmt, liegt an ihm.

Es geht dabei eher um alltägliche Dinge, das 'Miteinander', also respektvoller Umgang, keine Lügen, keine Manipulationen, keine Geheimniskrämerei. Dinge, die eigentlich selbstverständlich sein sollten.
Und natürlich seinen Beitrag zu anfallenden Kosten und für andere Dinge. Wenn er kein Geld hat, muß er beim nächsten Treffen mit Freunden in der Bar nebenan halt zu Hause bleiben...

Du solltest dich selbst bei alldem nicht aus den Augen verlieren. Du hast getan, was du konntest, den entscheidenen Schritt kannst du nicht für ihn gehen.
« Letzte Änderung: 02 Dezember 2018, 05:17:51 von TAL »

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Offline Mo von Glückszone

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  • Hallo mein Name ist Mo von Glückszone.
    • Glückszone
Re: Wie soll ich mich verhalten?
« Antwort #9 am: 03 Dezember 2018, 22:47:01 »
Präventiv ist hier sowieso schon nicht mehr möglich, denn er ist ja schon spielsüchtig. Wenn Du es so sehen möchtest, wäre es zumindest teilweise präventiv, wenn Du ihm die Trennung in Aussicht stellst, sollte er nichts unternehmen.

Wie hier schon gesagt wurde, hat jeder Spieler seinen individuellen Tiefpunkt, den er erst erreichen muss. Bei dem einen kommt das früher, bei dem anderen später. Es bauen auch nicht alle Spieler Schulden auf. Es gibt auch vermögende Spieler, die ihr gesamte Vermögen verzocken und dann realisieren, was sie gemacht haben (Tiefpunkt erreicht).

Du musst vor allem wirklich konsequent sein und auch bleiben. Mal hier ein bisschen Kontrolle und dann mal dort wieder ein bisschen Argwohn funktioniert nicht. Spieler sind eigentlich immer auch ziemlich gute Lügner. Das Meiste bekommst Du gar nicht mit. Erst wenn es wirklich schlecht läuft, offenbart sich der ein oder andere, weil er vor allem eins braucht: Geld! Ein ganz netter Bonus ist es, sich Mal ein bisschen den Müll von der Seele zu quatschen aber auch nur, bis es wieder ein wenig besser läuft. Eine längere Gewinnphase lässt einen ganz schnell die negativen Seiten vergessen, die eigentlich alltäglich sind.

Es ist wirklich nicht einfach für Angehörige, denn sie sind einfach hilflos. So wirst Du Dich auch fühlen.

Du bekommst hier Einblick in die Gedankengänge Deines Freundes, zumindest ein Stück weit, denn jeder Mensch ist anders. Versuche die Ratschläge umzusetzen und schaue, welche Resultate Du damit erreichen kannst.

LG
Mo von Glückszone

Mo von Glückszone

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Offline taro

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  • 726
Re: Wie soll ich mich verhalten?
« Antwort #10 am: 03 Dezember 2018, 23:27:16 »
Moin Sadsun,

ich habe den Spieler in mir den Namen Eugen gegeben. Den Spieler und den nicht Spieler in mir zu trennen hilft einiges deutlich zu machen. Ich bringe z.b. Tiere wie z.b. Spinnen oder Fliegen lebend nach draussen. Ich kann im warsten Sinne des Wortes keiner Fliege etwas zu leide tun. Ganz anders Eugen. Eugen war bereit um an Suchtmittel Geld zu kommen, anderen grossen Schaden zuzuführen.
Nun ist es so, umso schlechter es Eugen geht, umso besser geht es mir und umso intensiver kann ich mich auf das Leben einlassen. Das bedeutet,  es ist gut für mich wenn Eugen keine Gnade erhält. Entschlossene Härte gegen Eugen, ob von mir oder von anderen ist letztlich gut für mich.
Das heißt ein ausgewechseltes Schloss von meiner Freundin und eine Nacht auf der Fußmatte hat mich schlagartig zu einer anderen Sichtweise meiner Situation gebracht. Für tatsächliche Maßnahmen hat es dann doch nicht gereicht, weil ich dachte jetzt kann ich endlich wie ich will. Mein Abstieg beschleunigte sich rasant.

Du solltest Ihn nicht kontrollieren,  damit tust Du Dir nichts gutes. Du darfst erwarten, daß er etwas gegen seine Krankheit unternimmt,  Beratungsstellen, Selbsthilfegruppen, stationäre Therapie. Macht er nichts, musst es Konsequenzen geben, von alleine verschwindet die Spielsucht nach 7 Jahren mit Sicherheit nicht.

Wenn er sich auf den Weg macht, ein spielfreies Leben zu wagen, kannst Du Ihn begleiten. Auf dem Weg wird sich einiges ändern von dem Du auch betroffen sein wirst. Entweder setzt Du Dich auch in Bewegung,  oder Du bleibst zurück,  dazwischen gibt es eigentlich nichts. Ihr könnt natürlich auch da bleiben wo Ihr seit 7 Jahren seid.

Ihr habt die Wahl.

Taro


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Offline Mo von Glückszone

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  • Hallo mein Name ist Mo von Glückszone.
    • Glückszone
Re: Wie soll ich mich verhalten?
« Antwort #11 am: 05 Dezember 2018, 21:28:44 »
@Taro

das mit dem Spieler und Nicht-Spieler trennen, finde ich einen interessanten Ansatz. Dann ist das Ziel, den Spieler in einem so zu knechten, dass er gar nichts mehr zu melden hat - nie wieder!

Ich könnte mir aber auch vorstellen, dass Demütigung zu einer Trotzreaktion führen könnte und dann zu einer Scheiß-egal-Haltung. Das wäre aber auf jeden Fall einen Versuch Wert für SadSun.

LG
Mo von Glückszone
Mo von Glückszone

 

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