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Sofortmassnahmen bei Spieldruck

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Sofortmassnahmen bei Spieldruck
« am: 30 Oktober 2017, 12:12:28 »
Hallo zusammen!
 
Mein erster Post.
Kurz zu mir: Bin Mitte 40, selbständig und hänge seit mehreren Jahren am Automaten. Die Dosis hat sich (wie wohl üblich) gesteigert. Bei mir recht langsam. Spiele nur in der Kneipe, lass die Finger von der Risiko-Leiter, setze selten mehr als 50 Cent pro Umdrehung. Lauter so Zeug mit dem man sich vorgaukelt „vernünftig“ zu spielen.

Was ich bisher veranlasst habe:
Mich über mehrere Monate mit dem Gedanken angefreundet, eine SHG und/oder Therapie aufzusuchen.
Das ist ein beschissen langwieriger Prozess bei mir. Allein, mich in diesem Forum anzumelden, hat ewig gedauert und ich bin tatsächlich stolz auf diesen Baby-Schritt.

Ein paar ausgesuchten Freunden gegenüber die Hosen runter gelassen.
War extrem schwierig!

Ein paar Monate tatsächlich spielfrei geblieben. Dann … Rückfall.

Ein reines Guthaben-Konto eingerichtet und die Bankkarte direkt einer Person meines Vertrauens ausgehändigt.

Im Folgenden will ich hier mal ein paar Sofortmaßnahmen hinschreiben. Dinge die in den spielfreien Monaten ganz gut funktioniert haben, sowie Dinge, die ich mal ausprobieren möchte. Würde mich über Kommentare / Anregungen freuen. Gerne auch nach dem Motto: „Also, dies und das hat bei mir gar nicht funktioniert.“
Nebenbei: Ich schreibe hier Du-Botschaften (Mach dies, tu das, du musst jenes tun…) Das bedeutet, dass ich in erster Linie mit mir selber rede. Das sollen keine konkreten Handlungsanweisungen für andere sein!

Sofortmaßnahmen bei Spieldruck:

1 – Atmen. Innehalten. Beobachten. (evtl. aufschreiben)
Werde dir klar, was hier gerade abgeht. Nimm es erst mal „neutral“ an. „Ach, da ruft das Monster wieder. Okay. Was mach ich jetzt? …“ (Ich nenne den Automaten für mich Monster)

2 – Situation verlassen.
Zu Hause: Geld liegenlassen und rausgehen.
Draußen: Möglichst nach Hause gehen und Geld wegbringen. Ansonsten: Spielfreien, sicheren Ort aufsuchen.

3 – Beschäftigung / Ersatzhandlung aufnehmen
Das sollte keine Ersatzdroge sein. Nach dem Motto: „Okay, dann sauf ich mir einen oder gucke 6 Stunden Youtube, oder so.“ Lass dir was einfallen! Ideen ...?

4 – Versuche wahrzunehmen, ob und wann der Druck nachlässt. Möglichst Protokoll führen.

5 - Selbsttäuschungen und Fallen erkennen:
„Ich gehe mal eben einkaufen. Nehme mal 50,- mit“
… was wird wohl passieren …?
„Ich geh nur ein Bier trinken. Hab ja nur 20,- einstecken.“
… Wenn du nur ein Bier trinken willst, dann nimm auch nur 4,- (oder was das kostet) mit …
„jetzt war ich so lange brav, da wird ein Zehner nicht schaden.“
… Ja, nee, is klar … ,-)
„Ich hab eh kaum noch Geld; also, drauf geschissen! Vielleicht krieg ich ja den Jackpott.“
… Super gefährlich. Bei mir ein Haupt-Auslöser! …

In der Regel bemerke ich diese Selbsttäuschungen selber! Das ist ja der Irrsinn an der Sache: Man steht irgendwie neben sich, beobachtet sich und landet doch wieder vor dem Ding. Wie kann ich standhalten?
Habt ihr noch Ideen / Strategien? Und – ja – die Nummer von der SHG liegt schon hier. Ich bin dran! Auch hier gerne Ideen / Strategien, wie ich über Scham, falschen Stolz und den ganzen Kram wegkomme …

Ach so, noch kurz zu meinem Benutzer-Namen. Da hängt keine religiöse, satanistische, esoterische oder sonstige Sache dran. Habe irgendwo gehört, dass das griechische (oder altgriechische?) Wort für Glück,  einfach in etwa bedeutet: Frei von Dämonen sein. … Da würde ich gerne hin.
Danke

Re: Sofortmassnahmen bei Spieldruck
« Antwort #1 am: 30 Oktober 2017, 14:36:43 »
Habt ihr noch Ideen / Strategien? 

Hm... Dämonenlos,
ich z.B hatte anfänglich überhaupt keine Ahnung wie ich meine Sucht angehen würde und ebenso wie du habe ich mich hier angemeldet, habe meinen Kram herunter getackert und dann mal schauen was passiert.
Das einzige was ich wusste, ich wollte diese verdammte Sucht loswerden und hierfür war mir jedes probates Mittelchen recht.

Also ein kleiner Beitrag geschrieben (irgendwo steht er hier im Forum) und dann (hier) sehr viel gelesen.
Beiträge satt und schnell stellte sich heraus das ich nicht der einzige bin, wenigstens nicht der einzige mit das Problem Spielsucht.
Wie gesagt hier gelesen frei nach dem Motto, lese und schreibe ich hier, kann ich auch nicht spielen und jetzt mal schauen/lesen wie es andere so ergangen ist, schließlich mache ich ungerne fehler, also hinein mit den Beiträgen.
Kann jetzt nicht behaupten das ich anfänglich viel von den Beiträgen verstanden habe...jeder hat so seine eigene Geschichte, aber eins kristallisierte sich verdammt schnell heraus, diese Sucht und erst recht der Ausstieg duldet keine Fehler...es galt wie du es schon beschrieben hast, sehr achtsam zu sein.
Meine Achtsamkeit bestand überwiegend daraus das ich mich als zwei Personen in einen Körper sah...der eine mein wahres ich und der andere war halt der Spieler.
Beide redeten auf mich ein, der eine linke Bazille und der andere naja, der wusste auch noch nicht so recht was jetzt abgeht, aber was sollte ich, ich wusste mein Austieg wird nur funktionieren, wenn ich es schaffe beide von einander zu trennen.
Ich habe mich von Anfang an bzw. Jahrelang damit beschäftigt herauszufiltern wer ich bin, also mein Wahres ich  -und wer dieser verfluchte Spieler ist.
Diese verdammte innere stimme, ich hoffe du verstehst was ich meine ;) und auch wenn sich das ein bisschel irre anhört, dass war halt mein anfänglicher Weg.

Achja und vor das ich jetzt komplett abschweife und was deine Frage betrifft, ich habe mir von Anfang an klar gemacht das ich in diesen Leben niemals mehr spielen werde bzw darf, heute sieht das schon wieder ganz anders aus, allerdings steht das auf ein anderes Blatt...
Ähnlich Felix Baumgartner in dessen Lage ich mich damals hineinversetzt habe, dass Bild noch vor den Augen wie er damals noch zweifelte, aber letztendlich ist er doch gesprungen(Stratosphärensprung) -und es gab für ihm kein zurück mehr, ebenso für mich auch nicht.

So ähnlich bin ich das Ding angegangen, redete mir ein das es auch für mich kein zurück mehr gibt und letztendlich (als Spieler Jahrzehntelang geübt ;)) habe ich auch noch das geglaubt was ich mir eingeredet habe.

Suchtdruck, ich blieb auch nicht verschont...ein mieses Gefühl, eins das ich aushalten musste!

Heute ist das spielen allerdings für mich kein Ding mehr...könnte jederzeit spielen und es gibt auch niemand und nix mehr wo ich mich jetzt noch für rechtfertigen bzw. Rechenschaft ablegen müsste  ...schließlich habe damals "ALLES" brav verspielt.

So gesehen habe ich mich selber neu erzogen, du darfst keine giftige Pilze essen, weiß ich -du darfst nicht vom Hochhaus springen ansonsten ist es dein letzter Sprung, weiß ich -mitm Auto gegen Baum, ok wird auch nicht gut ausgehen, also lasse ich...alles diese Dinger die ich schon wusste, wurden ergänzt mit:  "Du darfst nicht mehr spielen"...

Wie gesagt....so bin ich meine Sucht angegangen, aber ein jeder wird wohl seinen eigenen Weg finden müssen, Patentrezept = Fehlanzeige :)

Gruß wo immer auch hin... meiner kommt aus dem langweiligen Wietmarschen  :D

Rainer
« Letzte Änderung: 30 Oktober 2017, 15:52:21 von Freitagessen »

*

Offline Olli

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Re: Sofortmassnahmen bei Spieldruck
« Antwort #2 am: 30 Oktober 2017, 17:41:59 »
Hi und herzlich willkommen!

Als ich nach etwas über 20 Jahren mal wieder gerade meinen Monatslohn fast verspielt hatte, habe ich einen Entschluss gefasst: Du wirst nicht mehr spielen. Du wirst nicht mehr lügen. Du wirst brav sein und nur noch Gutes tun ... :-)

Ein paar Wochen später schleppte mich mein Schwager nach langen Überredungen in die SHG.

Dort war ich Jahre zuvor schon einmal, doch mehr als Alibi vor mir selbst.

In der Gruppe, in der ich nun zuhörte, lernte ich schnell, dass "nicht mehr spielen" und "nicht mehr lügen" Negationen sind, die mich unter Druck setzen.
"Ich werde spielfrei sein" und "ich werde aufrichtig sein" - weil ich es mir erlaube!

Ich möchte mich ändern, damit es mir gut geht!
Und das immer nur für die nächsten 24 h.

Ein dreiviertel Jahr ging ich zur SHG.
Sie hat mir in der Anfangszeit meiner Abstinenz unwahrscheinlich viel Input gegeben.
Es waren nicht etwa Dinge, die ich nicht wusste.
Ich bekam nur einen anderen ... teilweise auch überhaupt erst einen Blickwinkel auf diverse Themen.
Das ganze Gerede über "mich" und meine Gefühle - meine Gedanken - war mir doch total zuwider gewesen.
In der Gruppe durfte ich lernen, dass ich seht wohl wichtig genug war, um mich zu thematisieren.
Dort war ich auch weder mit meinen Gedanken, noch mit meinen Gefühlen alleine.
Wo ich doch tatsächlich einst intuitiv dachte, ich wäre der einzige Mensch, der tatsächlich so denkt und fühlt wie eben ich - lernte ganz schnell meine Meinung zu ändern.

Ich erinnere mich noch ziemlich genau an den ersten Besuch der SHG.
Bereits vor der Tür wurden ein paar belanglose aber nette Worte gewechselt, die mein Eis zum Schmelzen bringen sollten.
Ich war "der Neue" ... und so erzählte jeder im Meeting über sich.
Erst später realisierte ich, dass jeder auf seine Weise und mit seiner Geschichte auf meine damalige Situation eingegangen ist.
Auch später noch nahm ich das Gehörte mit nach Hause ... als Hausaufgabe für mich selbst.
In dieser Gruppe sagte keiner "Du sollst" ... "Du musst" ... oder dergleichen.
(Sollte ich hier mal den Eindruck erwecken ... lese Deine eigenen Zeilen diesbezüglich - sie könnten von mir stammen :-) )
"Nimm mit aus der Gruppe, was Du gebrauchen kannst - den Rest lasse vorerst liegen" lautet die Devise.

Leider fluktuierte der Zustrom an neuen Teilnehmern sehr stark, so dass immer wieder von vorne begonnen wurde, um eben diese Menschen ein wenig zu stützen.
So kam es, dass tiefer gehende Gespräche zur Seltenheit wurden.
Mittlerweile fieberte ich aber danach und so wechselte ich von der SHG zu den SHFs.

Meine SHG-Gruppe ist nicht symptomatisch für alle Gruppen.
Doch die Resonanz von Mitgliedern in SHFs, die über Deutschland, Österreich und die Schweiz verteilt leben, in nun über 11 Jahren zeigt, dass die große Masse durchweg positive Erfahrungen gemacht hat.

So will ich Dir die Angst gerne nehmen dort hin zu gehen.

Wie so oft in verschiedensten Situationen sollten wir einfach mal auf die Angst pfeifen und schlicht und ergreifend einfach handeln.

Wir machen es für uns alleine ... für niemanden sonst!
 
Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
Hier geht es zum Samstagsmeeting_ https://us02web.zoom.us/j/87305340826?pwd=UnFyMlB6bkwyTHU3NGVISWFGNSs2

Re: Sofortmassnahmen bei Spieldruck
« Antwort #3 am: 30 Oktober 2017, 18:37:22 »
Lieber Olli, danke für die Antwort!
"... Negationen sind, die mich unter Druck setzen.
"Ich werde spielfrei sein" und "ich werde aufrichtig sein" - weil ich es mir erlaube!"


Stimmt - da war so was... Positive Affirmationen - nennt man das in diesen Selbsthilfe-Schmökern. Und das ist echt extrem hilfreich! Es ist nur so beschissen einfach, dass daraus ein "sich in die Tasche lügen" wird. ... Meine ich wirklich ernst. Ich glaube echt daran. Aber ich glaube auch: Da ist ein schmaler Grat.

Und dann noch die Frage: Was sind jetzt SHFs im Gegensatz zu SHGs. Kenne diese Abkürzung nicht.

Und dann noch: Danke an Freitagessen. Da ist viel in deiner Antwort, was ich "brauchen" kann.

Und dann noch: Die Zitier-Funktion krieg ich auch irgendwann in den Griff ...

Danke

*

Offline Olli

  • *****
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Re: Sofortmassnahmen bei Spieldruck
« Antwort #4 am: 30 Oktober 2017, 19:58:36 »
Hi!

Online: Selbsthilfeforum

Offline: Selbsthilfegruppe

Zitat
Stimmt - da war so was... Positive Affirmationen - nennt man das in diesen Selbsthilfe-Schmökern. Und das ist echt extrem hilfreich! Es ist nur so beschissen einfach, dass daraus ein "sich in die Tasche lügen" wird. ... Meine ich wirklich ernst. Ich glaube echt daran. Aber ich glaube auch: Da ist ein schmaler Grat.

Ja ist es ... aber es ist ja auch nur ein Baustein von vielen ...

Was Du Dir für Wörter merken kannst ...  ;D
Gute 24 h
Olaf


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