Unterstützen Sie unsere Arbeit Jetzt spenden!
Hallo Gast
Online-Selbsthilfegruppen Glücksspielsucht
» Mittwochsgruppe    |    » Samstagsgruppe
     

Tipps für Angehörige??

  • 10 Antworten
  • 7191 Aufrufe
Tipps für Angehörige??
« am: 13 Dezember 2017, 09:38:03 »
Hallo zusammen,

ich bin noch ganz neu, was die Thematik angeht, habe mich aber schon ein wenig durch's Forum geklickt.

Kurz zu meiner Situation: mein Bruder ist spielsüchtig, zum zweiten Mal (wenn man das so sagen kann). Vor drei Jahren ist es durch Zufälle rausgekommen, er war damals noch sehr jung (U20) und der ganze Freundeskreis ist regelmäßig in Spielhallen gegangen, um dort "ein bisschen zu zocken". Einige wirklich nur aus Spaß, bei anderen hat sich daraus eine Sucht entwickelt. Als es rauskam, haben unsere Eltern die Schulden beglichen, ihn engmaschig (finanziell) kontorolliert etc. und es schien, als wäre alles in Ordnung. Drei Jahre hat dieser Zustand gehalten.

Jetzt der Rückschlag: mein Bruder hat sich in den letzten Wochen öfters kleinere Summen von Geld geliehen ("Weihnachtsgeschenke kaufen und so"), aber als es komische Ausreden beim zurückzahlen gab ("Die Bank hat einfach nicht abgebucht") bin ich misstrauisch geworden. Zusammen mit meinen Eltern, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben in den letzten Wochen, haben wir ihn mit unserem Verdacht konfrontiert und er ist zusammengebrochen und hat alles zugegeben. Die finanziellen Ausmaße sind dieses Mal noch deutlich gravierender als beim letzten Mal.

Glücklicherweise ist unsere Familie in der komfortablen Lage ihm alle Schulden sofort vorzustrecken, damit er sich auf der Ebene "resetten" kann und den Kopf frei hat, um das eigentliche Problem anzugehen. Dieses Mal hat er das Geld im Internet verzockt (Online Automatenspiele). Er ist ein intelligenter Typ, der auch währenddessen immer wusste, dass er da gerade ganz großen Mist fabriziert, aber es ist bekanntlicherweise ein Teufelskreis.

Meine Frage an euch: was können wir als Angehärige nun tun und was sollten wir auf keinen Fall tun? Mein Bruder hat bereits eingewilligt sich professionelle Hilfe zu suchen. Er wird heute die Beratungsstellen anrufen und einen ersten Termin machen, bei dem ich ihn begleiten werde. Wenn ich mich nicht komplett täusche (und seine Aussagen nicht gelogen sind), dann glaube ich nicht, dass eine große Gefahr besteht, dass es ihn jetzt wieder überkommt und er wieder spielen würde. Diese "psychische Abhängigkeit" im Sinne von "ich muss das jetzt machen, sonst kann ich an nichts anderes mehr denken" sehe ich bei ihm nicht. Ich frage mich nur, ob man als Angehöriger darauf vertrauen sollte um denjenigen auch nicht völlig zu bevormunden oder ob es für den Anfang besser ist dies zu überwachen (er hat dem bereits zugestimmt, weil er sich nach seinen Aussagen sicher ist, dass nichts passiert). Ich habe von dieser K9 Software gelesen - ist das zu empfehlen? (Er arbeitet im HomeOffice, heißt ist 5 Tage die Woche viel am PC und völlig auf sich allein gestellt, sodass seine Möglichkeit zu spielen da natürlich sehr groß ist, wenn er denn wollte).

So wie gestern habe ich meinen Bruder noch nie erlebt. Er ist ein kompetenter Typ, mit einer tollen Freundin, einem guten Job, einem riesigen Freundeskreis... Aber gestern war er ein "gebrochener Mann". Ich möchte ihm gerne helfen. Klar, den Weg muss er alleine gehen. Er muss seinen Problemen auf den Grund gehen, aber ich würde ihn gerne dabei unterstützen.

Vielen Dank für's lesen - ich bin über jeden Rat bzw. Tipp dankbar!!

Re: Tipps für Angehörige??
« Antwort #1 am: 13 Dezember 2017, 11:12:42 »
Hallo Schwester,

das ist sehr lobenswert, dass du dir die Mühe macht und recherchierst wie du deinem Bruder helfen kannst. Das ist auch wichtig und richtig so !

Ganz wichtig meinen Erfahrungen nach als Spieler ist es keinen Situationen ausgesetzt zu sein, die sehr negativer Emotionen zur Folge haben, denn das war immer mein Katalysator zum Zocken gewesen.

Empathie, Geduld und Gespräche vom Herzen können Wunder vollbringen.

Zeigt Ihm ein Szenario auf, was die Spielsucht und dessen Auswirkungen für seine Zukunft bedeutetn könnten (finanziele Probleme, Lügen, Isolation, Depression etc.)...ganz wichtig hier es ruhig anzugehen und ihn nicht unter Druck zusetzten und ihm ein Ultimatum stellen.

Die Schutzsoftware funktioniert leider nicht bei mobilen Endgeräten, sodass er da ausweichen könnte.

Von Person zu Person ist die Suchtbewältigung ganz unterschiedliech, bei allen gemeinsam würde ich jetzt behaupten ist das REDEN ! Sei es bei Therapeuten, SHG, Freunde, Familie...

Ich wünsche alles Gute auf diesem Wege.

Beste Grüße

Re: Tipps für Angehörige??
« Antwort #2 am: 13 Dezember 2017, 11:52:50 »
Lieben Dank Bublik, für deine Antwort.

Ich glaube das haben wir gestern schon ganz gut hinbekommen. Die ganze Familie (seiner Freundin will er es in ein paar Tagen erzählen) hat ganz "behutsam" aber bestimmt reagiert, um ihm nicht noch das Gefühl zu geben ein "Versager" zu sein. Das ist nämlich sein größtes Problem an der Sache. Er fühlt sich, als habe er alle um sich herum enttäuscht.

Ich werde mich auch demnächst mit ihm hinsetzen und einen "Finanzplan" erstellen. Er muss ein Gefühl dafür bekommen was im Monat reinkommt und was rausgeht. Ich glaube diesen Überblick hat er im Schuldensumpf verloren. Da war er mehr damit beschäftigt seine Schulden von A nach B zu schieben, damit niemand Verdacht schöpft.

Kommt hier jemand aus dem Raum PLZ 4 und hat Tipps für gute Beratungsstellen / Therapeuten?

*

Offline Olli

  • *****
  • 6.756
Re: Tipps für Angehörige??
« Antwort #3 am: 13 Dezember 2017, 13:03:16 »
Hi Schwester!

Herzlich willkommen!

Wenn Dein Bruder online gespielt hat, dann soll er sich umgehend mit dem Thema Chargeback befassen.
Vielleicht lässt sich ja noch was retten ...

Wenn er ihm das Geld vorstreckt, dann macht mit ihm einen Rückzahlungsplan aus.
Er soll hier die Konsequenzen seiner Handlungen schon spüren - es muss aber auch noch Raum genug vorhanden sein, dass er sich mit seinem Geld auch belohnen kann. (neue Hose, ein Kinobesuch etc.)
Informiert Euch da auch in der Beratungsstelle über ein Geldmanagement.

Du fragst, was Du noch tun kannst ...
Nun, es gibt Familien, die die Sucht als solche gar nicht akzeptieren - Vorhaltungen machen und den Süchtigen im Grunde "alleine" lassen.
Ihr jedoch seit für ihn da. Er konnte sich Euch, zwar unter Zwang, anvertrauen und sich öffnen.
Ihr werdet erneut das Geldmanagement mit ihm zusammen vornehmen.
Du begleitest ihn zur Suchtberatung.

Mir wurden jetzt zwei Begriffe nahe gelegt, die eigentlich jeder kennt.

In einer echten Familie findet man Schutz und Geborgenheit.

Wenn ich Deinen Beitrag so lese, dann kann er dies bei Euch finden.
Helft ihm dabei dies auch zu erkennen.
Das ist schon eine ganze Menge, was Ihr für ihn tun könnt!

Lasse ihn auch ein wenig arbeiten ...  :D

Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
Hier geht es zum Samstagsmeeting_ https://us02web.zoom.us/j/87305340826?pwd=UnFyMlB6bkwyTHU3NGVISWFGNSs2

Re: Tipps für Angehörige??
« Antwort #4 am: 13 Dezember 2017, 13:33:31 »
Danke, Olli! Ich habe schon ein wenig zu Chargeback gegoogelt, aber noch nicht ganz verstanden, was das genau ist.

Kannst Du mir kurz erklären was genau dahinter steckt und wie ich das am besten angehe (ist vieles über Paypal gelaufen oder direkte Abbuchungen).

*

Offline Olli

  • *****
  • 6.756
Re: Tipps für Angehörige??
« Antwort #5 am: 14 Dezember 2017, 06:35:00 »
Hi Schwester!

Schau mal hier: http://www.forum-gluecksspielsucht.de/forum/index.php/topic,2484.0.html

Der Thread ist zwar etwas länger, es steht aber alles Wichtige drin.

Ihr könnt bei PP das Reekmann-Schreiben nutzen - bei den Überweisungen den Musterbrief von Lenné, den Ihr Euch dort aber erst kostenlos bestellen müsst.
Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
Hier geht es zum Samstagsmeeting_ https://us02web.zoom.us/j/87305340826?pwd=UnFyMlB6bkwyTHU3NGVISWFGNSs2

Re: Tipps für Angehörige??
« Antwort #6 am: 17 Dezember 2017, 10:30:20 »
Hallo zusamnen,

ich hätte mal eine Frage zu dem Schreiben an Paypal, soll sowas per Post oder E-Mail verschickt werden?

Danke.

*

Offline Olli

  • *****
  • 6.756
Re: Tipps für Angehörige??
« Antwort #7 am: 17 Dezember 2017, 15:31:18 »
Hi!

Welches Schreiben?
Du kannst denen natürlich eine Mail schreiben - manchmal reicht das schon.

Aber: Möchtest Du es denn rechtsicher zugestellt wissen? ... auf Nummer sicher gehen?
Dann bleibt ja wohl nur das Einschreiben mit Rückschein.
Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
Hier geht es zum Samstagsmeeting_ https://us02web.zoom.us/j/87305340826?pwd=UnFyMlB6bkwyTHU3NGVISWFGNSs2

Re: Tipps für Angehörige??
« Antwort #8 am: 17 Dezember 2017, 15:59:15 »
Hallo Olli,

ich meine das Schreiben vom Anwalt Lenne was auf deren Interseite kostenlos zur Verfügung gestellt wird.

Eine konkrete Email Adresse von Paypal find ich auch nicht so richtig. Die eine funktioniert auch nicht mit service@paypal.de.

Bin auch neu hier und hab mich auch schon gut belesen zu verschiedenen Themen. Bin echt ratlos was richtig ist zu tun. :-\


*

Offline Olli

  • *****
  • 6.756
Re: Tipps für Angehörige??
« Antwort #9 am: 17 Dezember 2017, 17:02:47 »
Hi!

Naja ... gehe auf Nummer sicher und mache eben das Einschreiben mit Rückschein!

Du weisst aber sicherlich, dass ein Chargeback Dir den Druck des finanziellen Desasters nimmt - Dir damit aber noch nicht geholfen ist, das Spielen einzustellen - nicht wahr?

Magst Du nicht ein wenig über Dich erzählen?
Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
Hier geht es zum Samstagsmeeting_ https://us02web.zoom.us/j/87305340826?pwd=UnFyMlB6bkwyTHU3NGVISWFGNSs2

Re: Tipps für Angehörige??
« Antwort #10 am: 18 Dezember 2017, 09:21:58 »
Vielen Dank für Eure Nachrichten.

Ich habe mich am Wochenende mal mit den tausenden von Paypal Buchungen auf dem Konto meines Bruders auseinandergesetzt, garnicht so einfach.... Ich will das Thema "Rückbuchen von Transaktionen" nun auch nicht zum Hauptthema machen, Kern des ganzen soll sein, dass er sein (psychisches?) Problem angeht (er hat einen Termin in einer Klinik mit Spezialisierung auf Glücksspielsucht ausgemacht, leider erst am 11. Januar).

Eine Frage habe ich dennoch: die Hauptabbuchungsquelle ist "Quasar Gaming" mit Sitz auf Malta. Hier würde ich tatsächlich gern das Lenne Schreiben ausprobieren und Paypal auffordern die Zahlungen zurück zu erstatten. Ich habe mir hier den Zeitraum der letzten drei Monate ausgesucht - ist das realistisch? Ich nehme an längere Zeiträume sind noch schwieriger durchsetzbar oder? Aber noch wichtiger: berücksichtige ich auch "Gewinne"? Oder lasse ich die ganz dreist aus? Auch im Saldo geht es hier um knapp 4000€. Wenn ich die Gewinne ignoriere, ist die negative Summe natürlich noch deutlich höher.

Hat hier jemand eine Empfehlung?

DANKE im Voraus

PS: Mein Bruder bekommt dieses Geld im Falle einer Rückerstattung natürlich nicht "zu Gesicht", das geht dann direkt in die Schuldentilgung bei unseren Eltern...

 

Wir danken dem AOK Bundesverband für die Finanzierung des technischen Updates dieses Forums