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Verlorene Kindheit

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Offline andreasg

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Verlorene Kindheit
« am: 03 August 2007, 00:40:21 »
Ich bin Andreas, bin Spieler, mehrfach süchtig,  ich bin meiner Destruktivität gegenüber machtlos und ich bin Gottes geliebtes Kind.
Ich stelle diesen Tread ein in Liebe zu meinen beiden Schwestern und ich denke jetzt an Euch.
Ich erinnere mich noch an die einfache Rote Spielzeugeisenbahn, ein paar Plastikteile, aneinandergeschweißt, auch die Räder, sie bewegten sich nicht. Aber das war mir egal. Es war das erste Geschenk an mich an das ich mich erinnere. Ich war 3 Jahre alt. Der Vater holte uns (meine Schwester Ute und mich)aus dem Kinderheim ab, in dem wir 18 Monate lang waren. Ich kannte ja bisher nur diese Welt. Die Bettenreihen mit weißem Bezug - aber ohne Kopfkissen, die schwere Holzbank auf der wir Mittags unsere Graupensuppe aßen. Und Schwester Adalberta. Sie war allgegenwärtig!
Als wir wieder als Familie vereint in einem alten Pferdestall, den der Vater zur Wohnung umbaute am Stadtrand lebten. Die Mutter hatte sich von ihrer TBC in der Lundenheilklinik erholt , da liefen Ute und ich immer wenn möglich mit einem Schuhkarton auf dem Kopf rum und spielten: Schwester Adalberta!
Was wußten wir beiden Kinder davon, daß der Vater keine feste Arbeit hatte, weil er jede Anstellung verweigerte, kein Geld verdiente, Kunst studierte und eine Studienreise nach Spanien - Galizien unternahm. Was wußten wir Kinder davon, daß die Oma, Mutter der Mutter uns nicht aufnehmen wollte weil wir die Kinder des verhassten Mannes waren, der Ihre Tochter raubte. Was wußten wir, daß meine Mutter chronisches Asthma hatte, weil Ihre Mutter ihr den Atem nahm. Und der Opa, der seine Gastwirtschaft in die Pleite trieb, so daß wir in dem kleinen Hotel keine Wohnung mehr hatten. Die andere Oma und der andrere Opa lebte in der DDR, (vor 2 Jahren habe ich das erste Mal Bilder der Elten meines Vaters gesehen) Wir lebten in der Küche , in dem Pferdestall, jetzt war es um 1955 eben sehr ruhig. Mein Vater brauchte die Stube für seinen ersten großen Auftrag als Graphiker. Ich erinnere mich genau an die Riesen Coullage! Als der Auftrag fertig war - fuhr er nach Sylt, Kampen auf Sylt!
Da ich ja noch jung war , war es praktisch, die Kleidung meiner Schwester aufzutagen, die ihr nicht mehr passte. Ute ist 14 Monate älter als ich und benimmt sich eh' wie eine Junge!Und die nette Frau vom Edeka - Laden. Mutter konnte dort immer anschreiben, wenn kein Geld da war. Aber sie kaufte wenigstens keine Graupensuppe! Milchsuppe und Brotsuppe sind ja auch lecker.
Wenn Vater nicht auf Sylt war - fuhr er nach Hamburg. In der Lungenklinik hatte meine Mutter eine liebe Freundin gefunden, eine Künstlerin, eine Baleetttänzerin. Die lebte eben in Hamburg! Und diese Tänzerin hatte eine vertraute Freundin, meine Mutter.
Es war immer wieder ruhig daheim, still, dann kam Susanne, meine kleine Schwester.
Sie hat in ihrem Leben einen Fehler begangen: Sie kam zur Welt, als der Vater sich von der Mutter schied.Sie, Susanne ist angebrüllt worden, als sie im Bauch der Mutter war.
Und ich war fünf und freute mich ohne Klapperstorch die nahende Geburt eines Kindes erleben zu können.
Als Susanne größer wurde kaufte sich der Vater einen Volkswagen - Käfer. Ich kenne noch das Kennzeichen. Manchmal konnte ich nicht mitfahren. Damals war der Platzt noch sehr eng und mit 10 Jahren wurde ich kräftiger. Tut mir leid, Andreas, es irt kein Platz für Dich!
Du warst unartig, Andrwas, Du bleibt Heute zuhause!
Ist ja logisch, als in den Ferien der Vater die Tänzerin, und meine beiden Schwestern mit an die Ostsee nahm!
Ich war ein schwieriges Kind.
Heimschwester  Adalberta?  Ich weiß es bis Heute nicht.
Linkshänder, Legastheniker in Folge von Umstellung auf Rechts?
Geburtsschade: Ich bin 8 Monatskind, es war eine komplizierte Steißgeburt?
Ich war eben anders. Anders als der Vater sich einen Jungen vorstellte.
Susanne war jetzt 5 und sie kämpfte um die Liebe des Vaters - und ließ ihn nicht los.
Einmal an einem heißen Sommertag fuhr ich mit meiner Mutter in den Harz, wir beiden und wanderten dort. Mir wird immer dieser Tag in erinnerung bleiben, weil ich die Liebe meiner Mutter spürte.
Zum Glück wurde ich ja groß und stark, weil ich immer die Briketts stapelte, einheizte, den Abwasch abtrocknete, Rasen mähte...
Der Vater wohnte nun mit seiner Neuen 200 Meter von uns entfernt - in einer Neubauwohnung!Ich sehe noch das farbenreiche Gemälde von Ihm auf dem Balkon. Mutter mußte abeiten und ich besuchte sie. Ging vom Stadtrand in die Innenstadt und wieder zurück.70 Minuten Hinweg, 70 Minuten Rückweg, zu Fuß, ich hatte ja kein Taschengeld. Wenn ich sie nichtr besuchte spielte ich in den verlassenen Gärten oder in den Neubauten der wachsenden Siedlung. Abends wenn die Mutter nach hause kam, nahm sie den Kochlöffel und verprügelte mich damit. Zuerst habe ich es nicht verstanden, schrie auf. Einmal wehrte ich ab, da schlug sie noch fester zu. Aber sie hatte ja recht. Wieso mache ich meine Kleidung schmutzig, wo sie keine Waschmaschine hat? Also habe ich mich in mein Schicksal ergeben.Einmal lag Geld auf dem Schrank, ganze fünf DM! Herrlich , "jetzt konnte ich endlich auch einmal - wie meine Schulfreunde - ins Kino gehen! der Film kostete nur eine DM. Die Vier DM lege ich nachher zurück". Nach drei Jahren hörte sie damit auf. Ich kam in den Konfirmationsuntericht!Meine Mutter faßte mich am Ohr. Fest. Sie war eben noch kräftiger als ich. Die 200 Meter über die Feldmark taten weh. Mein Vater brauchte nicht viele Schläge bis ich am Boden lag. Der war ja ausgebildereter Offizier gewesen!
Aber, ich habe Zuwendung von meinem Vater bekommen; zugegeben grün und blaue aber endlich Zuwendung! Was soll ich im VW, wenn ich doch meinen Vater körperlich spüre.
Mein Vater hat mich in seinem Leben nr einmal geschlagen;
ich habe sehr, sehr oft Geld geklaut - bis hin zur Scheckfälscherei. Schecks meiner Mutter.
Meine Schwestern Ute und Susanne haben das mitbekommen. Beide sagten mir, als ich aus meiner Therapie aus dem Allgäu 2003 zurückkam, daß sie damals durch die Prügeleien an mich traumatisiert wurden.
Beide haben hervorragende Schulabschlüsse, Abitur mit Auszeichnung, res. Notenscnitt 1,3 gemacht. Ich habe Hauptschulabschluß.
Ute wurde Graphikerin. Sie war immer die Assistentin meines Vaters. Sie übt den  Beruf der Graphikerin Heute in einem anderen Land selststädig aus und ist gut am Marketing.
Susanne hat ihr Architektur - Studium abgebrochen nach dem Vordiplom, weil sie ein Burn out hatte und das Studium nicht mehr aufnehmen konnte. Sie leitet Heute als Handwerkerin eine Werkstatt.
Ich habe durch meine abgebrochenen Ausbildungen und Jungarbeiterzeit als Fahhradbote die Spielhallen als 16 jähriger kennengelernt. Das erste Mal spielte ch aber bewußt, als mir mein Vater großzügig seinen Ausstellerausweis der Industriemesse überließ. In einer Halle wurden Spielautomaten präsentiert. Da war ich 14 Jahre alt. Freunde hatte ich keine..
Ich setze den Tread jetzt hinein und Danke meinen beiden Schwestern, die mehr von mir wissen als ich. Das was ich verdrängte, ist in Ihrem Trauma. Beide sind in hohem Maße sozial eingestellt. Beide stehen zu ihren Familien.
Beide erziehen ihre Kinder liebevoll und gewaltfrei.
Ist da nicht wirklich großartig.
Beide engagieren sich, die vielen Bilder meines Vaters zu publizieren, organisieren Ausstellungen.
Und er wacht aus seiner Traumata auf. Der Krieg ist vorbei. Fliegergeschützte vertummen, es leiegen keine getöteten Kammeraden mehr herum.
Ich habe gelernt, seine Bilder zu lesen und ihnen Namen zu geben.
Wir räumen gemeinsam das Atteelier meines Vaters auf.
Der 8. Schritt der Anonymen Spieler weist mich darauf hin: Wir erstellten eine Liste aller Personen, die wir verletzt haben und sind bereit geworden alles wieder gut zu machen.
Ja Ute und Susanne, ich setzte euch auf diese Liste.
Heute bin ich nicht mehr das Opfer, das sich in die Höhle der Spielstätten verpisst.
Heute gehe ich hinas in die Welt.
Wenn ihr an der Ostsee wart, so war ich im Allgäu! Im Allgau habe ich den Menschen kennengelernt, der oben auf der Liste Steht.
...mich selber,ich bin Gottes geliebtes Kind.
Ich habe von meinem Vater, der nun 85 Jahre alt ist ein Erbteil erbeten.Ein Ölbild vom Ostseestrand. Dort, wo er mit den Schwestern in den Ferien war. Dieses Bild hängt über meiem Bett. Ein Freund aus meiner GA - Gruppe hat es mit mir dort aufgehängt. Ich denke, ich zeige euch die Skizze..
Jetzt kann ich zu Bett gehen.
Ich lieg' und schlafe  ganz in Frieden (Psalm 4,9)
Ich danke daß ich das schreiben durfte und danke für 24 Stunden ohne Spiel
Andreas
Demut ist die anhaltende Ruhe im Herzen

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winnetou1

Re: Verlorene Kindheit
« Antwort #1 am: 03 August 2007, 08:48:12 »
Hallo andreas,
danke für dieses Beitrag. In vielen was Du schreibst habe ich mich wieder gesehen. Ich bekam Gänsehaut und Filmabschnitte im Kopf. Besonders der "Käfer", löste bei mir gerade einiges aus. Muss das jetzt erstmal verarbeiten.

Liebe Grüße
Jürgen

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Offline andreasg

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Re: Verlorene Kindheit
« Antwort #2 am: 03 August 2007, 13:58:55 »
Hallo Jürgen,
irgend wie war es mir bewußt, daß meine Tread etwas in Dir auslösen könnte. Vielleicht hätte ich erst einmal ein Vor - avis schicken sollen. Was ich nicht wollte: Alte Verletzungen aufrühren in Dir aufrühren. Wenn Du gelitten hast dann bitte: Entschuldigung.
Mir ist wichtig in den Zwoelf Schritten zu arbeiten und ich möchte es auch schriftlich tun.
Ich denke schon, daß Du, Jürgen und Fredi mir den Impuls dazu gabt.
Ich bin gerade in der Arbeit - an mir selbst bemüht, die "Alten Kameraden" der Verletzungen von mir nehmen zu lassen.
Wenn ich meine Schwestern als Leidtragende meiner Geschichte sehe, denke ich nicht nur an meine geschwisterlichen Versäumnisse in der Zeit in der ich gesoffen, gezockt und gew... habe; ich denke vielmehr daran, daß sie keine Prinzessinnen waren - und ich der Prügelknabe. Durch meine Kenntnis davon, daß auch sie gelitten haben, - ind ihrer Kindheit komme ich zu dem herzlichen verbindlichen Kontakt zu Ihnen der ohne Groll und Aggressionen auskommt. Ich habe mich von diesen Mängeln lösen können , aber auch nur Heute, jeden Tag wieder neu und ich bin frei mich in Augenhöhe meinen Geschwistern zu begegnen.
Das ist das Geheimnis.
Schöne 24 Stunden
Andreas
Demut ist die anhaltende Ruhe im Herzen

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winnetou1

Re: Verlorene Kindheit
« Antwort #3 am: 03 August 2007, 20:13:39 »
Hallo andreas,

eine Entschuldigung von Dir ist völlig unnötig. Im Gegenteil ich bin Dir Dankbar! Ich denke das sind mit gründe warum Shgs oder auch Foren funktionieren.

Zum 8. Schritt ist mir nach Deinem Beitrag etwas eingefallen. Vorweg muss ich sagen, ich bin wohl noch lange nicht dort. Ich hatte vor ca. 2 Wochen auf der Arbeit ein Erlebnis. Ich war in einem Krankenhaus dabei vertikal Jalousien zu montieren. Plötzlich ging die Tür auf und eine Person vom Reinigungspersonal stand vor mir. Ich bin so erschrocken, aber ich lies mir nichts anmerken und sagte nur ein Hallo. Nach über 30 Jahren stand ich vor der Person die ich in meiner Jugendzeit Erpresst hatte. Ich bekam damals dafür 3 Jahre auf Bewehrung. Die Person unterhielt sich mit mir und wir gingen gemeinsam eine Rauchen ohne irgendwelche Vorhaltungen wegen früher. Heute fiel mir dazu ein ich war noch nicht in der Lage mich für das Passierte zu Entschuldigen. 

Liebe Grüße und allen ein schönes Wochenende

Jürgen

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Offline andreasg

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Re: Verlorene Kindheit
« Antwort #4 am: 03 August 2007, 23:01:50 »
Hallo Jürgen,
nun habe ich mein aktuelltes Bild eingestellt, an meiner ersten Ausstellung, an der ich den Stand betreue. Ja, das Lebeb wandelt sich und glaube mir unsere Wunden heilen.
Das was Du über den Bekannten schreibt, Treffen nach 30 Jahren, die eigene Belastung erkennen und mit sich tragen ist schwer.
Als ich zur Schule ging wurde einer meiner wenigen Schulfreunde in die Sonderschule verzetzt. Wir waren damals 12 Jahre alt. Später traf ich ihn mal auf der Straße - und habew ihn wortlos körperlich angegriffen und geschlagen. Er hat sich Gott sei Dank gewhrt. Aber ich trage es in mir. Mein Therapeut bittet mich, es in die Gruppentherapie einzubringen. Ich wünsche mir schon , diesem Menschen wieder zu begegnen. Im Positiven.
Deshalb gerade Jürgen, Danke für Deine Offenheit.
Schöne 24 Stunden
Andreas
Demut ist die anhaltende Ruhe im Herzen

 

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