Nicht so verallgemeinern lieber Born. Unser Fachverband Glücksspielsucht setzt sich seit vielen Jahren für eine strengere Regulierung des Marktes ein. Hier als Anschauungsmaterial z.B. die Pressemitteilung zu unserer diesjährigen Tagung:
Pressemitteilung: 31. Jahrestagung des Fachverbandes Glücksspielsucht e.V.
Berlin/Bielefeld, 21.11.2019
Der Fachverband Glücksspielsucht e.V. (FAGS) fordert, das bestehende und
höchstrichterlich bestätigte Verbot von Onlinecasinos in Deutschland beizubehalten
Für sämtliche Glücksspiele gilt: Sie sind grundsätzlich so konstruiert, dass der Gewinner immer der
Anbieter ist und erhebliche Anteile der Umsätze mit problematischen oder süchtigen Glücksspieler*
innen gemacht wird. Das trifft gerade auch für Onlinecasinospiele zu. „Suchtexperten sind sich
einig, dass die Gefährdung durch Onlinecasinospiele besonders hoch ist. Als entscheidende Faktoren
werden genannt: die Verfügbarkeit sieben Tage die Woche rund um die Uhr, schnelle Spielformen,
unkomplizierte und nahezu unbegrenzte Einzahlmöglichkeiten und die unauffällige Teilnahmemöglichkeit,
beispielsweise vom Handy oder während der Arbeitszeit. All diese Merkmale haben
dazu geführt, dass das Veranstalten von Onlinecasinospielen in Deutschland laut Glücksspielstaatsvertrag
(GlüStV) ausnahmslos verboten ist“, so Ilona Füchtenschnieder, Vorsitzende des
Fachverbands Glücksspielsucht e.V. (FAGS).
Dieses Verbot, Casino‐, Rubbellos‐ und Pokerspiele im Internet zu veranstalten oder zu vermitteln,
wurde im Herbst 2017 durch ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts höchstrichterlich bestätigt
(BVerwG 8 C 18.16). Dieses Urteil verschafft eine Rechtssicherheit, die es im Glücksspielbereich in
dieser Deutlichkeit lange nicht gab. Nun geht es darum, das Recht auch durchzusetzen. Erste positive
Ansätze sind vorhanden. Glücksspielaufsichten und Medienanstalten haben ordnungsbehördliche
Verfahren gegen Werbeauftritte von Branchengrößen eingeleitet. Auch Betroffene wehren sich zunehmend
und buchen in Onlinecasinos verspielte Beträge zurück (Chargeback) oder wenden sich an
Kanzleien, die Rückforderungen an Banken und Kreditkartenunternehmen stellen, die zum Teil 13
Monate oder gar drei Jahre zurückreichen.
Im Gegensatz dazu stehen Forderungen einiger Bundesländer, die sich trotz der komfortablen
Rechtslage für eine Öffnung des Onlinecasinomarktes aussprechen. „Aus suchtfachlicher Sicht sollte
die bestehende gute juristische Basis nicht leichtfertig verspielt werden. Vielmehr gilt es nun, darauf
aufbauend das Internetverbot für Casino‐ und Pokerspiele wirksam umzusetzen – zum Beispiel durch
Payment Blocking und Netzsperren – sowie die ausufernde Werbung für diese illegalen Angebote im
Fernsehen und im Internet vollständig zu unterbinden“, fordert die Vorsitzende des Fachverbands
Glücksspielsucht. Eine Öffnung des Onlinecasinomarktes wird zu einer erneuten Welle von Rechtsstreitigkeiten
führen, es droht – wie beim gescheiterten Konzessionsverfahren für Sportwetten – ein
Zustand der Rechtsunsicherheit, von dem in erster Linie die illegalen Anbieter profitieren würden.
Ein komplettes Werbeverbot – inklusive Dachmarkenwerbung – für Glücksspiele sollte breit und
transparent diskutiert werden. Hier geht es um die Zukunft der Gesellschaft und damit auch um die
Frage, welche Werte künftig gelten sollen. Wollen wir, dass unsere Kinder den Eindruck bekommen,
beim Glücksspiel handele es sich um ein ganz normales Freizeitangebot? Oder wollen wir vermitteln,
dass es sich um ein Angebot handelt, mit dem erhebliche Risiken verbunden sind und an dem – beispielsweise
bezogen auf Onlinecasinos – relativ wenig Erwachsene(
1) teilnehmen?
Bisher sind an dieser Diskussion vorrangig Interessenverbände beteiligt, die von einer Öffnung des
Marktes profitieren (Glücksspielanbieter, Werbetreibende, Finanzdienstleister, Sportvereine etc.).
Verbraucher‐ und Suchtverbände haben bisher nur wenig Gehör gefunden.
Die regelmäßigen Bevölkerungsbefragungen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
(BZgA) ergeben, dass eine große Mehrheit der Bevölkerung der Aussage zustimmt, dass in Deutschland
Glücksspiele nur unter Aufsicht und Kontrolle des Staates durchgeführt werden dürfen. Von
2007 (83,5 %) bis 2013 ist dieser Anteil sukzessive gestiegen (88,0 %), im Jahr 2015 wieder leicht auf
85,3 Prozent zurückgegangen und 2017 signifikant auf 87,1 Prozent angestiegen. Für ein Verbot von
Onlinecasinos sprachen sich im Jahr 2017 immerhin 53,4 Prozent der Befragten aus.2 Dies zeigt, dass
es eine breite Mehrheit für Reglementierungen im Glücksspielbereich gibt.
Nach Auffassung des Fachverbandes Glücksspielsucht sollte der Onlinecasinomarkt nicht geöffnet
werden. Die Glücksspielaufsicht ist der Kontrolle dieses Segmentes nicht gewachsen. Abgewartet –
und sehr sorgfältig ausgewertet – werden sollten die Erfahrungen und vor allem die Gesetzestreue
der Anbieter, die mit der ab 2020 geplanten Zulassung von Sportwetten gemacht werden. Falls nach
der Auswertung die Entscheidung fällt, den Markt für Onlinecasinos zu öffnen, sollten nur Anbieter
eine Konzession beantragen können, die sich an die Gesetze gehalten haben (Wohlverhaltensklausel).
Die Konzession sollte dann nur mit strengen Auflagen für den Spielerschutz erteilt werden.
Forderungen des Fachverbandes Glücksspielsucht e.V. (FAGS):
‐ Beibehaltung des ausnahmslosen Internetglücksspielverbots
‐ Aufstockung der Glücksspielaufsichten (personell und technisch)
‐ Verbot der Glücksspielwerbung inklusive Dachmarken (außer am Point of Sale)
‐ Förderung einer Anlaufstelle für Glücksspieler*innen, die Probleme mit Glücksspielanbietern
haben (Ombuds‐ und Clearingstelle)
‐ Entwicklung eines anbieterübergreifenden Limitierungssystems (Vorbild Norwegen)
‐ Entwicklung einer Filtersoftware für PC und Smartphone zur gezielten Blockade des Zugriffs
auf Onlineglücksspielseiten
‐ Freischaltung von Kreditkarten o.ä. für Glücksspiele (kein Automatismus), besser nur ein einziges
von der Glücksspielaufsicht zugelassenes Zahlungssystem für alle Glücksspielanbieter,
das auch anbieterübergreifende Limitierungen erlaubt
‐ Ausbau der Suchtprävention und ‐hilfe sowie der Schuldnerberatungen
‐ Abgabe der Glücksspielanbieter zur Finanzierung der genannten Angebote
Kontakt:
Fachverband Glücksspielsucht (FAGS) e.V.
Meindersstr. 1a,
33615 Bielefeld
Tel: +49 521 557721‐24 und Tel: +49 171 42 31 626
E‐Mail: spielsucht@t‐online.de
www.gluecksspielsucht.deQuellen:
(1) Einer neueren Untersuchung der BZgA zufolge, haben in den vergangenen zwölf Monaten „nur“ 0,6 Prozent der Befragten
an Onlinecasinospielen teilgenommen. Die Lebenszeitprävalenz betrug 4,8 Prozent.
(2) Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) (2017): Glücksspielverhalten und Glücksspielsucht in Deutschland.
Ergebnisse des Surveys 2017 und Trends. Köln. S. 195.