Glücksspielsucht > Tagebuch
Arbeit an mir selber
andreasg:
Ich bin Andreas, ich bin Spieler und ich habe Strukturelle Mängel,
es gibt viele Tage, die für mich in Erinnerung sind, aber eigentlich habe ich in meiner aktiven Spierzeit nur extrem wenige Erinnerungen. Etwa, als ich mir vor laufenden Spielautomaten den verfaulten Zahn aus dem Mund zog, daraus erspinnen sich dann gerne Folgegeschichten:
Am 04. August 2000 hatte ich einen Brief in der Tasche, darauf stand, daß mein Arbeitsverhältnis gekündigt ist. Grund: Insolvenz des Arbeitgebers. Da wollte ich dann nächsten Tag zur Insolvenzgeldstelle der Arbeitsagentur gehen. Ich ging aber in die "Kaffeemühle" einer Imbissstube im Hbf. Dort trank ich einen Becher Kaffee und sah den Leutchen beim Daddeln am Automaten zu. Ich hatte noch 2 DM in der Tasche, die holte ich raus, als ein Automat frei wurde, dachte an mein damaliges Sparbuch mit 800,00 DM und dachte an meine SHG und an 10 Jahre Spielfreiheit und hatte eine Antwort darauf: Scheißegal! Ich sah das Geldstück an, es machte Klick, und ich bin aus dem Imbiss gelaufen, mit dem Wort Jesus auf den Lippen.
Ich habe seitdem schon mal über das Spielen nachgedacht, wenn ich die Nähe von Spielautomaten hatte, oder mich Geschichten vom Spielen oder Videos der Spielsuchtprävention antriggerten, aber seit dieser Stunde habe ich bis Heute nie wieder Spieldruck erleben müssen.
Meiner damaligen Frau habe ich den Spieldruck verschwiegen, aber nicht den kommenden Weg zur Arbeitsagentur. Ich konnte ihr auch berichten, ein Freund meiner Spieler-SHG, der bei einem Bildungsträger beschäftigt war, würde mir den Weg in eine berufliche Zukunft öffnen . Ich habe damals mit einem anderen Freund meiner SHG eine Autofahrt in den Taunus gehabt, und abends auf der Rückreise nach Hannover hat er mir zugehört. Es ging um den fast-Rückfall im Imbiss.
Eine Autofahrt in der Nacht verläuft wie im Tunnel, der Blick geht demonstrativ nach vorne, aber irgendwo ist eine Vision der Ruhe, der Stille, der Geborgenheit. Es sind Baustelle zu durchfahren, das braucht Konzentration. Dazu gibt es Kaffee für den Fahrer, an der Raststätte. Der Freund erzählte von seinen Raststättenerlebnissen, des nachts. Das half mir loszulassen, half mir, die Nähe von Spielstätten zu meiden. Ich denke an meinen letzten Aufenthalt in einer Raststätte, in Juni 2011 auf der BAB 14: Natürlich erblickte ich im Lokal sofort den Spielautomaten, wohl mein eingebauter Magnet. Ich war aber in Begleitung einer Germanistin, einer Pastorin und eines Pastors und kamen direkt vom Kirchentag in Dresden. Der Geistliche weiß, daß ich spielsüchtig bin.
Ende September 2000 bin ich zum (GA) Deutschlandtreffen eben mit dem vertrauten Freund im Auto nach Bad Münstereifel-Ebernburg gefahren. Es lag mir sehr am Herzen, meine Geschichte zu erzählen und ich war erpicht, das auszukosten zu dramatugieren, weil ich mich nun für Bedeutend hielt.
Kurz gesagt es hat wieder eine Haltesignal gegeben: "Wenn du Arbeit haben willst, dann suche dir welche" war die Antwort, die ich mit geballten Fäusten entgegen nahm! Alo meine Schlußfolgerung zum Abschluß des Treffens: ich nehme es einfach einmal für mich an.
(Fortsetzung folgt)
andreasg:
Ich bin gelernter Speditionskaufmann und habe 23 Jahre lang in einer kleinen Spedition gearbeit, vornehmlich in der Frachtabrechnung und in der Sendungsrecherche. Wie es so ist, geht die Arbeit Hand in Hand und ich hatte in dem Betrieb so ewtwas wie eine Familie. Um das Gehalt habe ich mir keine Sorgen gemacht, es war zu wenig, das wußte ich und habe es verdrängt. Überstunden fielen immer wieder einmal an, weil ja der letzte noch eintreffende LKW abrechnen mußte. Da ging es halt eine Stunde später in die Spielhalle. Dort habe ich mir immer wieder mein Gehalt, das ich ja eigentlich verdient hätte, durch Spielgewinne aufbessern wollen. - Ich habe es ja knapp überlebt, sonst könnte ich es hier nicht einbringen. Der Mangel , den mir durch den Wertverlust durch das Ausüben der Spielsucht entstanden ist, versuchte ich durch Fleiß wieder aufzupolieren. In den Stoßzeiten, wie im Advent, oder als der Disponent im Urlaub war, und der cholerische Chef das Chaos pur veranstaltete, habe ich noch ohne Pausen versucht Ordnung in den Betrieb zu bringen. Besonders den Groll des Fuhrpersonals in Stresssituationen auszuhalten, war Schwerarbeit für meine Nerven und meine Psyche. Einmal war ich so in Not, daß ich nach Feierabend, ungefrühstückt, die Taxe bestellte um direkt ins Rotlichtviertel zu kommen. Nach 10 Stunden Arbeit fand ich den Aufenthalt in der Spielstätte - immer weit mehr stressiger und belastender. Überstunden habe ich letztendlich dadurch abgebummelt, weil ich morgens um 8 noch schnell in die Halle am Bahnhof ging, um meinen Spielverlust zurückzugewinnen. - es hat niemals geklappt. - Im Oktober 1991 erlitt ich einen Nerven-Zusammenbruch bei meiner Ärztin, ich war zwei Jahre Spielfrei und habe mich in ihrem Warteraum mit den Trümmern meines nicht gelebten Lebens konfrontiert gefühlt: Malochen und Zocken, Saufen und Fußballstadion... Die Ärztin schickte mich per Direkteinweisung in die Psychosomatische Klinik. Hier habe ich dem Senioxhef meine Spielsucht eingestanden.
Als Ende der 1990 Jahre das Speditionssterben einsetzte, bedingt auch durch das Fallen lassen des Reichswagenkrafttarifs (RKT) kam der Betrieb in Schwierigkeiten. Ich hatte immer weniger zu tun und fing an, auf meinem Taschenrechner das Binäre Zahlensystems auswendig zu lernen, bis 67.108.864, dann war das Ende der Zahlenreihe erreicht. Die Rechnungen, die noch zu schreiben waren tippte ich in eine Schreibmaschine mit Pauspapier und die Tippex Flasche stand daneben. Als die Zahlungsschwierigkeiten des Betriebes offenbar wurden, wurde ich vom Disponenten gemobbt, der die Tochter des Chefs geheiratet hat und doppelt so viel verdiente wie ich. (Ich war ja für die Recherche zuständig). Ich war 48 Jahre alt und wenn ich gekündigt hätte, wäre eine Leistungskürzung dem Arbeitsamt unumgänglich gewesen. Am 4. August 2000 waren also Juniorchefin und Ehedisponent beim Amtsgericht, das Mobbing hörte sofort auf, ich war noch zwei Stunden täglich im Betrieb, zu kaputt um noch irgend einen Handgriff fertig zu kriegen, soweit mein Bericht von meiner Hauptarbeitsstelle.
In der bald beginnenden EDV - Schulung habe ich erst einmal gelernt, wie man einen Recchner einschaltet. Zwei Wochen nur Theorie, dann World, Excel, Access, alles auf Windows 95 HTML und zu guter letzt SAP, wobei mir nur das Modul SD etwas zusagte, eben um den Versand.
Das Herausragende war die Teamarbeit, das miteinander kooperieren, Hilfestellung geben, kein Konkurrenzdruck mehr. Den Leistungsdruck den spürte ich allerdings immer noch sehr lange, der blieb mir noch eine Weile treu. Im Modul Access konnte ich die gestellten Aufgaben nie vollkommen in der Zeit zu Ende bringen, ich bin kein schneller Denken, und noch viel langsamer Arbeiter. Aber ich mühte mich, steigerte mich, und das fand unter den Schulungsteilnehmern positive Anerkennung. Endlich wieder einmal positive Zuwendung.
Mittags gab es im Kellercafé warme Mahlzeiten. Ich ging aber mit einigen Teilnehmern in eine Mensa einer Landeseinrichtung die von einer Behinderteneinrichtung bekocht wurde. Ich schreibe das in der Vergangenheitsform mit dem höchsten Ausdruck meiner Trauer. Im Frühjahr diese Jahres hat diese Mensa geschlossen, sehr zum Leidwesen der Nutzer und Gäste. Ich habe immer noch Kontakt mit einer Angestellten dieses Küche. Vielleicht später mehr von dort.
Ich bekam nach einer Bewerbung einen Praktikumsplatz in Europas größter Spedition, im Controlling. Deren Abteilungsleiter war 50 Jahre, hatte Sorge seinen Arbeitsplatz zu verlieren, erzählte von den Auszubildenden, die wohl nicht übernommen werden können und ich mühte mich mit dem antiqierten Matrix-System, für das ich fast nie einen Zugang zugeteilt bekam. Eben wieder Abrechnung und Sendungsrecherche. Ich habe leider auch zeitig den Glauben aufgegeben, dort doch wohl vielleicht doch übernommen zu werden , es fühlte sich nach "Gewinnerwartung" an. Zum Abschied habe ich ein sehr gutes Zeugnis bekommen und zu meinem Geburtstag eine Flasche Rotwein, die nun schon 15 Jahre auf dem Küchenregal thront. So wertvoll ist sie mir, allein der Anblick ist mir ein Genuß . Es liegt wohl daran, daß der Abteilungsleiter mir persönlich zugewandt war.
Fortsetzung folgt
andreasg:
Meine damalige Frau habe ich 1994 kennen gelernt, sie war wie ich Mitglied in der Kirchengemeinde. Auf unseren Gesprächen zum Kennenlernen erzählte sie von Ihrer Anarexia, ihrer Gluten - und Lactoseunverträglichkeit. Es fiel mir nicht sonderlich schwer, eizugestehen, daß ich Spielsüchtig bin, und für damals, 4 Jahre spielfrei. Sie kannte die Zwölf-Schritte-Gruppen und hat Therapie in einer Allgäuer Klinik gemacht, von der ich immer träumte, ich wolle da auch einmal hin.
Wir liefen Hand in Hand durch die Straßen und 1996 bezogen wir eine schöne Wohnung. Magersucht und Spielsucht brauchen viel Raum für Distanz, wir hatten 3 Zimmer, und manchmal reichte es nicht. Aus all dem tiefen Zutrauen wuchs bei mir eine Zwanghaftigkeit. Als wir 1998 heirateten, erhoffte ich mir einen gemeinschaftlichen friedlichen Konsenz daheim. Mein Damalige rief immer öfters im Betrieb an. Die Kollegen namen es gelassen, wenn auch ironisch hin, da hatte ich doch eine Toleranz erworben. Meine Zwanghaftigkeit wurde dabei aber immer extremer. Ich ging zum Psychiater und der gab mir Psychopharmake, intramuskulär auf Depot. Gleichzeitig meinte der Arzt, daß Medikamente nur unterstützen können, helfen kann nur ein Psychotherapeut. Ich bekam eine Liste der niedergelassenen Psychotherapeuten mit. Beim ersten Therapeuten in meiner Nähe bekam ich nach der Stunde Fressdruck, jedesmal zum Kiosk nebenan, Fanta uns Schokoriegel. Der nächste war in der Nähe meines Arbeitplatzes, ein Herr der Alten Schule mit seinen 64 Jahren.
Ich hatte manchmal Angst nach Hause zu kommen, weil sich die Krankheitssyndrome meiner Frau drastisch verschimmerten. Jedesmal nach Feerabend ging ich am Bahnhof und aß am Imbiss eine Bratwurst, so als vorausschauende Beruhigung. Nach der Spieler - Selbsthilfegruppe ging es in ein Lokal, Hähnchen und Pommes um 22:00 Uhr, in der Hoffnung wenn ich Heim komme, daß sie dann schläft... Irgendwann im Sommer 1999 kam ich Heim, da lag sie im Nachthemd bewußtlos im Badezimmer. Die Notarztzentrale sagte nur: 112. Die Notärztin flehte mich an nach Tablettenpackungen zu suchen. (Sie hatte vorsorglich alle sorgfältig vorher entsorgt, erzählte sie mir vile Jahre später) Mein Psychiater schrieb mich krank, damit ich Sorge trage, daß sie nach dem Krankenhaus in die Psychartrie geht, freiwillig(!), ich bin trotzem zur Arbeit gefahren, die Angst - den Arbeitsplatz zu verlieren. Aber gottlob hat sie es doch eingesehen und wurde von Klinik zu Klinik ins Landeskrankenhaus gefahren. Abends bin ich gleich los, habe Wäsche und Körperpflegemittel zusammengescht und bin mit der Taxe ca. 30 km zu der Stadt gefahren, in der die Psychiartrie war. In den kommenden Wochen bin ich immer wieder dorthin mit der Bahn gefahren, ich habe mich auf dem Weg dahin an Mauern und Zäunen festhalten müssen, solche Rückenschmerzen quälten mich. Zuerst hatte ich Einzeltherapie, sollte aber später in die Therapiegruppe kommen. Es war irgendwo eine Insel dem Doc., meinem Therapeuten meine Sorgen mitteilen zu können. Ich erholte mich,als sie später, wieder entlassen eine Reha, eine 3 wöchige Kur unternahm .
Dann habe ich auch eine Reha für meinen Rücken beantragt, im selben Ort. Es war im Advent 2001, als ich wieder arbeitslos nach der EDV - Schulung war. Ich weiß noch, daß ich mir für die 3 Wochen eine Stange meiner Zigarettensorte kaufte, mich beim nächtlichen qualmen auf dem Balkon verletzte und daß ich später nachkaufen mußte, wohl 40 Zigaretten täglich, und das in einer Klinik, die auch Rauchprävention anbot. Aber ich ging zu den Adventsgottesdiensten über den Kurpark zur Ev. Kirche. Da wurde eine Konzert angesagt: das Requiem von Gabriel Faure. Ich rief meine Chorleiterin vom Kirchenchor an, ob das was wäre...? Sie schickte mich mit Nachruck dahin. Es ist mir unvergessen, seit dem höre ich zu jedem Advent genußvoll auf CD an. Ich wollte über Weihnchten bleiben, keinen Psychostess zu Hause haben. Aber die Weihnacht 2001 verlebten wir friedlich. Meine Frau wollte in ein Kloster gehen und je mehr sie davon erzählte, um so mehr verstärkte sich das in ihr. Als unsere Trennung sich vollzog, bin ich einen Tag tief traurig am Mittellandkanal spazieren gegangen, dann hatte ich meinen inneren Frieden.
Es ging fast unproblematisch, die Möbel aufzuteilen, ich konnte für manches Abstand zahlen. Sie hat sich für mich gesorgt , daß ich beizeiten einen Anteil in eder Wohnungsgenossenschaft kaufe, und die Kündigung mit unserem Vermieter verlief problemlos. So saß ich qualmend in der halbleeren Wohnung, 10 Tage lang. Dann kamen die Freude meiner Spieler - Selbsthilfegruppe und erledigten meinen Umzug. Ich brauchte eigentlich nur Kaffee kochen, ein Gewitter ging rüber und die Therme funktionierte nicht. Es gab viel zu tun, aber nun konnte ich wirklich nur für mich selber sorgen, frei von Ängsten und Zwängen.
Ich will hier nicht weiter den Weg über Scheidung, ihrer Wiederkehr schreiben, nur so viel: Sie, meine Ex- hat mich Heute angerufen, als ich am Mittellandkanal spazieren ging und es war ein schönes entspanntes telefonat mit vielen Guten Wünschen gegenseitig.
Fortsetzeng folgt
andreasg:
Heute möchte ich 15 Jahre zurück schauen. Donnerstag Vormittag traf sich der Arbeitslosenkreis. Es war eben anders, als ich es mir vorgestellt habe. Eingedenk der Hilfestellungen beim Bewerbungstraining, die Angst vor Behördengängen spielten eine untergeordnete Rolle und wurden schnell abgeharkt. Es war aber jemand im Kreis, der Aktionen vor dem Arbeitsamt organisierte. Da war ich Feuer und Flamme. Selber einmal nicht nach der kleinstmöglichen Wartemarke im 3. Stock jagen, sondern draußen die Politische Diskussion zu parodieren. Der Höhepunkt war, im Kartoffelsack gekleidet am Einganz zu stehen, während unser Initiator die Schrödermaske trug. Mein Neid darauf ist verflogen,1.) ich bin 1,87 m groß, 2.) der Freund ist Heute in der Landesarmutskonferenz (LAK) Niedersachsen aktiv. Die Themata im Arbeitslosenkreis gingen mehr und mehr in das Linksradikale. Das wollte ich dann auch nicht mehr, weil ich ja durch meine Spieler - Selbsthilfegruppe ein Friedensprogramm für mich selber gefunden habe.
Dort in der vertrauten Suchtgruppe bot mir der vertraute Freund einen Nebenjab für seinen Betrieb an: Werbeflyer verteilen! Das wollte ich nicht, lieber im Laden sitzen. Aber, die Druckerei lieferte und Murren half auch nicht. Also Antrag auf "Geringfügigen Nebenerwerb" stellen. und los laufen. Der Job war für 3 Monate Angedacht. So zog ich widerwillig los. Stand vor den Wohnhäusern und versuchte immer geduldig mich in die Flure einzuklingeln, um die Briefkästen zu erreichen. Meistens wurde mir ohne viel Federlesens die Tür geöffnet, manchmal murrend, selten wuede es bedrohlich für mich und dann fande sich doch ein Interessent, dem ich das Geschäft vorstellen konnte. Die Beziehungspunkte von Ablehnung, Gleichgültigkeit, Toleranz bis zur Aufmeksamkeit habe ich dabei verinnerlicht, sie haben mich auch ferner in meinem Leben begleitet.
Im September schenkte der Freund mir den Aufenthalt zum GA - Deutschlandtreffen in Neumünster. Ich weiß nicht mehr, was ich dazu gesagt habe, welche Miene ich dazu gezogen habe. Ich will es einfach mit einem Antwortsatz auf den Ausruf Anno 2000 "wenn du Arbeiten willst, dann suche dir welche" beantworten:
Erfahrung - Kraft - und Hoffnung teilen.
Von dieser Zeit an schwand meine fürchterliche Angst vor dem Unverstandensein. Es wurde für mich zum Geschenk im Geschenk.
Die Langzeitarbeitslosigkeit von mir wurde den Gang der Politik gleichgeschaltet. Die schiere Angst verhartzt zu werden, brachte mir einen Besuch beim Psychiater ein. Der Antrag auf Psychosomatische REHE wurde eingereicht, bewilligt und ich mußte zum Aufnahmegespräch bei der Klinik fast durch die ganze Republik reisen. Was soll es, Eisenbahn fahren ist ja mein Hobby, aber es war eben grenzgängig, so wie die Klinik eine Fachklinik für Grenzgänger war und auch noch ist.
Am 24 Juni 2003 stand ich mutterseelenalleine an kleinen Bahnhof im Allgäu und wartete auf den Klinikbus. Die leere Zigarettenschachtel - Feuerzeug habe ich im Zug liegen lassen. Jedes Jahr am Johannistag denke und feiere ich diese Stunde. Die härtesten und die schönsten 11 Wochen meines Lebens konnten beginnen.
Ich bekomme immer noch Tränen in den Augen, wenn ich daran denke, vor mir ein Bild der Klinil im Abendlicht, im Rückraum ein Mandala aus den Unterschriften meiner Kerngruppe und ein Bayrischer Kaffeebecher mit meinem Namenszug sind für mich stets gegenwärtige Sichtmale. Im Kern war es mein "Non-Selbstverletzungs-Vertrag, an dem ich alleine unter Schweiß und Tränen 7 Wochen gearbeitet habe.
Im Herbst ging es weiter mit der Flyerverteilung, im Winter in einen vornehmen Stadtteil mit Villen und Bungalows, kein Warten vor dem Klingelbrett mehr, aber meine Angst vor Hunden wandelte sich zum Respekt und sogar manchmal in Zutrauen. Aus anstatt drei Monaten dieser Nebentätigkeit wurden satte 10 Jahre. So habe ich Hannover von Haus zu Haus völlig kennengelernt, manche Stadtteile mehrmals besucht und war auch in der Region unterwegs. Wenn ich 2 - 3 Stunden gelaufen bin, bekam ich natürlich Hunger. Dann zog es mich in die Mensa, zu Küche der Behinderteneinrichtung. Irgendwann teilte mir eine Freundin, daß ich ja eigentlich nur für diese Mahlzeit arbeite, ich denke aber Heute noch, es war nicht nur Zeitvertreib, sondern Arbeit auch an mir selber. Wenn ich loszog, ein Bündel Flyer in der Hand und im Zorn des unangepassten Bürgers meine Frust ausrief: "ich lasse mir von den drei Affen nicht das Arbeiten verbieten!" - (einer diente als politische Karikatur als Maskenvorbild), war ich ja par exelence in meinem Groll. Bei Einnahme dieser köstlich zubereiten Mahlzeiten wurde ich vollends wieder ruhig und Gelassenheit kehrte ein. Wohl ein Zeugnis der Essstrukturgruppe im geliebten Allgäu.
Fortsetzung folgt
Freitagessen:
Ich lese ;)
Navigation
[0] Themen-Index
[#] Nächste Seite
Zur normalen Ansicht wechseln