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mein Weg: Kurve kriegen oder wirklich nach ganz unten

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Suchtel:
Die ersten Tage noch jeden Abend resümiert und einen Beitrag in meinem "Tagebuch" verfasst, dann jetzt eineinhalb Monate nichts geschrieben.. So läuft das mit allen meinen Vorhaben.

Es war ein Auf und Ab in dieser Zeit, unverhoffterweise doch nochmal einen Kredit gewilligt bekommen. Mit passenden Terminen direkt vor Geldeingängen bei Schuldnerberatung und Suchttherapeutin habe ich das Geld richtig verwendet und tatsächlich alle Rechnungen und offenen Sachen bezahlt und so nur noch diesen neuen und einen älteren Kredite laufen, die ich sauber hätte abzahlen können mit sehr viel mehr monatlich zum Leben als die letzten Jahre. Dazu sogar noch direkt einiges auf dem Konto übrig.

Eigentlich alles perfekt, eigentlich. Und trotzdem war ich nach 4,5 Tagen wieder am Zocken und habe diesen Puffer verschwendet. Sobald die erste Einzahlung gemacht ist, ist die Hemmschwelle nur noch so gering und ich bekomme keine Bremse mehr rein. Termine bei Schuldnerberatung und Suchttherapeutin haben mir aber rechtzeitig die Klarheit gegeben das neue Gehalt zum 1.9 richtig zu nutzen und alles sauber zu zahlen. Kurve gekriegt? Bei weitem gefehlt, Mitte des Monat habe ich wieder alles bis auf den letzten Cent verzockt. Aber ich hatte vorgesorgt und Essen und Tank hatte ich bis Monatsende noch genug. Schuldnerberatung hatte ich keinen Termin mehr, weil im Prinzip alles geregelt war und es nichts mehr zum Besprechen gab. Alles noch tragbar, aber dann fiel meine Absicherung in Form eines Gesprächs mit der Suchttherapeutin vor Gehaltseingang wegen Krankheit Ihrerseits aus und es hat mich voll erwischt. Geldeingang und direkt 100€ eingezahlt, ohne auch nur eine Rechnung gezahlt zu haben. Und wie es dann so läuft runter auf 0,00€ samt aller noch möglichen Lastschriften der letzten Wochen.
Erstmal natürlich völlig down und verzweifelt, aber jetzt nach 1,2 Tagen bin ich wie immer dann richtig erleichtert, wenn alles Geld weg ist und ich wieder zur Klarheit kommen kann. Und dann bin ich wie so oft auf einem Zwischenhoch und voller Euphorie jetzt doch endlich den ganzen Mist hinter mir zu lassen.

Vielleicht es ganz gut so wie es gelaufen ist. Mein Antrag für die stationäre Therapie läuft noch, sollte aber bald bewillig sein, am 4.10 habe ich mein nächstes Gespräch mit meiner Therapeutin, möglicherweise gibt es dann schon etwas neues.
Bisher hatte ich mich noch geziemt und war eher auf der Schiene, jetzt wo doch wieder "alles lief" und ich finanziell stabil schien, die präventiv schon mal beantragte stationäre Therapie eher nicht anzutreten.
Aber jetzt hält mich nur noch ganz wenig davon ab. Aus meiner Wohnung muss ich eh zum 1.12 raus und habe noch nix neues. Im Job läuft es zwar immer noch sehr gut und ich mag die Firma nicht für 2,3 Monate hängen lassen. Dazu sinkt die Anerkennung dann sicher gewaltig und ich weiß nicht, ob ich mich nach der Therapie dort wieder richtig einleben und vernünftig weitermachen könnte. Rechtzeitig ein relativ offenes Gespräch mit meinem Chef zu führen, traue ich mir aber gerade zu und ich habe sehr viel gut bei ihm und er weiß mich viel zu sehr zu schätzen, als dass er mir böse sein könnte und mir dann irgendwie Steine in den Weg legen wollen könnte. Ein gutes Arbeitszeugnis würde ich sicher auch noch ausgestellt bekommen und vielleicht kann ich irgendwie intern an einem anderen Standort weitermachen.

Stand jetzt würde ich nämlich am Liebsten ein komplett neues Leben in einer völlig anderen Stadt anfangen. Alles hinter mir lassen, neues Umfeld, neue Freunde, mich und meine Art neu erfinden. Seit der Schule fühle ich mich in meiner Rolle in dieser Gegend gefangen. Ich bin trotz Vereinsaktivität und Freundeskreis sozial richtig unbeholfen. Neue Leute kann ich dort gar nicht mehr kennen lernen, ich kenne alle so ein bisschen. Aber ich habe nie gelernt einfach freundlich zu grüßen und Kontakt aufzunehmen, bin verkrampft und wirke immer grimmig und arrogant, dabei bin ich eigentlich ein ganz Lieber :D Theoretisch sollte es zwar gehen, aber seit mehr als einem Jahrzehnt kriege ich dieses Image und meine Umgangsart dort nicht geändert. In einer neuen Stadt Anschluss finden, ist bestimmt auch sehr schwer, aber wenn ich direkt wieder in meine Vereine gehe, mache ich auf jeden Fall direkt wieder ein paar Bekanntschaften.

Diese Woche habe ich passenderweise Urlaub, ich säubere und sichte schon mal meine Wohnung. Alles alte unnötige weg, wobei ich eh nicht wirklich viel habe, aber brauche ich ja auch nicht.


Liebe Grüße und allen einen guten Wochenstart mit viel Energie, ich selber strotze gerade voller Aufbruchsstimmung und Motivation :)
nur mal schauen, wie lange das anhält..

Olli:
Hi Suchtel!


--- Zitat ---Dazu sogar noch direkt einiges auf dem Konto übrig.
--- Ende Zitat ---

Na klar ... da wird der Kredit extra ein wenig höher angesetzt, damit auch ja noch was "auf dem Konto übrig bleibt".


--- Zitat ---Und trotzdem war ich nach 4,5 Tagen wieder am Zocken und habe diesen Puffer verschwendet.
--- Ende Zitat ---

Naja ... üblicherweise hat der kreditnehmende Spieler ja nun mal einen Plan ... und der wurde bis zum Ende verfolgt.


--- Zitat ---Mitte des Monat habe ich wieder alles bis auf den letzten Cent verzockt.
--- Ende Zitat ---

Und? War es eine schöne Zeit? Hat es sich für Dich gelohnt?


--- Zitat ---aber dann fiel meine Absicherung in Form eines Gesprächs mit der Suchttherapeutin vor Gehaltseingang wegen Krankheit Ihrerseits aus und es hat mich voll erwischt.
--- Ende Zitat ---

Nö, nö, nö, nö, nö ...
Die böse Suchttherapeutin ... wie kann die denn einfach krank werden, ohne Dich zu fragen  ... und dann auch noch den Gesprächstermin ausfallen lassen!? Deine Absicherung!?

So ... genug mit der Ironie ...
Du handelst eben, wie eine nasse Spielerin.


--- Zitat ---Und dann bin ich wie so oft auf einem Zwischenhoch und voller Euphorie jetzt doch endlich den ganzen Mist hinter mir zu lassen.
--- Ende Zitat ---

Weisst Du ... so, wie Du handelst, fuinktioniert das nicht.
Nein, ich bin kein Prophet und sicherlich möchte ich auch nicht die selbsterfüllende Prophezeiung für Dich sein.
Was ich Dir hier schildere, das sind die Erfahrungen mit mir und anderen Spielern.

So lange ich nicht erkannte - oder wahrhaben wollte - was das Spielen aus mir machte, so lange sah ich nur die "positiven" Aspekte der Suchtausübung.
Ja - auch heute noch erwische ich mich, wie ich in Nostalgie an damals zurück denke.
Dabei sind die Geräte vor meinem inneren Auge bereits verblasst - aber das befristete Hochgefühl während des Spielens reicht mir da anscheinend aus.
Diese Rückblenden sind aber nur ein Funken der ganzen Wahrheit.

Ich habe verloren - immer! Und damit meine ich nicht nur meine liquiden Mittel!
Ich habe mich verloren! Aus den Augen und aus dem Sinn ...

Es ist nicht verwunderlich, wenn Du jetzt voller Euphorie daran denkst, den Mist hinter Dir zu lassen.
Du hast gespielt - hast die Enttäuschung über Dein Handeln verspürt - hast gemerkt, dass Du diese Phase überstanden hast.
Da darf doch dann gerne geträumt werden, wie es wäre nicht mehr zu spielen und ein "normales" Leben zu leben.
Nach dem 1.9. kommt aber der 1.10. - danach der 1.11. und so weiter ...
Hast Du nun Vorkehrungen getroffen, damit sich das nicht widerholt, was Du letzten Monat erlebt hast?


--- Zitat ---Dazu sinkt die Anerkennung dann sicher gewaltig und ich weiß nicht, ob ich mich nach der Therapie dort wieder richtig einleben und vernünftig weitermachen könnte.
--- Ende Zitat ---

<schüttel>
Wieso sollte die Anerkennung gewaltig sinken? Weil Du krank warst? Weil Du ein Problem hast, welches Du aktiv in einer Therapie angehen möchtest? Am Besten sogar nachhaltig positiv?
Wieso solltest oder musst Du Dich dort erst wieder "einleben"? Ist das denn überhaupt nötig?
Du kennst die Mitarbeiter und den Chef. Du kennst die Geschäftsprozesse. Meinst Du echt, das wird alles in 6 oder 8 Wochen über den Haufen geschmissen? Wegen Dir? Oder gleubst Du, dass Du bis dahin alles verlernt hast?
Wohl kaum ... oder?

Du hast schon richtig erkannt, dass da etwas in Dir ist, was am Liebsten alles beim Alten belassen möchte.
Dabei nutzt Du imaginäre negative Argumente.
Frage Dich doch mal weswegen Du spielfrei werden möchtest!
Nutze dazu nur positive Argumente.
Also nicht: Ich möchte mich nicht mehr so beschissen fühlen nach dem Spielen!
Sondern: Ich wünsche mir mit mir im Einklang zu sein. Ich wünsche mir ein zufriedenes Leben!


--- Zitat ---als dass er mir böse sein könnte
--- Ende Zitat ---
Das ist auch so ein Beispiel für die negative Denkweise.
Wieso zum Teufel sollte er Dir böse sein?
Lassen wir jetzt einmal Deine Träumereien außer acht ... vielleicht machst Du sie auch irgendwann einmal wahr.
Im Moment hat er einen Vorteil davon, wenn Du in Therapie gehst.
Klar wird er auch an die Lohnfortzahlungen denken ...
Er wird aber auch daran denken, dass ein gesunder Geist für eine Firma effizienter ist, wie ein kranker.
Denkst Du, dass Du momentan 100 % gibst auf der Arbeit?
Wie sah es denn aus, als Du in dem Loch gesteckt hast?
Warst Du immer geistig präsent?
Hast Du dich mal krank gemeldet? (was nicht ist, kann ja noch werden ...)
Wie haben sich Deine Stimmungen auf die Kollegen und eventuell auf die Kundschaft ausgewirkt?

Finde Deine Abstinenzentscheidung!

Rainer:

--- Zitat von: Suchtel am 01 Oktober 2018, 11:10:50 ---Stand jetzt würde ich nämlich am Liebsten ein komplett neues Leben in einer völlig anderen Stadt anfangen. Alles hinter mir lassen, neues Umfeld, neue Freunde, mich und meine Art neu erfinden. Seit der Schule fühle ich mich in meiner Rolle in dieser Gegend gefangen. Ich bin trotz Vereinsaktivität und Freundeskreis sozial richtig unbeholfen. Neue Leute kann ich dort gar nicht mehr kennen lernen, ich kenne alle so ein bisschen. Aber ich habe nie gelernt einfach freundlich zu grüßen und Kontakt aufzunehmen, bin verkrampft und wirke immer grimmig und arrogant, dabei bin ich eigentlich ein ganz Lieber :D Theoretisch sollte es zwar gehen, aber seit mehr als einem Jahrzehnt kriege ich dieses Image und meine Umgangsart dort nicht geändert. In einer neuen Stadt Anschluss finden, ist bestimmt auch sehr schwer, aber wenn ich direkt wieder in meine Vereine gehe, mache ich auf jeden Fall direkt wieder ein paar Bekanntschaften.
--- Ende Zitat ---

Ging mir einst ähnlich wie dir @Suchtel,
wobei ich eigentlich am liebsten auch nach jeder Session umgezogen wäre.
Meistens widerspiegelt sich in solch einer Aussage die eigene Unzufriedenheit...alles scheiße hier, nix wie weg und danach kann alles nur noch besser werden.

Pustekuchen...hatte selber so um die 14 Wohnorte -und es hat sich nach jeden Umzug rein gar nichts geändert.
Erst als ich anfing mich selbst zu ändern... ;)

taro:
Es gibt die Zeichentrickserie, Mister Rossie auf der Suche nach dem Glück, oder so ähnlich. In der letzten Folge, nachdem er die ganze Welt und sogar den Weltraum bereist hatte stellt er fest,  das das Glück schon immer da war,  zu Hause.

So ähnlich ging es mir auch,  ich konnte hingehen und machen was ich wollte,  das Glück wollte sich nicht einstellen,  das Problem war nämlich,  ich war immer dabei.
Wenn ich das Glück nicht in mir trage,  ist es egal wo ich hingehe.
Als ich spielfrei würde faste ich einige Entschlüsse, einer davon,  ich laufe nie wieder davon.

Ich war gestern in meiner SHG,  die ich seit vielen Jahren besuche.  Wir sprachen darüber,  was für ein unglaublich pralles Leben bekommen haben,  nachdem wir mit den Spielen aufgehört haben,  alle Teilnehmer kenne ich schon Jahrzehnte.  Bei uns allen hat sich das so eingestellt. Wir alle haben auch mir dem Rauchen aufgehört. Danach passierte ein ähnliches Wunder noch einmal.

Was habe ich auf der anderen Seite dafür gegeben,  als ich mit dem spielen aufhörte,  mir ist gestern klarwerden deutlich weniger als nichts musste ich geben.  Ich weiß,  wenn man auf der anderen Seite steht klingt es unglaublich,  aber genau so ist es.

Wir kamen zu dem Thema aus aktuellem Anlass,  was mache ich,  wenn da nichts mehr ist im außen,  eines ist für mich klar,  sicher nicht spielen.  Ich kenne von meinen Depressionen das Gefühl,  das im außen nichts mehr ist, weil ich mich als Last für mein Umfeld sehe,  daher bin ich mir auch sicher,  das spielen kein Aussicht ist.

Selbst wenn da nichts mehr ist,  ich habe durch meinen Weg aus der Sucht ein absolut freies Leben bekommen,  wenn da nichts mehr ist,  habe ich die Freiheit die leere wieder zu füllen oder es zu lassen,  als Spieler hatte ich die nicht.

Es gibt keinen Grund auf irgendwas zu warten  wenn ich mit dem spielen aufhören will,  jeder Tag wäre verschwendet.

Taro

jens:

--- Zitat --- jetzt würde ich nämlich am Liebsten ein komplett neues Leben in einer völlig anderen Stadt anfangen. Alles hinter mir lassen, neues Umfeld, neue Freunde, mich und meine Art neu erfinden
--- Ende Zitat ---


Moinsen!

Den Gedankengang kann ich gut nachvollziehen, verstehen, begreifen...

Da ist nur E I N  großer "Haken" an der Idee...

Gleihgültig, was Du hinter Dir läßt, gleichgültig, was Du aus Deinem Leben verabschiedest...

EINES nimmt Du immer mit!!!!


DICH


LG,
Jens

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