Glücksspielsucht > Tagebuch
mein Weg: Kurve kriegen oder wirklich nach ganz unten
Suchtel:
Ich habe mich tatsächlich noch vor meinem Termin an meine Post gewagt und alles sortiert - es sieht gar nicht soo katastrophal aus.
Mit meiner Therapeutin bin ich vor allem wie geplant die Post der Rentenversicherung mit der Bewilligung durchgegangen und wir haben Papierkram fertig gemacht. Es gibt aber auch noch ein paar Sachen, die mir dann nächste Woche der AG ausfüllen muss. Post von der Klinik kam immer noch nicht, wir haben angerufen und es gibt eben noch keinen konkreten Platz und Termin. Es kam dann aber noch während der Stunde ein Rückruf - nächste Woche wäre spontan ein Platz frei geworden... Gefällt mir nicht... 1. dem AG gegenüber dann doch so kurzfristig auszufallen und 2. weil das mit der Wohnung und rechtzeitigem Leerräumen etc. extrem schwierig werden würde. Punkt 1 haben weder die Dame der Klinik noch meine Therapeutin richtig gelten lassen wollen, Punkt 2 schon eher. Ich soll nochmal eine Nacht drüber schlafen und morgen Rückmeldung geben. Ansonsten klappt es vielleicht erst die Woche vor Weihnachten. Direkt Anfang Dezember wäre perfekt für mich gewesen, aber dann bin ich lieber 2,3 Wochen bei Freunden oder Familie als so Hals über Kopf... Wenn mich über Nacht kein Sinneswandel überkommt, sage ich den direkten Einstieg ab; die Dame meinte eventuell hat sie morgen dann auch schon noch einen anderen Platz im Dezember, der frei wird.
Heute Nachmittag war dann schon das Gehalt auf dem Konto, ich habe eher geistesabwesend nebenbei am PC mein Online-Banking gechecked und es zufällig bemerkt. Uff, ich war für heute noch nicht so direkt darauf vorbereitet, aber habe mir mich motivierende Mucke angemacht, meine Aufstellungen und Planung von nach der Postöffnung geholt, und die Sachen der Reihe nach überwiesen 8)
Ich habe momentan einige Hürden eingebaut, so dass ich zum Glück nicht ohne weiteres online wo einzahlen könnte, aber sowohl direkt nach Erblicken des Kontostands als auch wieder etwas nach den getätigten Überweisungen kam enormer Suchtdruck auf. Ich hätte es mir ja jetzt verdient.. Und 20,50€ tun machen nicht den Unterschied und wie oft hab ich damit schon einige Hunderte rausholen können.. Ich habe aber meine Vernunft, Disziplin etc. wieder finden und es mir ausreden können. Bargeld abheben, Tanken und Einkaufen alles erstmal verschoben. Überall gibt es diese Paysafecards oder andere Auflademöglichkeiten (CashToCode etc..)..
Taro, das mit dem Anrufen bei Suchtdruck ist so eine Sache. Wenn ich es wirklich schaffen sollte das Telefon/Handy in die Hand zu nehmen, bin ich im Prinzip schon wieder genug bei Sinnen. Ich weiß ja ganz genau, dass dem Suchtdruck nachgeben falsch wäre und mir der Angerufene es "ausreden" bzw. in Gedächtnis rufen würde, dass ich es selber doch eigentlich gar nicht will.. Genauso wie diese Strategien kleine Peperonis in der Hosentasche zu haben und dann draufzubeißen oder wenn man daheim ist einfach in Kleidung unter die Dusche springen und Wasser laufen lassen.. In der Theorie genial und kann einem Helfen diese Minuten des extremen Suchtdrucks zu überstehen und ich finde es super, wenn jemand da für sich was findet, was klappt, wie bei dir Telefonieren :) Aber mich hat bisher leider nichts davon effektiv vor "Rückfällen" bzw. Unterbrechungen meiner kurzzeitigen Spielpausen bewahren können.. Vielleicht habe ich aber einfach auch noch nicht das gefunden, was für mich funktioniert.
Sorry, ich merke schon selber - ich wirke oder bin mal wieder beratungsresistent und will alles besser wissen und schon probiert haben.. Ich habe zwar schon ein paar Jahre incl. einiger Zeit aktiven Kämpfens gegen die Sucht hinter mir, aber bin trotzdem noch ganz am Anfang meiner Reise in Richtung Spielfreiheit und bin dankbar für jede einzelne Hilfestellung, Idee, Tipp, Anregung etc...
Balduin, ein Glück habe ich es ohne deine empfohlene Abgabe der Kontrolle geschafft, allerdings war es ein riesiges Risiko und ist nur - zumindest vorerst - geradeso gut gegangen und das Schlimmste für den Monat schon mal abgewendet. Aber umso schöner und gut fühlt es sich gerade an, es mal endlich wieder alleine geschafft zu haben.
Ich weiß noch gar nicht, wie ich in der Zeit in der Klinik das ganze mit Wohnsitz, Post etc. handhaben kann, aber zumindest währenddessen werde ich wohl sowieso die Kontrolle über Konto etc. wieder abgeben.
Der Zug mit der Schufa ist bei mir längst abgefahren :-\ Wie ich nach der Therapie eine Wohnung finde, weiß ich noch nicht. Aber da kriegt man sicher Unerstützung, evtl. kommt auch eine gewisse Form des betreuten Wohnens in Frage. Und ansonsten bin ich wohl auf Bürgschaft angewiesen, da würde ich aber auch wen finden können. Nichtsdestotrotz ist die Wohnungssuche allgemein eh immer schwierig, aber soll bis Februar, März erstmal nicht eine meiner primären Baustellen sein.
Ich hoffe ich schaffe die nächsten Tage ohne Spielen, morgen oder spätestens übermorgen muss ich Geld abheben, Tanken und Einkaufen. Ich habe schon oft den Plan gehabt 200€ in einem Briefumschlag zu legen und das Geld nur ganz gezielt den Monat über zu verwenden. Geschafft mich daran den ganzen Monat über zu halten, habe ich bisher noch nie. Zumindest für die nächsten paar Tage bin ich aber gerade optimistisch gestimmt :)
Im Urlaub richtig verreisen können, habe ich schon lange nicht mehr. Aber die nächsten Tage könnten trotzdem ganz schön werden. Vereinsabend, zusammen Fußball DFB Pokal schauen (kein großer Trigger, Fußball war die letzten Jahre schon lange nicht mehr mein Wettgebiet), Halloween mit Freunden, Shishabar, gegen Wochenende Familie besuchen. Alles mit genug Geld und theoretisch vorerst recht frei von größeren Sorgen, hoffentlich bleibt es so und ich verbaue es mir nicht irgendwie..
Suchtel:
Ich habe mich wie erwartet gegen den quasi direkten Termin in der stationären Klinik entschieden und denen Bescheid gegeben. Ich habe zwar noch keine konkrete Alternative genannt bekommen, aber im Laufe des Dezembers wird es höchstwahrscheinlich schon klappen. Das reicht mir auch und passt mir einfach wesentlich besser.
Ansonsten habe ich weiter im Griff gehabt und nirgendwo auf welche Art auch immer etwas eingezahlt, war aber auch noch nicht einkaufen und tanken. Heute war vom Suchtdruck her aber gar keine ganz heiße Phase dabei. Jetzt gleich auf zum Sport und dann zusammen Pokal gucken und ich kann mir dabei was gönnen 8)
Morgen an der Kasse im Supermarkt und Tankstellenschalter muss ich mich zusammenreißen, aber ich glaube im Moment fest daran, dass ich das hinkriege :)
Ich hoffe nur, ich will mir mit dem Nicht-Antritt kommende Woche nicht selber die Tür offenhalten, die stationäre Therapie doch noch zu canceln, weil es gerade ja vermeintlich wieder läuft.. Aber ich hab's nicht vor, sondern will es unbedingt.
Ansonsten läuft eben gerade tendenziell wirklich alles in eine gute Richtung und ich fühle mich mich so gut wie lange nicht mehr :D
nutella:
@suchtel pass auf Dich auf, die Euphorie ist ein guter Blender..
Gobo2018:
Sehe ich genauso....
Du tanzt auf der Klinke der Schneide..... da kann man sich schneiden...
Es ist wichtig für dich das du deine Sachen regelst um dann relativ entspannt in die Therapie zu gehen.
Die Therapie kannst du wie Urlaub sehen (wenn du es schaffst sie anzutreten) diese ist auch irgendwann wieder vorbei.
Dann ist es auch wichtig das man wieder in das normale Leben rein findet.
Obwohl ich damit nicht meine alles immer nur negativ zu sehen und alles runter zu ziehen.
Man ist schneller wieder in seinen alten Mustern als man denkt und hier spreche ich aus Erfahrung....
Halt uns auf dem laufenden.... schönen Abend noch
Suchtel:
Ja, ich habe mich schon oft durch Euphorie blenden lassen und genauso schnell ging es dann rückblickend auch meistens bergab. Das ist immer gefährlich, da habt ihr völlig Recht, nutella und Gobo.
Meine Stimmung ist besonders schwankend die letzten Tage und Wochen. Generell wahrscheinlich auch schon Monate und Jahre. Nur habe ich mich jetzt kürzlich für ein paar Tage vereinzelt immer mal wieder richtig gut gefühlt, in den letzten ~2500 Tagen waren es wahrscheinlich insgesamt weit unter 50.
Gerade bin ich irgendwie traurig ohne richtig triftigen Grund. Dabei bin ich gerade so noch standhaft oder zumindest ohne Einzahlung geblieben. Ich differenziere da vom Spielen allgemein, weil ich gerade die Woche im Urlaub so viel Zeit hab, sodass ich dann am PC nach wie vor immer wieder nach Freespins/Freebets gucke; das ist definitiv nicht gut und diese Gewohnheit muss ich mir abgewöhnen, weil mich das extrem triggern kann - deswegen verteilen die Wettanbieter und OCs das ja auch, am Ende amortisiert es sich für sie innerhalb von ein paar Tagen oder sogar nur Stunden.. Heute hatte ich zwischenzeitlich dadurch auch wirklich extremen Suchtdruck und war gedanklich schon am loslfahren um mir eine PSC zu holen - einen 50%Bonus auf Sportwetten wollte ich mitnehmen... 50€ schulde ich vom letzten Monat noch einem Freund und weiß noch gar nicht, wann ich ihn überhaupt das nächste Mal sehe und er macht da keinerlei Stress (obwohl auch er mittlerweile von meiner Spielsucht weiß). Ich habe es gestern auch präventiv bar mit abgehoben und den 50er beiseite getan. Der war extrem in Kombination mit dem Angebot extrem verführerisch - es bekommt ja erstmal keiner mit, wenn der fehlt, und ich setze einfach den Bonus schnell mit 3,4 Wetten um und dann zahle ich mindestens die 50 direkt wieder aus... So wollte ich es mir einreden. Aber es kann eben genausogut schief gehen und dann passieren, dass ich jeden einzelnen verfügbaren Euro umwandle und verliere. Und selbst wenn ich gewinnen sollte, bin ich vermutlich wieder so getriggert und gierig, dass es früher oder später weg ist. Und selbst wenn ich sogar sagen wir 100 auszahlen können sollte, es würde mein Leben nicht entscheidend positiv verändern..
Ich habe mich heute zwar davon abhalten können, aber irgendwie ist in mir immer noch so fest das Denken verankert, dass ich beim Wetten nicht unbedingt verlieren muss, sondern durchaus gewinnen kann. Obwohl ich über Jahre hinweg das Gegenteil erlebt habe.. Eher kann ich es für mich noch begründen, dass ich mir eh nicht so viel Geld aus mache und aktuell alles halbwegs im Lot ist..
Aber auch die Ablenkung, Unterhaltung und Spannung reizt mich extrem. Ohne die Arbeit bleibt trotz vermeintlich viel Freizeibeschäftigungen mit Verein, Freunden, Familien noch so viel Zeit. Schon als Kind und dann auch Jugendlicher habe ich mitunter extrem viel an PC oder Konsole gezockt. Im Nachhinein vergleichsweise harmlos zum Glücksspiel. Mittlerweile reizen mich Videospiele aber nicht mehr so wirklich, ich habe teilweise mit Serien und so angefangen, aber irgendwie langweilt mich dann am Ende fast alles.. Heute wollte ich zwischenzeitlich einfach eine Runde raus mal spazieren (ohne Geldbeutel), aber am Ende ist es auf einen sehr ausgiebigen Mittagsschlaf bei etwas Musik hinausgelaufen.. Das kann vereinzelt schön und erholend sein, aber mich frustriert das mitunter eher. Ich glaube nicht, dass ich eine "richtige" Depression habe, aber über die letzten Jahre habe ich mitunter schon Phasen extremer Lethargie durchgemacht, wo ich mich zu fast gar nichts motivieren konnte. Meine wichtigsten Stützen incl. Arbeit, Verein, Unternehmungen mit Freunde habe ich zum Glück aber immer, wenn auch teilweise dann nicht mehr so regelmäßig, beibehalten.
Einfach mal so raus an frische Luft spazieren täte mir an Tagen, an denen ich sonst keine festen Termine oder Vorhaben, glaube ich richtig gut. Zum Teil hemmt mich wahrscheinlich auch mein teilweise soziale Unbeholfenheit. Einfach so ohne Grund draußen rumlaufen, das ist doch komisch (nein ist es natürlich nicht und selbst wenn jemand sogar denken sollte, was soll's..). Ich fühle mich manchmal schon unwohl, wenn am Fenster ein Nachbar vorbeiläuft..
Ich merke und weiß eigentlich auch schon, dass unglaublich viele Themen habe, in denen ich mich persönlich weiterentwickeln kann und auch muss um ein richtig glückliches Leben führen zu können. Die 3 Monate mit Profis sind ja jede Menge Zeit und ich hoffe, dass ich da auch abgesehen von der Sucht an meinen ganzen anderen Baustellen arbeiten kann.
Seit gestern in der Shishabar weiß mein wahrscheinlich bester Freund, dass ich für 3 Monate in die Klinik gehen werde. Er hat mich natürlich darin bestärkt und mir großen Respekt gezollt. Jenachdem wohin, warum und wofür es mich nach dieser Zeit dann verschlägt, erwägen wir sogar zusammen in eine WG zu ziehen.
Morgen besuche ich am Nachmittag meine älteste Schwester+Schwager mit den Kids, das wird schön. Am Samstag sehe ich dann auch noch einen weiteren Großteil der Familie, weil wir Opa (meine Perspektive) anlässlich seines Geburtstags in seinem Pflegeheim besuchen. Er leidet seit 2,3 Jahren an sehr starker Demenz und es ist für mich immer noch komisch, wenn er mich - tagesformabhängig - teilweise gar nicht mehr erkennt oder es von der einen auf die andere Sekunde vergisst..
Und nicht zuletzt hat sich heute Mittag ein Ex-Chef von mir, den ich extrem schätze (genauso wie er ich) und mit dem ich deshalb auch in Kontakt geblieben bin, bei mir gemeldet. Faszinierend wie er (Groß-)Familie mit eigenen Kids, Arbeit, Hobbies und dazu außergewöhnlich viel Engagement in Nachbarschaft, Politik uvm von außen betrachtet alles auf die Reihe kriegt- und dabei noch so viel Zeit und Empathie für Mitmenschen incl. mir aufbringt. Er wollte sich wohl einfach mal wieder nett melden (unser letztes Treffen ist wahrscheinlich schon wieder knapp 2,3 Monate her) und als ich ehrlich antworte, dass es mir nicht so gut geht, hat er sich direkt für Montag mit mir verabredet. Ich wollte mich ihm schon vor vermutlich mehr als einem Jahr als erstem außerhalb der engsten Familie anvertrauen, aber es ging mir dann bisher doch nie über die Lippen. Diesmal will ich es auf jeden Fall rauslassen. Zumal er einer der wenigen Menschen ist, bei dem ich mir absolut sicher bin, dass er wirklich von tiefem Herzen ohne Gedanken an sich selbst nur das Beste für mich möchte.
Ich weiß, ich schweife ziemlich vom Thema Sucht ab, aber ist ja schließlich mein Tagebuch und irgendwo hängt doch alles mit Defiziten und allgemeiner Unzufriedenheit im Leben zusammen, warum man sich mal in den Bann des Glücksspiels hat ziehen lassen oder ihm nach wie vor verfallen ist.. Außerdem tut mir das von der Seele schreiben gut, ist bestimmt etwas durcheinander, aber geradeheraus und befreit..
Liebe Grüße :)
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