Glücksspielsucht > Tagebuch

Mein Weg in ein besseres Leben

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andreasg:
Hallo ihr Lieben,

Rückfälle sind etwas von derart wichtig, um den Weg aus der Sucht zu gestalten: sich einfach ergeben und versinken, oder zu kapitulieren und die Hände zum Himmel heben.
Wie oft habe ich mir schon überlegt, den ganzen Kram mit der Spielsucht at acta zu legen, und mich alleine auf mein Rentnerdasein zu konzentrieren.

Das ist jetzt über ein Jahr her, ich hatte eine Eintrittskarte für den Zirkus von meiner Ex zum Geburtstag geschenkt bekommen; vor der Vorstellung war ich bei der sehr wohltuenden Lymphdrainage, und dazwischen im Kaufhausrestaurant. In dem Lokal befanden sich zwei Spielautomaten, weiter hinten, außerhalb meines Blickfeldes. Während des Essens kam der Gedanke, ich könnte ja dort ein paar Spiele machen, einfach wieder ausprobieren, wie war das noch? Das Essen schmeckte kaum noch, ich verließ das Restaurant, ohne Automaten gesehen zu haben und war heilfroh als das Zirkuszelt vor mir auftauchte.

Ich habe das in der SHG aufgearbeitet, und bin mir selber im klaren geworden, wie schwer es für mich immer noch ist, Geschenke anzunehmen, also nicht mehr abweisend auf positive Zuwendungen zu reagieren. Darum bin ich ja von meiner damaligen Frau geschieden, weil ich diese destruktiven Abwehrmechanismen habe. Geist, Seele und Körper wurden auf Ablehnung, Negationen getrimmt, ein Kokon, einer Sicherheit, die sicher zur Vernichtung führt.

Das Annehmen, die Bereitschaft für positive Empfindungen ist ein Entwicklungsstadium für mich. Ich habe viele solcher Momente in der Gegenwart. Wenn ich nur an meine Wassergymnastik - in der Gruppe denke, oder an den Besuch meiner Schwester aus England zur Zeit und den Kino - und Lokal Besuch Gestern Abend, dann bin ich mir gewiß, das Leben hat so unendlich viele schöne Facetten, die sich mir noch auftun können, wenn ich meine Ängste - vor den Menschen - über winden lerne, Einen Tag zur Zeit.

Es spiel keine Rolle, wie lange ich mich dem Glücksspiel schon fernhalte, das zwanghafte Klammern an Negationen, die Depression, das was mir hilft, ist das Eingeständnis meiner Spielsucht, und mein Bekenntnis zur Spielfreiheit und zu Gottes Liebe.


schöne 24 Stunden
Andreas

taro:
Ich habe mal im Meeting gehört, das der Rückfall mit dem Münzeinwurf oder Geldeinsatz bereits abgeschlossen ist, der Rückfall passiert bereits lange vorher.
Mit dem Entschluss ein spielfreies Leben führen zu wollen habe ich alle Bereiche in meinem Leben auf den Kopf gestellt und ein neues "freies" Leben begonnen.
Frei vom spielen und frei von selbst,  oder von außen auferlegten Zwängen.
Ich hatte zwei Rückfälle und beide Male hatten mich schon lange vorher meine Ängste oder eigenen Erwartungshaltungen von meinem neuen Leben entfernt.
Dafür,  dass beide Male meine Rückfälle nur kurz andauerten und ich danach meinem neuen Weg vorführen konnte bin ich Gott von Herzen dankbar, denn meine Entscheidung war das sicher nicht.

Taro

TAL:
"Ein Rückfall passiert nicht einfach so. Schon lange, bevor es tatsächlich dazu kommt, habe ich bereits innerlich angefangen, es zuzulassen." - Das habe ich auch mal gehört, von einem trockenen Alkoholiker. Ich habe mir da gedacht "So einfach ist das nicht."
Andererseits findet er sich ja nicht plötzlich auf dem Weg vom Supermarkt nach Hause mit einer Flasche in der Hand wieder... und ich müßte ja auch aktiv handeln, um vor einem Automaten wieder 'aufzuwachen'...
Wenn das alles einfach nur eine Frage des 'Freien Willens' wäre, hätten er und ich doch überhaupt keine Schwierigkeiten und der Begriff des 'Trockenseins' wäre absolut überflüssig...

Es gibt ihn aber. Zurecht. Denn ab und an meldet sich die Stimme dann doch mal wieder. Selten, ich wünschte aber trotzdem, es wäre erst gar nicht so. Kann's mir nur halt nicht aussuchen. Bin ja nunmal nachweislich nicht so der willensstarke Typ.


Du hast recht, NW. Wenn man das von mir geschriebene so liest, ist es irgendwie ein Widerspruch. Aber da fehlt mein Text dazwischen.


--- Zitat ---Ich kenne beide Gedanken und bei den schlechten ,, schaffst Du eh nicht mehr " , ,,wirst dein leben lang zocken", habe ich auch noch Jahre lang weitergezockt.
--- Ende Zitat ---

Eben. Bei halbherzigen Versuchen resultierte ein Rückfall auch bei mir in noch mehr Resignation und Selbstverachtung. Ich hatte innerlich aufgegeben. Sobald ich wieder zu Geld kam, waren die Vorsätze weg. Was soll's? Das wird eh nichts.

Mein letzter ist aber zum Glück eine Weile her, möge das auch weiterhin so bleiben. Ich habe dennoch einen Heidenrespekt davor, was passieren könnte.
Es wäre definitiv ein herber Rückschlag. Würde ich, wie du, sofort wieder aufstehen, oder es sofort wieder handhaben wie früher? Richtig. Ich weiß es eben nicht...
Ansonsten hast du natürlich absolut recht, wenn ich so darüber nachdenke. Auch nur eine Woche oder zwei wären früher für mich undenkbar gewesen.

Sorry, ich bin nicht sonderlich gut darin, meine Gedanken diesbezügliche 'rüberzubringen'. Ist eher ein wenig ungeordnet. Vielleicht bin ich auch nur etwas seltsam. Ist halt alles relativ neu für mich.

Schön gesagt, Andreas. Es kommen immer wieder mal Momente, in denen einem klarwird, daß man es nie vollständig überwinden kann. Ja. Ich bin suchtkrank, darum sind für mich viele 'normale' Dinge einfach immernoch schwer anzunehmen. Alte Verhaltensmuster sterben nie vollständig aus. Hat gedauert, das so akzeptieren, mir geht's doch eigentlich blendend. Manche Mühlen mahlen halt sehr langsam...

Mhh... Sehe ich das alles wirklich zu negativ?

andreasg:
Guten Morgen Tal,

Seine Sichtweise ist für mich nicht negativ! Du blickst der Gefahr gerade mutig ins Auge. Das heißt auch, die Angst zu überwinden. Vielleicht die Angst vor einem Rückfall, die Angst für ein Leben ohne spielen? Die Trinker sind uns irgendwie ein Stück voraus, sie machen ihre Trunksucht erkenntlich, und können daher womöglich viel offener im Trockenwerden und in der Genesung umgehen.
Wir Spieler sind irgendwie anders, komplizierter? Das ist vielleicht eine Hürde, wenn wir uns der Kapitulation vor der Spielsucht stellen. Wie viele innere Konstruktionen bracht es, das Glückspiel aufrecht halten zu können, Das hat das Ego gestärkt, die Schwäche wurde überspielt, nun brechen die Kartenhäuser zusammen und die Welt scheint unter zu gehen!!?

Glaube mir, die Dunkelheiten werden schwinden, wenn du und ich uns ferner vom Glücksspiel fernhalten. Ich mache mich gleich auf den Weg zum Psychologen, bin abends mit meiner Gruppe im Kino, einen Film über Depressionen, das passt alles zusammen, weil ja nach dem Negativen das Positive Zeit und Raum gewinnt.

Liebe Grüße
Andreas

TAL:
Danke. :)

Ja. Ich habe unglaubliche Strapazen auf mich genommen, mich selbst und andere in die Tasche zu bescheißen, um ungestört weitermachen zu können. Von meinem Ego war allerdings am Ende nicht viel übrig, es ist auch jetzt noch nicht so wirklich weit her damit. Ich neige zum Ja-Sagen, Ignorieren und Abnicken. Bloß nicht anecken, das fällt nur auf und ist am Ende noch mit Anstrengungen verbunden. War dann nicht so einfach ohne das schöne Kartenhaus, es hatte immer sowas Beruhigendes. Siehste... hält doch!

Natürlich wäre ein Rückfall, sofern er nicht im leider allzu vertrauten Kontrollverlust endet, nicht das Ende der Welt, und meine Bemühungen wären ja trotzdem nicht umsonst gewesen. Ich durfte, und darf, es erleben, ich weiß, daß es sich lohnt, sich dauerhaft von diesem Zwang zu befreien.
Die wirkliche und eingebildete Angst vor einem Leben im grellen Scheinwerferlicht, ohne vermeintliche 'Rückzugsmöglichkeit', ohne die so liebgewonnene, vom vielen Gebrauch abgenutzte Schippe Sand, in die der eigene Kopf immer so schön reinpaßt... ja, manchmal erwische ich mich dabei, indirekt, wenn ich anfange, Dinge für mich in Frage zu stellen.
Kann man da von 'Angst' reden? Ich denke, es stimmt, was du sagst, man kann.
Mir fehlt halt eben etwas sehr Entscheidendes, wie mir klargeworden ist: Rückhalt. Ich bin niemandem 'Rechenschaft schuldig', es würde sehr lange niemand irgendwas merken, so wie damals auch.

Unter einem Alkoholiker können sich die meisten Leute etwas vorstellen. Nicht unbedingt verstehen, aber es leuchtet jedem irgendwie ein. Sage ich jemandem "Ich bin trockener Alkoholiker.", ist das absolut verständlich für jeden, man muß das nicht groß erklären.
Die gesellschaftliche Akzeptanz der Existenz seiner Krankheit ist mittlerweile vorhanden.

Tja, und bei mir... da beginnt es schon damit, daß ich mich nichtmal selbst verstehe...

So oder so... ich bewundere diese Offenheit, egal, womit man zu kämpfen hat, es ist nie leicht. Sowas laut auszusprechen, das wäre dann wohl letztlich komplette Kapitulation.

Es sorgt dafür, daß man es im Zweifelsfall nicht mit sich selbst ausmachen muß, was ja nunmal nie ein wirklich probates Mittel war, auch wenn ich mir das gerne einrede.

Es gibt nichtmal einen konkreten Anlaß, hatte schon länger keine wirklich 'kritischen' Situationen mehr. Aber man kann ja bekanntlich nie wissen...

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