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Spekulationssucht: süchtig nach Daytrading / Börse
margin_call:
--- Zitat von: blow_up am 29 September 2021, 13:48:57 ---[...]Heute handhabe ich das so, wie es auch im institutionellen Umfeld gemacht wird: es wird ein Plan erarbeitet und dann, wenn man die Statistik auf seiner Seite hat, wird jede Order mit fest definierten S/L und Profitmarken eingegeben. Den Rest machen Handelsrechner und man selbst muss nicht mehr auf irgendwelche Charts schauen, man wird dann nicht dazu verleitet den jeweiligen Markt als Casino-Ersatz zu sehen
--- Ende Zitat ---
@blow_up: Das würde ich mich übrigens nicht trauen. Hätte zu viel Respekt, irgendwann wieder in alte Verhaltensmuster zurückzufallen (wenn man trotz aller Disziplin das Gefühl hat, besser als der Handelsrechner zu sein und dann abweicht und größere Hebel fährt...) ::).
Olli:
Cool ... drei Jahre ... wie die Zeit vergeht ... :)
FOMO:
Hallo zusammen
Schön dass ich dieses Forum entdeckt habe und solch gut formulierte Beiträge lesen durfte.
Da ich mich ziemlich schäme, mit meinen Freunden darüber zu reden, tut es mir vermutlich gut, hier mal meine Geschichte zu erzählen.
Ich bin heute 40ig und habe früher als Bankberater gearbeitet und kenne mich mit der Börse gut aus. Als Berater habe ich meinen Kunden immer geraten: Aktien kaufen und liegen lassen - aber für mich persönlich habe ich das leider nie gemacht :-). Als ich anfing bei der Bank zu arbeiten, erlebte ich den 2000er-Tech-Bubble-Crash. Danach habe ich immer wieder mal ultra-spekulative Aktien oder Optionsscheine gekauft und meistens das Geld vernichtet. Wenn ich mal Aktien mit Gewinn am Laufen hatte, stieg ich viel zu schnell aus. Ich hatte keine Geduld. Die Verluste waren zwar ziemlich hoch, aber ich konnte es verkraften weil ich sparsam lebte und keine Familie habe. Trotz Verlusten konnte ich ein Vermögen aufbauen. Ab 2019 dachte ich, dass die Börse überbewertet sei und startete immer wieder Short-Versuche, d.h. ich setzte auf fallende Kurse. Sie fielen leider nicht sondern stiegen weiter an. Dann hatte ich meinen Glücksmoment: Vor dem Coronacrash im März 2020 ging ich short und zack hatte ich 10'000 Euro Gewinn. Ich dachte mir natürlich, dass ich das wiederholen könnte. Die Erholung der Märkte im 2020 und 2021 fand ich übertrieben und ging dann x-mal short, immer ohne Erfolg. Ich habe auch angefangen mit CFD - das kann man halt einfach auf dem Mobiltelefon benutzen und überall traden. Schlussendlich habe ich in den letzten 1.5 Jahren sicher 1/4 meines Vermögens verzockt (ca. 50'000 Euro). Und ich will nicht noch mehr verzocken. Ich bin getrieben davon, meinen Verlust wieder reinzuholen, weil ich eigentlich vielfach richtig gelegen bin in den letzten Wochen, aber immer durch ganz knappe Knockouts und SLs aus dem "Spiel" genommen wurde. Danach gings dann wieder in die von mir vorhergesagte Richtung und ich begann panikartig hinterher zu traden. Abende lang am Mobiltelefon. Auch las ich in Börenforen immer wieder Kommentare, wie sie dort fast alle super Gewinne gemacht haben etc.. Ich dachte mir: Du musst doch auch nachhaltig traden können etc.. Ich las Bücher und fing aber an wie im Gleichgültigkeits-Rausch auf Disziplin, starre Regeln etc. zu verzichten und tradete auch emotional. Aber am letzten Freitag als der Nasdaq ca. -2.7% gemacht hat (und später noch tiefer ging) und ich schon vorher auf einen Bounce gehofft hatte, habe ich die Geduld endgültig verloren und gedacht, mehr als 2-3% fällt der nicht und bin mit hohen Hebeln rein etc.. Fakt ist, ich habe nochmals eins richtig auf die Fresse gekriegt und habe festgestellt, dass ich börsensüchtig bin. Es tut mir nicht gut und ich nutze meine Zeit nicht mehr gross anderweitig. Meine Freundin ist leider vor ein paar Monaten ausgezogen (wir haben uns getrennt) und irgendwie habe ich einfach meine Freizeit mit Traden (auch während der Arbeit im Homeoffice) ausgefüllt. Jetzt bin ich an einem Punkt angekommen, wo ich überlege, nochmals mein Trading-Konto aufzufüllen und die vergangenen Verluste diszipliniert wieder zurück zu traden. Ich muss schon ein wenig Lachen während ich das schreibe...und warum ist mein Nickname FOMO? Das heisst Fear of missing out - und genau das Gefühl belastet mich sehr, ich habe Angst die besten Gelegenheiten zu verpassen....und der Griff zum Mobiltelefon ist ja ganz einfach....
Olli:
Hi und herzlich willkommen!
--- Zitat ---und warum ist mein Nickname FOMO? Das heisst Fear of missing out - und genau das Gefühl belastet mich sehr, ich habe Angst die besten Gelegenheiten zu verpassen....und der Griff zum Mobiltelefon ist ja ganz einfach....
--- Ende Zitat ---
Und? Hast Du zum Telefon gegriffen?
Ich möchte Dir gerne eine Aufgabe stellen ... schaue einfach mal, wo Du stehst. Was hast Du bisher im Leben so erreicht? Woran hindert Dich nun die Angst etwas Großes zu verpassen?
blow_up:
--- Zitat von: FOMO am 25 Januar 2022, 23:53:39 ---Da ich mich ziemlich schäme, mit meinen Freunden darüber zu reden, tut es mir vermutlich gut, hier mal meine Geschichte zu erzählen.
--- Ende Zitat ---
Hi FOMO, ich versuche mal meinen Senf dazu zu geben da ich mich mit dem Thema Trading und (potenzielle) Spielsucht beschäftigt habe. Eine Nische hier im Forum, meine eigene Geschichte samt Weg hierher kannst du in diesem Faden nachlesen: https://www.forum-gluecksspielsucht.de/forum/index.php/topic,4359.msg36029.html#msg36029
--- Zitat ---Ab 2019 dachte ich, dass die Börse überbewertet sei und startete immer wieder Short-Versuche, d.h. ich setzte auf fallende Kurse. Sie fielen leider nicht sondern stiegen weiter an. Dann hatte ich meinen Glücksmoment: Vor dem Coronacrash im März 2020 ging ich short und zack hatte ich 10'000 Euro Gewinn. Ich dachte mir natürlich, dass ich das wiederholen könnte. Die Erholung der Märkte im 2020 und 2021 fand ich übertrieben und ging dann x-mal short, immer ohne Erfolg.
--- Ende Zitat ---
Du kennst sicherlich den Spruch "trade what you see". Meine hohen Verluste kamen dann zustande wenn ich der Meinung erlag wissen zu müssen was wohl passieren wird. Wenn man in "überbewertet" und "unterbewertet" denkt. Wenn man ernsthaft an der Börse unterwegs ist muss man es wie ein Business sehen, die Einnahmen (Gewinne) müssen die Ausgaben (Verluste) übersteigen aber letztere gehören mit dazu, man muss sie akzeptieren und sie immer(!) begrenzen. Das läuft über lange und langweilige Excel-Dateien und Journale ab, es ist definitiv kein Spiel. Auch wenn viele es als solches verstehen, es knallbunte Trading-Apps gibt die genau so gut ein Online-Casino darstellen können - frage dich selbst wem das was nutzt. Der Erwartungswert deiner Geschäfte muss positiv sein. Meinst du es gäbe auch nur ein Online-Casino wenn deren Erwartungswert nicht positiv wäre? In Sachen Spielsucht und deren pathologischen Muster habe ich bei weitem nicht die Erfahrung wie andere User hier, aber ich meine gerade bei Börsengeschäften den schmalen Grat ausfindig gemacht zu haben: es ist die Kontrollillusion. Wenn immer man denkt "das muss korrigieren", "das muss jetzt wieder steigen", "unterbewertet" / "überbewertet"... Löse dich davon, sonst kommst du auf keinen grünen Zweig.
Ich war als ich vor 2 Jahren meinen Beitrag hier verfasst hatte an einem Punkt an dem ich derart paralysiert über mein dämliches Tun war dass ich am liebsten alles hingeschmissen hätte und mir nie wieder einen Chart angeschaut hätte. Nur war ich beruflich dazu verdonnert im FX Hedging eines großen Konzerns weiterhin genau anzuschauen was da an den Märkten passiert. Wenn ich süchtig nach Alkohol, Online-Casinos oder Pornos bin und mir das den ganzen Tag reinziehe dann sieht auch ein Außenstehender dass der oder diejenige wohl ein Problem hat, wenn man den ganzen Tag Charts und Tabellen anschaut dann macht man ja was "seriöses" und kommt ggf als besonders fleißig rüber. Man kann sich aber genau so damit ruinieren, das ist Fakt. Letztendlich bin ich froh dass ich heute meinen Handel im Griff habe - was natürlich nicht heißt dass es auch weiterhin Drawdowns gibt.
--- Zitat von: FOMO am 25 Januar 2022, 23:53:39 ---Ich habe auch angefangen mit CFD - das kann man halt einfach auf dem Mobiltelefon benutzen und überall traden. Schlussendlich habe ich in den letzten 1.5 Jahren sicher 1/4 meines Vermögens verzockt (ca. 50'000 Euro). Und ich will nicht noch mehr verzocken. Ich bin getrieben davon, meinen Verlust wieder reinzuholen, weil ich eigentlich vielfach richtig gelegen bin in den letzten Wochen, aber immer durch ganz knappe Knockouts und SLs aus dem "Spiel" genommen wurde. Danach gings dann wieder in die von mir vorhergesagte Richtung und ich begann panikartig hinterher zu traden.
--- Ende Zitat ---
Provokative Frage dazu: wie viele Experten kennst du aus deiner Bank-Vergangenheit die mit CFDs oder Knockout-Zertifikaten handeln? Wie ist denn der Erwartungswert dabei (Stichworte Slippage, Spreads, Finanzierungskosten etc.)? Bei den CFD-Buden wird es dir sogar unter die Nase gerieben, weil die gesetzlich dazu verdonnert wurden es zu veröffentlichen. Nehmen wir mal einen beliebigen, großen Anbieter - auf deren Webseite steht:
"CFDs sind komplexe Instrumente und gehen wegen der Hebelwirkung mit dem hohen Risiko einher, schnell Geld zu verlieren. 74 % der Kleinanlegerkonten verlieren Geld beim CFD-Handel mit diesem Anbieter. Sie sollten überlegen, ob Sie verstehen, wie CFDs funktionieren, und ob Sie es sich leisten können, das hohe Risiko einzugehen, Ihr Geld zu verlieren. Optionen und Turbozertifikate sind komplexe Finanzinstrumente und gehen mit dem hohen Risiko einher, schnell Geld zu verlieren."
Aha, 74% verlieren also systematisch Geld damit. Diese Info an sich ist übrigens interessant wenn man dann noch schaut wie die Anleger im Schnitt positioniert sind ;-) Klar, auf Zigarettenpackungen sind auch schreckliche Bilder drauf und es gibt Raucher/innen. Und vermutlich müssen Online-Casinos nicht offenlegen welcher Prozentsatz der Spieler Geld verliert, ich tippe die Zahl wäre nicht 74% sondern eher 99%. CFDs wurden für Kleinanleger geschaffen um diese auszubeuten, der Vergleich mit OCs ist so abstrakt nicht.
--- Zitat ---Auch las ich in Börenforen immer wieder Kommentare, wie sie dort fast alle super Gewinne gemacht haben etc.. Ich dachte mir: Du musst doch auch nachhaltig traden können etc..
--- Ende Zitat ---
Naja in den Börsenforen und bei Twitter liest man immer was über die super Gewinne. Die Verluste erwähnt man dort eher selten. Jeder Händler der nachhaltig profitabel handelt wird dir offen sagen dass man auch Verluste akzeptieren muss. Dass der Markt immer recht hat, nicht die eigene Meinung. Dass Disziplin das A und O ist und Emotionen fehl am Platze sind, das eigene Ego lieber leise sein sollte (PS: deswegen sind Frauen auch erfolgreicher in diesem Geschäft)
--- Zitat ---Jetzt bin ich an einem Punkt angekommen, wo ich überlege, nochmals mein Trading-Konto aufzufüllen und die vergangenen Verluste diszipliniert wieder zurück zu traden. Ich muss schon ein wenig Lachen während ich das schreibe...und warum ist mein Nickname FOMO? Das heisst Fear of missing out - und genau das Gefühl belastet mich sehr, ich habe Angst die besten Gelegenheiten zu verpassen....und der Griff zum Mobiltelefon ist ja ganz einfach....
--- Ende Zitat ---
Zurück traden kann man hier gar nix. Du kannst entweder frische Gewinne machen oder frische Verluste. Und bisher hast du unterm Strich mit deinem Vorgehen Verluste erzeugt. Warum sollte dieser Weg also irgendwie zielführend sein? Entweder du ziehst jetzt einen Schlussstrich, sagst der Börse Auf Nimmerwiedersehen oder du versuchst in einen profitablen Handel zu gelangen und dafür musst du nicht in dein Trading-Konto investieren sondern in dich selbst, in dein Mindset, deine Disziplin. Handelsprotokoll, vor jedem Trade Ziel und Stop festlegen. Vergiss die dämlichen Hochglanz-Videos mit irgendwelchen Lamborghinis, das ist alles Quatsch. Das ist harte Arbeit - die nicht immer fair bezahlt wird. Die berühmten 10.000 Stunden haben bei mir wohl gar nicht gereicht, es hat über zehn Jahre gedauert bis ich es meine einigermaßen verstanden zu haben .Und da sind wir dann in der wohl kapitalistischsten Maschinerie die es auf unserem Planeten gibt plötzlich ganz nah beim alten Marx, frei nach dem Motto nur mit Arbeit entsteht ein Wert.
--- Zitat von: Olli am 26 Januar 2022, 09:05:29 ---Ich möchte Dir gerne eine Aufgabe stellen ... schaue einfach mal, wo Du stehst. Was hast Du bisher im Leben so erreicht? Woran hindert Dich nun die Angst etwas Großes zu verpassen?
--- Ende Zitat ---
Ha, geniale Frage. Die sollte man sich in der Tat immer wieder selbst stellen, danke dafür.
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