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Mein Teufelskreis nach unten in der Spielsucht

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Mein Teufelskreis nach unten in der Spielsucht
« am: 26 März 2019, 17:35:59 »
Hallo zusammen,

ich bin ganz neu hier und möchte einfach mal meine Geschichte zu meiner Spielsucht erzählen, da ich inzwischen an einem Punkt bin, an dem es nicht mehr so weiter geht.

Zunächst mal ich bin 28 Jahre alt und hatte schon immer mal Probleme mit Alkohol und auch Drogen. Mit Kiffen, Rauchen und Alkohol fing ich mit 13 an. Amphetamine kamen mit 23 dazu. Das Kiffen und die Amphetamine habe ich seit Jahren schon gelassen.

Mit Anfang 20 begann jedoch die für mich schlimmste Droge und Sucht mich zu erobern: Das Spielen an Automaten !
Mein erstes Spiel am Automaten war in einem Casino mit Bistro. Ich warf nur ca. 10 Euro ein und gewann mit der Zeit am selben Automat ca. 200 Euro. Ich war glücklich, fühlte mich toll und empfand es als wie ein Rausch.
Diesen Gewinn nahm ich auch mit und sagte mir, kann man ja mal ab und zu machen.

Schon am nächsten Tag spielte ich in der gleichen Spielhalle wieder und verlor einen großen Teil. Ich war deprimiert und niedergeschlagen aber dachte mir, du wirst schon wieder gewinnen.

Relativ schnell kam es dazu, dass ich nach meiner damaligen Arbeitsstelle (nach Feierabend) direkt neben einer großen Spielhalle immer öfter spielen ging. Ich bekam meinen Lohn immer nach der Arbeit auf die Hand und verspielte ihn immer öfter. Teilweiße verspielte ich jetzt sogar schon mein Geld was ich mir für meine Taxifahrt nach Hause aufheben musste und so kam es dass ich 10 Kilometer nach Hause laufen musste.
Ich hatte nach den Verlusten immer öfter Depressionen, baute mich aber damit auf dass ich ja Arbeit hatte und dann wieder spielen kann und auch mal wieder groß gewinnen werde.
Oftmals überwiegten natürlich die Verluste.
Ein einschneidendes Erlebnis war der Gewinn von 2000 Euro an einem Abend, ich hatte noch nie soviel Adrenalin in mir und war wie benebelt. Tatsächlich schaffte ich es sogar einen großen Teil für sinnvolle Dinge auszugeben. Ein Teil verschwand natürlich auch wieder in den Automaten.

Als das Geld dann nach einiger Zeit spielen wieder sehr knapp wurde, erreichte ich meinen ersten Tiefpunkt. Ich nahm die Tageseinnahmen meines ehemaligen Arbeitgebers mit und ging spielen. Stundenlang, mit der Hoffnung ein Plus zu haben um die Miete zu zahlen und den Rest wieder bei meinem Chef zurückzulegen.
Als gegen Morgen grade noch die Miete da war war ich verzweifelt und fuhr nach Hause. Ich zahlte die Miete und machte mein Handy aus. Die Miete war gezahlt aber ich hatte meinem ehemaligen Chef Geld geklaut.

Die Folge war natürlich der Verlust des Arbeitsplatzes und Depressionen sowie Panikattacken die immer heftiger wurden.
Zu dieser Zeit trank ich auch wieder öfter Alkohol.

Eine Gefängnisstrafe von einem Jahr brachte mich dann jedoch weg vom Alkohol und dem Spielen. Es war eine Zeit ohne Suchtdruck und es tat sogar gut. Nach der Haft lernte ich eine Frau kennen, die Beziehung ging aber schnell in die Brüche und dann kam der große Absturz. Ich trank schon Mittag, spielte in Kneipen an Automaten und gab mich auf. Da ich mich nach der Haft in Spielhallten sperren lassen hatte, wich ich nun auf Kneipen aus.

Zu dieser Zeit lernte ich aber auch eine Frau kennen mit der ich nach einer stationären Therapie in einer Psychiatrie zusammen gekommen bin. Das war Ende 2016, sie war schwanger, das Kind war leiblich zwar nicht von mir aber ich fühlte mich sofort wie der Papa.
Wir erlebten die Schwangerschaft und Geburt zusammen, zogen dann zusammen und ich war Papa :)
Aber schon bevor wir zusammen gezogen waren, spielte ich wieder heimlich. Diesmal Zuhause und Online. Es kam wieder zu Mietschulden und ich fing an meine Freundin zu belügen weil Geld fehlte. Das war ein neues Level, eine Person die ich unfassbar liebe zu belügen weil ich mich nicht traute zu sagen: Hey ich habe ein Problem und muss mir da helfen lassen. Zudem kam die Angst deswegen verlassen zu werden. Ich spielte aber weiter und hoffte wieder Geld zu gewinnen damit es finanziell besser ist.
Zudem ließ das Spielen kurzzeitig die Depressionen verschwinden und sorgte für Freude in mir.

Als wir zusammen gezogen waren spielte ich eine Weile nicht, die Kleine war da und ich war so glücklich als Papa. Ich versuchte mich mit einer neuen Arbeit und hatte das Gefühl ich komme auf den richtigen Weg. Eine tolle Frau mit 2 Kids die mich lieben, eine Wohnung zusammen und eine Arbeitsstelle.

Als im Frühjahr und Sommer 2018 der Stress und Druck auf der Arbeit immer größer wurden, begann das Spielen erneut. Ich ließ mir Abschläge auszahlen und log was mit dem Geld passiert ist. Es wurde für uns finanziell immer dünner und es kam dadurch immer wieder zum Streit. Schließlich verlor ich auch diese Arbeitsstelle und meine Freundin und ich trennten uns räumlich da es zu viel Streit gab. Ich hatte ihr gebeichtet dass ich wieder gespielt hatte und sie oft belogen hatte.

Ich zog in ein Übergangswohnheim in Ihrer Nähe und sie besuchte mich oft, die Beziehung wurde wieder inniger und schließlich zog ich wieder zu ihr. Zu dieser Zeit spielte ich nicht und nahm mir fest vor für unsere Zukunft zu kämpfen. Schließlich waren wir dann sogar verlobt und ich hatte wieder eine Arbeitsstelle. Finanziell war es immer noch knapp aber ich nahm mir vor mit der neuen Arbeit alles besser zu machen. Aber es kam schnell raus dass ich sie was die Finanzen anging wieder belogen hatte, es wurde schließlich immer knapper und ich sah nur noch einen Weg um Geld zu machen: Zocken !

Ich begann dann vor einigen Wochen Dinge über PayPal zu verkaufen die ich nicht liefern konnte, spielte damit online und hoffte auf den großen Gewinn. Jedoch wurde die Verzweiflung immer größer und ich begann wieder zu trinken, immer mehr und schließlich täglich. Wir hatten unbezahlte Rechnungen und sogar einen Mietrückstand. Ich setzte alles aufs Spiel und schließlich kam es vor 2 Wochen wieder zur räumliche Trennung.

Ich nahm mir vor, nicht mehr zu spielen und einfach meine Arbeir zu machen um die Beziehung zu retten und Papa zu sein. Gleichzeitig baute sich in mir ein Druck auf sodass ich immer mehr trank und dann auch wieder spielte.
Das schlimmste passierte dann in der Nacht von Sonntag auf Montag. Ich habe durch einen Schlüssel Zugriff auf Geld an meiner Arbeitsstelle. Ich war verzweifelt, brauchte Geld, wollte Spielen und Trinken.

Also fuhr ich zu meiner Arbeitsstelle, nahm viel Geld und fuhr in ein Bistro eines Casinos. Ich wollte Plus machen, das Geld zurück legen und den Gewinn für die Schulden nehmen. Ich spielte an 3 Automaten, die ganze Nacht. Trank und spielte. Gegen 5 Uhr morgens war das Geld fast weg und ich war absolut verzweifelt. Ich ging zum Bahnhof, schrieb meiner Freundin was passiert war, machte mein Handy aus und fuhr in die Nachbarstadt.

Ich wollte einfach weg und sterben. Schließlich fuhr ich dann Nachmittags zurück in meine Stadt, machte mein Handy an und erfuhr dass mich die Kripo suchte. Ich rief meine Freundin an und sagte ihr unter Tränen was passiert war. Sie sagte dass einzig richtige: Stell dich! Nach einer Weile stellte ich mich der Polizei, machte ein Geständnis und wurde gehen lassen.

Ich fuhr in das Übergangswohnheim und rief meine Freundin an. Sie war völlig fertig und konnte nicht mehr. Ich hatte sie unfassbar verletzt, belogen und alles kaputt gemacht. Und das obwohl ich sie und die Kids über alles auf der Welt liebe. Ich entschied mich eine Einweisung beim Arzt zu erwirken, was ich heute auch tat. Nun warte ich auf den Anruf dass ich stationär in Therapie kann. Meine Freundin oder jetzt Ex-Freundin steht finanziell am Abgrund und ist völlig fertig. Aber trotz allem telefoniert sie noch mit mir und wir reden.

Es ist unfassbar was diese Sucht aus einem Menschen macht, man belügt seine Liebsten, macht Schulden, klaut und hofft trotzdem immer noch das alles durch Spielen wieder zu gewinnen. Dieser Rausch von Glücksgefühlem und dann wieder purer Verzweiflung ist kaum mit Worten zu beschreiben. Nur noch glücklich zu sein wenn man spielt und sonst Leer zu sein, man kann es nicht begreifen.

Ich bin nun an einem Punkt angekommen wo ich meinem Arzt alles erzählt habe und mich stationär aufnehmen lassen werde. Ich habe die Menschen die ich liebe verloren und hoffe mit einer Therapie noch etwas retten zu können. Den diesen Menschen mit dem man alt werden möchte an Spielautomaten zu verlieren ist schlimm. Noch schlimmer ist es wenn die Menschen die einen lieben leiden und ich hoffe ich kann diesen Teufelskreis mit einer Therapie durchbrechen und um meine Familie kämpfen.

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Offline Olli

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Re: Mein Teufelskreis nach unten in der Spielsucht
« Antwort #1 am: 27 März 2019, 06:42:43 »
Hi Sven!

Vielen Dank, dass Du Deine Sorgen mit uns teilst.

Wie fühlst Du Dich nun, nachdem Du alles mal raus gelassen hast?
Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
Hier geht es zum Samstagsmeeting_ https://us02web.zoom.us/j/87305340826?pwd=UnFyMlB6bkwyTHU3NGVISWFGNSs2

Re: Mein Teufelskreis nach unten in der Spielsucht
« Antwort #2 am: 27 März 2019, 11:31:54 »
Hi, ich habe mich frisch hier im Forum angemeldet und diese Geschichte hat mich echt mitgenommen. Ich hoffe du findest adäquate Hilfe und bekommst das mit der Spielsucht in den Griff! Ich habe das selbe Problem auf Sportwetten bezogen, immer wenn ich knapp bei Kasse bin denke ich, dass ich mit Geld das mir nicht zusteht einfach nur schnell was gewinnen muss und dann sind meine Sorgen in Luft aufgelöst. Leider klappte das nur bedingt, sodass ich öfters noch tiefer in die finanzielle Schieflache geriet und das Problem immer wieder mit der selben Denkweise versuchte zu lösen. Man kann sich vorstellen, was für einen Teufelskreis das zur Folge hatte. Ich wünsche dir alles gute auf deinem Weg und hoffe, dass du sauber bleibst!
Viel Glück für die hoffentlich glücksspielfreie Zukunft!

Re: Mein Teufelskreis nach unten in der Spielsucht
« Antwort #3 am: 12 April 2019, 16:47:16 »
Hallo zusammen,

erstmal danke für die guten Wünsche. Ich befinde mich zur Zeit seit 2 Wochen in stationärer Behandlung und warte im Moment auf die Langzeittherapie

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Offline Ilona

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Re: Mein Teufelskreis nach unten in der Spielsucht
« Antwort #4 am: 12 April 2019, 16:57:54 »
Hallo Sven,

schön, dass du dich meldest. Wir haben uns schon Sorgen gemacht! Wird die stationäre Therapie direkt im Anschluss an deine Behandlung stattfinden können? Das wäre ja nicht schlecht. Alles Gute und

viele grüße

Ilona

Juristische Beratung: Kanzlei Kraft, Geil und Kollegen / Bielefeld http://www.kguk.de/
Ansprechpartnerinn: Dr. Iris Ober und Juliane Brauckmann  (Fachanwältinnen für Bankenrecht)  Terminanfragen: 0521-529930
Weitere Infos  hier: https://www.forum-gluecksspielsucht.de/forum/index.php?topic=3737.0

Re: Mein Teufelskreis nach unten in der Spielsucht
« Antwort #5 am: 12 April 2019, 17:02:13 »
Ja, wird in etwa 3 Wochen im Anschluss sein. Werde in die Medianklinik Wigbertshöhe in Bad Hersfeld gehen.

Liebe Grüße

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Offline Olli

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Re: Mein Teufelskreis nach unten in der Spielsucht
« Antwort #6 am: 12 April 2019, 17:16:20 »
Hi Sven!

Cool ...

Die Wigberthöhe hat ein sehr guten Ruf.
Wenigstens eine Therapeutin habe ich schon in einem Workshop kennen gelernt. Der hat mir sehr gut gefallen.

Ich wünsche Dir, dass Du dort gut ankommst!

Gute 24 h
Olaf


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