Glücksspielsucht > Tagebuch
Name ist Programm
TAL:
Hallo Patrick,
hier hat jemand offenkundig eine Erkältung, und ich spreche da nicht von mir - das wird also eine lange (oder kurze) Nacht im Sägewerk, der Kleinfinger-Selbsttest muß warten - und ich hab dummerweise nicht frei.
Nun ja... also hab ich mal etwas gelesen hier. Du kannst schön schreiben, dem stimme ich zu. Ich habe den Donnerstagabend vor Ostern übrigens auch mit etwa 200€ auf dem Küchentisch verbracht. War noch nichtmal meins, aber das ist eine andere Geschichte - und obendrein noch völlig unnötig, der allseits befürchtete Geldautomaten-Supergau ist jedenfalls, wie ich erwartet hatte, nie eingetreten.
Wir haben uns erfolgreich ignoriert, der kleine Papierstapel und ich. Alte Gewohnheit, wir sprechen da immernoch ungern über die Tatsache, daß wir es lange vorgezogen haben, nicht miteinander alleingelassen zu werden, das war schon sowas wie eine persönliche Fehde. Einer von uns beiden konnte das ja auch gar nicht kommunizieren, und hatte da ehrlicherweise wahrscheinlich am Ende dann doch gar keine Meinung zu, und der andere redete sich gerne ein, es würde schon alles gutgehen, solange man nur bloß nicht hinsieht.
Heute geht das gut, aber das war nicht immer so 'einfach'.
Du denkst viel nach, kenne ich, mache ich auch dauernd. Dummerweise komme ich da selten zu neuen Erkenntnissen. Was heißt hier neu? Eigentlich hab ich nie was erkannt. Wie auch? Meine Langzeitdevise "Das regelt sich irgendwann von selbst" zeugte jetzt nicht so wirklich von Durchblick, aber zumindest das hab ich dann doch mal 'erkannt'... juhu... ging ja schnell...
Schlau ist was anderes...
Du möchtest den Spieler in dir verstehen? Wenn du das geschafft hast, sag mir bitte bescheid. Ich hab's nämlich aufgegeben. Andersrum? Ja... er versteht mich ganz genau, und das geht mir auf den Keks, soviel kann ich sagen, da muß er nicht auch noch selbstgefällig auf meiner Couch rumlungern, mir die Fernbedienung klauen und ständig alle Kekse wegmampfen.
Zum Glück wohnt er aber schon länger im Keller, zur Sicherheit, um bei schlechtem Fernsehprogramm oder einer leeren Kekspackung Vandalismus im Wohnzimmer zu vermeiden, der war ja auf Dauer zugegebenermaßen dann doch schon etwas ungesund. Heute kommt da nichtmal mehr Gemecker, die meiste Zeit ist es still da unten, er nimmt das mit einem stoischen Lächeln so hin. Dabei war der Umzug im Nachhinein betrachtet doch recht unsanft von meiner Seite, manchmal tut mir das schon fast leid, und gelegentlich finde ich es dann doch etwas zu ruhig. Mhh... Was ist da los? Ich hoffe, es geht ihm wenigstens gut so allein. Da bekomme ich dann mal so ein 'Um-der-Guten-Alten-Zeiten-Willen-Gefühl', immerhin waren wir ja mal sowas wie Freunde oder so ähnlich, da gehört sich sowas doch nicht, dann will ich dann plötzlich doch mal kurz die Kellertür öffnen, nur mal gucken wie's ihm so geht...
Womit wir dann hier wären:
--- Zitat ---Für mich unternehmen? Wie meinst du das?!?
Mir selber etwas gutes tun?
--- Ende Zitat ---
Ja. Im Sinne von "Trage dafür Sorge, etwas für deine Gesundheit und dein Wohlbefinden zu tun."
Bei all den Plänen und guten Vorsätzen verliert man nämlich schnell das eigentliche Ziel aus den Augen.
Der Wechsel von "Ich darf nicht mehr" zu "Ich brauche es nicht mehr" ist das eigentlich Schwierige dabei, aber genau das sollte ganz oben auf der Agenda stehen, um ein Leben mit der, und nicht gegen die, Sucht zu führen.
Ein erster Schritt wäre hier zum Beispiel ein Besuch bei der Caritas... den du gerade aufschiebst, wenn auch nicht gewollt.
Denn was ist besser für dich und mich? Unsere Energie zu verwenden, den Impuls immer wieder zu unterdrücken, oder sie zu nutzen, um daraufhinzuarbeiten, ihn gar nicht erst aufkommen zu lassen?
Ich kann mich einschränken, mich da durchquälen, doch es ändert sich so nichts. Keine Frage, mit der ach so gern erwähnten Disziplin allein kann man es auch schaffen, spielfrei zu sein, es bringt aber eine Reihe von unschönen Nebenwirkungen, sie bewirkt nur Stillstand, denn mein Denken, Handeln, all meine Reaktionen auf äußere Umstände sind nach wie vor dieselben.
Ich kann ein Lied davon singen, ich verbringe schon eine gefühlte Ewigkeit damit, mich endlich in den Griff zu bekommen... und ich spiele schon länger nicht mehr.
Wie gehe ich besser damit um? Was 'mache ich falsch'? Was tue ich, wenn es juckt, ich aber nicht kratzen darf? Gerade am Anfang ist das schwer. Das Jucken verschwindet irgendwann auch so weitestgehend, der Rest hingegen nicht... er ist aber längerfristig genau das, was mich 'anfällig' macht. Gefühlt im Regen zu stehen ohne zu wissen, was los ist, ist alles andere als schön. Nagende Zweifel, oder, wie im Beispiel von Olli, Unachtsamkeit, Selbstüberschätzung und Übermut, sind auf lange Sicht mindestens genauso gefährlich wie akuter Suchtdruck selbst. Der stete Tropfen höhlt den Stein... und igendwann öffnest du dann doch mal die Kellertür. Nur um mal nachzusehen, wir haben uns doch inzwischen vertragen, was ist also schon groß dabei nach all der Zeit...
Agieren ist besser als Reagieren. Das gilt auch, und vor allem, für den Umgang mit Suchtkrankheiten.
Zu erkennen, was 'schiefläuft' im Oberstübchen, und was man ändern muß, um sich das Durchbrechen alter (Denk- und Verhaltens-)Muster überhaupt erst zu ermöglichen, ist also enorm wichtig.
Ohne externe Hilfe ist das aber extrem schwierig, denn eine Unterhaltung mit mir selbst trägt selten wirklich Früchte... und manchmal fällt mir zu allem Überfluß auch noch der beinahe schon vergessene Witzbold da im Keller ins Wort - natürlich nur ganz leise und beiläufig, versteht sich, denn er kennt ja inzwischen seinen Platz...
...zumindest erweckt er liebend gern für mich den Eindruck...
Denn er weiß ganz genau - ich kann immer, sofern ich denn will.
Und dazu braucht er nichtmal laut zu werden.
Olli:
Genial! ;D
Peter Schmidt:
Den Text werde ich noch ein paar mal lesen müssen 🙂. danke
Da ist wirklich viel dran, ich belüge mich selber. Das überrascht mich aber auch nicht. Ich kann es nicht mit mir selber ausmachen, da hast du auch Recht. Schließlich bin ich süchtig, meine Denkmuster entsprechen ja nicht denen eines "gesunden" Menschen. Spieldruck habe ich im Grunde nicht, aber ich gestehe mir selber ein das liegt an den Strukturen. Bei lockeren 1000 Euro und guter Laune wette ich eher gegen mich. Ich meine, dass ich hier irgendwo gelesen habe, spielen ist ein emotionales Problem. Das sehe ich zunehmend auch so. Ich hab nicht gespielt weil ich mehr Geld haben wollte. Ich hatte schon viel mehr Geld und es ging mir auch nicht besser. Ich hätte einfach das Geld das ich verdient habe behalten können es war genug.
Also Fazit nach 1 Woche:
Ich hab mir selber die Möglichkeit genommen Geld zu verspielen. Das hab ich gut gemacht. Ich bin auch davon überzeugt, ich fühle keinen Druck sondern Erleichterung. Ich bleibe auf dem Boden und realistisch, das ist nicht mehr und nicht weniger. Spielen kann mich auch ganz leicht wieder einholen wenn ich das zulasse, das muss ich mir auch klar machen. Aber ich hab nicht dieses down wenn ich ein paar 100 los bin. Das an sich ist auch schon mal eine Erkenntnis. Ein bisschen traurig, dass man dafür so lange braucht aber ok.
Ich wünsche euch erstmal einen schönen Tag 😁
Es freut mich das ich mich hier ein bisschen austauschen kann. Das war eine gute Idee. Ich möchte an der Sache festhalten. Mir wird langsam bewusst das das ein langer Prozess wird. Wenn ich jetzt nen Monat Tage zähle und mich freue bleibt es langfristig trotzdem beim Alten. ich denke das hab ich auch verstanden.
TAL:
Du brauchst dich nicht rechtfertigen, schon gar nicht vor mir.
Als ich hier letzte Nacht schrieb, tat ich das nämlich nicht ohne Grund. Ich wollte eigentlich woanders posten, blieb aber hier hängen, denn das, was ich ursprünglich schreiben wollte, hätte sich um mich selbst gedreht, um meine eigene Kellertür.
Zumindest um eine davon.
Eine, die ich vorher nichtmal als solche wahrgenommen hatte.
Ich habe mich also davon abgelenkt, mich weiter mit mir selbst unterhalten zu müssen, die leise Stimme aus dem Off wurde mir dann doch zu penetrant.
Am Ende bin ich sogar eingeschlafen, bevor ich mein eigenes Wirrwarr angehen (oder verschlimmern - wer weiß das schon) konnte. Hätte eh nicht viel gebracht.
Verschwunden ist es damit jedenfalls nicht.
So richtig erfaßt ist es auch nicht.
Aber immerhin habe ich, neben der Vermeidung von Papierstau zwischen meinen Ohren, etwas heiße Luft produziert.
Und zum Glück hat keiner bemerkt, daß ich es irgendwie ständig selbst verpasse, eine Scheibe davon für mich hierzubehalten, bevor ich es abschicke.
Ja. Strukturen und Ablenkung helfen gegen Chaos, Rastlosigkeit und Langeweile. Sie halten dumme Gedanken erstmal auf Abstand, das gehört auch zu den Dingen, die ich erstmal wieder lernen mußte:
Was mache ich jetzt stattdessen?
Es gibt nicht mehr nur die komfortable (und extrem unzureichende) 'Allroundlösung', denn im Normalfall gibt es ja mehr als eine Option, eine individuelle Lösung für jedes einzelne Problem.
Und was mache ich eigentlich gerne? Das muß ich wohl mal rausfinden....
Du hast völlig recht: Was, wenn es mir wieder besser geht? Bin ich dann 'fertig'?
Es ist gerade am Anfang nicht verkehrt, Gelegenheiten gar nicht erst aufkommen zu lassen.
Währenddessen kann ich dann für den Fall vorsorgen, in dem sich vielleicht doch mal eine ergibt. Das ist wichtig, weil ich es auf lange Sicht nie werde vermeiden können.
Dazu muß sich im Kopf etwas ändern, damit achtlos liegengelassenes Geld auf dem Küchentisch keine Seifenoper in meinem Hirn mehr auslöst.
"Spielsucht ist ein emotionales Problem mit finanziellen Konsequenzen."
Hab ich auch schonmal gelesen, und genauso ist es auch.
Das mit dem Tagezählen ist bei mir übrigens genau andersrum. Ich habe erst nicht verstanden, warum viele das tun.
Inzwischen schon. Man lernt bekanntlich nie aus.
Peter Schmidt:
Ich hab in den letzten Tagen viel zu tun gehabt. Daher reicht es nur für ein kurzes hallo☺. Ich bin nach wie vor spielfrei und fühle mich gut. Spielen fehlt mir eher nicht. Heute müsste Tag 8 sein. Ich schaffe es auch heute noch, sind ja nur 24 Stunden.
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