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Mein altes und neues Leben

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Offline J

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Mein altes und neues Leben
« am: 09 Juli 2020, 20:36:39 »
Hallo zusammen,

Ich möchte gerne meine Geschichte mit euch teilen und mich vor allem mit meiner Geschichte auseinandersetzen..

Ich bin 30 Jahre, männlich und habe mittlerweile eine 12 jährige Spielerkarriere hinter mir. Mit 18 war ich also das erste mal, klassisch wie das eben so läuft, ein Kumpel sprach mich an ob ich nicht Bock hätte in eine Spielothek um die Ecke zu gehen. Ob ich beim ersten Mal gewonnen habe weiß ich gar nicht mehr, was ich aber weiß ist dass mich das Spiel, die Lichter und die Atmosphäre Ganz schnell gepackt hat. Die erste Zeit sind wir dann immer wieder gegangen, haben höhere Einsätze probiert, gewonnen und verloren. Nach ein paar Monaten hat es mir nicht mehr gereicht nur 2,3 mal die Woche mit ihm spielen zu gehen, also bin ich die restlichen Tage der Woche alleine spielen gewesen. Zu dem Zeitpunkt war ich noch in der Ausbildung, hatte so ca 700€ Ausbildungsgehalt und ein Sparbuch mit knapp 6000€. Das war dann natürlich relativ schnell weg so dass ich angefangen habe meine ersten Dispo aufzunehmen. Als der auch erschöpft war ging ich immer wieder zur Bank und hab mein Dispo erhöht. Als ich dann aus der Ausbildung raus war bin ich nach knapp einem Jahr in den Außendienst im Gesundheitswesen gelandet, hab dann nach ein paar Jahren in die nächst größere Firma gewechselt und dann nach ein paar Jahren wieder in eine größere Firma so dass ich mit stolz sagen kann jetzt einen Jahresgehalt von ca 100.000€ zu haben. Klingt gut oder? Mit so viel Geld kann man es sich so richtig gutgehen lassen, nach ein paar Jahren ein schönes Haus finanzieren, tolle Urlaube machen, sich eigentlich alles leisten was man will.. wäre da nicht die Sucht die mich seit 12 Jahren immer und immer wieder dazu zwingt ins Casino zu fahren.
Diese Sucht hat es geschafft mich teilweise zwei Wochen am Stück hungern zu lassen.. mich psychisch von einem fröhlichen, immer gut gelaunten Menschen, in einen Mann mit teilweise Depressionen, Schlafstörungen und sozialen Problemen zu verwandeln. Habe aktuell 30000€ + 5000€ Kreditkartendchulden. Glücklicherweise habe ich Miete und andere Verbindlichkeiten immer pünktlich Anfang des Monats überwiesen so dass ich kaum mit Mahnungen zu tun hatte. Vor ca. einem Dreiviertel Jahr habe ich mir dann endlich Hilfe gesucht und bin zur Suchthilfe gegangen. Das hat mir sehr geholfen, ich war fest überzeugt jetzt den Schritt zu gehen, war ausgeglichener, habe jede Menge Sport gemacht, schon fast glücklich und sehr stolz auf mich. 6 Monate war ich spielfrei, dann kam Corona! Ich war nur zu Hause, hatte extreme Langeweile und hab insgesamt auch immer schon Probleme gehabt einfach nichts zu tun. Also hab ich mich nach einem Streit mit meiner Freundin in einem Online Casino angemeldet und wieder von der ersten Minute an exzessiv gespielt. So langsam kamen dann die Lockerungen und ich bin wieder in Meine Stamm Spielhalle gefahren und es war als hätte ich nie aufgehört..

Ich bin dann erneut zu meiner Beraterin gefahren und habe ihr alles geschildert, sie sagte mir dann dass für mich nur eine Therapie sinnvoll wäre und sie Angst hat dass ich es mir zu einfach mache wenn ich einmal in der Woche nur mit ihr spreche, auch weil ich aus Scham meiner Freundin und Familie nichts sagen möchte. Sie möchte jetzt nur noch 4 wöchig Termine vereinbaren, weil sie das Gefühl hat ich tu nicht alles. Fand ich nach einem Rückfall, der mich natürlich wieder inzwischen im 3. Monat zum normalen Spielalltag geführt hat trotzdem etwas heftig. Aber naja wir schauen mal was beim nächsten Termin so rauskommt.
Ich habe immer gesagt dass ich mich erholen möchte von meiner Finanziellen Situation um vorweisen zu können etwas getan zu haben. Das funktioniert mit meinem Gehalt auch ganz gut und schnell wenn ich eben nicht spiele. Mein Bausparvertrag füllt sich auch immer wieder etwas so das ich Ca. 7000€ ansparen konnte.

Im groben ist das meine Geschichte, könnte natürlich ewig so weiter schreiben aber irgendwann ist auch mal gut :)

Ich fange neu an, das schöne ist dass ich mein Gefühl vom ersten Versuch der 6 Monate erfolgreich war wieder habe und daher zumindest positiv nach vorne sehen kann dass ich es wieder schaffe, diesmal am besten for immer :)

Viele Grüße

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Offline Olli

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Re: Mein altes und neues Leben
« Antwort #1 am: 09 Juli 2020, 22:04:06 »
Hi J!

Herzlich willkommen!
Schön, dass Du den Weg hierher gefunden hast.

Es ist eine nicht zu beantwortende Frage: Wann ist zu wenig, wann genug und wann zuviel?
Die Antwort darauf ist immer subjektiv.

Wenn wir uns aber nun das Endergebnis Deiner Arbeit an Dir anschauen, dann steht außer Frage, dass es nicht gereicht hat.
Ich denke, im Grunde Deines Herzens musst Du Deiner Therapeutin da dann schon zustimmen.

Ein halbes Jahr spielfrei zu sein, ist jedoch auch eine Leistung. In dieser Zeit war die Arbeit an Dir mindestens "genug".
Zeiten ändern sich aber, wie Du schilderst. Vielleicht bist Du unachtsam geworden durch die Langeweile und hast auf Dein internes Warnsystem einfach nicht mehr gehört. Jedoch auch in längeren Spielphasen gibt es immer Pausen, in denen Du zur Besinnung kommen kannst. Wo Du Erlentes aus den Tiefen Deiner Gehirnwindungen hervorkramen und neu überdenken kannst. Dies hast Du auch nicht getan, weshalb ich sclicht sagen kann: Du wolltest einfach spielen!

Das Schöne aber ist, dass dies letztendlich denn doch eingetroffen ist und Du Dich wieder in professionelle Hände begeben hast.

So kann das Leben für einen Spieler ein Auf und ein Ab sein, bis die "richtigen" Abstinenzentscheidungen gefunden werden und auch umgesetzt.

Nein, Du fängst nicht neu an. Da machst einfach da weiter, wo Du stehen geblieben bist.

Zitat
Ich habe immer gesagt dass ich mich erholen möchte von meiner Finanziellen Situation um vorweisen zu können etwas getan zu haben.

Das Geld ist schnuppe! Es geht einzig und alleine um Dein Wesen! Es verändert sich nämlich, während Du spielst. Das Schönste an der Genesung ist der zu sein, der man selbst sein möchte! Deine "Belohnung" erhälst Du dann von Deinen Liebsten!
Ja, Scham und Schuld - sie sind eng miteinenader verknüpft. Doch sie sind Blockaden.
Löse sie bitte auf, indem Du mit Deinen Vertrauenspersonen sprichst.
Wie ich immer sage: Das A und das O auf dem Genesungsweg ist die Aufrichtigkeit nach Innen und nach Aussen.
Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
Hier geht es zum Samstagsmeeting_ https://us02web.zoom.us/j/87305340826?pwd=UnFyMlB6bkwyTHU3NGVISWFGNSs2

 

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