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Die Schlinge zieht sich zu...
Maverick41:
Hallo zusammen,
meine Name ist Jens und ich bin 35 Jahre alt. Eigentlich sollte ich ein ausgesprochen glückliches Leben führen (dazu später mehr...)
Allerdings hat sich in den letzten 6 Monaten eine Gewohnheit eingeschlichen, die nun zunehmend zum Problem wird.
Durch Freunde und Videos im Internet bin ich auf Online Casinos aufmerksam geworden. In meiner Jugend und im jungen Erwachsenenalter gab es immer mal wieder Berührungspunkte mit Glücksspiel, allerdings immer im kleinen Rahmen. Ab und zu mal ein Ausflug in eine Spielbank, ab und zu mal beim Bundesliga gucken einen Tippschein geladen oder auf einem privaten Pokerturnier um ein paar Euro gespielt. Maximale Verluste bei diesen Spielbank Ausflügen waren 200 Euro, danach war wieder jahrelang Schluss mit Glücksspiel, beim Wetten waren es meistens EInsätze um 5 Euro, beim Pokern 5-10 Euro.
Mein Leben sollte ich eigentlich in vollen Zügen genießen können. Ich habe einen gut bezahlten Job, der Netto 2.800 Euro monatlich abwirft. Nach Deckung meiner Fixkosten von ca. 1000 Euro habe ich also 1800 Euro zur freien Verfügung. Die Welt steht mir offen. Ich habe eine tolle Freundin, die von meinem recht frischem Problem noch nichts weiss. Auto, Urlaube, Freunde, intakte Familie, Hobbys(Fussball, Kraftsport)...Alles vorhanden. DIe Frage ist wie lange noch wenn ich so weiter mache....
Nachdem ich Anfang des Jahres durch eine Sportverletzung mehrere Wochen ans Bett gefesselt war, landete ich eines Tages in einem Online Casino. Anfangs spielte ich 1 Euro Blackjack Tische, also das Minimum. Irgendwann kamen die Slots dazu. Und das hat irgendwas in mir ausgelöst, dass mich nun fassungslos auf mich selbst zurückschauen lässt.
Nach langsamen herantasten an die Slots, habe ich nun im letzten halben Jahr ca. 5000 Euro verspielt. Das Geld ist die eine Sache, aber es tut mir noch nicht so weh, da ich vorher immer solide gewirtschaftet habe und ca. 30.000 Euro über die Jahre sparen konnte. Allerdings habe ich Angst, dass ich das Geld im Zukunft verzocken werde, wenn ich nicht etwas ändere.
Außerdem habe ich gemerkt, dass ich mich verändert habe. Meine Gedanken kreisen oft über das Spielen. Ich gehe immer noch meinen Hobbys nach, vernachlässige meine Freundin und meine Arbeit nicht aber trotzdem bin ich nicht mehr so glücklich und frei wie vor meinem Einstieg ins Zocken. Es juckt mich in den Fingern es wieder und wieder zu probieren. Und das macht mir Angst.
DIe Frage ist...WAS FEHLT MIR? Was möchte ich mit dem Zocken kompensieren??? Ich versuche ständig in mich reinzuhorchen und finde keine Antwort.
Das die Spirale sich abwärts dreht ist mir vollkommen bewusst - trotzdem kann ich mich oft nicht beherschen - gestern sind es 500 Euro beim Blackjack gewesen.
Deswegen habe ich mich dazu entschieden, hier einen Beitrag zu verfassen. Es tut gut hier zu schreiben und andere Geschichten und Sichtweisen zu lesen.
LG Jens
wombelero:
Hi Jens, willkommen im club, danke für deinen bericht. Ja, du scheinst wesentlich schneller als die meisten hier (inklusive meiner wenigkeit) die Problematik des spielens erkannt zu haben. Du hast aus Neugierde und Langeweile angefangen zu spielen. Leider hat sich dein Körper und Geist aber an die Aufregung und diverse Glückshormone gewöhnt (gerade bei Slots ist dies wesentlich intensiver als man sich eingestehen will) und will nun regelmässig damit versorgt werden. Da dein Gehirn weiss, wie es dazu kommt, also beim spielen, kreisen deine Gedanken und Träume um dieses Thema.
Es muss nicht immer etwas mit dunkler Vergangenheit usw zu tun habe. Du stehst scheinbar schlicht und einfach am anfang einer Suchtspirale. Du musst aber nun bewusst umkehren, sonst fangen die Kredite an!!! Lass die Verluste hinter dir und schau nach vorne.
Unternimm die normalen Schritte, die hier immer wieder empfohlen werden:
Konten bei den Casinos schliessen. Allenfalls Gamban, betblocker oder so installieren, auch auf deinem Phone.
Wie hast du das geld jeweils überwiesen? Auch sperren. Paypal, klarna und wie die heissen benötigt man nicht zwingend, also weg damit.
Kreditkarten und banken kann man für casinoszahlungen sperren.
Für mich ganz wichtig: Finde eine andere Beschäftigung, die du in der Zeit ausüben kannst, in denen du bis jetzt gespielt hast! Das können normale PC spiele sein ohne Geldeinsatz, onlinegames, neue Sportart, Weiterbildung, Handhwerk usw.
Es schadet auch nichts, mit deiner Freundin offen darüber zu sprechen. Sie kann dich auf deinem Weg unterstützen und sogar als zusätzliche Kontrolle agieren.
Hoffe die Tips helfen dir, wünsche dir viel Kraft und Erfolg.
Maverick41:
Meine Einzahlungen habe ich per Klarna getätigt. Ich habe mich in den OC sperren lassen. Gamban ist eine gute Idee.
Ich habe immer gedacht ich bin eine starke Persönlichkeit und habe mir immer eingeredet, ich behalte die Kontrolle...
Leider wohl falsch gedacht. Meine Freundin einzuweihen fällt mir unglaublich schwer, sie ist in den Endzügen ihres Studiums und hat eh schon viel um die Ohren.
Ich bin einfach nur enttäuscht von mir und frage mich wie es soweit kommen konnte.
Danke für Deinen Beitrag!
Olli:
Hi Jens!
Herzlich willkommen!
Du hast Dich ja schon schön eingelesen und zielst mit Deinen Fragen schon in die richtige Richtung.
--- Zitat ---DIe Frage ist...WAS FEHLT MIR? Was möchte ich mit dem Zocken kompensieren??? Ich versuche ständig in mich reinzuhorchen und finde keine Antwort.
--- Ende Zitat ---
Geduld ... :) Du hast das einzig Richtige gemacht: Du hast angefangen zu reden und Dich mit Anderen auszutauschen.
Es heißt nicht umsonst "Arbeit" an sich selbst. Wir alle wissen ja nicht wirklich, was uns zum Spielen gerführt hat. da gibt es dutzende von Möglichkeiten, die kombiniert aber dann schon tausende weitere anbieten. Da heisst es Geduld zu bewahren und gleichzeitig am Ball zu bleiben.
Es gibt immer etwas, was wir zwar vom Grundsatz her wissen, doch wenn es uns selbst betrifft, wollen wir es da nicht sehen.
Oder wir sehen etwas nicht, weil es uns noch nicht wirklich selbst begegnet ist und der Umgang damit nicht erlernt wurde.
Es gilt also nun in Gesprächen die Erfahrungen Anderer aufzusammeln und sie mit der eigenen Person zu reflektieren.
Worauf ich hinaus möchte, dürfte schon klar sein: Bewege Deinen Allerwertesten in eine SHG.
Scheue Dich nicht wie hier im Forum vor dem persönlichen Kontakt, denn der ist sehr wichtig.
Die Sicherheit der Annonymität hier kann auch zu einer Blockade werden, wenn es um die Genesung geht.
--- Zitat ---Ich habe immer gedacht ich bin eine starke Persönlichkeit und habe mir immer eingeredet, ich behalte die Kontrolle...
--- Ende Zitat ---
Wenn ich Dich so lese, dann denke ich auch an eine starke Persönlichkeit. Das heisst aber doch nicht, dass Du keine Schwächen haben darfst.
Jeder Mensch hat Schwächen und in meinen Augen kann auch jeder einer Sucht verfallen.
Sich stark zu geben oder zu wirken hat noch lange nichts mit z.B. Selbstachtsamkeit zu tun.
--- Zitat ---Meine Freundin einzuweihen fällt mir unglaublich schwer, sie ist in den Endzügen ihres Studiums und hat eh schon viel um die Ohren.
--- Ende Zitat ---
Du weisst schon, dass Deine Freundin vorzuschieben, ihr gegenüber ziemlich unfair ist? :)
Sage es ihr - sie hat längst Deine Veränderungen mitbekommen. Keine Ausreden mehr - sie muss es wissen. Es steht ihr zu - sie hat alles Recht der Welt zu erfahren, was Dich gerade belastet.
Und was Dich betrifft im Kontext zum ersten Zitat von Dir: Du darfst ruhig zugeben nicht zu wissen, wieso Du spielst. Diese Aussage ist abgrundtief ehrlich.
Mehr wird sie auch nicht von Dir verlangen: Ehrlichkeit.
Maverick41:
Hallo Olli,
Danke für Deine Antwort - ich habe schon einige Beiträge von Dir im Forum gelesen und schätze Deine Meinung.
Das Schamgefühl hält mich momentan noch ab, mir externe Hilfe zu holen, sowie meine Freundin einzuweihen.
Außerdem das Wissen, das ja noch 30.000 auf meinem Konto liegen, die ich mir selbst erarbeitet habe.
Ich beruhige mein Gewissen also mit dem Wissen, dass ich immerhin ''nur 5000 Euro'' verspielt hab. Total absurd zu wissen, dass es falsch ist so zu denken und zu fühlen.
Der Selbstbetrug ist also schon in einem fortgeschrittenen Stadium.
Ich habe mir beruflich durch Einsatzbereitschaft und Willen alles erarbeitet, bin selbst in einer Führungsposition (ohne studiert zu haben, habe mich nach einer normalen Ausbildung mit Forbildungen intern hochgearbeitet) und habe alle Hürden immer gemeistert.
Nun Schwäche zu zeigen, fällt mir unglaublich schwer. Ich habe schlichtweg nicht die Eier, die Hosen runter zu lassen und rede mir ein, es auch noch nicht zu müssen, da ja auch Vieles im Leben richtig gut läuft...
Mein Spielverhalten spiegelt eine andere Realität.
Nochmals Danke für Deine Antwort
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