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Wie kommt man da raus bzw seid ihr raus gekommen?

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Wie kommt man da raus bzw seid ihr raus gekommen?
« am: 18 September 2020, 16:25:03 »
Hallo, ich versuche mal, auf diesem Weg mich etwas auszutauschen oder Erfahrungen zu sammeln, wie ihr mit bestimmten Situationen umgegangen seid.

Ich versuche mich mal kurz zu fassen, auch wenn es trotzdem eine längere Nachricht werden wird. Kann aber sicherlich nicht alle Sachen detailliert auflisten, aber im Großen und Ganzen sollte ich alles haben.
Im Moment bin ich völlig panisch und hilflos, bin unzufrieden mit allem und habe existenzielle Angst um mich. Ich weiß nicht genau, wie ich anfangen soll, aber ich versuchs mal.

Ich bin seit 16 Jahren selbstständig. Vor ungefähr ein 3 Jahren fing es mit meiner Spielsucht an, wodurch ich durch viel Druck von Banken reingeraten bin. Es lief einige Zeit nicht und der ständige Leistungsdruck hat mich krank gemacht. Ich habe dann versucht, durch Spielen den Druck von mir zu nehmen. Das schlimmste war, dass ich anfangs sogar richtig Geld gewonnen habe und etwas an Schulden abtragen konnte. Ich habe dann auch recht schnell wieder aufgehört, jedoch wurde durch erneut ausgeübten Druck der Drang wieder neu ausgelöst. Das führte im Jahr 2018 dazu, dass ich meine Wohnung verkauft hatte, um die bis dahin aufgekommenen Schulden begleichen zu können. Nachdem ich noch ganz anständig Geld auf dem Konto hatte, wurde mir bewusst, was ich getan habe und habe aus irgendeinem hirnrissigen Grund versucht, das Geld wieder in Glücksspiel zu investieren.

Weshalb die Spielsucht ausgelöst wurde, hat mehrere Gründe. Mein größter Part war wohl der Druck von außen, ein Burnout und die Unzufriedenheit mit allem. Ich habe mich dann im Jahr 2019 in Therapie begeben (nicht wegen Spielsucht), um wieder etwas Lebensfreude herzustellen. Ich merkte auch, wie in dieser Zeit der Drang nach spielen immer mehr nachließ. Es tat mir gut. Ich sage nicht, dass ich nicht mehr gespielt habe, aber es hatte sich immer weiter reduziert. Ich war lange nicht geheilt, hatte aber für mich den Eindruch, dass meine Interessen sich wieder weg verschieben zu einem normaleren Leben. Um dem ganzen vorzubeugen hatte ich mich dann Anfang des Jahres im Internet informiert, wie ich mich weiter vom Spielen entfernen kann. Voller Euphorie bin ich Anfang des Jahres für einen Neuanfang gestartet.

Leider wissen wir alle, wie das Jahr begonnen hat. Und das war dann die panische Neuauslösung meiner Probleme. Alles, was ich eigentlich in meiner Therapie gelernt hatte, wie ich mit Unzufriedenheit umzugehen habe, war über Bord geworfen. Und so kam es, wie es kommen musste. Ich wurde wieder rückfällig. Habe mich zwar gewehrt, aber es ging nicht so einfach, da ich mich nicht ablenken konnte. Das schlimmste war, dass ich sogar nochmals eine größere Summe gewinnen konnte, mit dem ich eine Rechnung von 6000 EUR beglichen habe und danach echt Abstand nehmen wollte. Was aber natürlich nicht so war. Aber der Strudel war wieder da. Nachdem dann speziell in den letzten 3 Monaten immer mehr Mahnungen eingetrudelt sind. habe ich wieder exzessiver angefangen. Plötzlich hatte ich Mahnungen im Hause in Höhe von 2000 EUR, jedoch nur 1000 EUR aufm Konto. In der doofen Hoffnung, das Geld wieder reinzubekommen, habe ich dann einen Großteil in Glücksspiel investiert, wovon natürlich nichts rüber kam. Und so gehts grad ständig weiter. Ich habe leider auch niemanden, an den ich mich zwecks finanzieller Unterstützung wenden könnte, um irgendwas zu begleichen. Fakt im Moment ist einfach, dass ich momentan ungefähr an offenen Ratenzahlungen bzw offenen Posten ca. 3000 EUR hätte (plus eine Kontokündigung mit ausstehenden Kosten von ca 8.000 EUR, die allerdings nicht in direkter Verbindung mit der Spielsucht stehen, sondern deshalb, weil durch die Krankheit im letzten Jahr das Geschäftskonto nicht ausgeglichen werden konnte). Sollte ich meine Raten nicht begleichen können und es zu Kreditkündigungen kommen, wären die offenen Posten wohl bei ca 30.000 EUR.

Dieser ständige Druck macht mich einfach krank, vor allem weil auch geschäftlich der August/September jedes Jahr sehr schlecht sind, dieses Jahr aber besonders schlecht. Ab Oktober beginnt normal immer der Zeitraum, in welchem am meisten Geld verdient wird. Jedoch muss ich erstmal bis dahin kommen und vor allem muss etwas Druck genommen werden, damit ich mich nicht weiterhin in dem Strudel befinde. Ich will da raus und ich weiß, dass ich das Schaffen kann, jedoch benötige ich irgendwo eine psychische Unterstützung, da ich mich alleine etwas hilflos fühle. An wen kann ich mich wenden? Auch zwecks einer Schuldenberatung. Prinzipiell verschließe ich mich auch keiner Therapie, aber sowas ist als alleinstehender Selbstständiger, der noch dazu privat versichert ist, nahezu nicht zu bewältigen. Vor allem, weil ich die Kosten einer Psychotherapie nicht in meinem Versicherungstarif drin habe.

Hab mich hier mal versucht, etwas kürzer zu fassen, um ausführlich das ganze zu thematisieren, hätte der Platz wahrscheinlich nicht gereicht.
Welchen Weg gibt es, um wieder in die Spur zu finden? Das Thema ist mir einfach unglaublich peinlich und ich schäme mich wirklich für alles, was ich getan habe. :(

Würde mich über eine Antwort sehr freuen

*

Offline Olli

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Re: Wie kommt man da raus bzw seid ihr raus gekommen?
« Antwort #1 am: 18 September 2020, 17:13:44 »
Hi Quippi!

Herzlich willkommen!
Vielen Dank für das Teilen Deiner Geschichte.

Zunächst einmal gebe ich Dir mit einem wohlwollenden zwinkernden Auge den "Befehl" sofort mit dem Schämen aufzuhören! ;)
Wir brauchen keine Scham, denn sie ist ein riesiger Blocker, der uns daran hindern möchte unsere Ziele zu erreichen. Also weg damit ... ;)

Dann kommen wir zu Deiner Spielsucht und dem anderen Problem. Für Letzteres hast Du ja eine Therapie gemacht und Dir bestätigt Dein Gefühl, dass sie Dir gut getan hat.
Das Häkchen an der Sache ... wenn eine Komorbidität vorhanden ist, dann sollten Grund- und Begleiterkrankung gleichzeitig behandelt werden (so die Aussage eines Psychologen in einem Seminar). Nun, was noch ist, dass kann ja noch werden, nicht wahr? Wir brauchen uns da jetzt nicht mit rumplagen, wieso es nun mal so gekommen ist, wie es gekommen ist.

Ich lege Dir also nahe, Dich an eine Suchtberatungsstelle zu wenden. Je nach Institution ist sogar eine Schuldnerbaeratung angeschlossen oder Du wirst an eine vermittelt.
Solltest Du hier noch Berührungsängste haben, so wende Dich ruhig an die Mail- oder Chatberatung, die oben auf jeder Seite verlinkt ist.
Lege einfach los und Kathrin, Verena oder ein anderer Kollege wird sich wärmstens Deiner annehmen.
Alternativ kannst Du auch die ebenfalls oben stehende Hotline anrufen.

Natürlich kannst Du Dir auch eine SHG aussuchen und dort regelmäßig hingehen. Primär würde ich in Deinem Fall jedoch zur Suchtberatung raten.

Wieso hast Du denn niemanden, mit dem Du ein Geldmanagement machen könntest? Hast Du keine Familie mehr? Keinen Freundeskreis? Keinen netten Nachbarn, der Dich unterstützen könnte?
Nun, wenn all das nicht vorhanden ist, dann besteht die Möglichkeit, sich einen gerichtlich bestellten Betreuer für eine gewisse Zeit zuteilen zu lassen.
Die Gebühren richten sich nach dem Einkommen und sind übers Jahr gesehen, alles Andere als hoch. Du kannst Dich diesbezüglich gerne auch bei der Suchtberatung informieren.

Jetzt ist mein Essen fertig, sodass ich mich diesem nun widmen werde. ;)


 
Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
Hier geht es zum Samstagsmeeting_ https://us02web.zoom.us/j/87305340826?pwd=UnFyMlB6bkwyTHU3NGVISWFGNSs2

Re: Wie kommt man da raus bzw seid ihr raus gekommen?
« Antwort #2 am: 18 September 2020, 18:17:45 »
Hallo Quippie,

was kannst Du tun. Für mich war es wichtig, erst mal den finanziellen Druck rauszukriegen. Ich hatte das Glück, das Freundinnen mich da unterstützt haben und ich das Gröbste abwenden konnte.
Da ich selber Schuldner- und Insolvenberaterin bin, kann ich Dir nur erst mal folgende Dinge sagen.
Du solltest Dein Konto wechseln. Ich nehme an, dass Du bei Deinen Konto den Dispo bis ins letze ausgereizt hast.
Wenn Du gewechselt hast, stellst Du erst mal alle Ratenzahlungen ein. Damit meine ich nicht Miete, Telefon, Strom etc., sondern tatsächlich die Kreditraten oder den Ausgeleich irlgend eines Kontos.
Wichtig ist, dass Du nicht die Krankenkassenbeiträge sausen lässt. Bitte immer versuchen, diese zu bezahlen. Falls das nicht der Fall bei Dir ist, vereinbare dort eine Ratenzahlung und lass die Kredit sausen.
Dort passiert ja erst mal nicht wirklich schlimmes. Nach zwei Monaten Ratenverzug, wird der gesamte Kredirvertrag gekündigt, Du bekommst einen Mahnbescheid, den lässt Du laufen, weil ja die Schuld an sich begründet ist. Dann kommt ein Vollstreckungsbescheid. Das verschafft Dir erst mal ein paar Monate.
Eventuell ist ja für Dich die Inso eine Alternative. Die wird jetzt bald nur noch 3 Jahre sein. Zur Zeit sind es sechs Jahre.
Wende Dich doch in Deinem Ort entweder an die Verbraucherzentrale, an die Stadt oder die Wohlfahrtsverbände. Meistens sind die Schuldnerberatungsstellen dort angesiedelt. Bitte keinen nehmen, wo Du was bezahlen sollst. Schuldnerberatung ist bei den genannten Stellen grundsätzlich kostenlos.
Wenn Du dann das Konto gewechselt hast, machst Du aus Deinem Konto ein P-Konto (Pfändungsschutzkonto). Falls Du Kinder oder Frau oder beides hast, kann der Freibetrag erhöht werden.
Du kannst Dich aber auch gerne bei mir melden.
Es kann Dir nichts passieren.
Wichtig ist, dass Du das Spielen in den Griff bekommst, alles andere ist auch nicht schön, aber händelbar.
LG
Andrea

 

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