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Dringlichkeit, Spielsüchtiger der alles verloren hat

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Dringlichkeit, Spielsüchtiger der alles verloren hat
« am: 22 November 2020, 22:44:57 »
Guten Abend, ich schreibe hier als ehemalige
Lebensgefährtin eines phasenweisen Spielers,der immer exzessiver spielte und nun von mir ,trotz Corona Symptomen,raus geworfen wurde und nun in einer Garage lebt .
Bitte erspart mir negativ Kommentare,ich musste mir schon von seiner Familie genug anhören, aber ich muss dazu sagen,dass er sich die höchstwahrscheinliche Corona Infektion beim illegalen Pokerspiel mit 10 anderen Teilnehmern geholt hat. Unsere gemeinsame Tochter ist Risikopatientin und er wusste seit März, das wir auf sie aufpassen müssen bzw sie durch unsere Einhaltung der AHA Regeln schützen müssen.
Trotzdem habe ich Mitleid und hoffe jemand kann mir weiterhelfen.
Eine Wohnung bekommt er nicht so einfach, negative Schufa ca 50.000 Euro Schulden ,aber eine Arbeit hat er noch.Die Betonung liegt auf noch ,viele Fehlzeiten aufgrund der Kombination Spielen und Alkohol inkl .depressiver Verstimmung und Selbstmord Ankündigungen.Ich mache mir Sorgen um ihn und hoffe jemand kann helfen. Es tut mir auch Leid ,aber ich konnte so nicht weiterleben.Ständig verschwand er tagelang,bevorzugt am Wochenende,man machte sich unbeschreibliche Sorgen über die Unerreichbarkeit und dann kam er nach Hause und hatte alles verspielt. Meine Liebe ihm gegenüber ist vergangen, aber mein Helfer Syndrom,höchstwahrscheinlich auch eine Co Abhängigkeit ist noch vorhanden.
Ich bitte um Tipps.
Ach ja, er will sich nicht helfen lassen, obwohl er alles verloren hat....
« Letzte Änderung: 22 November 2020, 22:46:52 von Jenn »

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Offline Olli

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Re: Dringlichkeit, Spielsüchtiger der alles verloren hat
« Antwort #1 am: 23 November 2020, 06:00:54 »
Hi Jenn und herzlich willkommen!

Nein, Du wirst hier keine Vorwürfe bekommen. Ich bin Spieler und weiss, was ich meiner Familie in all den Jahren meiner Suchtausübung angetan habe.
Aus dem Wenigen, was Du bisher schreibst, kann ich erkennen, dass Du richtig handelst.

Zitat
ich konnte so nicht weiterleben

Dies ist der wichtigste Satz, der dies unterstreicht! Du hast ausgeharrt, hast versucht zu helfen, doch nun ist das Maß bei Dir voll.
Er will ja keine Hilfe, will nichts verändern - also ist der Umkehrschluss, dass Du leiden sollst?
Für ihn etwa? Er hat da etwas, was ihm viel wichiger ist,
Für Eure Beziehung? Da sagst Du ja selbst, dass die Liebe bei Dir gegangen ist.
Für Eure Tochter? Wo leidet sie auf Dauer denn mehr? Wenn die Eltern eine nicht funktionierende Beziehung pflegen und sich vielleicht alle Nase lang fetzen - oder bei einer Trennung, wo jeder seiner Wege zieht?

Mache das, was Dir Dein Herz sagt.

Zitat
Kombination Spielen und Alkohol inkl .depressiver Verstimmung und Selbstmord Ankündigungen

Wird es eigentlich noch versprochen? Dieses "in guten, wie in schlechten Zeiten"? Nun, dies mag außerhalb von Süchten ja gerne gelten, doch bitte nicht, wenn diese vorhanden sind und daran festgehalten wird.
Der Süchtige leidet zwar, merkt es aber nicht. Er behält gerne und lieber, das, was er kennt, anstatt das, was er nicht kennt und ihm vielleicht hilft, zu versuchen.
Es liegt in seiner Verantwortung sich um seine Süchte zu kümmern und sie zum Stillstand zu bringen.
Es liegt in seiner Verantwortung, sich bei depressiven Verstimmungen oder sogar handfesten Depressionen in ärztliche Behandlung zu begeben. Die Symptome lassen sich mindern.
Zudem muss man hier schauen, was zuerst da war - die Depressionen oder das Spielen. Manchmal werden sie erst durch das Spielen ausgelöst und können sogar wieder verschwinden, wenn das Spielen erfolgreich behandelt wird.
Selbstmordankündigungen - sie werden gerne als Waffe eingesetzt, wenn der Spieler seine Felle davon schwimmen sieht! Sind sie also ernst zu nehmen? Was denkst Du?
Wäre es Dir und Deiner Tochter gegenüber fair, diese Last zu tragen während er weiter macht, wie bisher?
Du hast keinen Einfluss darauf, ob er sich umbringt oder nicht. Es ist seine Entscheidung, genau wie die zu spielen. Das Spielen selbst ist ja ein Selbstmord auf Raten!

Nein, es ist nicht zu viel von Dir verlangt, wenn Du Dich trennst! Wenn Du leidest und vielleicht schon das Ende Deiner Kraft erreicht hast, dann ist es sogar Deine Pflicht!

Erzähle doch ruhig etwas mehr von dem, was Dir gerade so durch den Kopf geht.
« Letzte Änderung: 23 November 2020, 06:04:03 von Olli »
Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
Hier geht es zum Samstagsmeeting_ https://us02web.zoom.us/j/87305340826?pwd=UnFyMlB6bkwyTHU3NGVISWFGNSs2

Re: Dringlichkeit, Spielsüchtiger der alles verloren hat
« Antwort #2 am: 23 November 2020, 08:09:25 »
Vielen lieben Dank, für die Antwort die mich ein wenig aufgebaut und bestärkt hat.
Mir geht sehr viel durch den Kopf ,auch das seine Familie (sie lebt im Ausland ,er ist mit Migrationshintergrund) mir Vorwürfe macht, wie man nur so herzlos sein kann.Aber ich habe viele dutzende Male mit ihm gesprochen und ihn darauf hingewiesen,das er ,wenn er erkrankt ,bei einem seiner Freunde bitte die Quarantäne verbringen soll und auch sonst habe ich allgemein immer wieder gesagt ,er soll sich eine Wohnung suchen, weil ich dieses Leben nicht mehr mit ihm ertrage.Es war auch nicht mehr lebenswert, wenn er nach seinen tagelangen Aufenthalten in Spielotheken mal wieder den Weg nach Hause fand ,schlief er viele viele Stunden.Natürlich war ich auch dementsprechend nicht mehr freundlich, denn es hätte ja wer weiß was passieren können mit ihm ,in der Zeit bzw an den vielen Tagen wo er nicht erreichbar war.
Die chronische Geldknappheit und das Aufbringen von Geld bestimmte den ganzen Tagesablauf. Auch strafauffällig wurde er mehrmals .Er schaffte es nicht einmal mit uns aufzustehen ,außer wenn er zur Arbeit musste. Eine Abkapselung von uns bzw ein Desinteresse für die Familie wurde zur Normalität.
Ich kümmerte bzw musste mich um alles alleine kümmern, Familienzeit gab es schon lange nicht mehr. Dabei bin ich sehr normal und bodenständig, aber diese Streitereien, auch durch seine Gereiztheit, raubten mir viele Energien und den Schlaf. Ich fühlte mich als wenn ich noch ein zusätzliches Kind an der Backe hätte.
Seitdem ich ihn rausgeworfen habe (vergangenen Donnerstag)hat er sich nicht mehr gemeldet, keine Nachfrage wie es uns geht ,einfach nichts.Es ist so als wenn ich bzw er mir die Schuld dafür gibt, das er nun in einer Garage lebt.Dabei hat er genug Freunde, aber die wollen wahrscheinlich auch keinen Corona infizierten aufnehmen ,oder er schämt sich .Ich weiß es auch nicht ,warum man freiwillig in eine Garage zieht. Heute soll wohl das Ergebnis des Corona Testes kommen ,ich bin mal gespannt, aber trotzdem möchte ich ihn nicht wieder aufnehmen .Er war schon öfters ,aufgrund von Trennung, weg und er betonte immer wieder, er hätte es jetzt im Griff. Aber das hielt immer nur ein paar Wochen Er sagte immer ,mein Verhalten treibt ihn dazu. Dabei habe ich nie geldtechnisch Druck auf ihn ausgeübt, sondern mein eigenes finanzielles Leben geführt und ihn noch durchgefüttert.Wenn er seine Eskapaden dann hatte ,danach wurde ich erst wütend .Mir geht es momentan auch nicht gut ,man denkt viel zu viel nach....macht sich trotz allem Vorwürfe, das man es hätte verhindern können .Dabei habe ich ihn sogar zum Schuldnerberater und auch zur Beratungsstelle geschleppt. Ersteres nahm er auch an, bei der Beratungsstelle saß ich allein.....

Re: Dringlichkeit, Spielsüchtiger der alles verloren hat
« Antwort #3 am: 23 November 2020, 08:38:06 »
Ach ja ,ich wollte noch erwähnen, das er immer zugegeben hat, wenn er gespielt hat .Er war also ehrlich mit seinem Spielverhalten ,außer mit dem online spielen, das verschwieg er stets.

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Offline Olli

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Re: Dringlichkeit, Spielsüchtiger der alles verloren hat
« Antwort #4 am: 23 November 2020, 10:03:48 »
Hi Jenn!

Wie ich sehe, hast Du Alles getan, was in Deiner Macht stand. Wie ich schon sagte, liegt es in der Verantwortung des Spielers ins Handeln zu kommen.
Du hast also bereits weit mehr getan als man von Dir erhoffen konnte. Du hast gekämpft. Und nun hast Du kapituliert. Es macht nun mal keinen Sinn Kämpfe zu kämpfen, die nicht gewonnen werden können.

In manchen Kulturen ist die Familie das höchste Gut, welches, zumindest nach außen, mit allen Mitteln aufrecht erhalten werden soll.
Ich frage mich nur, wie das gehen soll, wenn nur eine Person diesem Gut huldigt, es hegt und pflegt? Der andere Part hingegen es mit Füßen tritt?
Da fehlt mir das Verständnis, wieso Du und Eure Tochter leiden sollten, nur um an der "Familie" fest zu halten.
Du hast gezeigt, dass Du alles dafür gegeben hast. Was sollen das also für Vorwürfe sein, die sein Handeln schlussendlich in Schutz nehmen?
Ich lese hier, dass Dir das Alles schwer fällt und Du um die Liebe zu der Person trauerst, die es auch wohl einmal wert gewesen ist, derart geliebt zu werden.
Doch so lange er in der Sucht verweilt, liebt er Euch nicht mehr - zumindest hat er eine "größere Liebe".
Würde er sich helfen lassen, käme der größte Teil dieses wertvollen Ichs wohl wieder zutage. Doch im Moment ... keine Chance ...

Wenn Dein Partner Dir Vorwürfe macht, dann musst Du sie mit ein wenig Abstand betrachten. Wie heisst es doch so schön, Angriff ist die beste Verteidigung.
Du hast ihn also bereits mit Deiner Konsequenz "in die Enge" getrieben. Ihm wird bewusst, dass er Euch verlieren wird.
Bisher hat er was erfahren? Du bist da, egal was er macht. Es gibt ein wenig Stress? Der geht vorüber. Er kann alles Geld verzocken, er hat ein Dach über dem Kopf und Du fütterst ihn durch. (Sehe das bitte nicht als Vorwurf. Kaum eine Angehörige/ein Angehöriger kennt sich mit Sucht aus und realisiert, dass mit solchen Aktionen die Sucht nur unterstützt wird. Was in allen möglichen Lebenslagen eine Selbstverständlichkeit ist, ist hier leider kontraproduktiv. Ich schreibe Dir das, damit Du in Zukunft, wir wissen ja noch nicht, wohin die Zukunft Euch führt, ihn auch hier die Konsequenzen seines Handelns spüren lassen kannst.)
Jetzt erntet er erstmalig ernsthaft emotional die Folgen seiner Entscheidungen.
Vielleicht löst dies in ihm einen Konflikt aus, der ihn zum Umdenken anregen wird. Wer weiss ...
Das braucht aber Zeit. Zeit, die, egal wie er sich entscheidet, nur für Dich spricht. Gebe ihm diese Zeit. Wenn er den Kontakt weiter wünscht, wird er sich melden.

Du hast Alles richtig gemacht und Du brauchst Dir weder eine Schuld einreden lassen, noch musst Du Anzeichen suchen, damit Du Dir selbst Schuld zuweisen kannst.

Zitat
Ach ja ,ich wollte noch erwähnen, das er immer zugegeben hat, wenn er gespielt hat .Er war also ehrlich mit seinem Spielverhalten ,außer mit dem online spielen, das verschwieg er stets.

Du brauchst ihn auch nicht in Schutz nehmen. Was bleibt denn unterm Strich übrig? Er hat Dich belogen - Punkt.
Wenn er tagelang unterwegs war, musste er es Dir ja plausibel erklären. Hier war die Wahrheit schlicht der einfachere Weg.
Du weisst aber selbst am Besten, was dieses Verhalten bei Dir an negativen Gefühlen ausgelöst hat und ich nehme mal stark an, dass Du dies ihm mitgeteilt hast.
Es war ihm - auch sicherlich wieder unterm Strich - egal - und das wiegt weit schwerer als ein wenig Aufrichtigkeit.

Du hattest geschrieben, dass Du alleine bei der Beratung gesessen hättest. Hast Du sie auch in Anspruch genommen? Kaum jemand weiss, dass die Beratungsstellen auch für die Angehörigen da sind und ihnen helfen können durch diese schwere Zeit zu kommen.
Magst Du nicht noch einmal einen Termin für Dich machen?
Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
Hier geht es zum Samstagsmeeting_ https://us02web.zoom.us/j/87305340826?pwd=UnFyMlB6bkwyTHU3NGVISWFGNSs2

Re: Dringlichkeit, Spielsüchtiger der alles verloren hat
« Antwort #5 am: 23 November 2020, 14:41:53 »
Vielen Dank lieber Olli für deine lieben aufbauenden Worte.
Heute morgen erschlagen sich die Ereignisse ,er ist wie vermutet Corona positiv.
Er ist jetzt bei einem Freund untergekommen ,der auch in Quarantäne ist.Wir zählen zur Kategorie 2 und werden auch getestet, wegen der Vorerkrankungen unseres Kindes ansonsten müssen wir erstmal keine Quarantäne einhalten.
Seine Mutter kontaktierte mich, ich sollte bitte Medikamente und Nahrungsmittel vor die Tür stellen .Daraufhin rief ich ihn an und er nannte mir die Adresse.
Es kam noch nicht mal ein Danke und ich fühle mich ausgenutzt.Er fragte auch nicht wie es uns geht. Machte erneut Vorwürfe, wie man ihn mit Corona rausgeworfen hat.Das ich es dem Kindeswohl zu gute getan habe, scheint nicht zu interessieren .Ich bin für heute erstmal wieder bedient.
Dir einen schönen Tag und bleib gesund !

 

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