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Online-Selbsthilfegruppen Glücksspielsucht
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Hi!

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Hi!
« am: 20 März 2021, 19:38:10 »
Hi!

Ich möchte euch nicht gleich mit einer dieser Standardphrasen langweilen, à la "Ich lese schon seit xyz Monaten mit, jetzt fasse ich mir ein Herz!"; "Ich halte es einfach nicht mehr aus...", das erspar' ich uns allen mal. Nicht, dass ich nicht hin und wieder mitlese, aber das tut im Prinzip ja nichts zur Sache.

Ich weiß ganz und gar nicht, was uns hier jetzt erwarten wird, und möchte gleich auch hier zu Beginn vorwarnen, dass hier ein riesiges Wirrwarr zustandekommen wird. Ich möchte es aber nicht missen, mich zu erklären und versuchen, meine Geschichte zu schildern - kann ja prinzipiell nicht schaden!

Bevor ich die einleitenden Worte abschließe, möchte ich nochmal anmerken, dass dieser erste Text vermutlich etwas länger ausfallen wird, da ich einfach versuchen werde, aufs Blatt zu bringen, was mir gerade so einfällt. Nehmt euch also, bei Interesse, Zeit, vielleicht vergesse ich nicht darauf, das Geschreibe ein wenig zu gliedern.
++++++

Vorstellung
Hey! Ich nenn' mich einfach mal MSStrolz - keine Ahnung, wie und warum ich auf den Namen kam. Ich bin gerade Anfang Zwanzig, Student und nebenberuflich tätig. Ich hatte und habe das Glück, ein extrem leichter Lerner zu sein, weshalb ich ohne wirklichen Aufwand meine Matura bestanden und dann mein Studium begonnen habe. Ich befinde mich also in der Lage, noch nie für etwas wirklich hart gearbeitet haben zu müssen; einerseits, weil ich immer zu faul war, andererseits, weil ich es mir in meiner schulischen Karriere schlicht leisten konnte. Hier sei kurz angemerkt: Das soll hier keine miese Selbstbeweihräucherung werden, ich möchte damit nur den Grundtenor legen, dass ich ausgesprochen faul bin. Das mag jetzt zwar alles ganz toll klingen, ist es aber höchstens am Papier.

Warum nur am Papier? Nunja, ich bin spielsüchtig und die letzten Monate zunehmend lethargisch. Im Studium stecke ich fest, ich habe mich die letzten beiden Semester einfach während des Semesters von Seminaren abgemeldet oder diese einfach nicht mehr besucht, da ich es vorgezogen habe, zu Hause nichts zu tun - oder eben zu spielen. Ich finde nur selten - und wenn auch nur schwer - Motivation und ziehe viele Dinge kaum durch. Klar, ich habe immer wieder Phasen, bei denen ich unglaublich enthusiastisch bin und am liebsten die ganze Welt verändern würde. Das hält aber meistens nur bis zum nächsten Morgen an. Hier schließe ich oben an: Ich schaffe (oder möchte?) es schlicht und ergreifend nicht, Dinge, die mir nicht auf Anhieb leicht fallen, durchzuziehen. Ich gehe zwar hin und wieder spazieren, um einen klaren Kopf zu bekommen, Workouts ziehe ich meistens aber maximal zwei Wochen durch - ich wäre zu faul dafür und brauche das ohnehin nicht, rede ich mir gekonnt ein. Situationsbedingt passiert auch sonst nicht viel. Ich treffe mich zwar einmal wöchentlich mit Freunden (und das ist auch eine super Abwechslung!), aber wenn ich dann wieder alleine in meiner Wohnung sitze, habe ich schnell das Gefühl, mich ablenken zu müssen.

Ich war eigentlich immer ein ruhiger Typ, der die meisten Situationen gelassen so entgegengenommen hat, wie sie gekommen sind. Nur Weniges konnte mich aus der Ruhe bringen und ich wusste mir auch in den meisten Situationen zu helfen. Mir ist erst letztens aufgefallen, wie sehr ich mich verändert habe. Nicht, dass Veränderung etwas schlechtes sei, aber es fiel auf, dass ich mittlerweile alles andere als ruhig bin. Ich schaffe es fast nicht mehr, länger als eine Stunde ein Buch zu lesen, ohne ständig aufs Handy schauen zu wollen. Seien es irgendwelche sinnbefreiten Apps wie Instagram, Twitter und Co oder - wenn finanziell möglich - Online-Glücksspiel. Ich bin seit Monaten, wenn nicht sogar Jahren, sozusagen dauererregt. Und damit fühle ich mich alles andere als wohl.

Derzeitige Situation
Kommen wir also zu dem Punkt, der vermutlich am spannendsten ist: meine leidige Spielerei. Meine sogenannte Spielergeschichte möchte ich etwas weiter unten erläutern, da sie doch recht einzigartig (nicht unbedingt im positiven Sinne) begonnen hat. Der Status quo sieht wie folgt aus: Ich arbeite neben dem Studium geringfügig und bekomme dazu noch finanzielle Unterstützung vom Staat, insofern ich eine gewisse Studienleistung erbringe (was bis dato glücklicherweise immer der Fall war). Ich hatte in den letzten Monaten gehäuft Schwierigkeiten, Rechnungen zeitgerecht zu bezahlen, da ich es vorzog, ebendieses zu verspielen. Erfreulicherweise blieb es die meiste Zeit bei der ersten Mahnung. Da ich noch relativ jung bin, habe ich bis dato immer davon abgesehen, mich zu verschulden. Stand Heute, 20. März 2021, habe ich folglich keine Schulden und glückerlichweise keine Rechnungen offen. Aber auch kein Geld.

Seit letztem Sommer sieht jeder Monat gleich aus: Anfang des Monats bekomme ich mein Geld, ich zahle die nötigen Rechnungen, die Miete und überweise meinen Eltern €200, um diese wegzusparen (an dieser Stelle sei erwähnt, dass sie um meine Situation wissen). Dann nehme ich mir aufs Neue vor, nicht mehr zu spielen. Das geht auch oft ein bis zwei Tage gut. Dann kommt der erste wirkliche Suchtdruck und ohne zu zögern gebe ich nach: 25 Euro würden doch nicht schaden, immerhin hätte ich doch schon alles bezahlt und noch genüg Geld über!. Ich muss hier natürlich nicht erwähnen, dass es bei den 25€ bleibt. Ich sitze also alleine zu Hause vor meinem Laptop und schaufle nach und nach Geld in dubiose Online-Casinos. Zumeist so lange, bis ich (fast) nichts mehr am Konto habe. Dann spule ich monatlich dieselbe Leier ab, ich würde jetzt aufhören, jetzt reiche es. Bis halt das nächste Geld kommt.

Ich spiele seit ich 17 bin (ausschließlich) online und habe in den letzten fünf Jahren mein gesamtes Sparbuch, Geld, das ich geschenkt bekommen oder mir erarbeitet habe, und vor allem Unmengen an Zeit und Energie verspielt. Ich bin mir dessen durchaus bewusst, dass es immer schlimmer kommen kann und ich mich glücklich schätzen sollte. Trotzdem reicht es mir jetzt. Ich bin es satt, keine Kontrolle über irgendetwas mehr zu haben. Ich erkenne mich teilweise selbst nicht mehr und stelle riesige Pläne auf, was ich nicht alles verändern werde, um dann am nächsten Tag wieder vor'm Laptop zu hängen. Ich nehme mir schwerbegeistert vor, alles umzukrempeln, endlich wirklich zu leben zu beginnen, nur, um dann am nächsten Tag bis 14 Uhr im Bett zu liegen. Ich kenne schlicht nichts anderes mehr, seitdem ich vor über zwei Jahren ausgezogen bin, lebe ich nur noch von Monat zu Monat. Ich kann mir nichts gönnen, kann nichts unternehmen und das einzig vermeintlich Highlight, das ein solches natürlich gar nicht ist, ist es, wenn ich spiele und mich fühle - zumindest gaukle ich mir das selbst vor.

Seit ich erwachsen bin, wenn ich das überhaupt bin, ist mein Leben fremdbestimmt. Ich wüsste es besser, schaffe es aber nicht, mich dermaßen aufzuraffen, um diejenigen Schritte zu setzen, die nötig sind.

Warum verfasse ich also gerade jetzt diesen Beitrag, warum entscheide ich mich, mich - natürlich dennoch anonym - preiszugeben? Nunja, zuerst muss ich sagen, dass das hier keinesfalls mein erstes Outing ist. Vor zwei Jahren, 2019, hatte ich schon den Spaß, meine Familie einzuweihen. Kurz zusammengefasst: Schock, Enttäuschung, Enttäuschung, Enttäuschung, Akzeptanz. Ich schätze mich sehr dankbar, dass mir beiseite gestanden wird, so weit dies möglich ist. Ich war auch vor zwei Jahren bereits in Therapie, für fünf Sitzungen, wenn ich mich recht erinnere. Ich habe allerdings dann die Beziehung beendet, da ich meinen damaligen Therapeuten für etwas ungeschickt gehalten habe. Ich hatte das Gefühl, er wäre, wie ich selbst, schwerst überfordert mit mir und nach einigen Treffen haben wir beide keinen Mehrwert gesehen. Leider war zum damaligen Zeitpunkt die gesamte Beratungsstelle relativ überfüllt, weshalb mir auch kein anderer Therapeut zur Verfügung gestellt werden konnte. Ich war trotz der Kurzweiligkeit dann für einige Wochen spielfrei - leider aber nur für diese Wochen.
Warum also gerade jetzt? Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Ich befinde mich gefühlt in einer monatlich wiederkehrenden Zeitschleife, die ich oben bereits beschrieben habe: Geld kommt - Rechnungen bezahlt - Rest verspielt. Ich hätte diesen Text genau so vor zwei oder vier Monaten schreiben können, es hat sich nicht wirklich Gravierendes geändert.

Warum ich nicht dagegen ankämpfe? Auch hier kann ich nur mutmaßen. Meine oben angeführte Faulheit finde ich eine etwas einfache Ausrede, das kann vielleicht mitunter ein Grund sein, keinesfalls aber der Hauptgrund. Ich denke, ich habe mich in den letzten Monaten in meiner Komfortzone eingelebt. Klar, keine angenehme, aber sie funktioniert. Mir kommt es vor, als sei noch nicht genug passiert, um endlich etwas zu verändern (ich weiß übrigens, wie absurd diese Aussage ist). Mein damaliger Therapeut meinte schon vor zwei Jahren, er wünsche sich, ich würde in fünf Jahren nochmal kommen, wenn ich hochverschuldet wäre, damit ich endlich einen Grund fürs aufhören habe (hier sei angemerkt, dass er das natürlich nicht ernst meinte - hoffe ich zumindest). Doch sollten nicht eigentlich über €15.000 Grund genug sein? Das ständige Gefühl, das einhält, wenn wieder das gesamte Konto leergeräumt wurde? Die Enttäuschung, der Selbsthass? Scheinbar hat mir das bis dato nicht gereicht.

Das Warum

Warum spiele ich also? Es muss doch immerhin einen hervorragenden Grund geben, wenn ich all die negativen Auswirkungen - ich denke, die muss ich hier nicht extra aufzählen, wir kennen sie alle - in Kauf nehme, um irgendwelchen Symbolen beim Herunterfallen zuzuschauen (ich spiele mittlerweile hauptsächlich Slots), nur um die scheinbare Chance auf den big win zu haben.
Nun, ich bin Verfechter der Ansicht, dass Spielen zuallererst ein Symptom sei. Anfangs war ich immer der Meinung, ich hätte nichts, dass es aufzuarbeiten gilt oder vor dem ich weglaufe. Heute weiß ich, wovor ich weggelaufen bin und immer noch weglaufe. Ich wüsste auch, an welchen Schrauben ich drehen müsste, damit die Maschine (eventuell eher eine unpassende Wortwahl) wieder ins Laufen kommt. Aber hier kommen wir zu dem Grund, der alle anderen vermeintlich in den Schatten stellt: Ablenkung.

Wenn ich mal wieder zu wenig Geld habe - volle Transparenz: wie jetzt gerade - und mir Spielen schlechthin nicht leisten kann, werde ich mit Dingen konfrontiert, die unbedingt angegangen werden möchten. Ich hopse dann von Tag zu Tag, weiche meinen eigenen Gedanken aus und lenke mich andersweitig ab. Situationsbedingt hänge ich ohnehin schon großteils ständig vor Laptop und Handy, glücklicherweise halten diese beiden gut als Ablenkung her.

Man könnte annehmen, man würde spielen, weil es Spaß macht. Dass man damit Geld verdient, kann wohl niemand erst meinen. Aber macht es uns wirklich Spaß? Ich kenne persönlich niemanden, der betroffen ist. Bei mir selbst aber erkenne ich, dass das nicht Spaß oder Freude sein kann, dass ich während des Spielens verspüre. Ich hocke da, höre Musik und starre leer auf den Bildschirm. Hin und wieder pocht mein Herz recht kräftig, hin und wieder lache ich, der Lächerlichkeit der Situation wegen, in mich hinein und hin und wieder zittert mein Fuß. Ich freue mich nicht, wenn ich etwas gewinne. Das würde ohnehin nicht ausreichen, es wäre nicht genug. Genug für was eigentlich? Ich weiß selbst nicht, mit welchen Erwartungen ich hinein gehe. Der Riesengewinn kommt ohnehin nicht, selbst wenn, würde ich ihn binnen weniger Wochen ohnehin wieder verlieren. Freude an der Sache ist es also schonmal nicht. Ich fühle mich eher leer, so wie eigentlich vorher und nachher auch.

+++++++++

Ich muss leider an dieser Stelle erstmal Schluss machen, da ich weg muss. Ich werde aber in den nächsten Tagen immer wieder reinschauen und auf jeden Fall weiterschreiben. Ich möchte vor allem meine Spielerkarriere aufs Blatt bringen, da sie - wie ich anfangs schon angekündigt hatte - doch etwas anders ist, wie ich meine. Außerdem will ich für mich selbst einen kleinen Plan aufstellen, wie ich die Situation angehen werde. Mich selbst abschreiben möchte ich keinesfalls - ich denke (und hoffe) auch nicht, dass das so rübergekommen sein könnte. Ich brauche, wie es mein ehemaliger Fahrlehrer schön formuliert hat, nur einen festen Tritt in den Arsch. :D

Ich freue mich auf mögliche Rückmeldungen, erwarte mir aber keinesfalls irgendetwas, da mein Text, vermute ich, wenig Spielraum für Antworten gibt.

Schönes Wochenende und alles Gute

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Offline Rosa

  • ***
  • 99
  • Lass los!!!
Re: Hi!
« Antwort #1 am: 20 März 2021, 20:16:17 »
Einen wunderschönen guten Abend , da du anscheinend nicht so auf Floskeln stehst lasse ich mal das „ herzlichen willkommen „“ es ist doch schonmal ein enormer schritt das du hier reinschreibst“ bla bla bla

Ich bin auf jeden fall gespannt auf deine wie es Anfang Version :-)

Ps: ich kann dir den anschreit leider nicht geben, habe nur Schuhgröße 36, aber ich bin mir sicher es finden sich bestimmt welche mit größeren Füßen ;-)

Ich wünsch dir erfolgreiche 24 std 
Blicke nicht zurück - nur nach vorn - du fühlst dich wie neu geboren

*

Offline Olli

  • *****
  • 6.760
Re: Hi!
« Antwort #2 am: 21 März 2021, 06:29:04 »
Guten Morgen!

Herzlich Willkommen! - Ach, ich mag diese Worte. Sind sie wirklich Phrasen? In gewisser Weise sicher, doch sie haben ja einen Sinn.
Wir sind hier eine Gruppe von Glückspielern, Angehörigen und sonstigen Interessierten. Mit Deinem Posting trittst Du Dieser Gruppe bei.
Du gibst etwas von Dir preis, um ein Bestandteil dieser Gruppe zu werden und Du erwartest als Reaktion auch eine Resonanz.
Da macht es schon Sinn, Dir ein wohlwollendes Gefühl entgegen zu bringen, um in kleinen Schritten eine positive Beziehung aufzubauen.

Wenn Du hingegen angibst, dass Du mitliest seit Monaten, dann zeigt dies bis zu einem gewissen Grad ja schon mal Interesse an der Materie.
Ich weiss dann auch, dass ich nicht alles bis ins kleinste Detail noch einmal hier niedersschreiben muss, sondern kann dies in gekürzter Form tun.
Weiterhin zeigt mir Deine Anmeldung und Dein Beitrag, dass Du Dich durchgerungen hast einen weiteren Schritt zu machen.
Mitlesen ist das Eine, doch sich sinnbildlich nackig zu machen ist doch schon etwas Anderes.
Hälst Du es denn nicht mehr aus? Wieso nutzt Du ausgerechnet diese "Standartphrase" als Beispiel? Ist sie korrekt?
Nehmen wir mal an, es wäre so, dann degradierst Du Deine eigene Not vor Dir - oder nicht? Du schiebst sie von Dir, weil es ein unangenehmes Gefühl beinhaltet.

Ja, Du bist ein cleveres Kerlchen. Das steht wohl außer Frage. Vieles, was ich Dir antworten könnte, benennst Du schon selbst.
Doch ein Wort fällt mir da gerade ein, welches Du noch nicht benutzt hast: Glaubenssätze! An alleroberster Stelle steht da: Ich bin faul!
Nun, ich selbst bekam mal von meiner Mutter gesagst: Du bist doch nicht dumm, Du bist nur faul!
Das zog sich durch meine ganze Kindheit bis weit in mein Erwachsenenleben hinein. Denn auch mein Vater hatte einen dieser Glaubenssätze: Wer nichts schafft, der ist nichts wert!
Damals, als meine Mutter mir diese Worte offerierte, da ging es um meine Noten in Fremdsprachen. Es ging um Englisch, Französisch und Russisch, später hatte ich sogar noch ein wenig Latain. Manchmal sogar kam mir Deutsch wie eine Fremdsprache vor, wenn es darum ging irgendwelche Interpretationen aus Gedichten längst verstorbener Dichter abzuleiten. Ist irgendwie komisch, heute liebe ich es Dichter wie Dich zu interpretieren ... :)
Ich hatte Nachhilfe bekommen in Englisch und Französisch und doch schaffte ich es nie, Vokabeln und Grammatik unter einen Hut zu bekommen.
Es lag mir einfach nicht. Es hatte weder etwas mit Dummheit, noch mit Faulheit zu tun.
Woher stammt also Dein Glaubenssatz Du wärest faul? Welche Beweise gibt es dafür und sind diese wirklich wahr? Löst ein anderer Grund für Dein Verhalten den ein oder anderen Beweis auf?
Vor ein paar Tagen hatte ich hier angekündigt etwas zu Glaubenssätzen und -systemen hier nieder zu schreiben. Bin ich jetzt faul, weil ich es noch nicht getan habe? Tatsache ist, dass niemand aus dem Forum mich unter Druck setzt, weil da von mir noch nichts gekommen ist. Den Druck mache ich mir selber.
So ein klein wenig wirken die Einflüsse der Kindheit noch auf mich ein und wollen mir einreden, dass ich das doch längst hätte erledigen können.
Nein, das konnte ich nicht. Ich musste arbeiten, hatte gestern z.B. eine Onlineschulung, vorab hatte ich Hausaufgaben dafür auch wieder online mit zwei anderen Teilnehmern zu erledigen. Ich habe wieder Kontakt zu meinem Vater und ich versuche ihn in seiner Trauer zu stützen.
Mir blieb nicht viel "Freizeit". Um mich aber dem Thema Glaubenssätze zu widmen, benötige ich Zeit und Muße. Schließlich möchte ich es ja nicht im Hauruckverfahren nieder schreiben, sondern will auch selbst noch etwas lernen.
Was auch immer Deine Gründe für das Glückspiel sind, Faulheit ist es bestimmt nicht. Wenn man Dich währenddessen an eine Maschine anschließen würde, um Deine Gehirnaktivität zu messen, dann würden alle "Lämpchen leuchten", um mal eine eigene Phrase einzuwerfen.

Hier mache ich mal Schluss für den Moment und bin gespannt auf Deine Fortsetzung.
« Letzte Änderung: 21 März 2021, 06:32:59 von Olli »
Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
Hier geht es zum Samstagsmeeting_ https://us02web.zoom.us/j/87305340826?pwd=UnFyMlB6bkwyTHU3NGVISWFGNSs2

*

Offline andreasg

  • *****
  • 1.968
Re: Hi!
« Antwort #3 am: 21 März 2021, 17:23:35 »
Hallo MSStrolz,

bin beim Lesen Deines Beitrags abgerutscht, weil irgendwie mein jüngster Neffe im Geiste vor mir stand,
ich wüßte soviel gerne von ihm,
aber er läßt sich nicht blicken.
Als er 7 war, also vor 12 Jahren, mußte ich auf ihn aufpassen, Babysitting. Wir spielten Schch.
In einer Partie klaute er mir die Dame, und ich habe ihn trotzdem mit 2 Türmen mattgesetzt.
Mein Neffe lief schreiend, brüllend, Tränen in den Augen zu seinem Vater,
der Schwager beruhigte auch mich.
Nie wieder habe ich nur den Hauch einer Chance beim Schachspiel gehabt.
Ich weiß aber, daß in seinem Zimmer sich die Pokale stapeln,
daher, weil der Papa mal seinen Rechner mit mir aufräumte, und auf Virenjagd gingen.
Daher kenne ich Computerspiele.

Mein Neffe wird zeitnah sein Abitur bauen, den 1.er in Mathe und Physik hat er im Abo,
aber - es gibt so viel persönliches, was ich außer ungewöhnsichen Talenten nicht von einem Herranwachsenden weiß.
Diese Lebensphase habe ich allenfalls im Leerlauf durchgezogen,
nicht bewußt, aus der Folge der Pubertät.
Las Loslassen, oder, wie in einer meiner Lieblingssagen : "den roten Ritter erschlagen"
Ich schreibe in Rätseln?
Aber Schreiben hilft, Gedanken zu ordnen.
Es ist schon viel gesagt.

Jetzt warten noch Haushalts - Finanzplan, Sponsoring, Selbsthilgruppen, Literaqtur, Schreiben, Aktionsplan Struktur, und weitere auf Dich.
Der Anfang ist noch nicht getan,
der Prolog braucht seine Gescjichte.

Wenn Du magst, laß uns daran teilhaben

schöne 24 Stunden
Andreas
Demut ist die anhaltende Ruhe im Herzen

Re: Hi!
« Antwort #4 am: 04 Juni 2021, 13:35:55 »
Hey,

vielen Dank für die lieben Antworten. :)

Ich muss mich also der Liste derjenigen anhängen, die ganz entgeistert ihren ersten Beitrag verfassen, auf einen alles verändernden Neustart schwören und dann doch lieber still und heimlich genau das weitermachen, das man zuvor noch für immer abgeschworen hat. Wie so viele andere hab' auch ich mir vorgenommen, dieses Tagebuch tatsächlich als Brandbeschleuniger (wenn schon eher Löschtuch?) zu verwenden, um endlich etwas zu verändern. Naja..

Seit meinem ersten Beitrag ist natürlich einiges passiert. Mir ging es die darauffolgenden Tage geradezu gut, ich konnte teilweise unbeschwert leben, fernab jedweden Suchtdrucks oder ähnlichen Freuden, die ich mir jahrelang antrainiert habe. Ich habe mir darauf vorgenommen, ein bisschen an meinem Tagebuch weiterzuschreiben. Hier greife ich den Stichpunkt Faulheit auf: Ich habe es jedes Mal auf's Neue aufgeschoben und schlussendlich schlichtweg ad acta gelegt - immerhin ging es mir ja auch ohne gut. Ich war also etwas über ein Monat lang spielfrei, bis zum Geldeingang Anfang Mai.
Ich habe die Situation beinahe noch vor Augen: Seit einiger Zeit habe ich endlich das erreicht, was ich die Monate zuvor ständig durch Glücksspiel versucht habe: Ich hatte wieder einen vierstelligen Betrag am Konto, den ich frei verwenden konnte. Seit über einem halben Jahr hatte ich zuvor krampfhaft probiert, durch ständiges Einzahlen in Online-Casinos ebendiesen vierstelligen Betrag zu erreichen. Hat natürlich immer ausgezeichnet funktioniert, aber das muss ich hier ohnehin nicht erklären. (Dass ich besagten Betrag schon viel früher hätte haben können, hätte ich einfach nicht gespielt, muss, denke ich, auch nicht extra gesagt werden.) Ich möchte hier jetzt nicht ausschweifen, da man sich vermutlich ohnedies bereits ausmalen kann, was passiert ist. Ach, 25 Euro kannst' eh probieren. Vor allem jetzt, wo du eh genug hast. Long story short: Ich habe binnen sechs Stunden mein gesamtes Konto leergeräumt und fand mich also wieder vor einem Scherbenhaufen. Erneut.

Weil ich neben dem Studium Essen ausliefere, konnte ich mich mit Trinkgeld durch den Mai retten und habe mein Vorhaben, nicht mehr zu spielen, auf Juni verschoben. Der restliche Mai verlief demnach vorfallsfrei, hatte ich doch sowieso kein Geld, das es wert war, verspielt zu werden. Wir schreiben also Anfang Juni: Ich bekomme routinemäßig mein Gehalt, bezahle die nötigen Rechnungen und sitze wieder mit einem kleinen Finanzüberschuss da. Diesmal zwar nicht der anvisierte vierstellige Betrag, aber ich konnte mir dieses Monat endlich eine neue Waschmaschine für die Wohnung kaufen - dachte ich zumindest. Long story short2: Ich hatte den grandiosen Einfall, mir etwas Geld dazu zu gewinnen, damit der Kauf der Waschmaschine nicht allzu schmerzlich ist. Also habe ich die überaus logische Entscheidung getroffen, erneut mein gesamtes Konto leerzuräumen, damit ich weder eine Waschmaschine noch einen kleinen Finanzpolster habe. Wieder nichts Neues.

An sich ist diese Geschichte ja nichts Spannendes, wie ich finde. Ich spiele nun seit ungefähr vier Jahren, zwei davon verbringe ich damit, mich von Monat zu Monat zu retten. Ich lebe fast gar nicht mehr, da sowohl finanziell als auch psychisch nach meinen Spielexzessen ohnehin kein wirkliches Leben - im Sinne von: Essen gehen, ... - möglich ist. Mir ist es schon häufiger passiert, dass ich jegliches Gespür verloren habe und im Minutentakt Geld verbrenne. Ich stoße mich in letzter Zeit aber immer häufiger an mir selbst: Ich erkenne mich nicht wieder. Teilweise bin ich dermaßen mit den Gefühlen (Enttäuschung; Hass; Freude, dass es endlich vorbei ist [weil Konto leer]; Scham;...) überfordert, dass ich schlichtweg nicht weiter weiß - also spiele ich.

Eventuell zur Klarstellung: Ich vertrete die Ansicht, dass es für jede*n einen Grund gibt, weshalb man spielsüchtig ist/wird (no na ned). Ich kenne den Grund (oder die Gründe), weshalb ich damals angefangen habe. Ich habe immer wieder versucht, mich mit mir selbst auseinanderzusetzen, Vergangenes aufzuarbeiten und aus meinen Fehlern zu lernen. Aber mittlerweile habe ich das Gefühl, mein Gehirn wäre durch die ständige Dauerbelastung dermaßen überstrapaziert, dass es mir teilweise schwer fällt, meine Gedanken zu ordnen. Mittlerweile sind zu dem Ursprungsgrund noch Folgeerscheinungen hinzugekommen, von denen ich mich durch's Spielen ablenke. Hauptsache, ich muss mich nicht mit mir selbst beschäftigen und mein Leben auf die Reihe bekommen. Es ist immerhin einfacher, die bereits zig Male erlebten Gefühle wiederzuerleben, die hochkommen, wenn das Konto leergeräumt wurde.

Ich bin mit mir selbst derart im Ungleichgewicht, dass ich es alleine nicht mehr schaffe. Hinzu kommt, dass ich schon immer etwas pessimistisch bin und ohnehin keinen großen Wert auf mein eigenes Leben lege (ja, hier könnte ich vielleicht auch ansetzen), andere waren mir immer schon wichtiger. Auch wenn ich weiß, welche Schrauben gedreht, welche vielleicht herausgerissen werden müssen (oder vielleicht gerade deswegen), werde ich eine Therapie machen. Nicht unbedingt glücksspielspezifisch - mir sind die Vorgangsweisen, die empfohlen werden, mehr als bewusst, es mangelt schlichtweg an der Umsetzung meinerseits - vielmehr aber eine generelle Psychotherapie, damit ich endlich diesen unnötigen Ballast, den ich die letzten Jahre und besonders Monate aufgesammelt habe, abwerfen kann. Ich bin es mittlerweile leid, tagaus, tagein vor mich hinzuvegetieren, nur um schlichtweg ohnehin den selben Kreis nochmal zu gehen.

Da ich die nächsten Wochen ohnehin nicht mehr spielen werden kann, da ich meine finanziellen Ressourcen dafür bereits ausgeschöpft habe, möchte ich versuchen, diese "Klarphase" etwas produktiver zu nutzen. Mal schauen, was dabei rauskommt. Ich lass' es euch wissen!
---

Sorry, ich lege normalerweise etwas mehr wert darauf, dass der Text halbwegs leserlich und stringent ist, aber zu mehr war ich scheinbar nicht in der Lage. Übrigens: den groß angeteaserten "Anfang" möchte ich ein anderes Mal thematisieren. Ich hoffe, die Ironie holt mich nicht wieder ein und ich mach's dieses Mal wirklich.

Ich wünsch' euch ein angenehmes Wochenende :)

Re: Hi!
« Antwort #5 am: 09 Juni 2021, 17:52:59 »
Hi!

Ich dachte, ich melde mich Mal ohne großes Rumgeschreibe, wie das bei den vorigen Beiträgen immer der Fall war. Just for the record: Ich bin jetzt seit letztem Samstag spielfrei, also jetzt sozusagen am fünften Tag. Meine "Spielfreiheit" liegt zwar darin begründet, dass ich derzeit schlichtweg keine finanziellen Mittel dafür habe. Dennoch ein minimaler Erfolg, gibt es doch bestimmt unzählige Wege, wie man irgendwie an Geld kommen kann. Aber darum soll's heute nicht gehen.

Vielmehr möchte ich eine Erfahrung verschriftlichen, die mir besonders in den letzten Wochen häufiger aufgefallen ist. Ich nehme mir schon seit über zwei Jahren vor, wirklich an mir zu arbeiten, etwas zu verändern. Hat anfangs teilweise auch relativ erfolgreich geklappt, bis dann schlussendlich der eine Rückfall dem nächsten folgte. Immerhin war es ja einfacher, dem Druck nachzugeben, als sich mit sich selbst zu beschäftigen - sonst hätte ich ja nie angefangen.
In den letzten Wochen bemerke ich immer häufiger einen Widerstand in mir selbst. Sobald ich mir vornehme, gezielt Themen anzugehen, über die ich bpsw. reflektieren möchte oder die ich schlichtweg aufarbeiten möchte, beginne ich, mich in jedweder Form ablenken zu wollen. Sei es sinnbefreites Serien schauen, ein Mittagsschläfchen oder emotionsloses Scrollen durch jegliche soziale Medien. Ich verstehe, dass das vermutlich jahrelang antrainierte Automatismen sind und auch was neurophysiologisch dahinter liegt (Stichwort Dopamin). Selbes kommt vor, wenn ich zB. Deadlines für die Uni habe. Klar, ich weiß natürlich, dass Prokrastinieren jetzt nichts Neues ist. Aber ich bin der Meinung, dass das schon ein neues Level erreicht hat. Ich prokrastiniere eigentlich schon mein Leben lang, aber nicht in dem Ausmaß.

Worauf ich hinaus will: Kann das jemand nachvollziehen? Dass man zuhauf Widerstände hat, wenn man sich aktiv mit sich selbst beschäftigen möchte? Wenn ja, wie seid ihr vorgegangen/geht ihr vor? Gibt's irgendwelche konkreten Tipps oder heißt es auch hier "Übung macht den Meister"?

Ich versuche mich seit wenigen Tagen übrigens in Meditation. Das hilft mir zwar unmittelbar danach für eine kurze Zeit, am Ende des Tages bin ich aber wieder mit denselben Widerständen konfrontiert, dass ich einfach nicht an mir arbeiten möchte und stattdessen die Zeit anderweitig verschwende.

Ich wünsche noch einen angenehmen Abend :)

Re: Hi!
« Antwort #6 am: 09 Juni 2021, 20:04:17 »
Hallöchen

Oja das mit dem unsinnigen Sachen machen, um ja nicht die wichtigen Anzugehen,  kenne ich gut. Ich muss mich dann auch zwingen, das zu machen, was früher meine Hobbys waren. Zeichnen, lesen, backen etc .
Haushalt und Arbeit ist kein Problem, aber meine Freizeit wieder neu zu gestalten, wo doch so oft das zocken diese ausfüllte, ist schwer.
Wenn ich mich dann aber aufgerafft habe, macht es mir Spaß.
Mein Mann motiviert mich dann auch, sagt komm mal doch mal wieder oder lass und eine Radtour machen oder einen Family Spieleabend.
Wo ich noch ganz intensiv gespielt habe, war dann mein Gedanke: ah komm lass mich.... jetzt beginne ich umzudenken und merke, wieviel Zeit (neben dem Geld) mich die Zockerei kostete.
Am Montag brauche ich für eine Kollegin als Geschenk eine kleine Hochzeitstorte. Das war ein guter Grund in einem Online Shop zu kucken, was ich so neues dazu benötige. Und im Kopf habe ich die Torte geplant. Am Samstag kommt der ganze Stuff per Post, und ich freue mich schon aufs Backen. :)
Gibt es bei dir nicht irgendwelche Sachen die du früher gerne gemacht hast ausser Serien kucken und schlafen??

Viele Grüße
Devilslady

Re: Hi!
« Antwort #7 am: 14 Juni 2021, 22:55:46 »
Hey Devilslady,

danke für deine liebe Antwort. Ich hoffe, das Backen ist gut gelungen :)

Freizeitgestaltung per se ist bei mir nicht das Grundproblem, würde ich meinen. Wenn ich dann mal im Tun bin (bspw. eben Arbeit, Sport, Freunde treffen, etc.), gehts mir meistens wunderbar und ich bin auch keineswegs niedergeschlagen oder in Gedanken beim Spielen. Ich merke nur öfters, wie es mir immer schwerer fällt, mich aufzuraffen und in die Gänge zu kommen. Ich will natürlich nicht übertreiben, aber ich denke, ich zeige hin und wieder Ansätze einer depressiven Verstimmung - bedingt eben durch die lästige Spielerei. Weil ich dann lieber zu Hause hocke und quasi nichts tue, kommt dadurch wieder Enttäuschung über mich selbst, generelle Selbstkritik und einfach Unwohlsein hervor. Dann verfalle ich natürlich schnell in angelernte Automatismen und reagiere auf schlechte Gefühle mit Glücksspiel und schon läuft das Hamsterrad wieder wie neu.

Ich denke, ich muss einfach Wege finden, wie ich nicht nur aus diesem Teufelskreis ausbrechen, sondern auch nie wieder dahin zurückkehren kann. Damit meine ich nicht nur neue Hobbys, sondern viel mehr einen gänzlich neuen "Lifestyle" (ich bin kein riesiger Fan dieses Wortes, aber mir fällt gerade kein besserer Begriff ein). Ich habe jetzt schon genügend Ressourcen verschwendet, wäre doch mal an der Zeit, wirklich zu leben.

Ich wünsche euch allen einen entspannten Start in die Woche :)

Re: Hi!
« Antwort #8 am: 15 Juli 2021, 12:45:58 »
Hallöchen,

ich dachte, ich melde mich wieder. Leider, auch wenig überraschend, mit schlechten Nachrichten. Ich bin wieder nass - obwohl wieder eigentlich übertrieben ist, war ich doch nicht wirklich trocken. Ich habe wieder gekonnt bis zum Anschlag gespielt und finde mich genau dort wieder, wo ich die letzten Jahre schon unzählige Male war. Ähnliche Situation, selbe Gefühle: Selbsthass, Enttäuschung, Scham und vor allem Angst davor, wie ich meinen Eltern von meiner Situation kundtun soll.
Letzteres möchte ich ein wenig näher beleuchten. Ich bin 22 Jahre alt, wohne seit mittlerweile knapp drei Jahren alleine und finanziere mir mein Leben und meine Spielsucht vollkommen eigenständig. Nichtsdestotrotz verspüre ich nach erfolgreichem Leeren meines Kontos immer wieder dasselbe: Aufs Neue die Eltern enttäuscht, aufs Neue stundenlanges Kopfzerbrechen, was man dem mit dem Sohnemann machen solle, verursacht. Ich kann damit allerdings nicht umgehen. Im Prinzip könnte ich mit meiner Spielsucht und allem was sie mit sich bringt leben (nicht als totale Resignation missdeuten!), aber es stört mich immens, dass ich dadurch nicht nur mich selbst belaste. Ich habe meinen Eltern mehr Schuldgefühle gegenüber als mir selbst. Ich weiß auch nicht so ganz, wo das herkommt. Ich hatte, als ich noch zu Hause gewohnt habe, nie Leistungsdruck und hatte immer vollkommene Freiheit (in vielerlei Hinsicht) - dem liegt vermutlich zu Grunde, dass ich immer ein "Mustersohn" war: nie riesige, aufmümpferische Streitereien, keine Probleme in der Schule oder anderswo, immer am Haushalt beteiligt. Einzig verbrachte ich viel Zeit vor'm PC (mittlerweile spiele ich nicht mehr Videospiele, sondern Glücksspiel - aber das ist wohl ein Thema für einen anderen Beitrag) - auch das war allerdings kein Problem, weil die schulischen Leistungen stimmten. Jetzt, wo ich ausgezogen bin und dem Alter nach auf eigenen Beinen stehen sollte (was ich prinzipiell ja auch tue, das Fundament ist nur massiv angeschlagen), zittert man quasi tagein tagaus, ob der Sohn nicht wieder Geld verprasst hat oder ob er genau darüber wieder wie gedruckt lügt. Und ich muss ehrlicherweise sagen: Ich versteh's. Ich kann mir vorstellen, wie es sich anfühlen muss, wenn man mitansieht, wie hart am Verfall des eigenen Lebens gearbeitet wird.

Ich habe in letzter Zeit immer häufiger das Gefühl, ich wäre in der Vergangenheit steckengeblieben. Also nicht die filmliche Vorstellung, ich würde irgendwann im Mittelalter leben ;D, vielmehr, dass ich noch im Jahr 2017/2018 hinterherhinke. Klar, ich habe damals schon gespielt - auch alles andere als im Normalbereich -, aber ich hatte ein Leben abseits des Spielens. Heute, eigentlich schon die letzten zwei Jahre, mühe ich mich immer von Monat zu Monat, fest entschlossen, jetzt mein Leben bei den Hörnern zu packen, alles umzukrempeln und Vergangenes Vergangenes sein lassen, nur um dann letztendlich wieder vor denselben Scherben zu stehen. Ich habe mir in den letzten Jahren meisterhaft antrainiert, Problemchen, die nicht umgehend und einfach gelöst werden können, durch Spielen wegzuschieben, zu verdrängen. Als dann kein Suchtmittel mehr zur Verfügung stand, weil bereits der Tank virtuos geleert wurde, wurden die Problemchen erwachsen und somit zu Problemen. Um ebendiese zu lösen, bedarf es natürlich gewisser Motivation, die mir allerdings in den letzten Monaten besonders häufig fehlt (natürlich hauptsächlich bedingt durch die lästige Spielerei - so schließt sich der Kreis, nehme ich an). Seien es Arbeiten für mein Studium, Aufarbeitung von Vergangenem oder andere Tätigkeiten, die mein Leben wieder auf die gerade Bahn lenken würden - all das bin ich mir selbst nicht mehr wert. Ich lasse alles Wichtige außen vor und mache tagein tagaus nichts, im Unterbewusstsein nur darauf warten, bis das nächste Geld eingeht. Und so schließt sich der Kreis wahrhaftig.

Was braucht es jetzt also? Eher: was brauche ich - was muss ich tun, um endlich einen Schlussstrich zu setzen (auch, wenn ich der Meinung bin, dass soetwas nur metaphorisch getan werden kann; einmal süchtig, immer süchtig)? Ich möchte mich nicht nie endend in Selbstmitleid suhlen und bin es auch leid, derart abhängig - wortwörtlich - von etwas zu sein. Das, wie ich finde, ist nicht das Leben, das ich leben möchte. Gleichzeitig aber fällt es mir schwer, von ganzem Herzen eine Abstinenzentscheidung zu treffen. Zu oft habe ich mir schon vorgenommen, nie mehr zu spielen; immer wieder bin ich aber am selben Punkt angelangt. Was tun also, um eine letzte Abstinenzentscheidung treffen zu können? Eine, die nicht nur Schein ist, um die eigene Enttäuschung, den Selbsthass und das Schamgefühl zu verdecken. Eine, mit der ich endlich wieder leben kann und nicht von Monat zu Monat vegetiere.

Ich hoffe, das klang nicht allzu bedrückt, aber ich möchte mir selbst auch nichts mehr vormachen, indem ich mir die beinahe heile Welt vorspiele, nur damit diese nächtes Monat auf ein Neues zusammenbricht.

Ich wünsch' euch einen entspannten Tag und hoffe, ihr werdet in nächster Zeit häufiger von mir lesen

Re: Hi!
« Antwort #9 am: 15 Juli 2021, 14:01:25 »
Hallo MSStrolz,

diese beschissenen Gedanken sind das eine, ihnen nachzugeben das andere. Das habe ich selbst oft genug erleben müssen und mir ging es danach gewiss nicht besser. Ich bin zwar einige Jahre älter, aber ich stehe auch noch am Anfang einer hoffentlich langen Abstinenz.
Um wirklich den Absprung zu schaffen, darf natürlich nicht nur das fehlende Geld eine Rolle spielen. Das sind dann erzwungene Spielpausen bis zum nächsten Geldeingang.

Zunächst einmal brauchst du den Willen, wirklich aufhören zu wollen. Dann überall sperren und offen über das Thema mit deinen Eltern reden. Geldeinteilung könnte dann auch über deine Eltern erfolgen. Professionelle Hilfe suchen und auch in Anspruch nehmen.  Das fällt mir auf die schnelle zu deiner Thematik ein. Weiterführendes wird dir sicherlich mitgeteilt.
Gehe es an und versuche keine Selbstmedikation, denn diese hilft nur bis zum nächsten Zahltag. Aber das weißt du ja schon ;)

Wolfgang
"Nur wer weiß, woher er kommt, weiß, wohin er geht"
(Theodor Heuss)

Re: Hi!
« Antwort #10 am: 31 Juli 2021, 23:16:31 »
Hello,

zunächst einmal vielen Dank für deine Antwort, Wolfgang. Ich persönlich lese Deine Geschichte ja auch gern still und heimlich mit und finde es wahnsinnig toll, wie Du das bis dato durchziehst - und sicherlich auch weiter durchziehen wirst! Ich sehe das ähnlich, die alleinige Abwesenheit von Geld reicht nicht, um davon wegzukommen. No na, wäre dem so, gäbe es vermutlich gar keine Suchterkrankungen per se.

Ich frage mich in letzter Zeit immer häufiger, wie ich mich eigentlich selbst definiere, wer ich bin und einmal sein möchte. Ich hadere mit dieser Frage schon länger, weil ich sie nicht beantworten kann - oder der Wahrheit schlicht nicht in die Augen schauen möchte. Ich spiele nun ungefähr seit ich volljährig bin (also gut vier Jahre) und habe deswegen sicherlich einiges verabsäumt. Klar, ich könnte jetzt ein paar Eigenschaften aufzählen, die ich mir zuschreiben würde, aber bin ich das wirklich? Macht es mich aus, höflich, empathisch oder tierlieb zu sein? Jein. Aber wer würde das nicht von sich behaupten?
Meine Spielsucht übernimmt in den letzten Monaten immer mehr mein Leben - no na. Ich habe öfters das Gefühl, es gibt mich nur mehr als süchtiges Ich. Zu lange ist es her, dass ich Dinge unternommen habe, ohne im Hinterkopf zu haben, was ich nicht schon alles angestellt habe, wie viel Geld, Zeit und Möglichkeiten ich verloren habe; ohne dieses elende Gefühl, das mich wie einen Schatten überall hinverfolgt. Natürlich könnte man jetzt sagen, dass sich das alles ändern würde, würde ich nicht mehr spielen - und don't get me wrong, das würde (wird) zweifellos auch so sein - aber hier komme ich wieder an den anfangs in den Raum geworfenen Punkt: ich weiß nicht, wer ich wirklich bin und kenne mich beinahe nur noch als Glücksspielsüchtigen - und das zu ändern ist ein Haufen Arbeit, den ich es mir bis dato nicht wert war anzugehen.

Ich bin eigentlich kein Fan von selbstbemitleidenden Abhandlungen, aber ist es nicht genau das, wofür diese Tagebücher gemacht sind? Nunja, ich habe mir das Vorhaben in den Kopf gesetzt, den Monat August zu nutzen, um 31 Tage spielfrei zu sein und das ganze hier alle paar Tage festzuhalten. So weit der Plan, ich lasse mich von meiner Umsetzung überraschen.

Schönes Wochenende

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Offline Olli

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Re: Hi!
« Antwort #11 am: 01 August 2021, 07:13:51 »
Hi!

Zitat
ich weiß nicht, wer ich wirklich bin und kenne mich beinahe nur noch als Glücksspielsüchtigen - und das zu ändern ist ein Haufen Arbeit, den ich es mir bis dato nicht wert war anzugehen.

Belese Dich mal zum Thema Identität. Das ist ein komplexes Thema.
Und nein ... es ist nicht die Arbeit, die Dich abhält - es ist der Beginn der Arbeit. Es ist das Verlassen der Komfortzone.
Denn so bescheiden auch die Glücksspielsucht mit allem drum und dran ist, es ist das, was Du kennst.

Schöner Beitrag von Dir ... :)

Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
Hier geht es zum Samstagsmeeting_ https://us02web.zoom.us/j/87305340826?pwd=UnFyMlB6bkwyTHU3NGVISWFGNSs2

Re: Hi!
« Antwort #12 am: 01 August 2021, 22:20:12 »
Hello,

lieber Olli, vielen Dank für Deine kleine Wortmeldung. Du schreibst mir damit quasi ein wenig aus der Seele. Ich hadere immer schon damit, Dinge endlich anzugehen, die nicht unmittelbar in meiner Komfortzone liegen - seien es noch so kleine Dinge wie beispielsweise simples Einkaufengehen, wenn mal die Lust fehlt, oder eben das aktive Arbeiten an mir selbst. Als ich noch bei meinen Eltern gewohnt habe, gab es immer jemanden, der mir quasi in den Arsch getreten hat, nach dem Motto, ich solle endlich dies und jenes erledigen. Nicht, dass ich einfach keine Lust gehabt hätte, ich habe alles einfach immer aufgeschoben. Das ist in den letzten Monaten immer häufiger der Fall: ich prokrastiniere vor mich her und schiebe alles vor mich hin, selbst die noch so kleine Aufgabe wird erst am nächsten Tag erledigt... oder am übernächsten, vielleicht auch erst die nächste Woche. Sind es dann verpasste Deadlines oder nicht eingehaltene Abmachungen, die folglich am Gewissen nagen, so hat bis dato immer das Glücksspiel als Ablenkung hergehalten - einfach eine zeitlang an nichts denken müssen, nur um dann vor noch größerem Elend zu stehen; aber das muss ich hier nicht näher erläutern. Seit ich alleine wohne fehlt es mir an jemandem, der mir in den Arsch tritt, um das Leben endlich bei den Hörnern zu packen, und ich plätschere so vor mich hin, nur darauf wartend, dass sich alles wie gottgewollt von selbst richtet und ich quasi in der heilen Welt aufwache. Ich muss wohl oder übel etwas finden, dass mir den nötigen Arschtritt verpasst - oder noch besser: dass solcher überhaupt erst gar nicht notwendig ist.

Anstonsten ist heute nichts wirklich Spannendes passiert. Tag 1 meines Miniprojektes also quasi reibungslos hinter mich gebracht, auf den nächsten.

Schönen Wochenstart :)

Re: Hi!
« Antwort #13 am: 02 August 2021, 21:30:55 »
Hello,

Tag 2 wäre dann wohl auch vorbei. Ich habe heute wieder des Öfteren mit Was-wäre-wenn-Gedanken gehadert. Nicht im Sinne von: Was wäre gewesen, hätte ich nie angefangen? Vielmehr: Was wäre, wenn ich die gewonnenen xyz€ nicht wieder verspielt hätte? Was wäre, wenn ich nach dem "Gewinn" aufgehört hätte? Ich weiß natürlich, dass das alles reiner Humbug ist und jeder scheinbar noch so große Gewinn letztendlich wieder verspielt wird. Nichtsdestotrotz kommen in letzter Zeit immer öfter solche Gedanken hoch und ich weiß noch nicht wirklich, wie ich damit umgehen soll. Rational ist mir natürlich bewusst, dass das ohnehin nur Bullshit - man verzeihe mir bitte die Ausdrucksweise - ist, emotional nage ich dennoch daran und denke dabei wohl unterbewusst darüber nach, wie ich es das nächste Mal besser machen können würde. Die Frage, die ich mir dabei stelle, ist, ob es vernünftiger ist, solche Gedanken gleich im Keim zu ersticken (wenngleich ich der Meinung bin, dass diese dadurch nur noch häufiger zutage treten würden) oder diese in irgendeiner Form aufzuklären. Mal sehen, ob ich eine Antwort für mich finde, die auch langfristig standhält.

Auf den nächsten Tag!

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Offline Olli

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Re: Hi!
« Antwort #14 am: 02 August 2021, 22:20:12 »
Hallo mein Lieber!

Solche Gedanken sind die Überzeugungsarbeit des süchtigen Teils in Dir wieder zu spielen.
Dabei sind es sicherlich nicht die Gedanken alleine, die Du da verspürst, sondern auch positive Gefühle.
Das macht das Ganze noch gefährlicher. Mit der Zeit werden dann die negativen Gefühle und die Auswirkungen verdrängt.

Daher, und das macht Dein rationaler Teil ja schon, verdränge diese Gedanken nicht, sondern stelle ihnen Deine Werte und Ziele gegenüber. Was hast Du jetzt schon erreicht und möchtest Du das wieder verlieren?
Dann wirst Du schnell diese Gedanken à la "Och nur ein einziges Mal!" belächeln - ihnen so noch mehr Kraft rauben.
Eines ist doch klar: Wir sind weitaus mehr als unsere Sucht! Also nutzte dieses Mehr um weiterhin spielfrei zu bleiben!

Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
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