Hi Wolfgang!
Ich werde morgen an Dich denken und wünsche Dir alles Gute für die OP und die anschließende Genesung!
Aber die Frage, ob ich in den Tiefen meines Ichs gar nicht spielfrei sein möchte, beschreibt wohl die Problematik sehr zutreffend. Das muss ich mir leider eingestehen und das macht Angst.
Kurios, nicht wahr? Müsste es nicht eigentlich anders sein, nämlich Angst vor der Abstinenz?
Das jahrzehntelange Gezocke ist ja eigentlich das, was Du kennst. Die Abstinenz ist das Novum - das Unbekannte.
Ja natürlich gab Dir das Spielen etwas. Es füllte Zeit und es gab Dir Emotionen. Jetzt aber existiert Zeit und die Emotionen kommen alle zu Dir - nicht wie im Spiel nur die Ausgesuchten und die Extremen.
Wie gehst Du denn mit der geplanten OP um? Bist Du nervös? Hast Du Angst vor dem, was da kommt? Könnte Deine Unsicherheit Anlass zu den Spielgedanken gewesen sein?
Die Frage, ob Du tief in Dir drin spielen willst, hast Du mit einem Nebensatz beantwortet:
also werde ich eine weitere Sicherheit einbauen
Wieso solltest Du dies gegen den Wiederstand Deiner Scham tun wollen, wenn in Dir nicht der viel tiefer sitzende Wunsch nach Abstinenz wäre? Du bist süchtig, Wolfgang. Das Spielen hast Du Dir über Jahrzehnte antrainiert. Bis die Suchtgedanken verblassen, braucht es Zeit.
Jetzt stelle Dir mal vor, dass Du Deine Schutzmaßnahmen hättest umgehen können. Du wärest in eine Spielsession geraten, die ein paar Tage oder auch Wochen angehalten hätte. Dein Wunsch nach Abstinenz wäre dadurch aber nicht verschwunden. Er kommt wieder. Ein tröstlicher Gedanke, doch er lässt sich im Hier und Jetzt noch steigern. Deine Schutzmaßnahmen haben Dich vor Selbstvorwürfen bis hin zur Selbstzerfleischung bewahrt. Sei froh, dass sie gegriffen haben.
Es waren nur Spielgedanken und daraus resultierender Suchtdruck. Sie sind gekommen und sie sind auch wieder gegangen ohne Schaden anzurichten.
Gleichzeitig haben sie Dich aber auch gewarnt vor ihrer Gefährlichkeit. Sie haben Dir einen ordentlichen Schrecken eingejagt.
Hey ... was heisst denn hier in Deinem Alter? Waren wir nicht ungefähr gleich alt? Also ich bin nicht alt ... ich bin nur gereift ...
(Wehe, wenn jetzt einer an Stinkekäse denkt ...

)
Ich weiss, dass Du das Folgende schon kennst zur Scham ... ich schreibe es aber noch mal auf.
Schutzmechanismen sind ein wichtiger Faktor bei der Genesung. Sie sind auch immer nur temporär. Irgendwann nehmen wir unser Leben auch wieder komplett in die eigene Hand.
Die Schutzmechanismen aber einzurichten, zeugt von Selbstverantwortung. Die dabei verspürte Scham muss dabei überwunden werden.
Die Scham zielt aber auf das Bedürfnis der Einrichtung und nicht der Einrichtung selbst. Die Scham zielt auf die vergangenen Verstöße gegen die eigenen Werte und Normen, wohingegen die Schutzmechanismen diese ja stützen sollen.
Darauf bin ich auch stolz.
Das kannst Du auch ruhig sein. Kaum einer hätte sich hier getraut sich so tief in die Seele blicken zu lassen. Ich finde das einfach grandios! Aber so funktioniert das nun mal in der Selbsthilfe und auf dem Genesungsweg!
Nochmals alles Gute für morgen!