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Wolfgang mein Tagebuch

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Wolfgang:
Hallo Olli,

mein Weg begann wahrscheinlich während eines Urlaubes mit den Eltern an der See. Im Keller des Hotels gab es einen Spielautomaten und den nutzte ich heimlich mit etwas Kleingeld. Damals war ich etwa 12 Jahre alt. Danach war jahrelang Ruhe, bis ich dann anfing in meiner Freizeit Skat zu spielen. Natürlich spielten wir um Geld und aus Skat wurde 17+4 und später Poker. Das alles noch in der ehemaligen DDR.

Nach der Wende ging es dann mit Sportwetten (INTERTOPS) los. Ich bekam jede Woche einen Tippschein zugeschickt und machte meine Wetten per Telefon.
Dort verlor ich aber einiges an Geld und sperrte mich daraufhin. Schon kurz nach der Sperre suchte ich nach neuen Möglichkeiten und fand sie auch. Ich spielte dann "ODDSET" und fuhr deswegen extra nach Bayern. Das machte ich paar Monate, aber Aufwand und nutzen standen in keinem Verhältnis.

Jetzt musste wieder etwas anderes her. Nun begann ich im "richtigen" Casino zu spielen. Ich fuhr in die Tschechei, nach Dresden usw. Da ich aber nicht allein lebte, waren diese Reisen immer schwer zu vermitteln.
Also nahm ich die mittlerweile imposanten OC in Anspruch. Dort hatte ich dann alles was ich brauchte und musste die Wohnung nicht verlassen.
Ich machte Sportwetten, spielte Roulette und Blackjack bis zum Abwinken. Sperrte mich bei dem einen und meldete mich bei einem anderen wieder an.
Abgewunken hat dann auch meine Frau und gab bekannt, sich endgültig von mir trennen zu wollen. Halbherzig versuchte ich sie umzustimmen und versprach ihr auch so einiges. Doch es war zu spät, sie hatte in den letzten Jahren genug erlebt.
Wir waren 31 Jahre zusammen und ich brachte es fertig, der Sucht den Vorrang zu geben. Ich sah sogar noch etwas "positives" in der Trennung, denn jetzt war ich keinem mehr Rechenschaft schuldig.
Und dann fielen auch alle Hemmungen hinsichtlich des finanziellen Rahmens.

Ich verspielte in den ganzen Jahren eine Erbschaft, meinen Lohn und mehrere Kredite. Ich hatte nichts mehr im Griff und einen Totalschaden von ca. 300.000 Euro verursacht.
In 30 Monaten werde ich 60 Jahre alt und diesen Geburtstag will ich einer 30-monatigen Abstinenz widmen.
Die Rückzahlung des letzten Kredites (20.000 Euro) wird mich bis 2025 an meine Dämlichkeit erinnern, aber ich befreie mich gleichzeitig von einer viel größeren Last.

Das ist der erste volle Tag auf meinem Weg zu einem anderen, wirklichen Leben



 

Olli:
Hi Wolfgang!

Du bist doch nicht "dämlich", weil Du einer Sucht erlegen bist. Die Suchtausübung spricht nun mal das körpereigene Belohnungssystem an. Und wenn da keine "normalen" Alternativen erlernt wurden, dann macht das Gehirn das, was es immer macht: es versucht Abkürzungen zu nehmen. So entstehen nun mal Automatismen, die auch mal in einer Sucht enden.

Mein Vater hat früher am Automaten gespielt. Nicht viel und kontrolliert, doch ich erinnere mich noch als wäre es erst gestern gewesen. Meine Eltern hatten gebaut und wir waren gerade umgezogen. Die Zimmertüren ließen noch ein wenig auf sich warten.
Ich liege im Bett und mein Vater kommt nach Hause mit klimperndem Kleingeld in den Hosentaschen ... "Ich hatte eine Serie ..." hörte ich ihn zu meiner Mutter stolz sagen. Das ist also fast 49 Jahre her. Auch später durch meine Kindheit hindurch erinnere ich mich an ähnliche Situationen.
Mein Glückspiel begann aber nicht pünktlich mit 18 Jahren. Ich fing bereits mit 12 oder 13 Jahren an an Telespielen zu spielen.
Der Erste stand in einem Plattenladen. Der Nächste in einer Frittenbude und im Freibad stand auch ein solcher Automat.
Unmengen an Stunden verbrachte ich davor. An einem Gerät habe ich glatte 5 Stunden für 50 Pfennig gespielt und habe dann noch jemand anderes weiter spielen lassen.
Ja, mit 18 Jahren dann spielte ich um Geld und wenn ich mich richtig erinnere, dann war das in dieser Frittenbude.
Mein gesamter Freundeskreis testete sich aus und so kam es, dass wir in einem Bistro gemeinsam am Automaten spielten.
Es war nicht viel, doch so begann die Gewöhnungsphase. Später freundete ich mich mit einem Tankwart an - ich holte ihn von der Arbeit ab und durch ihn machte ich Bekanntschaft mit Spielhallen. Ab diesem Zeitpunkt lief ich aus dem Ruder.
Ich bin froh, dass ich 20 Jahre später ausstieg, als gerade die OCs und Pokerseiten anfingen zu boomen.
Auch bin ich froh, dass es die alten mechanischen Automaten nicht mehr gibt. Die neuen Geräte sprechen mich nicht an.
Manchmal bekommt mich auch heute noch so eine Art Nostalgie und ich frage mich, wie es wohl heute in meinen alten Stammhallen aussieht. Da gab es so einige in umliegenden Städten, denn auch mir war kein Weg zu weit ... :)
Doch im nächsten Moment kommt mir die Irrationalität dieses Gedankens wieder in den Sinn und belächele ihn.
Der Gedanke gehört ja zu meinem Teil, der süchtig ist. Ich darf ihn haben, weiss aber auch ihn zu handhaben.

Eigentlich wollte ich noch ein paar Anekdoten schreiben, doch ich muss nun kochen gehen ...

Balduin:
Hey,
Ich bin in deinem Alter und habe den Weg zur Abstinenz vor zweieinhalb Jahren begonnen
Bin immer noch täglich hier. Habe meine kompletten Schulden abgezahlt und profitiere jetzt von den Früchten meiner Abstinenz.
Meine wichtigsten Erkenntnisse
Ich kann es schaffen
Ich bin nicht hilflos der sucht ausgeliefert.

Ich muss alles kappen, was die Sucht am Kochen hält

Wenn das nicht reicht, muss ich weitere Maßnahmen ergreifen.
Die Sucht ist hartnäckig und wird mich immer wieder in Versuchung bringen. Darauf muss ich vorbereitet sein
Ich kann nie wieder kontrolliert spielen und möchte es auch nicht.
Aber: es wird einfacher, der Druck lässt nach

Der Weg lohnt sich.

Dranbleiben! Viel Erfolg!

Wolfgang:
Hallo, ich berichte einmal kurz über den ersten Tag.

Habe schlecht geschlafen, aber der Tag war insgesamt ganz in Ordnung.
Momentan habe ich Urlaub und ich machte u.a. einen ausgedehnten Spaziergang. Da ging einiges an Gedanken durch meinen Kopf. Heute war Eishockey und am Abend gibt es Fußball. Eigentlich würde ich mich jetzt mit Quoten und ähnlichem beschäftigen, aber allein der Gedanke daran erzeugt ein schlechtes Gefühl.
Bisher war es immer so, das ich das Spiel als Höhepunkt des Tages betrachtete. Ich empfand das eigentliche Leben als langweilig und freute mich auf den Nervenkitzel den mir das Spiel bot.
Jetzt muss ich mir andere Dinge suchen und das ist eine echte Aufgabe.

Aber mein Wille hat mich schon einmal über schwere Klippen gehievt.
Nach einer Trunkenheitsfahrt (normale Verkehrskontrolle) wurde mir der Führerschein entzogen. Kurz danach erwischte man mich wieder unter Alkoholeinfluss. Es folgte eine Gerichtsverhandlung und ich wurde zu 3 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Fahrerlaubnis wurde eingezogen und MPU angeordnet. Damals stand ich auch am Scheideweg und entschied mich für die schwere Variante. Es folgte die Aufnahme in eine Selbsthilfegruppe und im weiteren Verlauf 23 Blutentnahmen. Kurz vor Ablauf der 2 Jahre machte ich die MPU und bestand sie auch.
Jetzt bin ich seit 21 Jahren trocken und hatte auch keinen Rückfall.

Diese Erfahrung hilft mir jetzt hoffentlich und gibt mir die nötige Stärke, um das nächste Ziel zu erreichen.

Allen eine gute Zeit!!!




 

Wolfgang:
Hallo, heute Vormittag habe ich mich mal so richtig geärgert.

Zuletzt war ich bei Betway angemeldet und verspielte dort so einiges. Trotz vorherigen Sperren bei anderen Anbietern mit dem Verweis auf Spielsucht, war die Anmeldung und zweimalige Verifizierung bei Betway kein Problem.
Selbstverständlich bin ich jetzt auch bei diesem Anbieter gesperrt. Umso unverständlicher folgende E-Mail von Betway am heutigen Tag:

"Lieber Wolfgang,
wir hoffen, du genießt das Spielen bei Betway...
wir hoffen sehr, das dir das Spielen bei uns weiterhin Freude macht."

Entschuldigung, aber haben die noch alle Latten am Zaun? Sieht so deren Umgang mit bekannter Spielsucht aus?

Das bringt mich nicht aus dem Gleichgewicht, aber das ist schon mehr als unverschämt.

Allen Mitstreitern einen schönen Tag

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