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Wolfgang mein Tagebuch

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Wolfgang:
32 Tage SPielfrei!

So, ich war gerade mal eine Runde spazieren. Allein mit mir und in völliger Ruhe. Ich gehe jetzt gern Nachts mal raus und lasse meinen Gedanken freien lauf. Ich dachte an meine etwas angeschlagene Gesundheit und daran, ob alle anderen glücklicher sind als ich. Dieses Gefühl hatte ich nämlich oft in den letzten Jahren. Ich dachte an Born, seine Wünsche und Hoffnungen. Überhaupt nehmen mich viele der geschilderten Erlebnisse in diesem Forum ziemlich mit. Und bei diesen Spaziergängen ist das gelesene wieder präsent. Ich profitiere von der Erfahrung einzelner, habe aber auch das scheitern anderer vor Augen. Mache ich alles richtig? Auf welchem Weg befinde ich mich? Mache ich mir etwas vor, weil die Möglichkeiten zu spielen immer schwieriger werden? Oder hat es jetzt wirklich klick gemacht? Was ist anders, als in den Spielfreien Zeiten zuvor? Ich weiß, das mich die Zockerei anwidert und ich sehe auch absolut keinen Grund, wieder damit anzufangen. Aber ist das nachhaltig? Freitagessen/Auskuriert/ war nach weniger als einem Monat schon in einer Selbsthilfegruppe. Er ist eines meiner großen Vorbilder hier. ich bin in psychologischer Behandlung, aber das ist eben nur für eine begrenzte Zeit. Mein Alkoholproblem hätte ich ohne Selbsthilfegruppe nicht in den Griff bekommen. Die alten "Freunde" waren dann keine mehr. Hier aber denke ich, das schaffst du ohne Gruppe. Da bin ich eben noch nicht offen genug, die Scham vor der Offenbarung bestimmt (noch) mein Handeln. Was denken die dann über mich, schließlich habe ich jahrelang im Bereich Sucht gearbeitet. Die sehen mich doch dann mit anderen Augen. Solche und ähnliche Gedanken habe ich dann. Ich wüsste was ich anderen empfehlen würde. Bei mir selbst tue ich mich schwer. So, jetzt aber ab in die Koje.

Wolfgang



Olli:
Hi Wolfgang!

Am WE habe ich gelernt, dass Scham eine Tugend ist. Sie übt grundsätzlich immer eine Schutzfunktion aus.
Ich finde es prima, wie Du hier Deinen Gedanken freien Lauf lässt und zumeist ja auch zu Schlüssen kommst, die Dich weiter bringen.
Gut ersichtlich ist gerade Dein innerer Kritiker. Wusstest Du, dass kein Mensch damit geboren wird? Er ist eine Folge der Sozialisation.
Ich verrate hier nicht zu viel, wenn ich Dir sage, dass in der Gruppe, in der ich saß, die Meisten von Schamsituationen aus ihrer Kindheit berichteten. Das heisst nicht, dass man eine "schlechte Kindheit" gehabt haben muss. Es waren einzelne Situationen, die aber ihre Spuren hinterlassen haben.
Ich wurde z.B. aufgezogen, wenn ich Gefühle zeigte. Was war das Resultat - ich schämte mich dieser Gefühle und versteckte sie hinter einer Maske. Dies führte dann allerdings tatsächlich zu einer Gefühlsblindheit. Die wiederum ließ mich spielen, um überhaupt irgend etwas, und das dann nur extrem, spüren zu können.
Welches Gefühl hast Du begleitend, wenn Du über die Scham in eine Spieler-SHG zu gehen nachdenkst?

Darf ich Dir verraten, was die Jungs und Mädels dort denken werden? OK, die Frage war rhetorisch ... :)
Prima, dass er nicht nur Wasser predigt und dann Wein säuft ...
Sucht macht vor keinem Menschen halt.
Super, dass er hier ist ...

So könnte ich noch eine Weile weiter schreiben.
Zum Schluss darf ich Dir noch Eines verraten: Manchmal ist es ratsam etwas einfach zu "machen", anstatt es sich selbst schlecht zu reden ... ;)
Der innere Kritiker lässt sich von der Sucht verführen. Es gibt aber da noch ein Wesen, welches Du in Dir trägst - es ist der Begleiter, der viele Adjektive im Vornamen hat: gut ... sorgsam ... mitfühlend ...
Er ist derjenige, den Du befragen solltest ...

Wolfgang:
Hallo Olli,

mit klarem Blick begann ich zu lesen, dann aber verschwammen die Buchstaben. Du hast es wirklich drauf, DANKE!!!


Wolfgang

Wolfgang:
Hallo Olli!

Die Antwort auf deine Frage:

Ich habe den Gedanken, das ich es mir im Gegensatz zu anderen leicht gemacht habe. Weg vom Alkohol, hin zum Spielen. Andere in meiner Gruppe waren da in jeder Hinsicht konsequenter. Ich dagegen habe eine Sucht durch die andere ersetzt. Und vor allem, keiner hat es gewusst. Jetzt will ich mich öffnen, aber hatte noch Bammel vor den Reaktionen gehabt. Aber genau dieser Schritt fehlte mir noch, um mich vollends zu befreien.
"Nichts tun ist spielen". Also werde ich auch die letzte Hürde in Angriff nehmen und das "tun" fortsetzen.

Olli:
Hi Wolfgang!

Nun noch mal für Dein Kopfkino: Was würden denn die konsequenten Freunde sagen, wenn sie mitbekämen, dass Du der SHG fern bliebest?
Wie würden sie mit Dir bei einem Alkoholrückfall umgehen? Wäre das für sie etwas Anderes?

Mal unter uns Pastorentöchtern ... ich glaube etwas über 20 % der Spieler sind polytox. Ungefähr gleich hoch ist der Prozentsatz der Personen, die eine Suchtverlagerung erleiden. Ich finde, das ist schon ein beachtlicher Anteil, der Dich jetzt auch nicht zur Ausnahme macht.

Zum Thema "Es kann jeden treffen" : Wusstest Du eigentlich, dass ich in meiner Gruppe damals eine Psychologin hatte, die spielsüchtig ist? Auch hier im Forum hatten wir kurz einen Therapeuten mit der gleichen Problematik.

Ich darf noch mal Peter Kagerer (Psychologe) zitieren aus einem Seminar, welches ich besucht habe: Das Rezept für Erfolg ist "tun"!
Von daher: Gutes Vorhaben Deinerseits ... :)

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