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Mein Tagebuch Vasrud

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Mein Tagebuch Vasrud
« am: 13 Juni 2021, 15:23:01 »
Hallo zusammen,

ich habe mich heute dazu entschlossen mich hier zu registrieren und auch ein Tagebuch zu pflegen. Zum einen ist der Austausch sicherlich wichtig zum anderen machen Spieler anderen Spielern nichts vor.

Kurz zu mir:

Geschlecht: männlich
Alter: 32
Job: IT-Sicherheitsexperte (macht es im Umgang mit OC auch nicht leichter)

Zu meiner Karriere. Angefangen hat es vor rund 14 Jahren als ich Sturztrunken mit dem Wirt meiner Stammkneipe in einem Casino aufgetaucht bin. Wie es bei Murphys Law immer ist - 10 Euro eingesetzt - 200,00 Euro gewonne. In der darauffolgenden Zeit habe ich immer wieder ein der Kneipe gespielt und Fortuna war mir immer hold. Damals hatte ich auch klar definierte eigene Grenzen an die mich halten konnte. Das ging natürlich im Laufe der Zeit nicht gut. Ich habe dann den ganz großen Turn hingelegt und bin wegen Alkoholabhängigkeit, pathologischem Spielen sowie multipler Substanzmissbrauch für längere Zeit auf Therapie gegangen. Die Therapie konnte mir persönlich viel bringen da nebst einem Kindhautstrauma einige Dinge bearbeitet werden konnten die mich befreit haben. Es war ein langer Weg und ich war insgesamt 36 Wochen in der Klinik. Insgesamt stand ich dann mit 24 Jahren da und war Suchtfrei.

Nach der Rückkehr war soweit alles okay und ich war Abstinent. In der Zwischenzeit fand ich einen guten Job lernte meine Frau kennen und habe zwei Kinder.

Letztes Jahr im August erkrankte ich an einer Gürtelrose im Ohr hatte durch anfänglicher Falschbehandlung eine Gehirnentzündung. Hier kam es zu einem Rückfall in einem Onlinecasino und wie zu erwarten war ich schnell wieder drinnen. Gerade der Bereich der Onlinecasinos hatte sich massiv verändert und es war kinderleicht schnell und unkompliziert zu spielen. Seitdem habe ich im Durchschnitt 500-600,00 Euro im Monat verzockt. Das war letztlich das Geld was mir nach Abzug der ganzen Fixkosten geblieben ist. Ich habe gottseidank immer so gespielt das ich mich persönlich zwar ins Abseits geschossen habe aber nicht die Familie in Gefahr gebracht habe. Meine Frau übernimmt die Lebenshaltungskosten während ich alle Fixkosten und Verträge der Familie bezahle. Diese habe ich immer bedient und auch einkalkuliert. Ich war zwar teilweise an einem vierten des Monats für mich selbst pleite aber gut man kann auch Mittags einfach eine Leberkassemmel essen für einen Euro und muss ja nicht immer gut essen...

Nachdem meine Frau von meiner Vergangenheit viel wusste habe ich natürlich grundsätzlich heimlich gespielt. Innerlich hat es mich wahnsinnig zerfressen zum einen die Scham vor mir selbst zum anderen zu wissen das ich meine Frau und die Kinder belüge und wahnsinnig verletze. So ist es nun am Freitag für mich so eskaliert das ich damit nicht mehr umgehen konnte und mich meiner Frau geöffnet habe. Der Schock und auch die Reaktion ihrerseits waren natürlich auch wie zu erwarten und ich habe sie auch nicht anders verdient. Letztlich habe ich sie und meine Kinder da mit reingezogen auch wenn ich gottlob keine Verschuldung der Familie verursacht habe.

Ich bin wahnsinnig froh das ich den inneren Druck losgeworden bin indem ich es erzählt habe. Es ist raus und ich verspüre nur noch eine starke Müdigkeit. Daneben habe ich als temporäre Absicherung  Gamban installiert. Da ich selbst in der IT recht erfolgreich arbeite ist das für mich rein das Achtungszeichen um zumindest eine kleine Hürde zu haben. Dazu habe ich sämtliche finanziellen Zugänge meiner Frau gegeben, Am Montag wende ich mich an die Stelle die mir bereits vor Jahren erfolgreich geholfen hat.

Ich muss und will da wieder raus. Ich hatte Jahre der Ruhe wo es mir gut ging. Es geht mir nicht um das Geld, dass ist Weg und Shit Happens. Mir geht es darum meinen Kindern ein gutes Vorbild zu sein und das Leben ohne die Flucht in ein Spiel zu bewerkstelligen. Für mich war die Abstinenz von über 5 Jahren ein Erfolg aber es zeigt auch wieder das man immer auf der Hut sein muss. Ich bin zuversichtlich es wieder zu schaffen da ich es schonmal geschafft habe.

Ich werde euch weiter berichten!
« Letzte Änderung: 10 Juli 2021, 22:19:52 von Ilona »
aliena vitia in oculis habeamus, a tergo nostra

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Offline Olli

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Re: Mein Tagebuch
« Antwort #1 am: 13 Juni 2021, 16:43:44 »
Hi und herzlich willkommen!

So, wie ich Dich lese, hast Du Dich an das einst Erlernte erinnert und die nötigen Schritte bereits eingeleitet, bzw. gehst sie als Plan an.
Wovon ich nichts lese, ist die Nachsorge nach der Therapie. Da passiert es recht häufig, dass dann auch nach 5-jähriger Abstinenz Rückfälle geschehen. Dies auch gerade dann, wenn jemand wie Du politox ist.

Ich freue mich, wenn Du uns an Deinem Werdegang weiter teilhaben lässt.
Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
Hier geht es zum Samstagsmeeting_ https://us02web.zoom.us/j/87305340826?pwd=UnFyMlB6bkwyTHU3NGVISWFGNSs2

Re: Mein Tagebuch
« Antwort #2 am: 13 Juni 2021, 19:57:48 »
Hallo Olli,

danke für deine Antwort. Sicherlich hilft mir meine Therapie von damals, 36 Wochen sind selbst für eine Langzeittherapie sehr lang, weiter und die Werkzeuge gerade in der Selbstreflexion. Letztlich ist mir auch bewusst das die Vollbremsung meiner Gesundheit letztes Jahr mir psychisch sehr stark zugesetzt hat und das Spielen letztlich die Flucht war in eine alte Normalität.

Zu der Nachsorge - ich war damals noch für ein halbes Jahr in einer SHG mit angeschlossener Therapie. Es wurde damals gemeinsam besprochen die Therapie damit zu beenden da ich selbst zugegeben sehr Müde von der Therapie war. Zur SHG wollte ich dann auch nicht mehr gehen da hier nur Wein gepredigt und Wasser getrunken wurde. Das heißt die Leute aus der Gruppe sind nach den Stunden zum Getränkemarkt haben sich einen reingestellt oder sind direkt in die Spielothek gewandert. Ich möchte hier den Personen auch keinen Vorwurf machen jeder ist für sich selbst verantwortlich aber für mich war das als radikaler Abstinenzler zu dem Zeitpunkt einfach nicht tragbar.

Die Sorge vor einem Rückfall hatte ich immer wieder. Ich bin selbst jedoch in den letzten Jahren nicht mehr sorgsam mit mir selber umgegangen. Mein Leben bestand aus Arbeit und Familie und um alles andere habe ich mich nicht gekümmert.

Für mich war der Schritt mit meiner Frau darüber zu sprechen das wichtigste um den Weg aus der Misere zu beginnen. Das abgeben der finanziellen Hoheit ist natürlich nur der erste Schritt. Das ich die Ursachen das Rückfalls genau analysieren muss ist mir klar - ebenfalls das ich gegenwärtig professionelle Hilfe brauche das sind jetzt auch meine nächsten Schritte.

Es ging schon Jahre ohne und hinfallen ist nicht schlimm solang man wieder aufsteht und nach vorne sieht.
aliena vitia in oculis habeamus, a tergo nostra

Re: Mein Tagebuch
« Antwort #3 am: 14 Juni 2021, 10:38:34 »
Manchmal ist das Vor-Augen führen wichtig. So auch heute.

Nach der für mich emotionalen Götterdämmerung am Wochenende steht für mich natürlich nun wieder der Alltag an. Und wie es vielen sicherlich bekannt ist kommen die kleinen Argumente in Kopf - jetzt würde es einen Cashback geben du kannst ja mal kurz nachschauen usw.

Gottseidank sind meine Argumente aktuell stark genug. Parallel leite ich alles in die Wege um meine professionelle Hilfe zu bekommen. Ich erhalte heute noch einen Anruf von meiner Beratungsstelle und dem Herrn der mir in der Vergangenheit stark geholfen hat. Parallel dazu habe ich mich gestern im Laufe des Tages ebenfalls meinen Eltern geöffnet die diese Marotten aus der Vergangenheit gut kennen. Nebst dem ein oder anderen blöden Spruch den ich auch erwartet und verdient habe ist aber die Rückmeldung positiv das ich endlich wieder reden kann.

In diesem Zuge werde ich ebenfalls noch wichtige Personen in meinem Umfeld einweihen. Letztlich muss ich wieder lernen mit der Krankheit umzugehen egal was andere darüber denken. Hauptsache ich finde meinen Weg aus der Krise denn nur wenn ich mich selbst im Griff habe und nicht die Sucht in mir gewinnen lasse kann ich wieder ein zufriedener und ausgeglichener Mensch & Vater sein.
aliena vitia in oculis habeamus, a tergo nostra

Re: Mein Tagebuch
« Antwort #4 am: 14 Juni 2021, 20:14:27 »
Tagesgedanken 14.06.2021, Tag 02 neue Zeitrechnung

Die Kinder sind jetzt im Bett, das Tagwerk ist verrichtet. Bei der Sache auf der Arbeit war ich heute nicht ganz. Wobei das war ich schon seit Monaten nicht mehr. Heute gab es mehrere Situationen wo ich gemerkt habe das meine Gedanken das kreisen anfangen. Der Klassiker - jetzt ist es raus jetzt kannst du es noch einmal wagen. Zahl nur 100 ein und du holst das Geld zurück. In diesem Moment merke ich die Schranke die ich lange vermisst habe. Die Schranke die mir sagt: Geld ist Geld und das was du verloren hast holst du nicht zurück und du musst es auch nicht zurückholen.

Ich denke zurück an meine letzte Therapie und die Rückkehr. Nach der Therapie keinen Job, 15000 Euro Schulden, temporär eingezogen bei meiner Mutter und dann im Keller von meinem Schwager. Ruckzuck eine Arbeit gefunden, 7 Tage durchgepowert um die Schulden abzuarbeiten. Mit jedem Gläubiger Vergleiche abgeschlossen und letztlich mit Karacho aus den Schulden. Ging gut ich habe trotz dem Stress auf mich geachtet mir Sachen gegönnt war unterwegs.

Ich öffne einen Brief den ich bisher nicht geöffnet habe. Der Brief von mir an mich selbst. Ich hatte ihn vergessen, geschrieben während der Therapie an mein „neues“ Ich. Gibt es einen besseren Zeitpunkt als ihn jetzt zu lesen? Ich lese meine Gedanken und Worte von damals. In mir regt sich Wut über das was ich nun getan habe aber nachdem ich die letzten Zeilen gelesen habe merke ich wie ich innerlich gelassen werde. Mein ich aus der Therapie schreibt im letzten Absatz: Egal wie tief du fällst du hast es bewiesen das du es schaffen kannst. Versteck dich nicht hinter deinen Problemen sondern Trag sie mit dir und mach sie zu deiner Stärke. Das was du erreicht hast schaffen andere nicht und geheilt sein wirst du nie. Sei Achtsam mit dir und höre auf dich selbst nicht auf das was du dir einredest.

Sei Achtsam ja - das war ich wahrlich nicht. Es gibt keine Schuldfrage nur mich und mein Verhalten. Vor meiner Erkrankung habe ich gearbeitet wie ein Berserker. Klar - Corona. Alle Kunden müssen ins Homeoffice alles muss vorbereitet sein. Themen die in jahrelangen Prozessen gedacht wurden mussten nun binnen von Tagen erledigt werden. Dann im März vor dem ersten Lockdown hat es mich zerlegt. 10 Tage Fieber, krankgeschrieben. Ab morgens hast du trotzdem gearbeitet. Statt zur Ruhe zu kommen dich zu schonen hast du weiter gemacht immer weiter. Klar du hast dich erholt aber der große Turn kam ja noch als du im August plötzlich vor dem Spiegel standest und dein halbes Gesicht gelähmt war. Auch hier hast du alles abgetan auch als es brenzlig wurde und dein Gehirn bereits entzündet war. Alles easy und als du so im Krankenhaus sitzt - Schmerzmittel nimmst und nichts mehr so ist wie es mal war gehst du auf die Seite und zahlst ein.

Ich schließe die Augen und merke das ich seit diesem Moment das Leben, die Zeit und mich selbst verbrannt habe. Geld ist weg aber das ist mir egal. Die Zeit und das schöne des Lebens was ich hatte waren einfach wie im Koma.

Sei Achtsam mit dir selbst, dass ist das was ich wieder sein will.
aliena vitia in oculis habeamus, a tergo nostra

Re: Mein Tagebuch
« Antwort #5 am: 16 Juni 2021, 13:53:55 »
Tag 04

Nachdem gestern eine wahnsinnige Müdigkeit über mich gekommen ist die auch heute anhält bin ich noch etwas platt. Es erinnert mich ein wenig an den Satz aus Game of Thrones - ich will das Rad nicht verändern, ich will das Rad zertrümmern. Das Teufelsrad zwischen Spielen, Abwerten, Scham und Angst steht aktuell still. Es ist eine Gratwanderung das es nicht wieder anläuft aber daran werde ich alles setzen. Heute hat sich mein ehemaliger Betreuer der Psychosozialen Beratungsstelle gemeldet und ich habe für kommende Woche einen Termin. Darüber bin ich heilfroh, zum einen einen Termin zu haben zum anderen genau bei der Person die mich in den letzten Jahren wahnsinnig gut unterstützt hat und durch die eigene Karriere fast keine Termine mehr vergibt. Ansonsten kommen immer zwischendurch die kleinen Selbsttrügerischen Sätze - du könntest ja nochmal. Diese schiebe ich aber direkt zur Seite muss darüber natürlich auch lachen weil die Selbstverarschung als Spieler einfach perfekt ist.

Ansonsten löse ich mich aktuell wieder etwas von den eigenen Selbstvorwürfen. Diese führen letztlich zu nichts. Wie sagte wohl Buddha einst: "Verweile nicht in der Vergangenheit, träume nicht von der Zukunft. Konzentriere dich auf den gegenwärtigen Moment". Das was geschehen ist kann ich nicht mehr ändern da bringt jeder Selbstvorwurf, jedes traurige Gefühl nichts..
aliena vitia in oculis habeamus, a tergo nostra

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Offline Olli

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Re: Mein Tagebuch
« Antwort #6 am: 16 Juni 2021, 16:25:54 »
Hi Vasrud!

Zitat
Diese schiebe ich aber direkt zur Seite muss darüber natürlich auch lachen weil die Selbstverarschung als Spieler einfach perfekt ist.

Ja, habe ich es denn nicht gesagt ... erst kürzlich? ... im Parallelthread? ... Die Suchtstimme in sich belächeln oder auslachen funktioniert! ;)

Dann habe ich hier mal über die Beobachtung während eines Workshops geschrieben, ich sei offen aggressiv. Damals bezog ich mich ausschließlich auf den gewalttätigen Teil in mir.
Aggressiv bedeutet aber noch mehr. Das Wort stammt aus dem Latainischen. Der Anfangsbuchstabe "a" besagt: zu etwas hin. Im Gesamten kann man aggessiv also übersetzen mit "etwas aktiv angehen".
Dies machst auch Du sehr offen, was ich echt prima finde.
Dies eine Eigenschaft, Vasrud, auf die Du stolz sein kannst. Und dies, in Deinem Sinne, hat ausschließlich etwas mit dem Hier und Jetzt zu tun!
Gute 24 h
Olaf


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Re: Mein Tagebuch
« Antwort #7 am: 18 Juni 2021, 15:27:17 »
Servus Olli,

zunächst danke für deine Antwort und deine lieben Worte.

Ich denke das ich aufgrund meiner Erfahrungen durch die Therapie und auch Abstinenz den Weg sicherlich klarer und "leichter" gehen kann als andere Leidensgenossen die erst am Anfang stehen. Ich habe schon immer gerne über mich selbst gelacht. Gerade aus dem Grund da ich als wahnsinniges pfiffiges und intelligentes Kerlchen angesehen werde. Frei nach dem Motto: Geld in einen Automaten werfen so blöd möcht ich erstmal sein (kurze Zeitpause...) Öhm tja bin ich auch  ;D.

Mir fällt nur auf in welcher obskuren Parallelwelt ich mich das letzte Jahr seit dem Rückfall befunden habe. Ich war gerade nach der Therapie immer mit dem Achtsamkeitsgedanken heute zu leben vertraut. Ich habe mir die Zukunft weder rosa noch schwarz ausgemalt und genauso nicht in der Vergangenheit gelebt. Motto: Et küt wie et küt und so nehme ich es auch an. Das ist komplett verlorenen gegangen. Wenn ich überlege welche Launen und Ängste ich hatte die meinen Verstand komplett benebelt haben wird mir schlecht.

Jede Person ist anders ich trage zumindest diese Dämonen von innen nach außen. Andere mögen das Problem gerne Geheimhalten oder haben die Sorge davor was andere denken. Ich muss es nach außen tragen, die Sucht wird immer ein Teil von mir bleiben und hat mich auch zutiefst geprägt. Ohne die Sucht wäre ich sicherlich auch nicht der Mensch der ich heute bin. Daher ist dieser Teil von mir innerhalb der Familie, Freundeskreis sowie auch auf der Arbeit bekannt. Ich trauere auch jetzt nicht großartig nach oder verfluche mein Schicksal. Mir tut es leid gegenüber meiner Familie was ich getan habe und bereue es zutiefst aber emotional gesehen habe ich für mich hier schon einen Haken gesetzt. Ich kann es nicht rückgängig machen so sehr ich darüber auch Grübel. Ich bin zurück auf meinen Weg gewandert und muss nach vorne sehen.

Das Geld ist futsch so what - schee wars. Ansonsten hätte ich das Geld sowieso für andere nicht benötigte Dinge wie Familienurlaub, Arztbesuche und andere Aktivitäten verblasen. So konnte ich dafür sorgen das ein armer maltesischer Geschäftsmann Super+ in den Tank seines kleinen Sportwagen tanken konnte und der arme Supporter Essen für seine Familie hat. Außerdem hab ich die Zeit sinnvoll alleine für mich genutzt und die Familie musste endlich mal die Schnauze halten. Die eklige Verwandtschaft ist mir auch nicht mehr auf die Pelle gerückt und wenn ich dann mal auf dem Schacht saß und gewonnen hatte wusste ich wie sich der Papst auf seinem Thron fühlt. Nachdem ich erst vor einem Jahr in Malta war kann ich mich jetzt auch brüsten Europäische Aufbauhilfe geleistet zu haben und eigentlich erwarte ich jetzt einen Orden. Und das wichtigste vorallem - ich habe endlich mal das Abo meiner Bank (Kontoführungsgebühren) so ausgenutzt das die auch mal was tun müssen für Ihr Geld. Hach rundum ein Jahr gewonnen und jetzt höre ich wieder auf.. ??? .. (sollte das jemand lesen der Ironie oder Zynismus nicht versteht: das ist natürlich nicht ernst gemeint)

Für mich selbst war der Weg zum Rückfall ein langer Prozess und keine Kurzschlusshandlung. Ich habe über Monate nicht auf mich selbst geachtet und mich verheizt. Der Krankenhausaufenthalt hat dann den letzten Damm brechen lassen und mein Optimismus und Blick nach vorne war zu. Das werde ich sicherlich auch kommende Woche bei meinem Therapeuten beginnen zu reflektieren. Der Suchtteufel ist natürlich immer noch da und redet auf mich ein. Ich begrüße ihn dann immer wie einen alten Freund. Dann frage ich ihn ob er vielleicht Lack getrunken hat und ob ihm noch nicht aufgefallen ist das er wieder im goldenen Käfig hockt und ich den Schlüssel in der Hand halte und nicht wie die letzte Zeit umgekehrt.

So werde ich jetzt noch mein Dasein bei 30 Grad im Büro fristen bevor ich wieder in mein tristes glückloses Zuhause zurückkehre. Werde mich der Regierung stellen, die Raubtiere füttern und am Balkon sitzend feststellend - ja genau das ist es was ich will.
aliena vitia in oculis habeamus, a tergo nostra

Re: Mein Tagebuch
« Antwort #8 am: 23 Juni 2021, 08:55:31 »
Tag 11

Nach wie vor ohne Glücksspiel. Die letzten Tage waren gut und auch die Gedanken an das Spielen waren nicht vorhanden. Klar das ist nur ein trügerischer Frieden aktuell aber ich merke selbst wie ich zu meiner inneren Ruhe wieder finde die ich 2 Jahre vermisst habe. Ich komme nicht mehr gehetzt nach Hause und mach alles wie ein Roboter. Gestern habe ich nach der Arbeit rund 3 Stunden mit meinen zwei kleinen gespielt. Eine wahre Wohltat weil ich ehrlich sagen muss das ich dies im letzten Jahr fast nicht getan habe.

Gestern hatte ich auch meinen Termin bei meinem Berater. Er hilft mir jetzt eine ambulante Therapie zu finden. Wir sind beide der Meinung das ambulant der richtige Weg für mich ist da ich trotz des Rückfalls fest im Leben stehe und nicht einem kompletten Kontrollverlust hatte (keine Verschuldung, Normal zur Arbeit gegangen, alles bezahlt, also ein Funken Rationalität war noch da). Parallel haben wir vereinbart das wir uns als Stütze alle 2 Wochen sehen bis die ambulante Therapie startet. Ich denke das ist ein guter Plan den es nun umzusetzen gilt.
aliena vitia in oculis habeamus, a tergo nostra

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Offline Olli

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Re: Mein Tagebuch
« Antwort #9 am: 23 Juni 2021, 10:07:42 »
#Daumen rauf´#  :)
Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
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Re: Mein Tagebuch
« Antwort #10 am: 24 Juni 2021, 23:23:44 »
Ich sehe so ein paar Parallelen und es freut mich, dass es sich so gut entwickelt.
Weiter so.

Viele Grüße
Devilslady

Re: Mein Tagebuch
« Antwort #11 am: 25 Juni 2021, 15:40:58 »
Danke euch zwei für eure Antwort :).

@ Devilslady - es ist auch wichtig immer Parallelen zu entdecken damit man weiß man sitzt nicht alleine im Boot. Wir alle haben das selbe Ziel und können uns stützen ;)

Ansonsten zum Wochenendspurt - alles soweit in Ordnung. Ich schlafe zwar immer noch recht schlecht und bin seit heute morgen um 01:30 Uhr wieder auf den Beinen aber ich hatte es auch nicht anders erwartet. Die innere Unruhe kommt und geht wie Sie möchte. Hier profitiere ich persönlich wieder von meiner alten Therapie und Abstinenz und finde sehr schnell zurück zu mir selber. Das Achtsamkeitstraining von damals habe ich also noch nicht ganz vergessen. Nachdem ich ehrlich gesagt verglichen zu den letzten Monaten jetzt am Monatsende finanziell wahnsinnig gut aufgestellt bin versucht natürlich die Sucht das natürlich für sich zu nutzen hier bin ich aber stabil und kann darüber nur müde lächeln. Onlinezahlungen sind aktuell nicht möglich da hier meine Frau die Hand drauf hat.

Meine EC Karte habe ich jedoch noch selber da ich grundsätzlich viele Familieneinkäufe parallel erledige. Hier schaut aber meine bessere Hälfte ebenfalls hin. Ich muss aber ganz klar sagen das der aktuelle Mehrwert in meinem Leben die Sucht überwiegt.

Hier einen kleinen Auszug von positiven Merkmalen die mir aber vor allem auch anderen Personen aufgefallen sind seit dem Ende des Spielens (ich wurde bereits gefragt was aktuell mit mir los ist :D):

- Nicht mehr extrem gestresst. Grundsätzlich bin ich als leitender Angestellter und Key Account immer im Feuer. Hier war ich jedoch längere Zeit sehr fahrig und impulsiv das hat sich gelegt.
- Papa sein - der Draht zu meinen Kindern ist wieder da. Es ist mir selber nicht aufgefallen wie gestresst und genervt ich nur noch war. Die letzten Tage verbringe ich ab Sekunde 0 wieder mit meinen Kindern und habe die größte Freude.
- Ehemann sein - meine Frau und ich nähern sich auch massiv an. Während ich in der Spielzeit jeglichen Körperkontakt weitestgehend vermieden habe und Abends Lustlos auf der Couch gelegen bin unternehmen wir wieder zusammen was an den Abenden, reden auch wieder miteinander und wow ich kann ihr wieder in die Augen sehen  ;)
- Eigene Wohlbefinden steigt deutlich an. Dadurch das ich selber nicht gestresst bin und mich vor allem selber nicht mehr abwerten muss und gegen Scham & Angst ankämpfe fühle ich mich natürlich selber auch deutlich besser

Rundherum geht also alles soweit in die richtige Richtung. Ich stell mir zwar immer wieder die Frage wie ich das ein Jahr durchhalten konnte in einem Sog von schlechter Energie aber gut man kann sich allgemein in seiner eigenen "Scheisse" gut suhlen. Ich muss für mich einfach festhalten: Die Eier in der Hose zu haben seinen Fehler einzugestehen ist der wichtigste und entscheidende Punkt.

aliena vitia in oculis habeamus, a tergo nostra

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Offline Ilona

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Re: Mein Tagebuch
« Antwort #12 am: 25 Juni 2021, 15:44:28 »
Das hast du eindrucksvoll zusammengefasst! Danke dafür! Das wird den ein oder anderen sicher motivieren, sich auch auf den spielfreien Weg zu machen.
LG Ilona
Juristische Beratung: Kanzlei Kraft, Geil und Kollegen / Bielefeld http://www.kguk.de/
Ansprechpartnerinn: Dr. Iris Ober und Juliane Brauckmann  (Fachanwältinnen für Bankenrecht)  Terminanfragen: 0521-529930
Weitere Infos  hier: https://www.forum-gluecksspielsucht.de/forum/index.php?topic=3737.0

Re: Mein Tagebuch
« Antwort #13 am: 01 Juli 2021, 20:10:36 »
So nun melde ich mich auch mal wieder. Ich bin immer noch abstinent und es ist diese Woche auch das eingetreten was ich erwartet - und auch in Vorrausicht bereits angekündigt hatte. Innere Leere. Klar das Konto ist voll und kein bling bling um aus dem Alltag zu entfliehen. Das ist  auch gut so. Vielleicht würde mir jetzt der ein oder andere Raten mich abzulenken etwas anderes zu tun aber ich persönlich kann das nicht. Ich übe mich darin diese Leere zu akzeptieren und auszuhalten. Wenn ich etwas anderes tun würde um mich abzulenken wäre das nur wieder neues Wasser in das Glas welches unten Löcher hat.
aliena vitia in oculis habeamus, a tergo nostra

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Offline Olli

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Re: Mein Tagebuch
« Antwort #14 am: 02 Juli 2021, 05:47:02 »
Hi Vasrud!

Nein, Du machst das schon richtig. Es ist wichtig diese Gefühle auch aushalten zu können. Lediglich wenn sie gefühlt zu stark werden, ist es legitim, Dich abzulenken.
Beschäftige Dich aber auch mit diesen Gefühlen. Hinterfrage sie.
Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
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