Glücksspielsucht > Tagebuch
An diesem heutigen Tag
andreasg:
..... habe ich meinen Folgeantrag für Sotialgeld zum Wohngeld zum Amt gebracht. Unterwegs tat mir jeder Schritt weh, und ich drückte meine Schmerzen verbal auf der Staße aus. Meine Wohnküche war ja nicht mehr wiederzuerkennen, hier ein Stapel, dort ein Stapel, und obenauf auch noch einer. Mein Drucker verweigert sich,wenn das Papierfach gefüllt , also mußte ich ihn Blatt um Blatt füttern, was ein Verheddern zur Folge hatte. Aber am Schuß hatte ich 4 Stapel beisammen, eines , die Rente betreffend, das zweite, meine Wohnung betreffend, der dritte Stapel für meine Behinderung/ Pflege, und der 5 Stapel die Originale und Kopie des Antrags für meine Unterlagen. - Ohne die Hilfe meiner Gruppenfreundin
hätte ich wohl nicht mehr die Moral gehabt, und als der Umschlag in der Tasche war, die Tasche in meinem Rentner - Rolls Royes , zuckelte ich eigentlich erleichtert zur Stadtbahnstation. Meine alte Wassergymnastikfreundin grüßte mich, und erzählte , daß sie zur Feuerwehrmesse nach München wollte. Ich habe ihr entschlossen zugespochen, dieses auch in die Tat umzusetzten. Daß sie solche Leidenschaften pflegt, ich kann es in ihrer Lebenssituation sehr deutlich verstehen, weil ich ja auch ihr Kindheitstrauma erfahren habe. Sollte die Gute eine Leidenschaft für Feuerwehr - Unimogs haben, bitte, bitte - noch einen fü rmich im Modell mitgringen, eigentlich von Jugend an ein Traumgefährt!
Das Sozialamt ist unweit vom ZOB entfernt, an der Magistralstraße gegenüber ist das sekundäre Rotlichtviertel unserer Stadt, ach ja, laß es los, da ist auch die Kontaktstelle der Anonymen Alkoholiker, die Drogenhilfe der Evangelischen Baptisten, und das Staßenmagazin Zuhause. Die Diakoniestation für Spielsüchtige ist ca. 400m weiter östlich am Gerichtsviertel anzutreffen. - Was soll ich dazu noch sagen? Schnell in das 12 stöckige Sozialamt, kurz beim Pförtner: Bitteschön - Dankeschön, und wieder raus, frische Luft. Vor der Bordellstraße stand ein Sattelzug , der von Polizisten kontrolliert wurde. Whatt geith meck dat an? Ich konnte auf einmal behende Laufen, der Schmerz ließ nach, ich war sichtbar erleichtert, als ich im Linienbus saß, der mich wieder Richtung Heim führte. Noch ein kleiner erfrischender Regenschauer, auf 398 m, und nun kann ich mich bequem zur Nachmittagsruhe legen.
Die Stadtwerke haben mir ein Schreiben geschickt, daß die Gasberechnung umgestellt wird, und sie deshalb meinen Zählerstand brauchen. Ähhh, den habe ich doch schon vor zwei Wochen durchgegeben.
Merke: Eine Beschäftigungstherapie vertreibt die Langeweile, aber Entspannung ist ein wichtiges strukturelles Werkzeug der Genesung.
Einen Tag zur Zeit
Rubbel:
Lieber Andreas :)
Ich finde es schön, dass Du später besser gehen konntest und weniger Schmerzen hattest.
Bringst Du das in Zusammenhang mit Bordell, Polizei u. Spielhallen?
Über Bordelle lässt sich trefflich diskutieren.
Aber Polizei und Spielhallen??
Vom Zocken um Geld bist Du doch schon lange, lange 'befreit', die Polizei hat wohl fast jedem in Not geratenen Menschen schon mal beigestanden ...
Woher also der 'Druck'?
LG
Rubbel
andreasg:
Hallo Rubbel,
das, was ich ausdrücken ill, ist folgendes. Diese ganzen Rotlichtgeschichten sind tief in meiner Erinnerung vergraben. Das war einmal mein Lebensinhalt. Heute nutze ich andere Freuden, um mir das Leben schön zu machen. Aber ohne Selbsthilfegruppen, ohne Therapie, ohne Seelsorge, ohne Suchtberatung stände ich Heute mit leeren Händen da. Letztendlich habe ich auch das Straßenmagazin unterstützt, eben - weil ich ja nur eine Geldmünze von meinem nächsten Rückfall entfernt bin.
Daß die Polizei Heute wirklich mein Freund und Helfer ist, vor dem ich mich nicht mehr verstecken muß, ist auch nur rein Menschlich.
Gestern erwähnte meine Physiotherapeutin, daß sie im Dezember ihren Freund heiraten will, und sprach von der geplanten Hochzeitsreise. Dabei hatte sie ein srtrahlendes Gesicht. Ihr Bräutigam ist Polizist, aber das ist eine andere Geschichte...
Eine Gute Nacht
Andreas
Rubbel:
Lieber Andreas,
ich wusste nicht, dass Du (noch) so sehr kämpfst, und bitte entschuldige, wenn ich an Deinen Wunden gekratzt habe.
Du bist tapfer.
Ich wünsche Dir, dass diese alten 'Dämonen' sich zurückziehen, Dich freigeben.
Danke und liebe Grüße
Rubbel
andreasg:
Hallo Rubbel,
ich habe Gestern lange nachgedacht, warum ich immer noch mit den Leichen im Keller kämpfe, aber erst Heute Morgen habe ich eine Antwort gefunden.
Gestern war Intensivpflegetag, ich werde geduscht, und das hat seinen Grund, nenne mal meine körperlichen Eoinschränkungen.
Ich wußte, daß die Pflegerin eigentlich nicht wollte, weil sie eine Feier hatte, die Chefin des Pflegedienstes erwöhnte das Operfest im Islam....
Im Internet las ich, daß die Gläubigen den älteren Menschen in diesen Tagen kleine Gefälligkeiten bereiten, also war doch mein Duschfest angebracht?
Die Pflegerin brachte noch den wöchentlichen Großeinkauf mit, und ihr Bruder war dabei, die schwere Tasche die Treppe hoch zu bringen, was ich mit Erleichterung annahm.
Das Tiefkühlgut (Frostfisch) war schon etwas matschig, die Erdbeeren färbten auch die Einkaufstasche in einembizarren Rotton,
und die Pflegerin sah seelenruhig zu, als ich alles betrachtete und was noch möglich war, in die Kühltruhe brachte.
Im Bad hatte ich alles vorbereitet, schnell den Bademantel ausgezogen, die Dusche angestellt, das Wasser temperiert. Als ich - unter Beschwerden und Schmerzen in die Duschwanne steigen wollte, klingelte ihr Smartphon. Genervt nahm sie das Telefon an, und fing an zu telefonieren. Ich stand da, die Dusche sprühre, einen Fuß auf dem Wannenrand, hörte das Telefonat an, und wurde dann endlich laut! Darauf beendete sie wirklich das Gespräch, stellte sich vor mich. Ich bat sie, den Duschkopf zu nehmen, daß ich den Haltegriff fassen konnte, nach 1/2 Dutzend Ansprachen nahm sie ihn auch, und fand auf dem Duschhocker endlich Ruhe. Als das Wasser wohl über meinen Kopf lief, kam mir die Erkenntnis, daß ich einfach einmal gnädig sein sollte, nicht so verbissen, mehr in der Geduld, zurück zu Vertrauen, und es einfach geschehen lassen. Am Ende fühlte ich mich erfrischt, hatte aber echte Schwierigkeiten, das Badezimmer zu verlassen, weil ich auf dem triefend nassen Mosaikfußboden eine akute Rutsch - und Sturzgefahr erkannte. Also legte ich das nun gebrauchte Handtuch auf den Boden, und hangelte mich haltsuchend auf den rettenden Flur und ab ins Bett! - Als ich erholt war, wische ich das Bad, wusch die Einkaufstasche aus, checkte den Kassenbon, der einwandfrei war, und spülte das Geschirr.
Blöderweise habe ich auch schon einmal mich mit der Abrechnungsstelle der Krankenkassen in Bezug auf den Pflegedienst konfrontiert, und ich erkannte, daß die erbrachten Leistungen mangelhaft waren. Aber was würde eine Reklamation dort bringen? Unmengen an Papierkram, aber Änderungen? - Ich kann nur mich selber ändern. ;nein - ich will nicht wieder den Guten Papa spielen, in die Co abhängigkeit fallen, das ist meine allerschlimmste Sucht, die hinter dem Spielen steht! Leben und Leben lassen, aber auch schon deutlich und beherrst Grenzen setzen, ist eine gegenwärtige Übung, das Vertrauen ist das Ziel!
Immerhin: ich bat die Pflegerin, einen Straß Rosen für die krebskranke Pflege - Nachbarin zu holen, und ihre Kollegin übergab diesen Struß Heute wahl der Patientin. Das ist für mich die Haupsache, der Kodex, von meinem Eigenwillen herunter zu kommen.
Bin ich nicht auch ein Psychisch gestörter Mensch, habe ich nicht auch Streßsituationen, überfordere ich mich selber nicht mit all meinem Blues? Heute Morgen erinnerte ich mich an die Solidaritätsgemeinschaften, Gruppen, in denen eine Hand die andere hält.
Ja, ich bin ein paar 24 Stunden Spielfrei, und ich freue mich auf den 1. Juli, wenn ich meinen Spiefrei - Geburtstag feiern darf. Aber, mir selbst stolz auf die Schulter zu klopen, das mag ich nicht. Das, was ich mir aufrichtig wünsche ist, zu hören und zu lesen, daß und wie ein Mensch in die Freiheit vom selbstzerstörerischen Glücksspiel kommt, und wie das Leben seinen Lauf in die Genesung geht.
Das ist für mich eine Herzensangelegenheit.
Einen Tag zur Zeit
Navigation
[0] Themen-Index
[#] Nächste Seite
[*] Vorherige Sete
Zur normalen Ansicht wechseln