Glücksspielsucht > Tagebuch

An diesem heutigen Tag

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andreasg:
... bin ich knatschig aufgewacht. Gut ins Bad zu gehen, und sich frisch zu machen, die Zähne muß ich gleich noch putzen.
Trotzdem - ich habe an den Blues gedacht, den ich hier in mein Tagebuch eigeschrieben habe, und das klingt immer noch nach Weltuntergang:

Also: der Lieblingsehrenbürger meiner Heimatstadt hat einen Job im Aufsichtsrat eines Russischen Gaskonzerns inne. Er kritisiert offen die Politiker der Ukraine, als Aggessoren, und seine Anhänger hören sich das alle huldvoll an.
Es ist doch nur allzu rechtens , wenn er als großzügiger Mäzen eines Kirchenfensters auftritt.  Gottlob gehört er nicht der niederen Kaste unserer Gesellschaft an, die unter der Armutsgrenze leben. Daß dieses hier 16,1 Mio Menschen betrifft, ist ja sein Hauptverdiest, - was soll das alles: Im Bad habe ich mir symbolisch versucht, den Balken aus dem Auge zu ziehen. Nein, ich möchte nicht geil darauf sein, in der Zeitung zu stehen, ich plane aber , in der Passionszeit auf den hinteren Kirchenbänken Platz zu nehmen, weil Passion - und Diät halten, - bei mir ja nicht funktioniert! Also auch ich suche nach etwas, mich und meinen Genius irgendwie auszudrücken, ich will ja gesehen, wahrgenommen, wertgeschätzt werden. Mich demnach in die letzte Reihe zu setzen, kann ja dann auch den Wunsch nach Abstinenz beinhalten. Ein Blick zurück in die Spielstätte: als mir eine 100er einlief, bin ich aufgestanden, habe Freudentänze veranstaltet, war eben endlich mal jemand, der auf der Gewinnerseite stand. Vor 3 Tagen habe ich einem Freund von der Scham erzählt, beim Spielen entdeckt zu werden, also wenn mich jemand aus meinem Bekanntenkreis am Automaten gesehen hat, sofern ich nicht schon so einsam war, um überhaupt mit anderen Menschen zu reflektieren.

Wenn ich morgens an den Rechner gehe, ist zuerst Onlinebanking dran. Ich habe derzeit so viel Geld auf dem Konto, wie zuvor noch nie in meinem Leben, und der Papierkram der Behörden sagt: Es ist in Ordnung so. Ich brauche ja immer wieder Menschen, mit denen ich mich über finanzielle Dinge austauschen kann. Bei aller gegebenen Korrektheit gehöre ich nun nicht mehr den 161 00 000  Menschen an, die früher die unteren 10 000 genannt wurden. Die Zeiten ändern sich halt.

Ich denke an den Obdachlosen, der auch im Winter kurzärmlig mit Sandalen durch die Innenstadt zieht. Habe ihm schon einmal Geld in die Hand gedrückt. Symbolisch wünschte ich mir, es wären belegte Brötchen. Ich will meinen Blickwinkel von meinem Stolz abwenden, und mir diesen blöden Balken aus dem Auge ziehen lassen.


Nur du alleine schaffst es, aber du schaffst es nicht alleine  ;)

andreasg:
.... denke ich über manches nach, und habe noch mein Frühstück zwischen den Zähnen, und ich will daheim am Gottesdienst teilnehmen. Aber Gestern war ich wieder unterwegs, wahscheinlich aus dem Grunde, weil ausnahmsweise einmal die Sonne schien, und andernseits, weil ich mich nicht in Sachen Weltgeschehen und Depression verliere.

Hier bei uns wird gerade darüber diskutiert, unserem Lieblingsehrenbürger die Erhrenbürgerwürde zu entziehen. Daß jener auch wirtschaftlich umdenken muß, liegt an den Zeichen der Zeit. Als ich noch Langzeitarbeitsloser war, wen hat das gejuckt, daß ich Hartzt IV - Betroffener wurde? Ich sitze hier, sortiere irgendwie meine Beine, die Athritis nimmt fürchterlich zu, und ich muß nächte Woche viele Ärzte besuchen. Die Arztpraxen haben ihre Telefone ja nur noch auf Papier oder auf der Homepage angegeben, sonst ist ja nicht mehr zu verwenden, es sei denn, die Musik in der Warteschleife entspannt. Also, wenn ich in der Warteschlange der Patienten an der Arztrezeption stehe, und mich irgendwo vor Schmerz und Leid festhalten muß, ist das dann so, wie in der Schlange beim JobCenter , als der erwähnte Lieblingsehrenbürger mir das Recht auf Arbeit verweigerte?

Alter Groll kann zu Auseinandersetztungen führen, und wenn diese keinen Boden haben, zu Persönlichkeitsstörungen, und diese wieder in Traumwelten hinein. Dank Dir, Tagebuch kann ich explitiert darüber schreiben, wie großartig ich noch die Welt verändern kann! Es funktioniert, wenn ich den König auf seinem Planeten ansehe, der über die Sterne herrscht. Der Kleine Prinz hat sich jedenfalls schnell davon gemacht, kam zum Trinker und dann zum Eitlen... Danach hat er sich ja auf seine Rose besonnen, eben auf das Wesentliche, daß dem Herzen verborgen bleibt. (Antoine de Saint Exupery)

Ich bin müde nach Hause gekommen, Gestern Abend, vom Bahnhof aus die Taxe genommen, ich wollte effektiv vor der Pflegerin daheim sein, und so geschah es auch. Danach hatte ich mein Online - Männer - Meeting, wie jetzt jeden Samstag Abend, (tut mir Leid für Olli, mich nicht aufteilen zu können), und ich habe etwas sehr Wertvolles über die Konstillation zwischen Spielsucht und Esssucht erfahren. Aber als Antwort habe ich dann mir selber sagen können: jedes Treffen in der Selbstfilfe ist für mich ein Weg aus meiner Störung, aus meinem unverarbeiteten Groll, ist ein Weg des Friedens, und wägt so tief, wie das Herz eines geliebten Kindes.

Ein Blick auf die Uhr, mir noch die Zähne schruppen, der Kopf ist gewachen, die Gedanken werden durch die frische Luft und Vitamin D klarer, nur mein Computer quält sich noch mit seinem Virenschutzprogramm. Der Support sagt: "Neuinstallation",
vielleicht sollte ich auch einmal innehalten und umdenken, eine Pause kann den Verstand schärfen.

Danke

andreasg:
... bin ich hin und her gerissen, weiß nicht so wohl was ich will, und ob ich überhaupt etwas Sinnvolles anfangen will. Ich könnte hinaus fahren, fotographieren, Fotosammlung zusammen stellen. Ich denke an den einen Kalender am Küchenschrak: Rechts ein großer blitzblank renovierter Raddampfer, rechts eine hoch aufragende Kirche mit zwei Türmen, und in der Mitte ein kam zu erkennender Fluß. Ein Fluß, der durch die Mitte Europas fließt, und sich als mächtiger Strom ins wilde Meer ergießt. Ein Fluß, der Sehnsüchte weckt, und immer wieder neue Ziele aufzeigt. Leider gibt es auf dem Weg - per Eisenbahn - einige Baustellen, so eine wichtige Brücke, die gesperrt ist, wegen Renovierungsarbeiten. Nur Samstag hat dort in der Stadt angekommen, das Eisenbahnmuseum auf, und ich bin neugiering dorthin zu kommen, weil ich ja etwas im Leben kennen lernen will.

Gestern habe ich einen Mitarbeiter vom Support der Anti - Viren - Firma angerufen. Er hat mir per Fernübertragung das Programm neu auf meinen Rechner installiert. Das hat mir Sorge gemacht, und das sagte ich ihm aus. Ich schaute während des Vorgangs auf seine Web - Adressen, und er schickte mir eine Bestätigung, die ich im Postfach des Anbieters ablegte. Ich habe immer noch Schiß vor Hacker - Angriffen. Die Attacken liegen zwei Jahre zurück, aber, die Bedenken beziehen sich auf Gespräche mit der Kripo/ Cyberkriminalität. Da war es kein Wunder, daß die Staatsanwaltschaft mir mitteilte, daß mein Strafantrag verworfen wurde, weil die Angreifer nicht zu ermitteln sind. Der Beamte meinte, die Konsorten sitzen in Kirsigstan, also Zentralasien. Ich bedankte mich abschlißend bei dem Admin, und sagte ihm eine sehr gute Rezession zu.

Irgendwo im Forum habe ich einmal gelesen, daß Fußballspiele der 2. Liga in Kasachstan manipuliert werden, zugunsten der Wettmafia, ich habe mal im Fernsehen eine Reportage gesehen, wie in Macao eine Jugendmannschaft aus Südostniedersachsenr mit ein paar Hundert € - Scheinen geködert wurden. Wie unermesslich groß ist Asien? Wenn in der Rumänischen Provinz Spezialisten damit beschäftigt sind, Westeuropäische Rechner zu hacken, um diese Objekte dann der Russen - Mafia anzubieten, dann wundere ich mich eigentlich gar nicht mehr. Ach ja, das Forum: viel Hin und Her mit Abbuchungen und Rückbuchengen, nein, ich will es nicht werten, keinen Anwalt arbeitslos machen, denn Hilfe tut Not!

Blöd ist eben nur, daß wir hier die Spielsucht nicht verworfen werden können, Im Gegenteil, wenn sie nicht behandelt wird, wird es so gefährlich, als wenn man mit Kanonen auf Atomkraftwerke schießt. Es gibt in der Spielsucht keine Gewinner., der Spieler kann nur verlieren, weil er verlieren muß,

Was ich mir wünsche, ist mehr Solidarität. Ich bin in einer kleinen Selbsthilfegruppe. Wir wollen für Menschen dasein, die noch unter der Spielsucht leiden, das ist unsere Hauptaufgabe. Wenn wir die Aktivitäten der Sportwett - und Casino - Betreiber verfolgen, verlieren wir wieder einmal, wie gehabt.. Dieses Mal wohl Empathie, die Zeit, den Raum für Begegnungen, das Annehmen, Verstehen. Das jetzt jeden Tag zu tun, ist eine gewählte Passion von mir, 90 Tage, 90 Meetings. aber was mir wichtig ist, ich will nicht das Chaus um mich herum ändern, ich will nur verstehen, ich will diesen einen Tag, der mir bleibt spielfrei genießen, und keine Scham vor Gestern mehr haben, und keine Angst, was der morgige Tag mir bringen wird.

Heute bin ich frei vom selbstzerstörerischen Glücksspiel, und es fühlt sich an, als wäre ich in einer friedvollen Welt.

Danke

andreasg:
... habe ich das Wort "Waffenruhe" gelesen. Es gibt mir ein Stück Frieden zurück. Ich habe online in der Zeitung gelesen, Berichte vom Rundfunk, bin auf Spendenaufrufe gekommen (wieviel Geld habe ich an einem Abend dumpf in eine Blechkiste geschmissen, und tschüss) - wieviel bringt es, wenn ich nur einen kleinen Betrag spende? Es gibt mir Frieden zurück. Schritt für Schritt,

Ich plane, mich gleich, in 45 min. in ein Arbeitsmeeting einzuwählen, in meiner Selbsthilfegemeinschaft. Da freue ich mich alle Quartal wieder drauf, habe (vor Corona - Pandemie) mich ca. 180 km auf den Weg gemacht, um da präsent teilzunehmen, und Heute per Zoom.
Heute Morgen habe ich die Einladung gelesen, das Thema ist "Bereitschaft". Ich bin 69 Jahre alt, bin XX Jahre spielfrei, bin 100% Schwerbehindert, und habe "meine 5 Silbersäcke erwirtschaftet". Wenn ich mich auf mein "Faulbett" zurücklehen, bin ich schon in der Sucht angekommen. Es geht darum, den Tag mit Leben zu füllen, weil die Nacht zuvor mir die Endergie durch guten erquickenden Schlaf gegeben hat.

Auf meinen Küchenschränken habe ich meditative Texte angepinnt, die oben stehenden, erzählen von einem Bergspaziergang, und einem abendlichen Weg in ein Hotel. Zu erstem bin ich in der Zeile: "Schaut die Lilien auf dem Felde, sie arbeiten nicht, sie spiennen auch nicht" - und es macht mich wieder neugierig, wie diese überleben können. Die Lilie soll ja die Blume der Liebe sein ?

Ich habe mich sehr, sehr lange mit dem Thema "Pathologischer Narzissmus auseinander setzten müssen, ich habe bei mir geschaut, mich getraut, mich im wertfrei im Spiegel zu betrachten, habe Augenhöhe zu anderen Menschen gefunden, brauche niemnden mehr wertend in Schubladen stecken, sondern sie als meinen gegebenen Zeitgenossen zu betrachten. Natürlich gibt es Menschen, die das Schicksal härter getroffen hat als mich, leider. Das Verstehen, das Annehmen, das Akzeptieren, bildet wieder die Grundlage zum für mich schwersten Wort der Welt: "Loslassen"

Als Gestern in den Nachrichten berichtet wurde, daß in der Hauptkirche meiner Heimatstadt ein umstrittenes Kirchenfenster nicht installiert wird, habe ich allerdings in der Menge laut und vernehmich "Gott sei Dank" gesagt. Darauf habe ich gewartet, gehofft, und Danke liebes Tagebuch, daß Du das, mich - ausgehalten hast.

Nun aber schnell Zähneputzen, im Zoom kann ich ja in die Kamera lächeln.. ;D

andreasg:
.... war die Nacht wieder von so manchem kleinen Gang unterbrochen, aber immerhin, nachdem die Geschäfte erledigt waren, fiel ich wieder in Schlaf, der Grübelzwang blieb draußen vor.

Ich träumte, ich wäre an einem großen Bahnhof in Süddeutschland, alles proppenvoll und schon spätabends, hatte im Zugabteil einen Platz gefunden, um dann festzustellen, daß ich im falschen Zug saß, und Eile geboten wäre, den richtigen zu nehmen. Ich floh aus dem Abteil, ließ mein Jakett am Haken hängen, suchte auf der Rolltreppe nach meinem Ticket, mußte aber unbedingt den Zug nach Hannover. Im Abteil sah ich noch einmal in meiner Tasche nach, vergeblich. Der Zug fuhr a, die Zugbegleiterin rückte an, sprach mich freundlich an, aber sie wollte das Ticket nicht sehen, "Dann wird sie dafür wiederkommen", und dann erinnerte ich mich an meinen Schwerbehindertenausweis, in der Hosentasche. Damit könnte ich mich legitimieren , ein Ticket nachzukaufen, ohne den Verdacht der Schwarzfahrerei zu erwecken. Die Zugbegleiterin kam wieder, wieder ein paar nette Worte, keinen Fahrschein vorgelegt, und auf einmal war ich am heimischen Hauptbahnhof.

Die Pflegerin meine Heute Morgen, nach dem Blutdtruck messen, ich sollte mehr gelassen bleiben, mir nicht wieder Streß machen zu müssen. eben, weil der SIS Wert ziemlich hoch war.

Ich muß meiner Ex - einen Brief schreiben,
ich muß Gruppenfreundin anrufen, wegen Neuanschaffung von Küchengeräten,
ich muß Gruppenfreund anrufen, wegen Kauf und Aufbau eines Bockspringbetts,
ich muß Wassergymnastikfreundin anrufen, wegen mittelschwerer Athrhose,
ich muß Freund anrufen, ob er noch lebt? (vielleicht liest er diese Zeilen)?
Ich muß noch die Zähne putzen, und dann zum Gedächtnistraining gehen, bevor ich das vergesse,

An einem Küchenstuhl hängt ein Einkaufsbeutel mit der der Ansicht eines Turms, daneben die Buchstaben SAW. Ich weiß, es gibt noch gangbare Wege für mich, und solange noch Strom durch die Leitungen fließt, kann ich bereit sein, das auch zu nutzen. Alternativ kann ich die Buchstaben HBS einsetzten, auf den Weg dorthin gibt es zwei Türme, viel freies Feld, und 10 km  später wird eine Kleinstadt erreicht, die aber eine Straßenbahnlinie hat, und so steht es geschrieben, daß Schwerbehinderte dort gratis fahren dürfen.

Liebe Grüße und Träume von Frieden
Andreas

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