Unterstützen Sie unsere Arbeit Jetzt spenden!
Hallo Gast
Online-Selbsthilfegruppen Glücksspielsucht
» Mittwochsgruppe    |    » Samstagsgruppe
     

Präventive Maßnahmen 2

  • 6 Antworten
  • 13071 Aufrufe
*

Offline Ilona

  • *****
  • 3.640
    • Fachverband Glücksspielsucht e.V.
Präventive Maßnahmen 2
« am: 06 Januar 2006, 10:57:57 »
Hallo zusammen,

und hier noch eine Info über ein neues Projekt, diesmal betrifft es die Westspiel Casinos. Eher zufällig haben wir erfahren, dass diese Gruppe zusammen mit einigen Beratungsstellen ein neues Beratungsangebot auflegt. Ausgewählte Beratungsstellen bekommen Geld dafür, dass sie süchtige Casinospieler der Westspiel Gruppe beraten. Nach uns vorliegenden Informationen werden die Spieler von Croupiers gezielt angesprochen, an ein Beratungstelefon verwiesen und von dort an die beteiligten Beratungsstellen vermittelt.

Auch hierzu die Frage: Wie findet ihr das?
Hilft das weiter? Und falls, ja: wem hilft das?
Ist das die angemessenen Reaktion auf das BGH Urteil?
Was ist eigentlich mit den geforderten Ausweiskontrollen? Soll davon etwa abgelenkt werden?
Wie transparent wird das wohl gehandhabt? Erfährt jeder Klient und jede Klientin, ob die Beratungsstelle, die er/sie gerade aufsucht in geschäftlichen Beziehungen zu Glücksspielanbietern steht? Erfährt man evtl. sogar wieviele Gelder fließen? Ist das evtl. wichtig für das Vertrauensverhältnis zu meinem Berater / zu meiner Beraterin?

Ihr merkt, ich beurteile die Sache äußerst skeptisch. Das hängt vielleicht damit zusammen, dass ich mich in der Vergangenheit ganz intensiv mit Lobbying beschäftigt habe. Wenn man z.B. weiß, was die Tabakindustrie alles anstellt, bzw. angestellt hat, um ein bisschen vom guten Ruf seriöser Forscher oder Institutionen abzubekommen, dann weiß man wovon ich rede. Das Deutsche Krebsforschungszentrum in Heidelberg  empfiehlt z.B. ausdrücklich allen Forschern keine Gelder anzunehmen. Näher Infos z.B. hier: http://www.n-tv.de/609921.html

Tja und diese Form der Scheckbuchprävention geht halt haarscharf an der Lösung des Problems vorbei. Mit Ausweiskontrollen würde man gesperrte Spieler (relativ) effektiv vom Spiel ausschließen. Blöderweise hätte man dann allerdings seine besten Kunden verloren, dann doch lieber was Kosmetisches? Nicht, dass ihr mich falsch versteht, ich finde es absolut richtig, wenn die Glücksspielbetreiber an den Folgekosten beteiligt werden. Dies sollte allerdings im Sinne einer Verpflichtung auf gesetzlicher Basis passieren und die Gelder sollten selbstverständlich über das Gesundheitsministerium verteilt werden. Die Devise lauter also:  Implementierung gesetzlicher Spielerschutzmaßnahmen statt durchsichtige Scheckbuchprävention!
Übrigens befinde ich mich mit dieser Forderung in recht guter Gesellschaft. Der Vorstand der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) hat sich sehr eindeutig zur Frage der Verwendung von Geldern der Suchtmittelindustrie geäußert. Hier der Link dazu:

http://www.dhs.de/1alkoholindustrie.html

Diesem Papier zufolge sollten die beteiligten Einrichtungen zumindest exakt offenlegen, wieviel Gelder sie beziehen, damit jeder Klient und jede Klientin für sich entscheiden kann, ob er/sie ein derartiges Angebot wahrnehmen möchte. Zusätzlich sollte den Anbietern untersag werden, mit dem Angebot zu werben. Das wäre aus meiner Sicht ein Minimalkonsens! Besser wäre natürlich: Finger wech von solchen Kooperationen.
Das schadet unserem Ruf! Psychosoziale Beratung sollte immer parteiisch sein. Und zwar für den Ratsuchenden!

Ich bin sehr gespannt auf eure Meinungen.

Viele Grüße und ein schönes Wochenende

Ilona
« Letzte Änderung: 11 Januar 2006, 17:29:56 von Ilona »
Juristische Beratung: Kanzlei Kraft, Geil und Kollegen / Bielefeld http://www.kguk.de/
Ansprechpartnerinn: Dr. Iris Ober und Juliane Brauckmann  (Fachanwältinnen für Bankenrecht)  Terminanfragen: 0521-529930
Weitere Infos  hier: https://www.forum-gluecksspielsucht.de/forum/index.php?topic=3737.0

*

Offline Chris

  • *****
  • 413
Re: Präventive Maßnahmen 2
« Antwort #1 am: 07 Januar 2006, 18:12:01 »
Tag,
wer gut schmiert, der gut fährt.

Konfuzius - TÜV-Prüfer


Also ich finde das mit den Geldern an ausgesuchte Beratungsstellen, hinterläßt einen faden Beigeschmack.

Auch denke ich, es ist einem Spieler sicher peinlich, wenn ein Croupier ihm zum Beratungstelefon bittet...andererseits könnte gerade das ein Anstoß für den Spieler sein, weil es peinlich ist ("Die Croupiers denken ich bin süchtig....hier gehe ich nie wieder hin !")

jaaa ääähh, das wollte ich nur mal sagen

Chris 
Ist wie immer, nur meine ganz private Meinung....

*

Offline Mike

  • ****
  • 193
  • Es ist nie zu spät.
Re: Präventive Maßnahmen 2
« Antwort #2 am: 09 Januar 2006, 20:29:57 »
Hi Ilona,

finde diese Modell hervorragend. Die Betreiber wollem dem Urteil des BGH´s gerecht werden. Jetzt mal mit dem nötigen Ernst.

Das zeigt doch eindeutig das die Betreiber überhaupt kein Interesse daran haben einen süchtigen Spieler vom Zocken auszuschließen o. zu schützen.

Wenn ein Mitarbeiter der Spielbank schon einen Gast an dieses Modell verweist, dann ist die Sucht doch offentlich erkennbar. Meiner Meinung nach müßte die Spielbank den Gast dann sofort schützen. Das würde allerdings bedeuten Ihn vom Spiel auszuschließen. Da zeigt sich doch eindeutig, dass das Urteil des BGH nicht weitgreifend war. Die Betreiber werden immer einen Weg finden den VORSORGLICHEN zu spielen.

Wenn wirklich Interesse bestehen würde den Spieler zu schützen, dann könnte man Ihn doch ganz einfach vom Spiel ausschließen. Aber das ist ja so ein großer Aufwand für die Spielbank. Da zahlt man doch lieber UNSUMMEN an Geldern um die armen Süchtigen gerecht zu werden.

Das ist der blanke Hohn! Schön weiterspielen! Wir sind immer für Dich da! Wenn es mal ganz schlimm wird verweisen wir Dich an eine Beratungsstelle. Aber DU darfst weiter zu uns kommen u. uns für diesen ach so großen Aufwand entschädigen.

Die Betreiber schreiben sich das auch noch groß auf die Fahne u. möchten damit Ihre Fürsorgepflicht rechtfertigen. Der Weg ist noch lang u. es bedarf wohl noch einiger Klagen bis der Gesetzgeber endlich umfassende Maßnahmen ergreift.

Ist die Rechslage nicht so: "Wenn die Spielbank erkennt das ein Spieler offensichtlich ein Problem hat, dann muß er vom Spiel ausgeschlossen werden?" Im Anschluß daran sollte dem Gast eine entsprechende Beratungsstelle genannt werden. Oder denke ich da etwa falsch?

In meinem Fall mußte ich sogar mit der Polizei drohen, damit die Spielbank überhaupt meine Selbstsperre annahm. Man wollte mich garnicht vom Spiel ausschließen, obwohl ich meine Sucht mehrmals offen vorgetragen habe u. das unter Zeugen.

Aber was soll die Aufregung. Die Spielbank "sponsort" doch eine Beratungsstelle u. das ist doch ausreichend.

Könnte gerade kotzen!

Lieber Gruß

Mike

*

Offline Chris

  • *****
  • 413
Re: Präventive Maßnahmen 2
« Antwort #3 am: 10 Januar 2006, 23:38:45 »
Hi Mike,   Eimer hinhalt...hier, nimm den !

Aber wenn der Croupier sagen würde, "Ey, Du bist Spielsüchtig, raus hier"....wäre das doch eine medizinische Diagnose, den er als Nicht-Arzt gar nicht machen dürfte.

Hey Moment mal, auf wessen Seite stehe ich eigentlich ?....mmmhh vielleicht sollte ich mich als Pressesprecher bei nen Casino bewerben ? :-\

Chris, schäm Dich ! Mike den Eimer wegnehm, den brauche ich jetzt selber....ztztzt
Ist wie immer, nur meine ganz private Meinung....

*

Offline Mike

  • ****
  • 193
  • Es ist nie zu spät.
Re: Präventive Maßnahmen 2
« Antwort #4 am: 15 Januar 2006, 12:07:58 »
Hi,

habe nochmals über dieses "Projekt" nachgedacht!

1) Die Spielbank ist doch nur an Ihrer Aussendarstellung interessiert. Eine bessere Werbung kann man sich wohl nicht "erkaufen"! Es soll vermittelt werden, wir schützen den süchtigen Spieler u. bezahlen das auch noch.

2) Eine Beratungsstelle, die sich so "kaufen" läßt ruft bei mir absolutes Mißtrauen hervor. Wie ernst nehmen die Ihre Verantwortung? Wird diese Beratungsstelle sich auch dafür einsetzen, dass die gesperrten Spieler in Zukunft vom Spiel ausgeschlossen werden müssen? Ein Geldgeber läßt sich so schnell keine Vorschriften machen, denke ich.

Sinnvoll wäre:

1) Der Betreiber führt die Ausweiskontrolle ein, die sich über Jahrzehnte bewährt hat.
2) Auffällige Spieler werden angesprochen u. vom Spiel ausgeschlossen. Ist jederzeit ohne weitere Begründung möglich!
3) Der Spieler wird an die Beratungsstelle verwiesen.

Dann würde ich der Spielbank auch abnehmen, dass sie wirklich etwas für süchtige, oft bereits gesperrte Spieler, tun wollen. Die Beratungsstelle weiterhin mit Geld zu unterstützen wäre dann auch ehrenhaft u. könnte als gutes Beispiel vermarktet werden.

Alles andere ist nur "Augenwischerei"

Liebe Grüsse

Mike

Re: Präventive Maßnahmen 2
« Antwort #5 am: 22 Januar 2006, 11:21:44 »
Hallo,
ich halte es für wichtig, daß zwischen Beratern und Anbieterseite kein Abhängigkeiotsverhältnis entsteht. Durch Annahme von Geld gerät man aber zwangsläufig in Abhängigkeit von den Anbietern. Dass schnelles Geld lockt, haben viele Spieler mit hohen Geldverlusten und ähnlichen Erfahrungen bis hin zur Glücksspielsucht erfahren. das sollte auf der Beraterseite nicht noch einmal wiederholt werden. Natürlich fehlt Geld für eine flächendeckende Versorgung Glücksspielsüchtiger und ihrer Angehörigen. Kein Geld hat jeder! Aber statt an die zuständigen Institutionen die notwendigen Forderungen zu stellen, wird die Abkürzung des Verfahrens über die Anbieterseite probiert und damit die Neutralität der Beratung gefährdet. Forderungen müssen an staatliche Stellen gerichtet werden, denn Bund, Länder und Gemeinden konzessionieren das Glücksspiel, also haben sie mit Kranken- und Rentenversicherungen auch für ein Hilfesystem zu sorgen, das dem Bedarf gerecht wird. Dieser Weg ist wohl etwas langwieriger, aber er erhält zumindest Eigenständigkeit und Neutralität, die m.E. unverzichtbar sind im Gegensatz zu Spielerberatung sponsored by westspiel. Dieser Weg macht auf Dauer zufrieden und nicht nur kurzfristig liquide. Alles klar ?
Sich selbst ernst nehmen, dem schnellen Geld gegenüber skeptisch sein, macht nicht nur berechtigt stolz, sondern führt dazu, daß wir ernst genommen werden.

Re: Präventive Maßnahmen 2
« Antwort #6 am: 22 Januar 2006, 12:14:50 »
Hallo,
Du hast völlig Recht. Diese Versuche mit den "zeitgemäßen Sozial-Sponsoring-Angeboten" sind sehr verbreitet, umso erfreulicher, wenn sie öffentlich gemacht werden. Es sind eben nicht einzelne, denen ein "verlockendes Angebot", Feigenblatt zu sein, gemacht wird. Uns sollte das immer skeptisch machen und daher erst überlegen und auch an die langfristigen Folgen denken. Was in der Therapie von Glücksspielern hilfreich ist, sollten die Institutionen auch für sich anwenden können?! Wer bezahlt, bestimmt doch letztlich die Musik!
Hier noch ein eindrücklicher Bericht aus der WDR5 SENDUNG LEONARDO, wie Selbsthilfegruppen z.B. von der Pharmaindustrie zu ködern versucht werden: http://www.wdr5.de/sendungen/leonardo/manuskript/ms060109_hilfe_mit_eigennutz_-_selbsthilfegruppen.pdf.
Herzliche Grüße

 

Wir danken dem AOK Bundesverband für die Finanzierung des technischen Updates dieses Forums