Einmal auf Kniffel, immer auf Kniffel
von J. Pott ririri Verlag 6,95 Euro ISBN: 554980168435-6548
Einmal auf Kniffel, immer auf Kniffel....könnte man sagen, hört sich zwar komisch, ist aber so.
Alles fing ganz harmlos an, in meiner Pubertät. Unsere Eltern waren zum Kegeln und wir Kinder vertrieben uns den Samstag Abend mit Kniffel. Ich war sofort angetan von diesem Spiel, Glück, Geschick und Taktik, das kam meiner Natur entgegen.
Wie es bei vielen Spielerkarierren so ist, gewann ich am Anfang ein Spiel nach dem anderen. Gleich am nächsten Tag fertigte ich mit meinem C64 hunderte von Ausdrucken für die Spielblätter. Sonntags spielten wir wieder zusammen, um den Reiz zu erhöhen mit Einsatz....Gummibärchen !
Das geheule meiner kleineren Geschwister störte mich wenig. Nachdem ich ihnen alle Gummibärchen abgenommen hatte, steigerten wir die Einsätze, Aufgaben die mir im Haushalt lästig waren (Rasen mähen, Tisch decken etc.) mußten die Verlierer übernehmen. Ich spielte mich regelrecht in einen Rausch. Wenn ich mal drei Tage keine Kniffelpartner hatte, begannen meine Hände zu zittern, ich schlich im Haus umher.
Kurzzeitig half da das Kniffelprogramm für meinen C64. Aber ohne Gegner, denen man sich Überlegen fühlen konnte, war das eher Witzlos.
Im laufe der Jahre wurde ich richtig bessen vom Kniffel. Schrieb mir lange Kolonnen von Taktiken auf, die mal aufgingen, meistens aber aus unerklärlichen Gründen scheiterten. Freunde kamen und gingen meistens rasch wieder. Meine erste Freundin erklärte mich zu einen "Hirni".
Ich sah es als Auszeichnung an.
Während meiner Lehre als Drucker fand ich einige Gleichgesinnte, aber die Wege trennten sich auch früher oder später. Meistens verkniffelte ich mein Lehrlingsgehalt in der ersten Woche.
Als ich zum Zivildienst in einem Altenheim kam, fand ich, wie ich dachte, das ElDorado, das Paradies auf Erden, den goldenen Topf am Ende des Kniffelbogens. Die Senioren kniffelten was das Zeug hielt, selbst jene, die ihre eigenen Kinder nicht mehr erkannten, lebten beim abendlichen Kniffelspiel wieder auf.
Ich stieg voll ein...gleich zu Anfang hatte ich eine Kniffelserie mit 7x Kniffel hintereinander...davon zerrt man Jahre. Zocker kennen das, einmal im Leben einen Run, davon erzählt man Jahrelang, während man gleichzeitig die Leute anschnorrt "Eh, haste mal nen Euro ?"
So im Nachhinein betrachtet glaube ich, die Würfel waren gezinkt. Die Alten Säcke haben mich erstmal voll angekniffelt, um mich dann wie eine Weihnachtsganz zu schlachten. Mein ZiviGehalt war meisten am 2. Abend im Monat schon weg. Die Alten erpressten mich dann, wenn ich verlor mußte ich ihnen kleine Gefälligkeiten erweisen (Hornhaut raspeln, Fußnägel schneiden etc.) Wie habe ich mich erniedrigen lassen, von diesen Metusalems der Hölle.
Um wenigestens abundzu mal ein Erfolgserlebnis zu haben, kniffelte ich mit meiner Freundin, die war nicht sonderlich begabt dazu.
Sie trennte sich dann von mir, nur weil ich sie ein paar Mal Morgens um 03:00 Uhr geweckt hatte zum Kniffeln. Also für so wenig Verständnis hatte ich echt kein Verständnis.
GottseiDank war die Zivizeit irgendwann um, so das ich dieses anrüchige Millieu verlassen konnte "Ihr seht mich nie wieder, Ihr CoregaMafia !" rief ich noch, dann schmiß mich der Leiter des Altenheims raus.
Eines Tages, ich kam ganz abgebrannt nach Hause, ein Penner hatte mir am Einkaufswagenstand bei Aldi meine ganze Kohle abgeniffelt und den Schlussel meiner Ente 2CV. Ich war am Boden zerstört !
Aber es half mir, mein Problem zu erkennen. Ich machte einen kalten Entzug, mit Mathetee und Zwieback schloss ich mich im Wandschrank meiner Wohnung ein. Ich kam los von diesem Teufelszeug ! Seit dem habe ich nie wieder Mathetee getrunken.
Heute gehe ich einen geregelten Tagesablauf nach. Morgens schnorre ich am Bahnhof Kleingeld, sitze dort auf dem Lüftungsrost von McDoof, da ist es immer so schön warm. Wenn ich genügend zusammen habe, treffe ich mich mit anderen Kniffeljunkies hinterm Bahnhof, da wo es immer so nach Urin, Kotze und Verlierern riecht und kniffel mir das letzte bischen Hirn weg. An guten Tagen kriegen wir von "TischleindeckDich" etwas zu essen und die Bahnhofsmission spendiert nen Kniffelblock oder nen Kuli. Wenn wir mal keine Würfel haben, kniffeln wir mit den Nummernschildern vorbeifahrender Autos, oder denken uns einfach die Würfe aus. Bei letzteren verliere ich immer, weil die anderen sich bessere Kolonnen ausdenken. Manchmal glaube ich, die schummeln.
Manchmal gehe ich auch nur die Gleise entlang, spazieren und denke, da ist ein Licht am Ende des Tunnels zu sehen....
Euer Jack