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Meine Story

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Meine Story
« am: 02 Mai 2024, 00:23:14 »
Hallo zusammen,

Ich lese häufig und gerne andere Beiträge. Bin eigentlich immer stiller Mitleser aber irgendwie habe ich die Hoffnung das mir das Niederschreiben und eventuelle Antworten helfen könnten.
Ich bin 26 Jahre alt und zocke seit dem ich 17 bin. Ich habe mittlerweile einen relativ guten Job und bin zurzeit Beamter auf Probe. Mein Gehalt ist nicht viel aber 2000 Euro netto reichen für mich aus (ledig, keine Kinder) um meine Kosten zu decken und noch etwas mehr. Angefangen mit den ersten Wett-Scheinen über Automaten hin zu Online Casino. Ich erinnere mich noch als ich meine ersten Fußballwetten abgeschlossen habe.
Maximal 2 Euro Einsatz mit über 15 Spielen für einen Gewinn von 1500 Euro. Man hat sich vorgestellt was man sich alles davon holen könnte. Wenn man damals nur gewusst hätte wo man landen wird...
Natürlich ist nie ein Schein gekommen. Komischerweise hatte ich bei allen verschiedenen Glückspielformen nie am Anfang diesen Riesen Big Win der einen packt. Im Gegenteil. Ich habe überall eigentlich verloren. Dennoch weiter gemacht.
Klar sind mal die kleinen Scheine gekommen. 30 Euro Gewinn und man hat sich unfassbar gefreut. Dann kam der erste Spielo Besuch. Natürlich hat ein damaliger Freund mich angeheuert einfach mal mitzukommen und 2 Euro reinzuschmeißen. Es hat mich fasziniert. Auch hier habe ich am Anfang nie wirklich viel gewonnen und ich muss sagen das mich die Automaten auch nicht ansatzweise so viel Geld gekostet haben wie Sportwetten und Online Slots. Mir war es eher peinlich dorthin zu gehen. Nicht das mich jemand sieht dachte ich mir. Denke es geht vielen so. Ich war meistens mit Freunden und nur einige male alleine. Auch das rüberbuchen und warten bis man endlich spielen kann hat mich genervt. Ich habe damals entdeckt das die Wettbude ein Casino angeboten hat. (einige kennen es vielleicht noch). Zu diesem Zeitpunkt hatte ich ca. 400 Euro Minus gemacht bei den Sportwetten und war 19 Jahre alt. Ich habe am Anfang immer Live Roulette gespielt. Immer 15 Euro eingezahlt und geguckt wie weit man kommt. Ich habe zu dem Zeitpunkt in einem Minijob während dem Abitur gearbeitet. Ca. 300 Euro wovon 100 abzugeben waren und ich 200 für mich (zum zocken) hatte. Ihr könnt euch ja denken wie viel Geld ich am Ende des Monats über hatte..
Ich dachte mir das ist ja nur Spielgeld und ich verdiene ja eh noch nicht richtig. Wenn ich irgendwann mein erstes richtiges Gehalt habe höre ich sofort auf. Und so kam es, dass ich Monat für Monat mein Geld verzockt habe. Dann habe ich nach dem Abitur mehr Geld verdient. Habe ca. 700 Euro im Monat zur Verfügung gehabt. Ich habe natürlich nicht aufgehört sondern die Einsätze haben sich nur angepasst. Ich spielte nur noch. Sogar während der Arbeit. Es war ja so einfach auf dem Handy. Eines Tages kam es dazu das ich einen Lauf hatte. Ich hatte mich auf 600 hochgespielt. Immer weiter. Am nächsten Tag bin ich auf 2000 Euro hochgekommen. Am nächsten Tag darauf auf 4000. Es war wie im Rausch. Ich konnte in den 3 Tagen an nichts anderes denken als das zocken. Ich hatte Poker gespielt. Nur Poker im Live Casino. Ich hatte mich auf 4700 Euro hochgespielt. Natürlich bin ich zwischendurch immer wieder auf 1000-2000 Euro abgefallen aber dann immer wieder mit 'Kamikaze' Einsätzen nach oben gekommen. Das ist ein riesen Problem was ich selber merke. Sobald ich verliere legt sich bei mir der Schalter um und ich merke direkt wie ich bereit bin alles was ich habe zu setzen nur um wieder da zu sein wo ich vor dem Verlust war. Jedenfalls wollte ich die 4700 Euro glatt machen und auf 5000 Euro hochgehen um dann auszuzahlen  ( so habe ich mir das zumindest eingeredet ). Es kam wie es kamen musste. Ich habe das letzte Blatt was mir gefehlt hat nicht gewonnen und konnte von Minute zu Minute zusehen wie ich den kompletten Bezug zu Geld verliere. 600 Euro Einsatz pro Blatt. Bis ich schlussendlich bei 0 Euro gelandet bin. Das Gefühl werde ich nicht vergessen. Es war eine unfassbare Leere in mir drin. Das Gefühl sollte ich noch einige male erleben. Ich hatte 4700 Euro in wenigen Minuten verzockt. Ich muss dazu sagen das war mehr als ich in einem halben Jahr verdient habe. Ich komme leider auch aus sehr schwierigen Verhältnissen. Mein Vater ist schwer krank und zu meiner Mutter besteht seit meiner Jugend kein Kontakt mehr. Dies ist aber kein Grund für mein Suchtverhalten. Daran bin ich ganz alleine Schuld. Ich hatte zum damaligen Zeitpunkt eine Freundin. Natürlich hatte ich ihr nichts von allem erzählt aber sie hat natürlich gemerkt das ich am Boden zerstört war. Ich habe viele Menschen schlecht behandelt und war emotional ständig auf einer Achterbahnfahrt. Seit nun 9 Jahren. Ich habe noch nie mit jemandem über diese Sucht geredet. Ich habe dann erstmal Pause gemacht. Wochenlang dachte ich über diesen riesigen Verlust nach. Ich habe davon auch körperlich zu spüren bekommen. Der Stress hat mir sehr zugesetzt. Aber irgendwann war es okay. Ich habe dann wieder angefangen mit dem Spielen. Warum genau weiß ich nicht. Irgendwie aus Langeweile. Ich habe immer wieder viel verloren und ein kleines bisschen Gewonnen. Das Spielen war seitdem ich ca. 20 bin mein ständiger Begleiter. Eine längere  Pause als 1 Monat gab es dort nie. Ich hatte nie ein schlechtes Gefühl beim Einzahlen. Erst als das Geld weg war kam der Gedanke was man alles hätte mit dem Geld anfangen können. Ich habe nie wieder groß gewonnen. Bis auf letzten Monat. Dann kam der Gewinn von insgesamt 3500 Euro in den Online Slots. Ich dachte mir den Fehler wie damals machst du nie wieder. Ich zahlte das Geld sogar aus. Aber natürlich habe ich immer wieder einen kleinen Teil eingezahlt, bis irgendwann wieder alles weg war. Wieder diese Leere. Ich schwörte mir wie auch schon die anderen 999 male zuvor das wars. Ich höre auf. Und so schreibe ich hier. Natürlich habe ich nicht aufgehört. Sobald die Langeweile kommt zahle ich ohne Probleme meinen gesamten Kontostand ein und verzocke alles. Ich habe sogar schon einen Kredit von 1500 Euro aufgenommen nur um diese Summe am selben Tag zu verzocken. Den Kredit zahle ich aktuell noch ab. Egal wie oft ich mir sage ich höre auf. Ich höre nicht auf. Immer wieder kommt der Gedanke. Vielleicht klappt es mit diesen 100 Euro ja. Und zahle sofort nach sobald sie weg sind. Ich kann an nichts anderes denken. Ich will einfach nur mein Geld zurück. Obwohl ich weiß das ich es eh wieder verzocken würde. Insgesamt würde ich meinen Gesamtverlust auf etwa -30.000 Euro schätzen. Mir wird schlecht wenn ich daran denke. Aber viel wichtiger als das Geld ist mir eigentlich das ich davon wegkomme. Ich will endlich wieder in Ruhe leben und will meine Emotionen nicht mehr davon abhängig machen ob ich gerade im Plus bin oder nicht. Ich habe viele Probleme im Leben außerhalb von der Spielsucht und trotzdem mache ich mir das Leben selber noch so unnötig schwerer. Ich könnte noch so viel erzählen von Nächten in denen ich vom Großen Gewinn geträumt habe nur um dann aufzuwachen und zu merken das es gar nicht Wirklichkeit ist oder von 400 Euro Wetten die ich um 3 Uhr Nachts abgeschlossen habe auf Mannschaften deren Namen ich nicht mal aussprechen kann. Ich habe mit Augen zu auf meinem Handy rumgedrückt weil ich so Müde war aber trotzdem weiterspielen wollte und habe nur auf den Sound geachtet ob ich nun gewonnen hatte. Ich weiß das viele mich verstehen und deswegen schreibe ich es genau hier. Vielen Dank schon mal an alle fürs Lesen. Ich hoffe wir kommen eines Tages alle von diesem Teufelszeug weg.
« Letzte Änderung: 02 Mai 2024, 05:46:40 von Olli »

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Offline Olli

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Re: Meine Story
« Antwort #1 am: 02 Mai 2024, 06:39:42 »
Hi und herzlich willkommen!

Bitte bewerbe hier keine Glücksspielanbieter. Dann habe ich die Bitte, dass Du von nun an die Formulierungen mit "man" sein lässt. Da Du ja von Dir redest, darfst Du von mir aus 1000 mal das Wort "ich" in einem Satz verwenden. Du nutzt das "man", wenn es für Dich im Erzählten unangenehm wird. Damit schiebst Du es aber von Dir weg. Du bist Du ... mit sicherlich vielem Positiven, aber auch dem gefühlt Negativen. Es gehört auch zu Dir und es ist gut so, wie es ist!

Puh ... wie soll denn da etwas Anderes als Glücksspiel bei rum kommen, wenn Du derart Dir merkst, welche Beträge Du wann eingezahlt, gewonnen, verloren und was weiß ich nicht noch alles damit gemacht hast. Gestern hat Wolke7 ein Video von "Better call casy" eingesetzt. Sie hatte negative Gedanken besprochen, die uns beherrschen können. Vielleicht hilft Dir das ja auch diese Gedanken los zu werden? Versuche es mal: https://youtu.be/O_Cr3eN0ZUs?feature=shared

Nun, es ist gut, dass Du nun aus Deinem Versteck gekommen und selbst mal etwas geschrieben ... also aktiv geworden bist. Schließlich weißt Du ja mittlerweile selbst, dass das Glücksspiel Dich immer weiter in die Verschuldung treibt. Als Beamter auf Probe darfst Du aber ja keine PI machen, dann kannst Du den Beamtenstatus vergessen. Wie dann Deine berufliche Zukunft aussiehst, darfst Du Dir selbst ausmalen.

Dann mag ich nicht, dass Du sagst, Du wärest ja selber schuld. Nun, ich mag da lieber das Wort verantwortlich nehmen. Wenn eine Schuldfrage geklärt ist, dann frage ich mich immer: Und was kommt jetzt? Ist das Thema damit durch? Bin ich aber verantwortlich, dann stelle ich mir die Frage: Wie kann ich dieser Verantwortung nun gerecht werden? Mein Gefühl hier weist eine Zukunftsorientierung auf und bringt mich ins Handeln.

Vielleicht sind auch beide Worte eigentlich falsch. Wolltest Du süchtig werden? Das Glücksspiel übt immer eine Funktion aus ... es füllt eine Lücke. Wieso sollte das nichts mit den Umständen zu tun haben, die Du da mit Mutter und Vater geschildert hast?
Auf jeden Fall erscheint es mit so, als wolltest Du Dich selbst schlecht machen ... auch bei Deinem Beruf. Du stehst doch am Anfang Deiner beruflichen Karriere. Da kommen noch die Erfahrungsstufen, die Du hinaufklettern darfst in der Besoldungstabelle. Welche Möglichkeiten gibt es da Dich weiter zu bilden? Ich kenne mehrere Leute, die haben weitaus weniger an Gehalt ...
Na klar kann ein Gehalt immer besser sein ... dann tue etwas dafür ... schaue genau hin, ob da eine Nische ist, in der Du Dich breit machen und wohl fühlen kannst. Bringt Dir diese Nische vielleicht auch mehr Besoldung?
Ich habe mich früher auch immer klein gemacht, was meinen Beruf anging. Der hat sich Gott sei Dank in seiner Wertigkeit deutlich gewandelt ... und damit auch das Gehalt. On Top übe ich Ingenieurtätigkeiten in meiner Nische aus, was sich auch bezahlt gemacht hat.

Schaue mal in meine Signatur ... dort steht der Link zum Samstagsmeeting um 19 Uhr. Einfach anklicken und mitmachen ...
Es kann sogar sein, dass jemand in Deinem Alter wieder dabei ist, falls Dir das hilft ...

Oben rechts auf der Seite gibt es einen Link zu weiterführenden Hilfsmöglichkeiten. Ganz ganz dringend lege ich Dir ans Herz Dir Hilfe vor Ort zu gönnen. Gehe in eine SHG in Deiner Nähe und gehe in eine Suchtberatungsstelle. Warte damit nicht ... Du bekommst das hin.

Dann richte Dir eine befristete Sperre auf 99 Jahre bei OASIS ein: https://rp-darmstadt.hessen.de/sites/rp-darmstadt.hessen.de/files/2022-03/musterantrag_auf_selbstsperre.pdf
Hier: https://rp-darmstadt.hessen.de/sicherheit-und-kommunales/gluecksspiel/spielersperrsystem-oasis/spieler-faqs gibt es die dazugehörige FAQ und am Sonntag, schaue mal unter "Aktuelles und Termine" gibt es im FAGS-Online-Cafe Herrn Richter zu genießen, der über OASIS referiert.

Zu guter Letzt gibt es noch eine Aufgabe für Dich, die Dir nicht schmecken wird. Offenbare Dich einem Familienmitglied oder einem Freund.


Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
Hier geht es zum Samstagsmeeting_ https://us02web.zoom.us/j/87305340826?pwd=UnFyMlB6bkwyTHU3NGVISWFGNSs2

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Offline Wolke 7

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Re: Meine Story
« Antwort #2 am: 02 Mai 2024, 08:08:29 »
Moin,moin,

herzlich Willkommen hier im Forum . Mit 26 Jahren 2000 netto ist schon sehr viel.

Erkundige dich bitte wegen deines Beamtenstatus auch mal genau wegen einer Therapie....Manche können dir da Probleme bereiten. Nicht bei allen Diagnosen....aber bei manchen. Bist du Selbstzahler, steht nix in deiner Akte.

Aber eine SHG kannst du immer und überall anonym und kostenlos besuchen. Der Austausch mit anderen Spielern ist unheimlich wichtig und hilft ungemein. Dort lernt man sehr viel und kann alles rauslassen.

Das verlorene Geld musst du anschreiben. Ist schwer und dauert,aber wenn du das schaffst, kannst du viel leichter an der Sucht arbeiten.  Nicht über Dinge ärgern und nachdenken, die man eh nicht ändern kann. Machen einen Cutt und alles ab heute zählt und deine Zukunft kannst du beeinflussen. 

Nimm das Samstagmeeting von Olaf wahr und schreib hier was das Zeug hält.  OASIS Sperre ,Freund einweihen ,der eventuell beim Geldmanagement hilft,Onlinebanking abmelden, Rechnungen abbuchen lassen, andere Rechnungen am Schalter bezahlen. Gamban (Sperrsoftware) auf Handy und Laptop drauf machen.....baue dir soviele Hürden ein wie es geht, das verhindert das man mal eben schnell zocken kann.

LG Wolke


 

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