Glücksspielsucht > Glücksspielsucht Allgemein
Unnötig gezockt
Olli:
Guten Abend!
In 2021, nachdem ich viele Jahre nicht mit meinen Eltern gesprochen hatte, verstarb meine Mutter. Daraufhin nahm ich wieder Kontakt auf zu meinem Vater. Er hat selbst immer gespielt, doch in geregelten Bahnen. Obwohl er wusste, dass ich seit meinem 18. Geburtstag spielsüchtig war, hat er es nie für nötig empfunden, sich über die Glücksspielsucht zu informieren. Vermutlich hätte er sich ja mit seinem eigenen Verhalten auseinander setzen müssen.
Als ich hier bei mir für uns zwei kochte, schnitten wir irgendwie das Thema Glücksspielsucht an und auch er meinte, dass für ihn diese Sucht eine reine Charakterschwäche sei.
Früher wäre ich im nu auf der Palme gewesen, sprach er doch eigentlich gerade ja von mir. Doch ich weiss es ja besser. Gerade wir Glücksspielsüchtigen sind sogar oftmals sehr charakterstark! Leider setzen wir unseren Willen nur für das Falsche ein ...
Es sei Dir also versichert: Die Glücksspielsucht ist eine Krankheit! Sie ist in der ICD 10 und 11 erfaßt, sowie in der DSM 5. Sie gilt also offiziell als anerkannt!
Die Glücksspielsucht ist nicht heilbar, wir können sie aber zum Stillstand bringen und lernen MIT ihr abstinent zu leben!
In zwei Wochen bin ich selbst 18 Jahre spielfrei ... ist das zu fassen? Als ich noch aktiv war, war das für mich unvorstellbar.
Und so spielte ich ... immer weiter ... Ich hatte viele spielfrei Phasen in den 20 Jahren meiner Karriere. Doch abstinent war ich nie. Ich hatte immer nur Spielpausen eingelegt.
Dann, am Samstag, den 01.07.2006 verließ ich um Punkt 0 Uhr die Spielhalle, fast das gesamte Gehalt verzockt ... und ich schwor mir: Damit hörst Du ab sofort auf! Dieser Schwur war anders als all die hunderte vorher. Mir waren die Konsequenzen egal ... ich wollte nicht mehr lügen und ich wollte mich vor allem wieder selbst im Spiegel ansehen können.
Auch für Dich gibt es kein halbschwanger ... Du wirst von nun an abstinent leben oder aber so weiter machen, wie bisher.
Deine spielfreien Phasen zeigen Dir, dass Du durchaus spielfrei sein kannst. Allerdings hattest Du bisher immer im Hinterkopf, dass Du Dir jederzeit wieder die Erlaubnis zum Spielen geben wirst. Nun darfst Du Dir Erlaubnis erteilen, spielfrei zu bleiben!
Weisst Du, wie oft ich auch meinen Eltern geschworen hatte aufzuhören? Oh je ... War es also verwunderlich, wenn mein Vater mir Charakterschwäche vorwarf? Wie oft hatte ich ihn enttäuscht! Gleichzeitig war aber doch das Glücksspiel bei mir positiv besetzt. Es waren nicht nur die Endorphine, die mein internes Belohnungssystem ausschüttete. Ich erhielt auch Bestätigung im Spiel. Der Automat stellte keine Erwartungen an mich auf, die ich doch nicht erfüllen konnte und wollte.
Wenn Du Dich in dieser "nassen" Verfassung befindest, dann sind Verletzungen Deiner Liebsten vorprogrammiert. Doch wenn Du ernsthaft spielfrei werden und bleiben möchtest ... nutzt Du dann nicht gerade Deine Charakterstärke?
Sicherlich kennst Du den Wert sich Hilfe zu gönnen. Wie lange hast Du diesen Wert mit Füßen getreten? Nun greifst Du ihn aber wieder auf und lebst ihn. Ist das nicht alles schon genug, damit Du nicht nur stolz auf Dich sein kannst, sondern auch zeigst, dass Du es ernst meinst?
Deine Frau hat ein Recht zu erfahren, wie es Dir geht! Da gibt es keine Argumente, die nicht gleichzeitig auch Ausreden sind, mit denen Du dieses Recht wiederlegen kannst. Gar nichts ...
Was Dich blockiert, das ist die Scham ... was meinst Du, wieso die Meisten hier im Forum lesen und schreiben und sich eben nicht als Spieler zeigen? Darf ich fragen, ob Du irgendwo im Orient Deine Wurzeln hast (außer heute hier)?
Gerade im Islam wird z.B. das Glücksspiel verteufelt und in Familien wird die Sucht (schein)tot geschwiegen. Wenn Du diese Werte in Deiner Erziehung inbegriffen hattest, dann wird es einiges schwerer, Dich von der Notwendigkeit der Offenbarung zu überzeugen.
So ... für heute habe ich genug geschrieben ... mir fallen gleich die Augen zu ...
Von daher wünsche ich eine gute Nacht!
Rubbel:
Hallo Anonym,
danke für die Offenheit! Ich stamme auch aus einer eher 'armen' Familie, und ich weiß, dass es schwierig ist, den gesunden Mittelweg mit Geld zu finden. Vielleicht für Menschen wie Dich und mich besonders. Ich denke allerdings, dass das generell nicht einfach ist.
Mir ist ansonsten vieles aufgefallen in Deiner aktuellen Nachricht, was ich wichtig finde - und weswegen ich Dir raten möchte: Geh zu einem Psychologen und/oder vorher in eine Selbsthilfegruppe oder eine Beratungsstelle, und weil Du dort auch 'anonym' bist, wäre es gut, das alles zu erzählen, was Du hier geschrieben hast.
Noch eine Frage: Lebt Deine Mutter noch in Deiner Nähe?? Hast Du Geschwister? Wo war Dein Vater damals hin?
Das musst Du hier nicht beantworten - klaro nicht.
(Mir ist nur u.a. aufgefallen, dass Deine Mutter das 'saubere' Geld - Dein Verdientes - bekommen hat und Du Dir das 'schmutzige' noch mal 'erarbeiten' willst.)
VG, R
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