Glücksspielsucht > Tagebuch
Soviele Rückschläge, soviel Leid - habe ich das verdient?
margo013:
Hallo zusammen.
Ich schreibe hier zwar Zeilen auf, aber innerlich bin ich sogut wie nicht mehr vorhanden.
Jahrelang diese quälende Sucht. Die ganzen Gewissensbisse, die Flucht vorm Leben. Für was?
"Einmal noch spielen, der große Gewinn und dann Schluss"
Wir kennen es alle.
Bei mir kam der große Gewinn wirklich. Nicht einmal, nein, vier Mal in den letzten 3 Monaten. So viel Geld, das mein verspieltes Geld aus diesem und letzten Jahr ausgeglichen wäre.
Doch was bringt das alles? Das Glück war nur von kurzer Dauer. Der Gewinn war meist noch in der selben Nacht weg und was blieb, war ein Haufen Elend und das schöne Geld war dahin. Ich bin nicht mehr ich selbst. Das seit ca. 6 Jahren.
Es ist ein Kreislauf - was erzähle ich euch? Jeder der selbst betroffen ist, weiß wovon ich spreche.
Gibt es Hilfe?`
Ich habe wirklich fast alles versucht.
Selbsthilfegruppe, Selbstschutz, Menschen anvertraut, mich selbst für alles bestraft.
Nichts hat geholfen, diese süßliche Verlagen ist immer da. Es ist, als würde ich meine Hand ins Feuer legen und das Gefühl fühlt sich gut an.
Ich habe kein Kraft mehr. Ich habe keinen Willen mehr, es raus zu schaffen.
Es ist beängstigen für mich.
Einzig meine Familie gibt mir halt, ich habe es so oft versprochen doch konnte nie mein Wort halten.
Es ist zudem schwer, sich selbst noch im Spiegel anzuschauen.
Was soll mich je aus diesem Sumpf befreien? Ich habe keine Ideen mehr, ich weiß nicht mehr weiter.
Eine Therapie wäre super, ich hatte bereits Kontakt aufgesucht, doch was soll ich sagen? Elend lange Wartelisten und nach zwei Jahren hatte ich es satt, jeden Monat meinen Warteplatz zu erneuern.
Es ist frustrierend.
Am liebsten hätte ich eine Tablette, die mich alles vergessen lässt was war und überhaupt die Existenz des Spielens ebenfalls auslöscht.
Dann hätte ich mein schönes Leben zurück. Nun, Träumen darf man ja.
Genug geschwafelt.
Ich habe Probleme und das wirklich starke.
Nach Außen repräsentiere ich den starken Charakter mit klugen Entscheidungen und Verantwortungsbewusstsein.
Abends werde ich zum Alter Ego: Die Onlinecasinos zerren mich an den Computer und lassen mich nicht los. Gerne mal auch bis 7 Uhr in der Früh, obwohl um 8 Uhr der Wecker zur Arbeit klingelt.
Kontrolle über mich selbst? Das war mal was.. vor Jahren.
Was habe ich für Möglichkeiten? Einzig hilfreich war in der Vergangenheit, meine Geldmittel zu limitieren, was ich auch jetzt tun werde.
Doch wo ein Wille ist, da auch ein Weg, wir kennen es alle.
Es gibt Momente, da möchte ich gar nicht aufhören zu spielen - was habe ich sonst im Leben was mir Freude bereitet? Und das ist der springende Punkte: ich habe nichts in meinem Leben, was nur ansatzweise den Platz des Spielens und die Gefühle damit ersetzen kann. Ich habe zig Dinge probiert, zwecklos.
Nun.
Jetzt sitze ich hier, schreibe meine Seele in ein Spielsuchtforum.
Der Tag war wieder mal ähnlich zu den Tagen aus den letzten Monaten. Geld verspielt, Geld gewonnen, Man möchte auszahlen, die Verifizierung dauert länger (Casino kennt ja uns Süchtige) und das Geld geht im hohen Bogen wieder in den Sumpf.
Ich will raus. Raus aus diesem Hamsterrad. Raus aus dieser quälenden Sucht. Raus raus raus.
Das sage ich jetzt. Morgen Abend zur gleichen Zeit, kann das schon ganz anders wieder aussehen.
Ich habe keine Kraft mehr. Kraft mehr stark zu sein. Kraft mehr das alles zu ertragen. So viele Rückschläge haben mich zu einem gebeugten Mann verprügelt. So oft habe ich versucht aufzustehen, keine Chance.
Olli:
Einen wunderschönen guten Morgen!
Herzlich willkommen in unserer Runde und vielen Dank, dass Du Deine Gedanken und Gefühle mit uns teilst.
Nun, wenn ich Deinen Beitrag lese, dann denke ich nicht nur an all die vielen Beiträge und realen Erzählungen anderer User und SHG-Freunde zurück, ein Stück weit erinnern Deine Worte mich auch an mich selbst.
Aber ich darf Dir vorausschicken: Ich habe es geschafft spielfrei zu werden. Ich, der 20 Jahre lang, sofern die Mittel es erlaubten, jeden Tag in die Hallen gerannt ist. Ich, dessen Selbstwert zur damaligen Zeit so dermaßen im Keller war, dass ich bloß noch einen Meter buddeln brauchte und ich wäre in China rausgekommen.
Ist die Glücksspielsucht eigentlich eine Sucht? Dies wurde ich im letzten Online-Meeting gefragt. Die Glücksspielsucht ist eine Gewöhnung, die aus dem Ruder gelaufen ist. Sie geht einher mit jede Menge falschen Glaubenssätzen, die es uns schier unmöglich macht, daraus auszusteigen.
Was ich mir aber angewöhnen kann, dass kann ich mir auch wieder abgewöhnen. Falsche Glaubenssätzze können überprüft, aufgegeben und durch Glaubenssätze ersetzt werden, die ich mir selbst erarbeite.
--- Zitat ---Es gibt Momente, da möchte ich gar nicht aufhören zu spielen - was habe ich sonst im Leben was mir Freude bereitet? Und das ist der springende Punkte: ich habe nichts in meinem Leben, was nur ansatzweise den Platz des Spielens und die Gefühle damit ersetzen kann. Ich habe zig Dinge probiert, zwecklos.
--- Ende Zitat ---
Der Klassiker schlechthin ... Was könnte Dir sonst so viel Freude bereiten? Ja Menschenskinder ... hast Du Deinen eigenen Beitrag nicht gelesen? Ist das Freude, die da aus Dir spricht? Selbst wenn Du heute spielst ... verspürst Du da noch die gleiche Freude, die Du in den Anfängen verspürt hattest? Welche Gefühle und in welcher Intensität kannst Du benennen, die Du vor, während und nach dem Spiel erlebst? Gibt es dort Feinheiten in der Unterscheidung oder sind es doch nur ausgesuchte Gefühle, die extrem verspürt werden wollen?
Du brauchst nichts zu suchen, was das Glücksspiel ersetzt! Was an seine Stelle tritt, ist die Normalität - und sie ist gar nicht langweilig. Wenn Du in sie hineinhorchst, dann ist sie sogar spannend und voller Emotionen. Wann hast Du das letzte Mal einen Spatziergang gemacht und hast den Geräuschen der Natur gelauscht? Das Rascheln im Unterholz gehört? Dir Diskussion zwitschender Vögel gelauscht oder einfach nur dem Wind, wie er durch Blätterwerk streicht?
Ich habe in den letzten Monaten meinen Heimatort erkundet ... mit dem Fahrrad. In vielen Ecken war ich noch nie gewesen, andere weckten Erinnerungen. Denken - Fühlen - Handeln sind untrennbar miteinander verbunden. Also kamen zu den Erinnerungen auch Gefühle hoch.
Wird es einfach aufzuhören? Nein, das wird es nicht. Deine körpereigenen Glücklichmacher wurden in den letzten 6 Jahren in Massen ausgeschüttet. Dein Körper hat darauf reagiert und die Aufnahme/Verarbeitung reduziert. Wenn Du also eine "normale" Emototion verspürst, dann wirst Du sie zunächst vielleicht gar nicht oder total abgedämpft verspüren. Die Welt wird Dir emotionsleer vorkommen. Doch bleiben die Endorphinausschüttungen durch das Glücksspiel aus, dann gewöhnt sich auch Dein Körper wieder um. Er normalisiert sich und Du wirst das Gefühl haben, dass sich Deine Emotionen wieder verstärken.
Ich darf es sagen, ja? Es soll Dir ja helfen und nicht schaden ... Du jammerst, was das Zeug hergibt. Gleichzeitig hast Du Dir in der Vergangenheit anscheinend Scheunentore zum Glücksspiel offen gelassen. Du selbst nimmst das Wort in den Mund ... Kontrolle. Du hast aber nicht versucht Deine Abstinenz zu kontrollieren, sondern Deine Sucht. Daraus folgt, dass Dein Leiden noch nicht so groß ist, als dass Du Deine Sucht zu Deinem eigenen Wohl aufgeben möchtest. Waren Deine SHG-Besuche vielleicht, wie bei mir damals auch, Versuche, Dir selbst ein Alibi zu liefern: Schau her, ich tue doch was ... um sich dann doch der Sucht zu ergeben?
Du brauchst ungefähr ein Jahr, um ausreichend Abstand zum Glücksspiel aufzubauen und Deine Emotionswelt zu normalisieren. Wie lange haben Deine bisherigen Versuche angehalten? Sie waren doch garantiert kürzer ... oder? In diesem Jahr gilt es für Dich, Dich mit Dir selbst zu beschäftigen und Dich im wahrsten Sinne des Wortes kennen zu lernen. Auch wenn das Wort "Arbeit" oftmals negativ besetzt ist, so finde ich trotzdem keine besseren Worte, die beschreiben, was unsere Aufgabe auf dem Genesungsweg ist. Es ist die Arbeit an uns selbst, mit der unsere Genesung von Erfolg gekrönt ist oder nicht.
Ja na klar kannst Du - und solltest es sogar - Deine Geldquellen versiegen lassen, Dazu kannst Du ein gemeinsames Geldmanagement mit einer Person Deines Vertrauens vereinbaren. Bedenke, solch ein Geldmanagement ist ein Hilfsmittel und sollte immer zeitlich beschränkt sein. Du bist derjenige, der darüber entscheidet. Fühlst Du die Sucht noch zu stark in Dir ... dann wird das Geldmanagement eben noch ein paar Monate fortgeführt. Du hast diese Zeit. Niemand, außer vielleicht Du selbst, hetzt Dich.
Komme am Samstag in das Online-Meeting. Installiere Dir einen kostenlosen Zoom-Client und dann klickst Du pünktlich um 19 Uhr auf den Link in meiner Signatur. Was hälst Du davon?
Wenn ich es aus dem Sumpf geschafft habe, dann schaffst Du das doch allemal ... :)
still alive:
Hallo Margo,
deine Worte haben mich tief bewegt, denn mir ging es vor einigen Jahren genauso. Wirklich 1 zu 1, bis auf den großen Gewinn erkenne ich keinen Unterschied.
Aber die Qual, die du durchlebst, kennen die meisten von uns.
Wenn man noch ein Fünkchen Hoffnung hat, könnte man diese nehmen, am Morgen aufstehen und sich sagen, dass heute ein neuer Tag ist. Du hast jeden Tag die Chance neu anzufangen. Als ich damals die Entscheidung für mich getroffen habe, war ich an einem Punkt, an dem ich mich selbst nicht mehr ertragen konnte. Ich wollte nicht mehr das übellaunige Wrack sein, ständig schlechte Laune, Wut im Bauch weil ich wieder alles verloren habe. Ich habe mein früheres Ich betrauert, so glücklich und zufrieden. Da wollte ich wieder hin. Mittlerweile sind 5 Jahre vergangen, sogar auf den Tag genau.
Heute könnte auch dein neues Leben beginnen. Setze dich mit Papier und Stift hin. Schreibe deine Schulden auf (wenn du welche hast), notiere dir, was gut in deinem Leben ist, was ist dir wichtig? Vor allem was du nicht mehr in deinem Leben willst? Die Schuld steht wahrscheinlich ganz oben…
Wichtig ist, dass du anfängst etwas zu tun und wenn es nur eine Liste ist, das gibt Hoffnung und ist ein erster Schritt.
Ich hoffe du meldest dich hier noch einmal und lässt uns an deinem Weg teilhaben.
andreasg:
Hallo Marco, Herzlich Willkommen in unserer Runde.
Die große Sehnsucht zu verlieren, sie uns allen gegenwärtig,
oder wie es einst der Barde sang:" ..auf den höchsten Sieg, auf die höchste Qual".
Das Eingeständnis, nicht mehr (spielen) zu können, ist der erste und der wichtigste Schritt.
Und dann kommt es darauf an, Geduld zu üben, gnädig mit sich selber umzugehen, und wieder Vertrauen zu lernen, und Vertrauen zu erhalten.
Du schreibst, daß Du auf einen Therapieplatz wartest, in einer Klinik,. Ich wünsche Dir viel Ausdauer und Geduld dazu.
Persönlich bin ich gerade selber sehr angespannt, wie ein Rentner eben so sein kann. Ich mag jetzt keine Stichworte aufschreiben, schreibe ja meinen ganzen Blues und Senf ins Tagebuch, aber ich will einen Gedanken loswerden:
Vor 6 Jahren habe ich eine psychosomatische REHA beantragt. Ich bin Herzrisikopatient, mir steht ale 4 Jahre eine REHA von Gesetzes Wesen zu!. Ich war in einer Extremsituation, und mein Psychiater hat die REHA schlicht und einfach abgelehnt, in der Meinung, daß, wenn ich wieder Zuhause wäre, sowieso alles beim alten bliebe. Dafür hat er mir Antidepressiva verschrieben, Als ich den Beipackzettel las, dachte ich spontan, daß das eine Anleitung zum Suizid sei, und habe diese Medikamente erst verwahrt, und dann entsorgt. Das hat mich auch erleichtert, und in der Selbsthilfe kam ich wieder zur Ruhe. Geholfen hat mir Sponsoring, also ich habe mir jemanden gesucht, der mein Problem von sich kannte, und der mir seinen Weg aus der Kriese aufgezeit hat. Wenn ich Heute in eine Klinik komme, dann nur noch mit einem roten Auto mit blauer Lampe obendrauf. Ansonsten kann mir der Drogeriemarkt helfen, wenn ich Johannisbeertabletten auf Depot einnehme.
Für Patienten, die dem Arbeitsleben zugeordnet werden, ist eine REHA leichter zu erhalten, so meine Erkenntnis.
Die Auswirkungen der Spielsucht auf unsere Geschellschaft, ein interessanter Lesestoff, und immer wieder gerne im Referat thematisiert, kann ein Rüstzeug sein. Hier lässt sich im Forum dabei so manches die Augen und die Ohren öffnen. Aber wir, jede, jeder einzelne von uns ist ein Rädchen im Getriebe.
Wir helfen eineinander, wenn wir spielabstinent werden, und Wege in die Genesung gehen.
schöne 24 Stunden
Andreas
Wolfgang:
Hallo Margo,
auch ich erkenne mich in dem von dir geschriebenen. Und viele andere erkennen sich darin sicher auch. Das sind die Merkmale der Sucht.
Aber es gibt einen Ausweg. Den siehst du sicher auch. Die Frage ist, ob du hier und jetzt bereit bist ihn zu nehmen. Wenn man ganz unten ist, oder Angst vor sich selbst bekommt, dann macht dieser Ausweg keine Angst mehr. Ist aber der Leidensdruck noch nicht groß genug, dann gibt es von Zeit zu Zeit irgendwie geartete Alibi Ausstiege. Auch das kenne ich.
Der Mut zu neuen Leben muss von dir selbst kommen.
Ich selbst habe vor 25 Jahren mit dem Trinken aufgehört. Vor 4 Jahren mit dem Glücksspiel und vor fast 4 Jahren mit dem Rauchen. Und mit jeder Sucht verloren sich auch die damit verbundenen Rituale und Gewohnheiten.
Olli hat es mit "Normalität" gut und ausführlich beschrieben. Diese erwartet dich dann.
Treffe eine Entscheidung. Nutze dieses Forum als eine Gehhilfe auf dem Weg deiner Abstinenz. Teile deinen Fortschritt mit uns.
Die besten Wünsche
Wolfgang
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