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Hallo Gast
Online-Selbsthilfegruppen Glücksspielsucht
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Neuland

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Offline Mia

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Neuland
« am: 08 März 2006, 16:04:09 »
Hallo an Alle,

für mich ist Spielsucht ein Thema womit ich mich noch nie beschäftigen mußte, von daher hoffe ich das Ihr mir vielleicht helfen könnt.
Ich habe zwar schon versucht mich zu belesen, aber ich erfahre immer wieder das Gleiche und für mich nichts "Nützliches".

Ich bin seit eineinhalb Jahren wieder mit meinem Ex zusammen. Er erzählte mir von Anfang an, dass er mal gespielt hätte, aber diese Zeiten vorbei wären. Er wollte aber, dass ich es weiß und es nicht von Jemand Anderem erfahre. Für mich war das erst mal ein Schock, da ich es von ihm nicht erwartet hätte. Wir waren ca. 5 Jahre getrennt, in denen ich allerdings auch nicht viel von ihm gehört hatte. Anfangs habe ich mich nicht weiter damit beschäftigt, da ich ja der Meinung war, dass er nicht mehr spielt. Mir war auch nicht bewußt, wie sich die Spielsucht überhaupt bemerkbar, bzw. auch auf mich auswirken würde. Außerdem spielte er ja nicht mehr!!!

Er bekam Harz IV und ich wollte ihm das bißchen Geld nicht weg nehmen, da ich mit meinem Geld auch die Wohnung und alles andere bezahlen konnte. Was wohl auch mein Fehler war. Ständig hatte er kein Geld und ich wunderte mich was er damit macht. Ich war den ganzen Tag arbeiten und er konnte ja zu Hause machen was er will. Irgendwann hatte ich dann zufällig, beim Wäsche waschen, einen Kontoauszug in der Hand, auf dem immer 20 €, 50 €, 20 €, 20 € ... von einem Terminal II abgegangen sind und das in kürzesten Zeitabständen, bis das Konto leer war. Anfangs wollte ich es nicht wahr haben, aber das hat mir gezeigt, dass er immer noch spielt. Doch was sollte ich machen, sollte ich ihm sagen: "Ich habe von Dir einen Kontoauszug gefunden, warum spielst Du wieder??" Dann hätte er gedacht, dass ich ihm hinterher geschnüffelt habe und darauf hatte ich auch kein Lust. Ich wollte das er es mir selbst erzählt. Ich habe dann immer wieder Anspielungen gemacht, so das er auch genug Möglichkeiten hatte es einzuräumen. Aber erst nach dem er mit meiner Geldkarte spielen war hat er es mir erzählt. Da er es ja mußte.
Mittlerweile versuche ich immer wieder mit ihm darüber zu sprechen. Ich würde so gern, dass er ein Therapie macht, aber er hat angeblich keine Zeit dafür und ist der Meinung er würde das alleine hinkriegen. Er gesteht sich zwar ein süchtig zu sein, aber hat scheinbar Angst vor dem nächsten Schritt. Zumal er der Meinung ist, dass es ja Jemand raus bekommen könnte und es sein neuer Arbeitgeber erfährt und er dann vielleicht wieder gekündigt wird.
Ich habe es einfach satt mich ständig belügen zu lassen und immer wieder den Kopf hinhalten zu müssen, wenn er mal eben in nicht mal einer Stunde 300 €, oder mehr verlädt. Auf der anderen Seite will ich ihm helfen, da ich mit ihm zusammen sein will und er das ja auch nicht macht um mich zu ärgern, sondern weil er krank ist.
Wie soll ich mich denn am Besten verhalten?
Ich würde mich sehr über eine Antwort freuen, vielleicht kann ich ihn ja dann besser verstehen und ihm vielleicht auch helfen.

Liebe Grüße

Mia

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Offline Mavrole

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  • Am Ende des Tunnels gibt es immer ein Licht!
Re: Neuland
« Antwort #1 am: 09 März 2006, 12:35:32 »
Hi Mia!

Das ist eine schwierige Sache. Man will helfen und dann muß einem bald selber geholfen werden. Kenne ich auch.
Dein Freund ist leider nach meiner Einschätzung noch sehr weit weg von der Einsicht, daß er sich helfen lässt. Der neue Arbeitgeber muß das in erster Linie gar nicht wissen. Es gibt die sogenannten Einzelgespräche, die man terminlich so legen lassen kann, daß man Zeit hat. Dann gibt es da noch die Selbsthilfegruppen, die meißtens einmal die Woche statt finden. Wenn er Schicht hat, kann er dann halt nicht jede Woche dorthin gehen, sondern nur alle zwei Wochen . Aber das tut der Sache keine Abbruch. Hat mein Mann nämlich auch gemacht.
Also Ausreden gibt es keine. Aber er wird bestimmt ärgerlich werden, wenn Du ihn damit konfrontierst, weil er im Moment noch nicht bereit ist, auch nur irgend etwas an seiner Situation zu ändern.
Und: Er muß es wollen!

Du kannst nur schauen, daß Du nicht  Co-Abhängig wirst. Das bedeutet, nicht verheimlichen, kein Geld zu stecken usw. Es kann sein, daß er nicht will, daß Du mit irgend jemand darüber sprichst. Ich habe damals gesagt: " Es geht mir nicht gut mit dieser Situation und wenn ich das Bedürfnis habe, mich mit jemanden darüber zu unterhalten, dann tue ich das! Weil es mir dann besser geht!" Da konnte er nichts mehr sagen, weil er genau wußte, daß er der Grund war, wes wegen es mir so schlecht gegangen ist.

Empfehlen kann ich Dir auch eine Angehörigengruppe oder selber Einzelgespräche mit Fachleuten zu führen. Das kann sehr helfen. Mein Mann und ich waren auch schon zusammen in einer Paarberatung bei seinem Betreuer. Das hat uns auch etwas gebracht.

Vergiss nicht, etwas für Dich zu tun. Es ist und bleibt sein Problem. Wenn Du Dich voll und ganz der Sache verschreibst, dann gehst Du bei drauf.

Ich hoffe, ich habe Dir ein bißchen weiter geholfen. ::)

Grüssle
Mavrole
Wenn das Leben Dir ein Citrone schenkt, dann mach Limonade draus!!!!

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Offline Mia

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Re: Neuland
« Antwort #2 am: 09 März 2006, 13:46:53 »
Hi, hi Mavrole!!!

Vielen Dank für die ehrliche Meinung. War erst mal n bißchen schockiert, da ich der Meinung war, dass er bereits auf einem guten Weg ist. Aber das scheint ja dann doch nicht so.
Es ist richtig, er hat Angst, dass ich mit Jemandem darüber rede, da "die Welt sehr klein sei" und es ja durch dumme Zufälle an seinen Arbeitgeber kommen könnte. Er hat damit ja nicht unrecht, aber ich schreie ja nicht draußen auf der Straße herum das mein Freund spielsüchtig ist. Gebracht hat es mir allerdings nicht viel, da ich zur Antwort erhalten habe, dass es doch besser sei sich zu trennen, wenn ich da nicht mit reingezogen werden will. Ich habe aber die Hoffnung das er es schaffen kann!!!
Mittlerweile habe ich seine EC-Karte, damit er nicht einfach ohne mein Wissen Geld holen kann, oder gleich dort wieder das ganze Konto leer macht. Seit dem ist es auch deutlich besser geworden. Aber ich kann nicht immer aufpassen. Irgendwann will ich ihm auch wieder vertrauen können. Ich bin einfach auch der Meinung, dass  er zum Aufhören fachmännische Hilfe braucht, da ich ihm einfach nicht helfen kann. Da ich das Gefühl nicht kenne, geschweige denn überhaupt nicht nachvollziehen kann - was in einem Menschen vorgeht, der sein, hart erarbeitetes Geld, binnen weniger Minuten in einen Automaten schiebt???
Ich bin ja froh, dass er mittlerweile mit  mir darüber redet und es mir jetzt auch erzählt, wenn er wieder gezockt hat.
Will ihn auf keinen Fall bedrängen, aber ich will auch nicht einfach so weiter leben. Es ist ja auch meine Zukunft!
Woher nimmst Du denn die Kraft und das Vertrauen???

Liebe Grüße

Mia

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Offline Mike

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  • Es ist nie zu spät.
Re: Neuland
« Antwort #3 am: 09 März 2006, 16:20:03 »
Hi Mia,

einen Rat möchte ich Dir nicht geben, sondern etwas von mir erzählen. Ich selbst bin süchtiger Spieler, allerdings trocken.

In der Zeit in der ich noch nicht weit genug unten war, habe ich jedes Spiel mitgespielt. EC-Karte abgeben, Besserung gelobt, Menschen manipuliert, die Bank belogen u. immer schön weitergespielt. Und ganz ehrlich, viele Menschen um mich herum haben das Spiel mitgemacht. Ich gebe diesen Menschen keine Schuld daran, sondern ich war der treibende Motor. Und solange es irgendwie ging habe ich Geld besorgt u. gespielt. Heute bin ich erschrocken darüber, wie lange das funktioniert hat. Die Liebe meiner "Mitmenschen" habe ich schamlos ausgenutzt. Habe mich selbst bemitleidet u. immer wieder Zuspruch erhalten. Alle Verantwortung habe ich geschickt an Andere abgegeben.

Mein Leid u. das meiner Mitmenschen haben mich nur weiter in die Sucht hinein getrieben. Hatte doch alles keinen Sinn. Geht bloß alle auf Abstand, ich möchte Euch nicht damit reinziehen. Genau dadurch habe ich die Anderen immer fester an mich gebunden. Jeder wollte mir helfen, NUR ICH SELBST WOLLTE MIR NICHT HELFEN!

Alle Bemühungen hatten überhaupt keinen Sinn. Ich bin halt krank u. NIEMAND kann mir helfen. Dann wieder die Einstellung, ich schaffe das schon alleine, bin doch nicht blöd. Ja, ich wollte es gerade zu jedem Beweisen. Was bildet Ihr Euch überhaupt ein? Wozu brauche ich Hilfe? Ich brauch NIEMANDEN! Dann haut doch endlich alle ab u. laßt mich in RUHE!

Erst als die Ruhe da war u. keiner mir mehr helfen wollte, erkannte ich den Umfang meiner Sucht. Jeder Versuch mich zu entlasten hielt mich in der Sucht gefangen. Damals verstand ich das auch nicht so richtig, aber es gab mir immer wieder die Berechtigung zu Spielen. Auch mit Menschen! Ich wollte keinen vorsetzlich verletzen, aber ich tat es dennoch. Ich ging mir immer schlechter. Ich konnte einfach nicht mehr so leben u. ich wollte es auch nicht mehr.

Erst jetzt entschied ICH mich Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die ersten Schritte waren ganz schön schwer. Mir wurde sehr schnell klar es gibt nur zwei Möglichkeiten. Weiter Spielen u. zu Grunde gehen, oder ganz mit dem Spielen aufzuhören. Obwohl die Spielerei u. letztendlich die Sucht sehr viel Leid zugefügt hatte war ich traurig darüber. Pervers aber wahr. Mein "geliebte" Zockerei sollte ich für immer aufgeben. Nein, ich mußte es sogar u. ich wollte es auch.

Am Anfang erwischte ich mich dabei, wie ich mir immer wieder eine Hintertür offen hielt. Ganz geschickt natürlich. Schauspielen war für mich überhaupt kein Problem. Ich hatte es ja jahrelang "gelernt". Aber mir wurde sehr schnell klar, dass ich ab sofort mit meinem Leben spielte. Jetzt begann ich mich richtig zu öffnen u. siehe da, ich wurde sogar verstanden. Nicht immer im Detail, aber das konnte ich ja noch nicht mal selbst. Also, warum sollte ich das von Anderen erwarten. Aber jede Therapiestunde u. jedes Treffen in der SHG brachten mich meinem "wahren" Ich etwas näher.

Meine Beziehung zu meinen Mitmenschen wurde dadurch auch Schritt für Schritt besser. Endlich nicht mehr lügen....

Es ist eine Krankheit ganz klar, eine Suchterkrankung. Dies zu unterschätzen ist typisch für einen Süchtigen. Aber heute möchte ich diese Sucht gar nicht mehr besiegen. Ich will u. muß mir Ihr leben u. das TROCKEN. Was habe ich eine Energie in die Zockerei investiert u. dazu noch mehr Geld. Selbstachtung, Gefühle, Geld Anderer, Vertrauen u. Gesundheit habe ich verspielt. Mein Leben konnte ich noch gerade so "retten". Aber nur, weil ich mich dazu entschieden habe. Heute bin ich froh über jede Hilfe u. nehme sie auch gerne an. Das Recht nehme ich für mich in Anspruch, denn ich gehe verantwortungsvoll mit mir u. meinem Umfeld um.

Warum schreibe ich Dir das alles? Warum habe ich aufgehört zu Spielen? Wie habe ich auf Drohungen reagiert? Wie bin ich mit Hilfsangeboten umgegangen? Wie habe ich meine Mitmenschen behandelt?

Eine Änderung gab es erst, nach meiner, eigenen Einsicht.

*Ach ja, meine EC-Karten waren schon lange weg u. ich habe immer noch weitergespielt. Habe einfach Geld am Schalter abgeholt. Dazu reicht der Personalausweis. Und mein Auto war kaputt. Die Autoversicherung wurde teurer. Geldbörse verloren. Handyrechnung war so hoch. Lebensmittel sind so teuer geworden....

Achte sehr genau auf Dein Verhalten. Spiel dieses Spiel nicht mit, sonst geräts Du immer tiefer in die Abhängigkeit. Nimm Hilfe in Anspruch-Beratungstelle. Überschätze Dich nicht. Schütze Deine Finanzen. Habe Verständnis, aber in erster Linie für Dich! Seh ein, dass Dein Freund sich selbst helfen muß. Erst dann kannst Du Ihn begleiten. Habe nur laut nachgedacht! Ob das für Dich gilt, wer weiß?

Wünsche Dir Kraft u. Mut. Du alleine bestimmst Deine Zukunft!

Ganz liebe Grüsse

Mike

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Offline Mia

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Re: Neuland
« Antwort #4 am: 15 März 2006, 11:50:51 »
Hallo Mike!!!

Erst einmal vielen Dank für Deine Offenheit. Es tut gut auch andere Erfahrungen zu hören, dass macht es mir ein wenig leichter meinen Freund zu verstehen. Trotzdem hat mich Deine Antwort erst einmal sehr erschreckt. Eigentlich kann ich ja überhaupt nichts machen, solange er es nicht selbst will und das macht mir Angst!!!
Er gibt sich Mühe und hat schon seit einiger Zeit (ich glaube 3 Monate) keinen Rückfall gehabt. Dadurch das er sein Konto für Online-Banking frei schalten lassen hat. Kann ich jeder Zeit sehen, wann er wieviel Geld geholt hat. Außerdem überweist er mir jetzt fast sein ganzes Geld, damit er nicht in Versuchung geraten kann. Ist natürlich für mich dann schön, wenn ich fragen muß, was er sich gekauft hat. Ich komme mir vor wie seine Mutti. Ich will ihn ja nicht bevormunden und auch nicht kontrollieren. Ich habe Angst das er dann erst recht irgendwann wieder einen Rückfall bekommt, gerade weil ihn die Kontrolle so ankotzt.

Ich bin froh, dass ich mit ihm darüber reden kann, obwohl er manchmal ausweicht und versucht ein anderes Thema zu finden. Als wir wieder zusammen gekommen sind, hat er total zu gemacht und war sauer. Das passiert Gott sei Dank nicht mehr!
Im Moment ist er der Meinung, dass er überhaupt kein Verlangen hat zu spielen. Das wir viele andere Sachen im Kopf haben. Wir wollen umziehen und uns einen anderes Auto kaufen, dazu will er unbedingt das "mein" Kredit (Auto und Dispo) so schnell wie möglich weg ist, damit wir "schuldenfrei" sind. Aber es war auch schon oft so, dass ich dachte es wird alles besser und dann kam der Hammer. Auch aus dem Nichts, alles war schön und er hat trotzdem wieder gezockt.
In diesen Momenten frage ich mich ständig, was ich falsch mache und warum er mir das antut. Meine Fragen sind dann immer, ob er denn dabei überhaupt nicht an mich denkt, dass er es mir ja auch erzählen muß und wie ich denn seiner Meinung nach darauf reagieren soll!? Er entschuldigt sich dann tausend Mal und sagt das er gerade dann, wenn er verloren hat an mich denkt und dann unbedingt das Geld wieder bekommen will, usw.! Er würde aufhören und es wird schon alles. Wenn ich dann von Therapie anfange, dann sagt er auch ok, wir machen uns mal kundig, aber mehr kommt dann auch nicht. Er hat unwahrscheinliche Angst, dass es Jemand erfahren könnte, vorallem sein neuer Arbeitgeber. Kann denn sowas raus kommen?

Habe schon sehr oft darüber nachgedacht mich von ihm zu trennen um nicht mit abzurutschen. Muß er denn erst ganz unten sein um zu Verstehen??? Ich kann ihn doch nicht einfach vor die Tür setzen und das war´s? Ich könnte es mir nicht verzeihen, wenn ich meine große Liebe, wegen sowas verlasse. Zumal ich ihn ja damals ohne die Sucht kennen gelernt habe. Wie stark er war, Niemand konnte ihm reinreden in seine Entscheidungen, er war selbstbewußt und konsequent. Deshalb konnte ich es auch nicht glauben, dass er spielsüchtig sein soll. Doch mit der Zeit habe ich gemerkt, dass von seinem Selbstbewußtsein kaum noch etwas da war und er das nur überspielt hat. Jahrelang war er arbeitslos und hat versucht nach dem Bund wieder einen Fuß in die Arbeitswelt zu bekommen, ohne Erfolg und dann in der Zocke mit wenig Einsatz n Haufen Geld gewonnen. Was nicht für´n tolles Gefühl - so schnell, so viel Geld. Könnte ja wieder klappen!!! Und dann braucht man an nichts anderes mehr zu denken, während man spielt, es gibt nichts Anderes mehr.
Ist für mich einfach unglaublich, wie man sich dabei wohl fühlen kann?
Jetzt arbeitet er wieder und bekommt das Geld nicht vom Amt in den Arsch geblasen. Scheinbar ist es da doch n bissel anders, wenn man jeden Tag 10-12 Stunden arbeitet. Dann ist es vielleicht nicht mehr so einfach das Geld in einen Automaten zu stecken.
In den Ratgebern, die ich bisher gelesen habe steht, dass er sich ein Hobby suchen soll und den Freundeskreis und die Zocke meiden soll. Hm, ein Hobby wäre echt schön, wenn er Zeit dafür hätte. Er fährt früh um sieben auf Arbeit und kommt meist nicht vor acht nach Hause, wann soll er denn da einem Hobby nachgehen. Sich von seinen Freunden fern halten, bekommt er überhaupt nicht hin und die spielen wohl fast Alle! Ich kenne kaum Jemanden von diesem Freundschaftskreis. Er verspricht mir immer nicht mehr in die Zocke zu gehen, aber nur dort trifft er seine Leute, wenn er mal Zeit hat.

Wie bringe ich ihn denn dazu eine Therapie bzw. eine Selbsthilfegruppe aufzusuchen? Kann er es wirklich nicht alleine schaffen?

Liebe Grüße

Mia

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Offline Chris

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Re: Neuland
« Antwort #5 am: 16 März 2006, 03:22:06 »

Hi Mia,

Habe schon sehr oft darüber nachgedacht mich von ihm zu trennen um nicht mit abzurutschen. Muß er denn erst ganz unten sein um zu Verstehen??? Ich kann ihn doch nicht einfach vor die Tür setzen und das war´s? Ich könnte es mir nicht verzeihen, wenn ich meine große Liebe, wegen sowas verlasse.

In der Regel: ja !  Also die meisten Spieler merken es erst "richtig", wenn sie ganz unten sind.

Dein Freund merkt ja auch (eine Art Lerneffekt), das er bei Dir damit durchkommt, er verzockt Geld, das ihr besser gebrauchen könntet. Du bist betrübt, er macht "ein wenig" auf Gutwill, und die Sache ist erledigt.
Natürlich ist es schön wenn Du zu ihm hälst und ihn nicht gleich fallen läßt, nur, wenn er nicht an sich arbeitet, ernsthaft ne Therapie macht etc. dann solltest Du Dich auch Fragen, "wie lange will ich das noch mitmachen ?".  Und wenn er seinen zockenden Freundeskreis nicht aufgeben will, dann ist er noch lange nicht weg davon.
Wenn Ihr umziehen wollt, dann am besten in eine andere Stadt, damit er nicht mal eben nach "Kalle" oder so, rübergehen kann etc.

Und nicht zuletzt solltest Du auch an Dich selber denken, hast Du das verdient, was wünscht Du Dir für Dein Leben etc.

So, genug um diese Uhrzeit geschrieben,

Grüße aus Seattle  ::)

Chris
Ist wie immer, nur meine ganz private Meinung....

Re: Neuland
« Antwort #6 am: 16 März 2006, 14:05:51 »
Hallo!
Mich berührt Deine Offenheit sehr und ich merke immer wieder, daß das Verhalten von süchtigen Spielern und unseren Angehörigen, sich ständig wiederholt.
Ich bin mittlerweile acht Jahre mit meiner Freundin zusammen-wir hatten auch Zeiten der Trennung, sogar örtlich, aber wir gehören wohl zusammen.Und genau die gleiche Geschichte wie Du könnte Sie auch über uns erzählen.
Sicher ist es schön für mich, wenn sie für mich da ist und mir auch hilft, in einem Rahmen der sie nicht selbst dazu bringt sich selbst aufzugeben, weil sie mich doch so liebt und mich nicht verlieren will.
Sie hat gelernt ihre Grenzen zu setzen und sie auch dementsprechend umzusetzen.
Nur so kann ich lernen, wo meine Eigenverantwortung anfängt und aufhört.Sie muß sich abgrenzen und schützen, sonst geht sie mit unter.Ein langer Weg!
Wenn sie das tut, merke ich, das ich abrutsche und kann handeln.
Es gibt viele Möglichkeiten mich zuzumachen:Drogen,Alkohol,Spielen,zu viel Fernsehen,Internet,viel arbeiten(Workoholik),aber bin ich in der Lage zu genießen, bin ich in der Lage nicht immer hinter etwas herzueilen, bin ich in der Lage es geschehen zu lassen wie es kommt,oder muß ich immer die Brechstange benutzen,brauch ich immer einen Kick,brauche ich immer Bestätigung was für ein toller ich bin, kann ich mich zurücklehenen und zufrieden sein, oder will ich immer mehr, immer höher?
Wenn ich eines in meinen Therapien gelernt habe, dann ist es:Das ich mich verändern muß, daß ich meine Verhaltensweisen ändern muß, daß ich meinen Freundeskreis ändern muß,ect., um nicht immer in die gleichen Löcher zu fallen.
Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, wenn ich mich jahrelang immer gleich bewege, immer in die gleiche Richtung gehe, bin ich kaum in der Lage ohne Hilfe, dieses zu erkennen, geschweige denn zu ändern.
Mir hat mal ein Pastor gesagt:Ihr Spieler meint Gott zu sein
Vor allen Dingen meinte ich, alles allein zu können.
Es mag ja sein, daß ich viele Fähigkeiten besitze, aber kontrolliert spielen kann ich nicht.
Wenn Dein Freund sich bei aktiven Spielern wohl fühlt, warum meint er sich bei nicht aktiven Spielern, nicht wohl zu fühlen?
Was unterscheiden wohl die einen von den Anderen?
Wie sorgt er für sich?
Schade,daß er nicht so aktiv ist wie Du!
Ich glaube,Du bist auf dem richtigen Weg, Du merkst,das Du zu wenig weißt - bei Ihm bezweifle ich das im Moment sehr.
Was sagt Deine innere Stimme?
Du bist doch im Moment genauso verunsichert, wie meine Freundin, die ich Jahre lang betrogen habe, zumindest hat sie sich oft genug betrogen gefühlt.
Im Moment kann sie damit besser umgehen.Sie hat sich und Ihre Zukunft, jahrelang,wegen mir vernachlässigt.
Jetzt merkt sie,daß sie ihren eigenen Arsch retten muß und das tut sie auch.
Gut so!
Ich möchte Dich nicht schockieren, versteh mich bitte nicht falsch.
Laß es Dir gut gehen!
Alles Liebe! TomTom

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Offline Mike

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Re: Neuland
« Antwort #7 am: 21 März 2006, 01:04:31 »
Hi Mia,

war einige Zeit lang nicht online. Habe Deine Antworten u. die anderen Beiträge erst heute gelesen. Wie geht es Dir zur Zeit? Was macht Dein Freund?

Mit meinem Beitrag wollte ich Dich nicht entmutigen. Du kannst ganz sicher Einiges tun, aber es gibt auch Grenzen. Wie willst Du einem Menschen helfen der die Hilfe nicht annimmt?

Bin leider schon zu müde um ausführlicher zu Schreiben. Komme gerade aus der SHG u. bin ziemlich "platt". Bin gespannt wie es gerade bei Euch "läuft".

Bis bald u. liebe Grüsse

Mike

Re: Neuland
« Antwort #8 am: 21 März 2006, 19:51:07 »
Hallo Mia!

Mich würde auch interessieren, wie es dir geht. Viele von den Sachen, die du gesagt hast, treffen auch auf mich zu, auch wenn es bei mir ein guter Freund ist, der spielt. Es muss noch viel viel schlimmer sein, wenn es der Partner ist!

Was du über die zockenden Freunde gesagt hast, passt ganz gut. Mein Kumpel hat sowieso nicht viele Bekannte, hat es jetzt aber geschafft, sich ausgerechnet mit einem Mädel "anzufreunden", die in "seiner" Spielhalle arbeitet. Und als er mal ´ne Weile nicht da war, hat sie ihm dann eine SMS geschickt und sich beschwert, dass er nicht mehr kommt. Rate, wie die Geschichte ausgeht!

Ich hoffe jedenfalls, dass du auf dich aufpasst und es dir nicht schlecht geht. Und dass bei deinem Freund vielleicht doch der Wunsch kommt, etwas zu machen. Falls du ein Rezept finden solltest, wie man jemanden dazu motivieren kann, lass es mich bitte wissen...

Viele Grüße, Christina



P.S.: Hallo Mike!

In dem, was du über dich geschrieben hast, stecken viele wertvolle Gedanken, finde ich. Ich habe deinen Beitrag ausgedruckt und meinem Freund geschickt. Ich bin gespannt, was er dazu sagt, und hoffe, dass es ihn ein bisschen zum Nachdenken darüber bringt, warum er nichts unternehmen will.

Also vielen Dank! Hoffentlich geht es dir gut und du hast einen schönen Abend! Christina

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Offline Mike

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Re: Neuland
« Antwort #9 am: 22 März 2006, 14:44:46 »
Hi Christina,

schön das Dir meine "Gedanken" weiterhelfen. Gerade solche Reaktionen geben mir wiederrum sehr viel Kraft. Mir geht es zur Zeit eher schlecht. Bin in so vielen Angelegenheiten zum "Warten" verdammt u. das schon seit fast einem Jahr.

Es bewegt sich halt nichts u. das macht mich sehr nervös u. auch traurig. Die Stimmungsschwankungen sind am schlimmsten u. mein Selbstvertrauen ist auch ziemlich am Boden. Aber ich blicke weiter zuversichtlich in die Zukunft. Immer noch stelle ich vieles in Frage u. dabei ganz besonders mich. Aufgeben werde ich aber nicht. Das würde mich nur noch weiter runter ziehen. Details schreibe ich nicht so gerne hier ins Forum. Aber Du kannst mir jederzeit eine PN schreiben-da "spricht" es sich leichter.

Besuche weiterhin regelmäßig die SHG u. das bring mir unendlich viel. Ich habe nette Menschen kennengelernt u. mir wird zugehört. Das Wichtigste für mich ist, ich werde ernstgenommen u. darf am Leben Anderer teilhaben. Die Jungs sind mir schon richtig ans Herz gewachsen. Seit letzter Sitzung haben wir auch eine Frau dabei. Dadurch bekomme ich als Mann zusätzlich eine andere Sichtweise vorgehalten. Hoffe nur das Mädel zieht das auch durch. Zusätzlich mache ich noch eine ambulante Therapie. Ohne diese Hilfestellungen würde ich es nicht schaffen. Da bin ich mir ganz sicher.

Am Anfang sind die Ängste sehr groß. Alles Reden hilft da nichts, sondern man muß die Angst einfach in die Hand nehmen u. sich Hilfe suchen. Jeder spielfreie Tag ist ein Gewinn u. tut unglaublich gut.

Nehm Dir die Worte von Ilona zu Herzen. Ja-aber.... ist genau die richtige Einstellung. Dein Freund kann auf Dich zählen, aber auch nur unter bestimmten Voraussetzungen. Genau das "braucht" ein Süchtiger auch wenn er es nicht so sieht u. Du schützt Dich dadurch ohne Ihn im Stich zu lassen.

Mach weiter so.

Liebe Grüsse

Mike


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Offline Mia

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Re: Neuland
« Antwort #10 am: 14 April 2006, 10:11:49 »
Hallo Ihr Lieben!!!!

Ich habe mich lange nicht gemeldet, da ich supi viel um die Ohren habe - arbeiten, Umzug planen und acht geben... (krieg den Kopf momentan nicht frei).
Ich wollte Euch danken für Eure ehrlichen Antworten. Es ist schön zu merken, dass man nicht allein ist!
Momentan schaut es bei meinem Freund ganz gut aus. Er hat seit letztem Jahr Dezember keinen Rückfall mehr gehabt. Zumindestens nicht mit dem Geld von seinem Konto, er müßte sich sonst etwas geliehen haben. Er hat auch nicht wirklich Zeit dazu, er geht früh um sieben aus dem Haus und kommt abends um acht erst wieder Heim, total fertig von der Arbeit. Er würde so gern mal einem Hobby nachgehen, aber wann? Es ist derzeit auch richtig harmonisch in unserer Beziehung, er überlegt wie wir die Wohnung einrichten, was wir noch brauchen und wie wir das mit dem Geld machen. Er überweist mir jetzt jeden Monat Geld, was ich mit weg legen kann, aber nicht muß. Ich glaube, dass bei ihm ein wenig der Knoten geplatzt ist. Er sieht was man mit dem Geld alles machen kann, ohne es in einen Automaten zu stecken.
Aber dennoch mache ich mir Sorgen, da er auf Arbeit so wahnsinnig viel Streß und Ärger hat, dass er irgendwann wieder austickt und sein Geld wieder verzockt. Da er dort seine Ruhe hat und Niemand um ihn herum kann ihn dabei stören.
Außerdem hat er was sparen anbelangt eine so komische Einstellung. Er will immer ganz schnell, viel Geld machen und kann es nicht aktzeptieren zum Beispiel 50 € zu sparen und dafür nur max. 8 % (Fondsparen) zu bekommen. Da kann ich ihm hundertmal sagen das es nicht anders geht. Aber irgendwann muß er ja mal anfangen für sich was weg zu legen. Naja mal sehen, vielleicht ändert er ja auch noch diese Ansicht.

Wie geht es Euch denn so??? Hoffe allen gut!!!
Würde mich freuen, wieder was von Euch zu hören!!!

Liebe Grüße Ines

 

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