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Meine Leidensgeschichte

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Meine Leidensgeschichte
« am: 24 November 2019, 10:50:31 »
Hallo liebe Community,

ich habe mich hier angemeldet, da ich mir dringend einiges von der Seele schreiben muss.

Ich bin w, 26, und bin derzeit an einem Tiefpunkt angekommen. Seit mittlerweile 7 Jahren habe ich nun schon ein Problem mit Glücksspielen, habe mich zwischenzeitlich mal rauskämpfen können, wurde aber dann erneut rückfällig. Ich möchte euch meine Geschichte nun mitteilen: Achtung, das wird etwas länger:

Mit ca. 19 Jahren fing bei mir alles an. Es war damals eine sehr schwere Zeit für mich, da ich einfach nicht wusste wohin mit mir. Was ich im Leben erreichen möchte. Hinzu kam, dass meine Mutter krank wurde (manisch Depressiv) und sie plötzlich einfach nicht mehr die Selbe war. Es kam zu großen Auseinandersetzungen zu Hause, da mein Vater vollkommen mit der Situation überfordert war, naja, wir alle, sprich auch mein Bruder und ich. Sie kam in Therapie in eine geschlossene Anstalt, da es anders einfach nicht mehr ging. Ich war zu dieser Zeit in der 12. Klasse der Oberstufe, hatte einen Nebenjob, und eine Mutter, die mich 24/7 brauchte. Sie oder mein Vater riefen mich mehrmals mitten in der Nacht an, als ich bei meinem Freund übernachtete, da sie wieder einmal durchgebrannt war & ich sie abholen sollte. Versteht mich bitte nicht falsch, ich liebe meine Mutter und wollte alles tun was ich konnte, um ihr zu helfen, ich möchte euch nur beschreiben, wie die Situation gewesen ist. Kurzum, ich hatte kaum noch Schlaf oder auch nur ein paar Minuten, um mich um mich selbst zu kümmern, die Schule fiel mir zunehmen schwerer und ich schwänzte immer öfter. Mir fehlte die Kraft. Eines schönen Tages kam eine Freundin von mir, welche ebenfalls eine schwere Zeit durchmachte (Tod ihres Vaters) auf die Idee, mal in eine Spielhalle zu gehen. Und das war der Beginn meines persönlichen Untergangs. Statt in die Schule, ging ich zocken, da es der einzige Ort für mich war, wo ich meine Ruhe hatte, wo mich niemand gestört hat. Zwei lange Jahre lang verzockte ich alles, was ich hatte. Meine Ersparnisse von Eltern/Großeltern, mein bisschen Geld vom Nebenjob, einfach alles. Dann kam der erste Wendepunkt: meiner Mutter ging es zunehmend besser, und mein Vater stellte mich vor ein Ultimatum: Such dir eine Ausbildung, oder geh. Also tat ich das. Ich fand zügig eine Ausbildungsstelle in einem großen Unternehmen, da ich tatsächlich gar nicht so blöd bin, wie man meinen sollte. Die Ausbildung tat mir gut, sie gab mir Halt, die guten Noten haben mein komplett zerstörtes Selbstvertrauen wieder ein wenig hergestellt. Jeder meiner Kollegen hält mich glaube ich bis Heute für eine Person, die alles richtig gemacht hat. Und zu dieser Zeit wurde das Spielen weniger. Ich hatte es „unter Kontrolle“. Und 2016, als ich auf einen Schlag 100€ verzockte, und ich merkte, dass es wieder bergab ging, ließ ich mich sperren. Ein Jahr lang hatte ich es geschafft, nicht zu spielen. 2017 machte ich meinen vorgezogenen Ausbildungsabschluss und wurde sofort unbefristet übernommen. Toll! Ich zog direkt zu Hause aus & wollte mein Leben selbst in die Hand nehmen. Doch schnell merkte ich, dass ich irgendwie nicht klar kam. Das Geld war, trotz gutem Verdienst, immer ziemlich rar und es machte mich unzufrieden. Auch mein Job machte mir recht schnell (ca. Halben Jahr) keinen Spaß mehr. Es zog mich also alles wieder in ein Tief, also ging ich in die Kneipe... natürlich zum zocken. Zu Beginn vielleicht einmal im Monat, doch auch das wurde schnell zu einem wöchentlichen Ritual. Dann lernte ich meinen jetzigen Freund kennen. Den besten Menschen, den es auf dieser Welt gibt. 28 Jahre alt, eigenes Haus, tollen Job. Ich bewundere ihn, wie er alles in seinem Leben unter Kontrolle hat. Ich zog vor einem Jahr zu ihm ins Haus. Ich dachte, jetzt ist alles perfekt. Aber das war es nicht. Mein Job machte mich nervlich fertig, ich wurde immer fauler, und auch das Zocken nahm immer mehr zu. Ich gestand ihm vor einigen Monaten, dass ich das Problem immer noch nicht unter Kontrolle habe, er war sehr verständnisvoll, aber ich glaube, ihm ist das Ausmaß nicht wirklich bewusst. Aber er gab mir die nötige Kraft, um mir einen neuen Job zu suchen. Dieser beginnt nun in wenigen Tagen. Und wieder fehlt mir die Kraft, da ich einfach nichts geregelt bekomme.. in 2 Wochen kommt eine fette Kreditkartenabrechnung von 2000€, die mir mal wieder vor Augen führt, was ich alles falsch mache. Ich weiß natürlich nicht, wie ich sie begleichen soll.. ich werde also zur Bank gehen & um einen Dispo betteln müssen. Dinge, die ich so dringend vermeiden wollte. Ich weine wieder sehr viel, und kann Nachts kaum schlafen. Vor die Tür gehen, Menschen treffen, das alles ist mir mal wieder zu viel. Ich ertrage es nicht mehr.. immer wieder diese Enttäuschung von mir selbst. Deshalb möchte ich mich nun hier austauschen. Mein Leid teilen & ihr eures mit mir. Vielleicht haben wir gemeinsam die Kraft, aus dem Ganzen Teufelskreis auszubrechen.

Danke fürs Lesen. Ich würde mich wirklich freuen, wenn wir es alle gemeinsam schaffen!!

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Offline Olli

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Re: Meine Leidensgeschichte
« Antwort #1 am: 24 November 2019, 12:32:29 »
Hallo meine Liebe und herzlich willkommen!

Lieben Dank für das Teilen Deiner Geschichte.

Indem Du Dich hier angemeldet hast, hast Du den ersten wichtigen Schritt für eine Genesung unternommen.
Du hast Dich mitgeteilt ...!

Auf den ersten Blick glaube ich aber nicht, dass solche ein Forum ausreichend für Dich ist.
Hast Du schon mal geschaut, ob es in Deiner Nähe eine SHG oder eine Beratungsstelle gibt?

Ich glaube, dass der persönliche Austausch Aug in Aug mit Gleichgesinnten und/oder den Profis besser für Dich wäre.

Das soll Dich aber bitte nicht abhalten hier weiter zu schreiben ... :)

Was meinst Du zu meinem Vorschlag?
 
Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
Hier geht es zum Samstagsmeeting_ https://us02web.zoom.us/j/87305340826?pwd=UnFyMlB6bkwyTHU3NGVISWFGNSs2

Re: Meine Leidensgeschichte
« Antwort #2 am: 24 November 2019, 12:51:49 »
Hallo Olli,

danke für deine schnelle Antwort.
Ich gebe dir absolut Recht, und ich habe bereits nach Selbsthilfegruppen bei den anonymen Spielern gesucht. Beide Stellen wären ca eine halbe Stunde von mir entfernt. Der Weg stellt für mich prinzipiell kein Problem dar, NOCH habe ich ja ein Auto. Leider habe ich nach einigen Versuchen bisher noch niemanden erreicht :(. Caritas habe ich vor einigen Jahren einmal aufgesucht.. dort schickte man mich weg..das war sehr entmutigend um ehrlich zu sein.
Und ab Januar arbeite ich im Schichtdienst.. Früh/Spät/Nacht, also werde ich vermutlich an einigen Treffen nicht teilnehmen können. Deshalb dachte ich, dass es vielleicht für den Anfang gut wäre, mich hier anzumelden. Einfach, falls es akuten Mitteilungsbedarf gibt, um diesen vorübergehend zu befriedigen.
Ich werde aber am Ball bleiben! Habe mir die Nummern notiert und werde schnellstmöglich versuchen, an Treffen teilzunehmen. Und wenn es eben nur alle drei Wochen ist, ist es besser als gar nicht.

Re: Meine Leidensgeschichte
« Antwort #3 am: 14 Dezember 2019, 11:54:56 »
Hallo meine Lieben,

ich möchte ein kurzes Update über meinen Zustand euch überbringen:
Es sind nun 3 Wochen ohne Glücksspiel für mich. Vor drei Wochen habe ich mich dazu entschieden, meine EC-Karten meinem Freund zu übergeben. Kreditkarten gibt es keine mehr. Er bewahrt sie für mich auf, an einem Ort, den ich nicht kenne. Wenn ich Geld brauche, muss ich ihm sagen für was & Belege mitbringen, die ihm zeigen, wo das Geld abgeblieben ist. Es ist erstaunlich, wie wenig Geld ich eigentlich in meinem „normalen“ Alltag nur brauche. Ich bin darüber sehr fasziniert. Und das ohne auf schöne Dinge zu verzichten. Letzte Woche waren wir shoppen für Weihnachten, waren wunderbar essen, haben einen schönen Abend beim Billard spielen gehabt. Es tut mir so gut, wieder mal an meinem Leben aktiv teilzunehmen.
Eben überkam mich das erste mal nach drei Wochen wieder der Gedanke.. 10€... das könntest du dir leisten.. der Gedanke hat mir solche Angst gemacht. Mein Freund ist mit einem Kumpel den ganzen Tag unterwegs, und ich bin alleine daheim. Also habe ich mal wieder das Forum besucht, mir ein paar andere Leidensgeschichten durchgelesen. Ich fühle euren Schmerz und eure Verzweiflung beim Lesen. Es hat mir allerdings geholfen, diese Gefühle revue passieren zu lassen. Man darf es einfach nie vergessen, wie schlecht es einem doch erging. Dankeschön also an euch. Gebt nicht auf, ich mache es auch nicht. Und die 10€ werden jetzt für mein Patenkind investiert, welches ich jetzt besuchen gehe.
Danke, dass es das Forum gibt & ich meine Gedanken hier niederschreiben kann. Bis bald.

Re: Meine Leidensgeschichte
« Antwort #4 am: 14 Dezember 2019, 15:47:45 »
Danke für deinen Beitrag IVDS.
3 Wochen ist ne Menge, jetzt heißt es am Ball bleiben.
Solche positiven Statusupdates motivieren sehr.
Ich freue mich schon wenn ich heute Abend meine ersten spielfreien 24 Stunden rum habe.

Re: Meine Leidensgeschichte
« Antwort #5 am: 18 Dezember 2019, 05:36:15 »
Hallo Changestartsnow1,

Dankeschön für deine Worte. Ein kleiner Schritt, aber wie ich doch hoffe von etwas großem:). Ich wünsche dir ganz viel Erfolg auf deinem Weg. Es wird kein leichter sein, aber es wird sich lohnen. Halt die Ohren steif, vertraue dich jemandem an & nimm dein Leben in die Hand :)

Liebe Grüße

 

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