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Mein Tagebuch Goldfield

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Offline andreasg

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Re: Mein Tagebuch Goldfield
« Antwort #120 am: 22 April 2018, 21:53:40 »
Hallo Goldfield,

das "Unten Ankommen" ist ein sehr persönliches Erlebnis. Bei mir war es nicht der totale Zusammenbruch.
Wenn ich mir einmal das Video auf der Site: www.verspiel-nicht-dein-leben.de ansehe, kann ich nur ernüchternd sagen:
- Ich habe nie ein Auto besessen;
ich habe nie ein Haus geerbt, oder gar gebaut;
ich habe keine eigene Familie gegründet.

Es gibt viele Gründe, daß oder warum  ich gespielt habe, aber ich bin Heute davon überzeugt, der Spielsucht nicht aus dem Weg gehen zu können, sie aber Heute, Einen Tag zur Zeit ruhen, zu lassen und nicht Spielen zu müssen.

Ich war davon fest überzeugt, wenn meine Art des Spielens auffällig wird, also daß ich als Spieler erkannt werde, suizidiere ich mich! Folgerichtig habe ich mich in den Morgenstunden eines bilderbuchschönen Augusttages an den Bahndamm gestellt, das Leben war stärker. 10 Tage später war ich bei der Kripo. dicht geschriebene 4 Seiten habe ich zu Protokoll gegeben, der Beamte wies auf das Aktenregal mit dem Verweis: "das sind alles Spielerakten". Kurze Zeit später war ich in der Selbsthilfegruppe, und ich war endlich nicht mehr alleine! 2 X 2 Stunden in der Woche ohne Spiel, das konnte ich ertragen, bin aber ehrlicherweise nur einmal nach dem Gruppentreffen in die Spielhalle gegangen.
Ich muß dieses Problem mein Leben lang aushalten, daß mich Spielautomaten antriggern, daß der Anblick von Spielstätten mir Groll bereitet. Erst diese Situation, der Ohnmacht brachte mich zur Kapitulation.  

Ich habe noch schwere Phasen erleben dürfen, um meine Spielfreiheit manifestieren zu können:
Mein damaliger Arbeitgeber, der mir nur ein kleines Gehalt vorher gezahlt hatte, sah sich jetzt meinen Forderungen nach Gehaltserhöhungen gegenüber. Ich lerne meine damalige Ehefrau kennen, alles für mich unbekanntes Terrain. Mir ging es gut, und ich hielt das nicht aus, wurde zwanghaft, suchte die Nähe einer versteckten Spielstätte (Imbissstube im Hauptbahnhof), und qualmte wie ein Schlot!
Dann kam im August 2000 die Insolvenz des Arbeitgebers. Mit einem 2,00 DM Stück in der Hand rannte ich aus dem Imbiss, das Spiel hat es nicht bekommen.
Zwei Jahre später verließ mich meine Frau nach 6 Jahren Zusammenlebens, davon 4 in der Ehe. Meine Schwester meinte vor einiger Zeit, daß sie in die Phase Angst um mich gehabt hat, es war dramatisch, aber ich hatte meine Freunde aus der Selbsthilfegruppe zur Seite.
Ich war bereit, in eine Psychosomatische Klinik zu gehen, von der ich so viel Gutes gehört habe.

Das war vor 15 Jahren, ich sehe mir gerne noch die Fotos aus diesem Aufenthalt an, ich habe damals einen wirklich interessanten Menschen kennen gelernt, mich selber...
Zur Zeit bin ich wieder an einem Tiefpunkt: Ich bin 65 Jahre mittlerweile an, und fühle mich aber wie ein 27 jähriger, wenn nur die Angina pectoris, die Athrosen, der Ischias, das überstandene Nierenkarzinom nicht wären. Mir fehlt es an Verständnis dafür, daß ich älter werde.
Ich glaube immer noch, daß ich mein verspieltes Leben zurück gewinnen könnte, wenn ich nur die Leitung dafür bringe. Die Sucht ist ein solch treuseliger Begleiter.
Ich fühle mich sicher im Sozialen Netz, habe keinerlei Gedanken mehr an irgendeinen Luxus, freue mich wenn ich meine Ruhe finde, und wünsche mir nur eines:
Es gibt einen Genesungsweg aus der Spielsucht, ich bin diesen Weg gegangen und gehe ihn weiter, bis ich abgerufen werde, aber ich wünsche mir so sehr, daß Viele auch ihren Weg finden, wie immer er auch aussehen mag.
Es gibt auf dem Weg der Genesung keine Vergleiche, kein Besserwissertum, keine Ressertiments. Es ist kein Wettkampf, geht ja nicht, das Spiel ist aus.
Es ist ein Weg, der mir zeigt, wie schön es ist, Erfahrung, Kraft und Hoffnung zu teilen.

Danke, daß ich das in Dein Tagebuch schreiben darf.

Liebe Grüße
Andreas
« Letzte Änderung: 22 April 2018, 21:56:02 von andreasg »
Demut ist die anhaltende Ruhe im Herzen

Re: Mein Tagebuch Goldfield
« Antwort #121 am: 23 April 2018, 07:53:02 »
Guten Morgen alle zusammmen,

Andreas hat einen schönen und persönlichen Beitrag verfasst.

Die letzten Sätze sind tiefgründig und wahr ! Es ist kein Wettkampf und man sollte auch vieles relativ betrachten. Jeder Spieler ist im Kern mit der selben psychologischen Erkrankung und zwar dem zwanghaften Spielen konfrotiert. Wie sein sozialer und beruflicher Status im Vergleich zum Anderen sind, ist erstmal egal. Vor dem Automaten bzw. Bildschirmen sind wir alle gleich in diesem Zusammenhang.

Jeder hat seine eigenen Erwartungen und Ansprüche an das Leben. Jeder soll sein Glück finden, ob materiell oder spirituell, Hauptsache nicht im Glücksspiel !!!

Einen schönen Start in die neue Woche !

Re: Mein Tagebuch Goldfield
« Antwort #122 am: 23 April 2018, 09:16:37 »
Guten Morgen,

@Andreas, Danke für Deinen Eintrag. Wie Du richtig festgestellt hast, ist die persönliche Wahrnehmung was "oben" und "unten" ist, individuell eine andere. Normen und Erwartungen und vielleicht auch Lebensalter und -erfahrungen prägen dein Selbstbild. Ich wollte häufig Besonderes und war aber meistens nur Durchschnitt.

@Ilona. Die Caritas-Beratungsstelle existiert noch, zumindest wenn man den Aushängen Glauben schenken darf. Es gibt eine offene Sprechstunde. Ich war zweimal dort - einmal war die Sprechstunde verkürzt worden und einmal fiel sie aus. Dann habe ich gewiss fünfmal versucht, telefonisch einen Termin zu vereinbaren, es ging nie jemand an die im Internet veröffentlichte Nummer.

@NW, ich wollte hier keine Verteilungs-Gerechtigkeits-Debatte lostreten, das ist hier sicherlich die falsche Plattform. Nur so viel: Von meinem Gehalt kommen gut 40 % der Allgemeinheit zu Gute. Von dem was übrig bleibt zahle ich Unterhalt, Miete und Kreditraten für meine Spielschulden. Mir bleiben aktuell noch etwa EUR 1.200 zum Leben. Damit komme ich klar, große Sprünge sind aber nicht drin.

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Offline Ilona

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Re: Mein Tagebuch Goldfield
« Antwort #123 am: 24 April 2018, 10:33:02 »
@Goldfield
Kannst du mir bitte per PN sagen, um welche Beratungsstelle es sich handelt. Falls dort eine Mailadresse angegeben ist, schreib die doch mal an. Dann würde ich noch versuchen die Zentrale oder eine andere Abteilung zu erreichen. Nicht aufgeben! Du schaffst das!
LG Ilona
Juristische Beratung: Kanzlei Kraft, Geil und Kollegen / Bielefeld http://www.kguk.de/
Ansprechpartnerinn: Dr. Iris Ober und Juliane Brauckmann  (Fachanwältinnen für Bankenrecht)  Terminanfragen: 0521-529930
Weitere Infos  hier: https://www.forum-gluecksspielsucht.de/forum/index.php?topic=3737.0

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Zero80

Re: Mein Tagebuch Goldfield
« Antwort #124 am: 25 April 2018, 11:16:02 »
Um Gottes willen, ich gönne dir dein Gehalt, von mir aus kannst du auch 7 stellig verdienen. Ich hab so
oder so nicht mehr egal was du verdienst, das is ja das lächerliche am deutschen Volk, den anderen nix
gönnen. Finde nicht das du zuviel verdienst, weiß ja nich ma was du machst und vor allem wieviel zeit du
dafür opferst, finde halt nur das viele jobs total unterbezahlt sind das interessiert mich, ob andere mehr haben
geht mir am arsch vorbei, ging nur um das unten angekommen sein, für 1200 netto arbeiten Menschen nen
ganzen monat und da geht dann nochmal alles ab von.

Und das sind berufe mit Ausbildung, zwar ohne Studium, aber trotzdem. Immerhin entscheidet schon wo du her kommst
welchen Bildungsweg du überhaupt gehen kannst, aber lassen wir das jetzt gut sein. Alles gut. :)

Vielleicht macht es die nächsten 3 jahre ja etwas leichter für dich wenn du es mal aus der seite betrachtest und du
weißt ja auch genau das es danach wieder steil aufwärts für dich geht :)
« Letzte Änderung: 25 April 2018, 11:18:27 von Neue Werte »

Re: Mein Tagebuch Goldfield
« Antwort #125 am: 24 Mai 2018, 18:46:39 »
Seit meinem letzten Eintrag sind rund 4 Wochen vergangen und möchte mich mal wieder melden. Mir geht es gut und ich bin seit einigen Wochen abstinent. Wieviele Tage genau, weiß ich nicht - ich zähle sie nicht mehr. In meinem Kopf hat ein bemerkenswerter Switch stattgefunden: Anfang des Jahres war mein Haupttreiber, die Sucht anzugehen, meine desaströse finanzielle Situation und ich konnte mir nur schwer ein Leben ohne Spiel vorstellen. Inzwischen hat sich in mir eine tiefe innere Abneigung, geradezu ein Ekel gegen das Spielen entwickelt. Sehe ich irgendwo ein Spielotheken-Schild oder eine Online-Casino-Werbung überkommt mich ein Brechreiz und ich muss wegsehen.

Ich denke, das ist eine sehr gute Entwicklung, wenn gleich es kein Grund ist, anzunehmen, ich sei über den Berg. Ich hatte in meinem Leben immer wieder längere, abstinente Phasen, die immer nach dem gleichen Muster endeten: Irgendwann wieder ("zum Spaß") mit kleinem Einsatz gezockt, direkt sehr hohe Gewinne eingefahren und -schwups- wieder angefixt zu sein.

Drückt die Daumen, dass ich diesmal allen Verlockungen trotzen werde...

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Offline andreasg

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Re: Mein Tagebuch Goldfield
« Antwort #126 am: 29 Mai 2018, 13:46:47 »
Hallo Goldfield,

den Brechreiz kenne ich von meinem Alkoholmißbrauch, liegt nun aber auch schon 33 + Jahre zurück. Ist mir beim Spielen nie passiert, immer nur das massive Scheißgefühl, - und dann weiter - wokrigtenundasgeldwiederher…??? -

Die Genesung von der Spielsucht ist vollbracht, wenn ich mich in eine Spielstätte setzten könnte, meinen Kaffee trinke, mich mit der Wechselmutti über das schöne Wetter unterhalte, und nichst blinken sehe, und nichts bimmeln höre. Gestern war ich in einem kleinen Kurort. Fußweg - Schattenseite, Spielhalle rückt näher - nur symbolisch die Seite gewechselt, "was wäre wenn"? fragt mein Hirn, nein, es war kein Sonnenstich, nur ein Schatten über meiner Seele.

Ich wünsche Dir Goldfield viele positive Eintragungen in Dein Tagebuch.

Liebe Grüße und schöne 24 Stunden
Andreas
Demut ist die anhaltende Ruhe im Herzen

Re: Mein Tagebuch Goldfield
« Antwort #127 am: 13 Juli 2018, 07:56:35 »
Hallo Zusammen,
gibt es neuigkeiten? Bist du stark geblieben und noch Spielfrei? Wie ergeht es dir heute?

Liebe Grüße

 

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