HI OG!
Eine schöne gedankliche Aufgabe stellst Du uns da ...

Mir fällt aber etwas auf und das ist die häufige Verwendung von "man" oder Du sprichst von "einer". Da im Grunde Du selbst gemeint bist, darfst Du ruhig "ich" verwenden. Du stellst auf der einen Seite Fragen zu Deinen eigenen Einstellungen, weist sie aber gleichzeitig von Dir weg.
„Ich bin für immer ein Spieler.“
Aus welcher Perspektive kommt dieser Satz? Was meint der Sprecher?
Wenn ich diesen Satz sage, dann dient er dem Selbstschutz. So brauche ich gar nicht testen, ob ich heute, nach 19 Jahren Abstinenz, mich an einen Automaten setzen kann, ohne in alte Verhaltensmuster zu verfallen. Ich "weiss", was dann passieren wird. Es klappt das erste Mal, das Zweite in ein paar Wochen oder Monaten auch. Doch die geistige Beschäftigung ist nun schon da und die Diskussion in mir wird mächtiger. Ich würde diese Diskussion auf Dauer verlieren. Also ist es für mich einfacher einen Umstand zu akzeptieren, den ich mir schon längst mehrfach bewiesen habe.
„Die Sucht bleibt – man muss lernen, damit zu leben.“
Müssen müssen wir nur auf der Toilette oder in Wald oader auf Wiese ...

Was heißt denn, dass die Sucht bleibt. Denken, Fühlen und Handeln sind untrennbar miteinander verbunden. Wenn wir die Sucht spüren, dann gab es zumeist eine Sinneswahrnehmung, die unser Suchtgedächtnis aktiviert. So ist es in den Spielhallen ja zumeist dunkel und die Scheiben der Automaten blitzen schick im spärlichen Licht. In Stargate, im Torraum, da stehen und hängen an der Wand Geräre mit blinkenden Lichtern. Immer wieder erwische ich mich dabei, dass ich denke: das müssen doch Spielautomaten sein?! Natürlich sind sie es nicht und dieser Eindruck gilt auch je nur für Sekundenbruchteile. Wenn wir uns aber mal von den Sinneswahrnehmungen entfernen und unsere Gemütslagen anschauen, so können auch sie Gedanken und Handlungen auslösen. Wie oft sagen Spieler: Ich will vergessen ... Dies ist ein Abwehrmechanismus, der doch in so vielen Jahren, zumindest scheinbar, funktioniert hat.
Der zweite Teil des Zitats sollte lauten: Ich kann lernen, damit zu leben. In der Anfangszeit meiner Abstinenz, da war die Sucht noch sehr präsent. Erst, wenn ich auf der rückwärtigen Seite meiner Stammhalle entlang ging, "kämpfte" ich gegen den Gedanken an dort einzukehren, natürlich nur um ein Pläuschchen zu halten. Damit war ich erfolgreich, es kostete aber Kraft. Dann dachte ich an mein Mantra: Ich erlaube mir nur für heute spielfrei blieben zu dürfen. Es war aber etwas lang und so fasste ich es in vier kleine Buchstaben zusammen: Nein!
Dabei kam mir dann der Gedanke, was, wenn ich meine Sucht gar nicht als Feind, sondern als Freund ansehe, der hier und da Blödsinn verzapft? Und so fing ich an, in gleichen Situationen, (innerlich) zu lächeln. Es war ein gutmütiges Lächeln, welches mein Freund gar nicht mochte. Er verstummte jedes Mal wieder. Hätte ich angefangen zu diskutieren ... was wäre da wohl passiert?
Die Sucht ist ein Bestandteil von uns. So viel wir auch personalisieren zu einem "Suchtteufelchen", es ist nur ein Bildnis. Ich bin süchtig! Darf ich mich da nicht auch als einen Freund betrachten? Was wäre wohl die destruktive Alternative? Nein, ich war viel zu lange nicht nett zu mir selbst.
„Es ist okay, schwach zu sein.“
Bitte ... von wem kommen solche Sprüche? Doch eigentlich kommen sie aus dem Umfeld von Leuten, die sich mit Sucht gar nicht auskennen. Ihr wisst es alle schon, dass mein Vater mir kurz vor seinem Tode nioch sagte, dass für ihn die Glücksspielsucht eine Charakterschwäche sei. Das ist sie aber gar nicht, Sie ist eine Krankheit ... Punkt. Nicht mehr ... und nicht weniger.
Wenn wir uns die Willensstärke anschauen bei Spielern, dann ist sie zumeist überragend hoch. Leider nur wird sie zum Spielen eingesetzt und nicht zur Abstinenz. Wie oft und wie stark habe ich gegen die Läuterungsversuche angestanden ... 20 Jahre lang. Wie oft sehe ich die Menschen auch hier im Forum kämpfen, um nu ja ihre Suchtausübung weiter fortführen zu können?
"Schwach" ist nu wirklich anders ...

Aber ich frage mich: Gibt’s vielleicht noch einen anderen Weg?
Jeder Weg ist individuell, auch wenn sie sich oft unglaublich gleichen.
Was, wenn es nicht darum geht, ewig zu kämpfen – sondern darum, irgendwann einfach nichts mehr zu fühlen, wenn man ans Spielen denkt?
Wer kämpft, der kämpft doch nur gegen sich selbst. Die einen nennen es Kapitulation, die nächsten Akzeptanz. Dies gilt es anzustreben.
Kein Reiz.
Kein inneres Ziehen.
Kein Widerstand.
Einfach: „Ist mir egal.“
Ich glaube, dass wir sehr nahe an diesen "Zustand" herankommen können, ohne ihn je vollkommen zu erreichen. Das ist aber nicht schlimm, denn wenn in der Anfangszeit der Abstinenz noch der Umgamg mit dem Suchtdruck und den Spielgedanken vorherrschen, so verändert sich mit der Zeit der Blickwinkel und schaut auf die Vorteile der Abstinenz. Wieso sollte da ein wenig Suchtdruck was dran ändern? Wieso sollte es kein "inneres Ziehen" geben? Es gehört eben zu mir und ich weiss heute dass ich es meistern kann - wie jeder einzelne von Euch da draussen auch!
Das Thema ist einfach durch. Es hat keine emotionale Verbindung mehr. Es interessiert einen schlichtweg nicht mehr.
Wie bereits gesagt, Deine Erfahrungen bleiben Dir im Gedächtinis, sodass ich meine Leben lang eine "emotionale Verbindung" haben werde. Unser Freitagessen hat aber sinngemäß einmal über mich gesagt: Du bist durch mit dem Thema! Es interessiert Dich nicht mehr!