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Geh-Hilfen

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Offline Claus

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Geh-Hilfen
« am: 09 Januar 2007, 22:37:46 »
Geh-Hilfen
Danach war ein Fest der Juden, und Jesus zog hinauf nach Jerusalem. Es ist aber in Jerusalem beim Schaftor ein Teich, der heißt auf Hebräisch Betesda. Dort sind fünf Hallen; in denen lagen viele Kranke, Blinde, Lahme, Ausgezehrte. Es war aber dort ein Mensch, der lag achtunddreißig Jahre krank. Als Jesus den liegen sah und vernahm, dass er schon so lange gelegen hatte, spricht er zu ihm: Willst du gesund werden? Der Kranke antwortete ihm: Herr, ich habe keinen Menschen, der mich in den Teich bringt, wenn das Wasser sich bewegt; wenn ich aber hinkomme, so steigt ein anderer vor mir hinein. Jesus spricht zu ihm: Steh auf, nimm dein Bett und geh hin! Und sogleich wurde der Mensch gesund und nahm sein Bett und ging hin. Johannes 5, 1-9
Da ist einer krank. Seit 38 Jahren wartet er auf Hilfe, damit er in das „Heilende Wasser" kommen kann. Er ist befasst mit seinem Lamento. Er ist ein „Zu-Kurz-Gekommener"; für uns in der Sozialarbeit ein „gefundenes Fressen". Wir würden ihn tragen, ob er will oder nicht. Er würde unsere Helfermotivation verstärken, uns zu besonderen Aktionen befähigen. 38 Jahre lang wartet da einer; wer kann da nicht helfen wollen?!
Und dann kommt ER, der Meister. Ihn interessiert nicht, warum der Kranke nicht ins Wasser kommen kann. Er ist mit einer anderen Frage beschäftigt. Er fragt: „Willst Du gesund werden?" Wieder kommt das Lamento. Aber der Meister scheint alles zu überhören, denn er sagt einfach: „Steh' auf und geh'!" Der Kranke muss recht verblüfft gewesen sein. Da kommt einer und spricht ihn an, als wäre er nicht krank. Da traut ihm einer Gesundsein zu. Wahrscheinlich zum ersten Mal will einer seine Klagen nicht mehr hören, fragt eine fast unzumutbare Frage, ob er gesund werden will. Der Kranke, der eben noch krank war, sich als krank definiert hat, stellt sich nun selbst die Frage, ob er wirklich krank ist. Denn der Meister hält ihn offensichtlich nicht für krank, sonst könnte er ihm nicht sagen: „Steh' auf und geh'!" Er steht auf und geht, nachdem er 38 Jahre lang gesessen und auf Heilung gewartet hat.
Nun geht er umher, lobt Gott und ist gesund. Hier hat Gott bewirkt dass einer sein Elend verlassen konnte, hat ihm die Erlaubnis gegeben, gesund zu werden, gesund zu sein - eine wunderbare Geschichte. Jesus, der Meister, Jesus, der Heiler, Jesus, der Kräfte freisetzen kann. Jesus, der bewirkt dass Menschen ihr Gesundsein entdecken und realisieren können.
In der Suchtkrankenhilfe gibt es unzählige Beispiele, wie Gott an Menschen und in Menschen wirkt. Auch hier gibt es Menschen, die sich angesprochen fühlen von dem Meister; Menschen, die oft nach jahrelangem Kranksein den Ruf: „Steh' auf und geh'!" gehört haben. Suchtkrank sein heißt, krank sein an Leib und Seele, krank sein im Geist und krank in allen Bezügen unseres Lebens. Darum ist Sucht eine Krankheit -

sie sitzt in der Seele —
sie verwirrt den Geist —
sie zermürbt den Körper —
sie macht Angst —
sie macht Schrecken —
sie macht Verwahrlosung -
sie macht flucht -
sie jagt umher -
sie macht totale Not -
sie ist Himmel und Hölle zugleich.

Sucht ist aber auch ein Schrei, ein Ruf aus der Krankheit. Da schreit einer: „Ich mache nicht mehr mit ich gehe an dieser Art zu leben kaputt!" - Vielleicht ist dieser Schrei der Beginn einer Genesung, auch wenn der Kranke noch nichts davon ahnt.
Der Suchtkranke zeigt uns an seiner Art zu leben, in der Art wie er sich zerstört, dass wir alle nicht richtig leben, nicht gesund sind, nicht in der Ordnung sind. Er hält seine Tanne hoch, zeigt ein Transparent auf dem steht dass wir alle an diesem Leben zugrunde gehen, wenn wir so weiter leben, wie wir leben. Daher Ist Suchtkrankheit eine Krankheit die einen Sinn hat.

Sie Ist Information -
sie ist ein Bündel von Fragen - an uns alle -
sie ist der Verlust von Ganzheit-
sie ist eine Form von tiefem Gekränktsein —
sie ist die Lebenskrise —
sie ist die Lebenschance —
sie ist Gnadenzeit —
sie ist vielleicht der Ausgangspunkt für eine Veränderung,
die zum Hellwerden führen Kann.

Einer sagte mal einen verruchten Satz: „Wen Gott liebt, den lässt er Alkoholiker werden'. Wie kann man Gottes Liebe mit solchem Elend in Verbindung bringen? Eigentlich nur, wenn wir Menschen kennen, die sich der Sorge Gottes anvertraut haben, die sich seiner Gnade ausgeliefert haben - und uns nun sagen, dass sie mit Gottes Hilfe von ihrer Abhängigkeit losgekommen sind. Ohne diese Menschen hat der Satz keinen Sinn. Einmal fragte mich ein neunmalkluger, ob denn nun Gott die anderen Menschen nicht lieben würde.
Dabei hatte ich ihm von den Freigewordenen erzählt. Er hatte nichts verstanden, hatte nichts gespürt von der Macht Gottes und wie sie Menschen verändern kann. Vielleicht hätten wir ihn einladen sollen in die Gruppen der Selbsthilfe, in die Kliniken, in die Wohngemeinschaften, wo man sie sehen kann, die, die ihr Leben von Grund auf geändert haben und dadurch zum Leben gekommen sind. Wer sich dort umhört, wer aufmerksam schauen kann, der sieht Menschen an denen „Wunder" geschehen sind, Menschen die durch diese Krankheit befähigt wurden, ihr altes krankmachendes Leben loszulassen.
Nun geschieht dies nicht einfach so: Gott gibt Kraft und Mut, aber ich muss es tun. Ich muss mich dieser Lebenskrise stellen, muss mich am Ausweichen hindern - und hier zeigt sich das „Begnadetsein" des Süchtigen. Er kommt durch seine Krankheit immer wieder an einen Punkt, wo er nicht mehr weiter kann, wo er an der Grenze zwischen Leben und Sterben steht. Darum Ist Krisenzeit eine Gnadenzeit, ist Lebenskrise eine Lebenschance.
Leider sind die Süchtigen umgeben von einer Fülle von „Helfern", die es gut meinen, die mitleiden, die durch den Süchtigen und seine Krankheit fast zugrunde gehen, die fest mit ihm verwoben sind, die ihn schützen wollen, die das Schlimmste zu verhindern suchen, die Angst vor dieser Lebenskrise haben und so dem Süchtigen und sich selbst immer wieder diese vielleicht Heilmachende Krise „stehlen". „Immer kam einer und stahl mir meine Krise1'—so sagte mir im nachhinein ein Süchtiger. „Immer haben sie mir geholfen, haben mir Geld geliehen, haben für mich gelogen, haben meine Lügen gerne geglaubt."

„Ärzte haben mich mit blinden Augen krankgeschrieben und mich so von der Verantwortung für meine Arbeit entbunden, gaben mir Medikamente, die mich weiter krank sein ließen. Andere Helfer gaben mir hohle Ratschläge. Aber es gab auch in unserem Leben die, die den Mut hatten, uns unsere Krise zu lassen, die die Kraft hatten, uns in die Krise zu begleiten und uns nicht allein gelassen haben, die mit uns ihre Krise erlebt haben." So können alle von den Lebenskrisen profitieren — die Süchtigen, die Angehörigen, die Freunde und die Helfer — alle haben ihre Lebenschance, wenn sie sich nicht ihren Krisen verschließen, wenn sie es zulassen können, dass das Alte, das, was uns am Leben hindert, stirbt. Damit das Alte vergehen kann, ist immer wieder Überprüfung nötig. Wir sollten uns Fragen stellen und keine Angst haben, sie zu beantworten:
Was fehlt mir?

Was brauche ich?
Was tut mir gut?
Was macht mich krank?
Was bringt mich um?
Was kann ich ändern?
Was muss ich ändern?

Oft reden wir von ansteckenden Krankheiten. Vielleicht sollten wir über ansteckende Gesundheit reden, uns gegenseitig zeigen, wie man besser leben kann, uns gegenseitig lehren, wie man weniger leidet, wie man für seine Seele sorgt, wie man den Geist stärkt, wie man sinnvolles Leben findet und genießt.
Was antworten wir auf die Frage: Willst Du gesund werden? — Reden wir auch wie der Kranke, der Gründe anführt, warum er nicht in das „Heilende Wasser" kommen kann? Was machen wir, wenn wir gesagt bekommen: „Steh' auf und geh'!" — Bleiben wir in unserem Kranksein, weil uns Zweifel, Ängste und Dummheit gefangen halten oder vertrauen wir der Aufforderung des Meisters und stehen endlich auf, um zu gehen? Mit Gottes Hilfe sind wir gehfähig! In der Suchtkrankengemeinschaft gibt es Menschen, die zeigen, dass Veränderungen möglich sind — nicht nur als Idee oder frommer Wunsch, sondern sichtbar an Menschen, die Hilfe gegeben, Hilfe bekommen, genommen und genutzt haben — Menschen, die ihre Krise genutzt haben, die die Fragen des Meisters gehört und verstanden haben. Ich wünsche uns jede Menge Heilmachende Krisen. Wenn aber unsere
Ängste uns an Veränderungen hindern wollen, dann können wir mit den Worten Dietrich Bonhoeffers beten und erfahren, dass uns eigentlich nichts passieren kann.

Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost,
was kommen mag' Gott ist mit uns am Abend und am Morgen,
und ganz gewiss an jedem neuen Tag!"

Berthold Kilian
gute 24 Stunden

"Wer kein Ziel hat,
dem stehen alle Wege offen!

 

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