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Hallo Gast
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Angehörige

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Angehörige
« am: 20 Februar 2006, 18:03:36 »
Liebes Forum,

auch, wenn da Fazit für mich schon feststeht, muss ich einmal kurz loswerden, was mir auf der Seele liegt.
Ich bin die Tochter einer Suchtkranken (Alkohol) und habe mich vor Jahren einer Selbsthilfegruppe angeschlossen, da ich mit der Sucht meiner Mutter nicht klargekommen bin. Mitlerweile habe ich es als Krankheit akzeptiert und versuche mich an bestimmte Regeln zu halten, damit ich mein Leben leben kann. Das fällt manchmal sehr schwer, da sich Alkoholkranke nicht nur psychisch sondern auch körperlich sehr stark verändern!!
Die Folge daraus ist, dass ich meine Mutter, obwohl sie nur 3 km entfernt wohnt max. 2 mal im Jahr sehe. Sie steht Familienfeiern einfach nicht mehr durch. Interesse an ihren Enkelkindern zeigt sie natürlich auch nicht, denn die sind ja auch nicht blöd!
Obwohl meine Mutter in letzter Zeit immer sonderbarer wurde und sich nun auch telefonisch nicht mehr meldete, dachte ich ja an nichts böses. 
Nun hatte meine Mutter gestern Geburtstag und da sie diesen im Urlaub verbrachte, dachte ich, ich mache ihr eine Freude und bringe ihr einen Blumenstrauss vorbei, damit sie bei Ihrer Rückkehr etwas nettes in der Wohnung hat. Da ja niemand mit meinem Besuch gerechnet hat, lagen ihre Kontoauszüge auf dem Tisch. 
Aufgrund ihres doch sehr merkwürdigen Verhaltens warf ich mal einen Blick darauf = EUR 36.500,-- hat sie in den letzten 6 Monaten in Casions verzockt!!!!! Das ist schon eine sportliche Summe. Nun weiss ich auch, warum sie ihre Eigentumswohnung verkauft hat!!!!
Letzten Sommer ist sie noch unregelmäßig spielen gegangen, aber seit Dezember wöchentlich!!
Wie wird man denn über EUR 2.000,-- an einem Tag  im Casino an Automaten los???
Was treibt einen denn in ein 30 km entferntes Casino, um sein ganzes erspartes Geld zu verzocken????
Nun ist es ja ihr Geld, aber neben der Sucht an sich, wird es nicht mehr lange reichen, um diese Beträge zu verschleudern, was kommt denn dann??? Woher bekommt eine 59jährige Frührentnerin denn Geld, um diese Art der Sucht zu befriedigen????
Obwohl ich dachte, mich schockt nichts mehr, hat mich das doch sehr mitgenommen und mein Fazit wäre, mich strickt an die Regeln zu halten und sie ihr Leben leben zu lassen, um mich zu schützen!!
Vielleicht hat ja jemand Erfahrungen und kann mir mal seine Meinung sagen!
Vielen Dank     
     

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Offline Chris

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Re: Angehörige
« Antwort #1 am: 21 Februar 2006, 20:37:45 »
Hallo Andrea,

ich hoffe, es antworten Dir noch die eine oder der andere Angehörige mit ähnlichen Erfahrungen.

Ich selber bin Zocker, möchte aber gerne ein paar Gedanken zu Deinem Beitrag loswerden.
Zuerst einmal (ist kein Vorwurf, betrachte es bitte als Denkanstoß) ist jedem die menschliche Neugierde ja klar, da liegen Kontoauszüge (offen ?) rum. Trotzdem steht es Dir nicht zu, diese einfach anzusehen. Den rechtlichen Aspekt lassen wir jetzt mal beiseite.
Aber es ist ein Vertrauensmissbrauch, wenn Du einen Schlüssel zu der Wohnung hast. Du hättest die Kontoauszüge auch ignorieren können. Wie würdest Du Dich fühlen, wenn es umgekehrt wäre ?

Nächster Punkt
Ich kann verstehen, das Du Dich in den letzten Jahren von Deiner Mutter zurückgezogen hast. Es kann auch sehr anstrengend sein mit einem Suchtkranken zu Hause, will ich nicht abstreiten. Aber es ist eine Krankheit (egal ob Saufen oder Zocken) und der Betroffene braucht Hilfe und die Unterstützung seiner Familie. Ich gehe mal davon aus, das Du (Ihr ? Geschwister ?) es auch mehr als einmal probiert hast. Irgendwann gibt man eben auf.
So wie Du schreibst, kann ich mir gut vorstellen, das Deine Mutter einsam ist. Frührentnerin, den ganzen Tag alleine zu Hause, die Decke fällt einen auf den Kopf...was macht man da...und irgendwie fand sie den Weg in die Spielbank...dann...am Anfang ( das Pech der meisten Spieler) gewinnt man einen schönen Batzen, man hat ein Hochgefühl, wie lange schon nicht mher...das will man wieder...so rutscht man da rein.

2000 Euro an einen Tag ?...also ich habe früher auch mal 2000 Mark an einen Tag in einer normalen Spielhalle, 30 Pfennig-Einsatz, verspielt.  In der Spielbank geht das noch einfacher, weil man da an den Automaten auch mit höheren Beiträgen spielen kann.

Nächster Punkt
Du willst um Dich selber (und Deine Familie) zu schützen, Dich jetzt ganz von Deiner Mutter zurückziehen.  Tief in Deinem Herzen willst Du ihr aber immernoch helfen, darum informierst Du Dich z.B. hier wie es aussieht, was man machen kann.  Das ist okay, das ist gut, auch für Dich selber.
Aber falls Du doch aufgibst, so einfach ist es im Deutschstaatlichen Dschungel nicht. Wenn Deine Mutter Pleite ist und finanzielle Unterstützung braucht, an wen wendet sich das Sozialamt dann ?...Na ?

Als Lösung gäbe es dann noch eine Betreuung (früher Vormund/Entmündigung). Da kannst Du Dich mal beim Sozialamt informieren. Kann ich nicht viel zu sagen. Ich persönlich bin auch kein Freund davon.

Um Deine Mutter vom Trinken und spielen wegzuholen, muß sie es auch selber wollen. Vielleicht sprichst Du mal mit ihr. Sag ihr ruhig das Du Angst hast, das sie Dich und Deine Familie mit in den Sumpf zieht / ruiniert.
Wichtig dabei ist immer: KEINE Vorwürfe machen, sachlich bleiben !
Manchmal ist es auch besser, Jemand neutrales bei so einem Gespräch dabei zu haben.
Vielleicht suchst Du ihr mal entsprechende Beratungsstellen in Eurer Nähe heraus, kannst da auch vorher mal Kontakt mit aufnehmen. Biete Deiner Mutter an, mit Ihr dahin zugehen, wenn Sie möchte.
Und denk daran: keine Vorwürfe...Deine Mutter hat keine Fensterscheibe eingeworfen, sondern sie ist Krank !

So, ich hoffe, ich habe das einigermaßen gut rübergebracht, wenn Du Fragen hast, dann frag.
Ich wünsche Dir alles Gute und melde Dich, was Du weiter machst, okay ?

Chris
Ist wie immer, nur meine ganz private Meinung....

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Offline Claus

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Re: Angehörige
« Antwort #2 am: 21 Februar 2006, 21:58:11 »
Hallo Andrea,
mir ist nicht ganz klar was willst? Ich bin selbst Spieler und Alkoholiker und meine Mutter war Alkoholkrank. Ich geh wegen meiner Familie  in Angehörigengruppen auch wenn meine Eltern schon lange versorben sind.
Eines lerne ich da immer wieder auch für mich "den fehler vom menschen zu trennen" es ist halt leider so das ich den Menschen in diesem Fall meinen Bruder nicht mehr geistig sondern nur noch auf der Gefühlsebene erreichen kann. Mir tut das weh, aber ich kann es/ihn NICHT ändern.
Ich empfehle Dir deine Mutter in Liebe los zu lassen, das was deine Mutter mit dem Geld macht geht dich doch nichts an, oder  kannst Du einen Anspruch geltend machen dann tue es, sofort!!
Lass sie wissen, das du sie Liebst, aber es dir nicht gefällt was sie tut.
Sorge gut für DICH
Gruss
Claus
gute 24 Stunden

"Wer kein Ziel hat,
dem stehen alle Wege offen!

Re: Angehörige Andrea
« Antwort #3 am: 22 Februar 2006, 15:19:51 »
Hallo Andrea,
ja das kann ich verstehen das dich diese Nachricht von deiner Mutter umgehauen hat. Aber wie die anderen auch schon geschrieben haben kann frau (mann) auch größere Summen schnell verspielen. Falls deine Mutter Roulette spielen sollte, geht das noch schneller.
Die Frage die du dir indirekt stellst ist wie du damit umgehen sollst?
Da du ja Blumen hingestellt hast und deine Mutter weiß das die Kontoauszüge auf dem Tisch lagen wird sie davon ausgehen dass du sie gesehen hast. Also stellt sich die Frage ob du es ansprechen willst oder nicht? Aus deiner Beschreibung geht nicht ganz klar hervor ob deine Mutter etwas gegen ihre Sucht unternommen hat und wie sie dazu steht? Von daher weiß ich nicht wie es um ihre Motivation steht eine Beratungsstelle aufzusuchen oder sich für das Spielcasino sperren zu lassen. 
Wenn sie weiter spielen will wird sie so schnell niemand davon abhalten können, aber das weiß du mit Sicherheit. Dein Ansatz dass du dich und deine Familie schützen willst ist dann richtig.
Lieber Gruß
Horst     


 

Re: Angehörige
« Antwort #4 am: 22 Februar 2006, 19:54:04 »
Vielen Dank für eure Antworten.
Vielleicht habe ich -in meinem Frust- den Beitrag etwas hart geschrieben, aber in dem Moment war es genauso gemeint.

Meine Mutter trinkt seit dem ich 12 Jahr alt bin. In jungen Jahren habe ich ihr den Alkohl auch noch besorgt, da ich die Situation natürlich nicht einschätzen konnte. In diesen Jahren ging dann natürlich auch eine Persönlichkeitsveränderung in ihr vor = wir hatten nie Freunde bei uns zu Besuch, aufgrund des Alkohols ist sie nie morgens aufgestanden und hat mit mir gefrühstückt. Das mag sich banal anhören, war aber nur der Anfang einer Abkapselung, die sie immer fortschreitend vornahm.
Es ist nicht wirklich schön, wenn die eigene Mutter abends auf der Couch im Rausch einschläft und man daher nie Freunde zu Hause haben konnte.
Mit 18 Jahren wurde ich dann ausgezogen, d.h. meine Eltern finanzierten mir eine Wohnung. Viele würden sagen: toll, ich hätte mir eher eine Umarmung gewünscht, als die Schlüssel zu einer Wohnung. Also machte ich mein Abi ganz alleine und bestritt von da mein Leben ohne meine Eltern.
Da sich mein Selbstbewustsein erst mit Mitte 20, als ich einen Beruf hatte, entwickelt hat, habe ich auch erst dann den Mut gefunden, zu Alanon zu gehen, denn auch ich musste mir erst klarmachen, dass meine Mutter alkoholkrank ist.
Aber mir ist durch die Sitzungen bei Alanon klargeworden, dass ich MEIN Leben leben muss, denn sonst zieht sie mich mit in ihren Sumpf. Das hört sich bescheuert an, aber es ist für mich furchtbar mitanzusehen, wie sie sich seit Jahren körperlich ruiniert = 59 Jahre, 35 kg. Am schlimmsten ist jedoch das emotionale, denn sie und auch mein Vater sehen das Trinken als Genuss und wehe, ich sage etwas dagegen, dann herrscht wieder monatelange Funkstille. Da ich auch 2 Kinder habe, habe ich es als Chance gesehen, das s sie sich durch ihre Enkel ein wenig besinnt und ggfs. etwas auf ihren Körper hört, aber das Gegenteil ist der Fall und solange ihr Partner, der ihre absolute Bezugsperson ist, dies toleriert und unterstützt, bin ich machtlos.

Nun zu der Zockerei. Warum habe ich auf die Kontoauszüge geschaut = Meine Mutter hat sich im letzten Jahr so sehr verändert, dass sie nicht nur zu mir, sondern auch zu ihrer Mutter den Kontakt fast ganz abgebrochen hat, so gut wie nie ans Telefon geht, niemanden in ihre Wohnung lässt, ihre Eigentumswohnung bei denkbar ungünstigen Marktpreisen verkauft hat und es keine Erklärung für die plötzliche Wandlung gab. Natürlich habe ich ihre Privatsphäre zu respektieren,aber hat irgendjemand in den letzten 26 Jahren daran gedacht, wie sich die Sucht und die emotionale Kälte auf mich ausgewirkt haben... Leider nein.
Bei all dem, was ein Alkohlkranker im Suff sagt und psychisch anrichtet kann aber niemand von mir verlangen, dass ich nur liebevoll darauf regiere, dafür hat vieles zu weh getan.
Mit am schlimmsten ist jedoch die Lügerei seit dieser ganzen Zeit und die Scheinwelt, die immer aufrecht erhalten werden soll.
Eigentlich war ich nur einfach neugiering, das mich dann der nächste Schlag traf, hätte ich ja nicht gedacht.

Das ich auf die Kontoauszüge geschaut habe, war sicherlich nicht o.k., aber dass meine Mutter mich mal wieder anlügt, war mir schon klar, ich wusste nur nicht warum. Daher war ich einfach nur neugierig, denn so manche Lügen, die meine Eltern mir in den letzten Jahren aufgetischt haben, haben mich doch sehr aus der Bahn geworfen.
Mir geht es auch überhaupt nicht um das Geld, aber ich bin froh, dass ich es nun weiss, denn nun kann ich die eine oder andere Situation sicherlich besser einschätzen.

Ihr mögt mich für herzlos halten, ich hänge wirklich an meiner Mutter, aber ich muss mich distanzieren, sonst  zieht sie mich mit runter. Ich habe soviel Kraft investiert, um ihr anfangs zu helfen, was sie bis dato überhaupt nicht will, daher werde ich nun versuchen, es zu akzeptieren, dass es ist, wie es ist, aber verstehen werde ich es nie. Vor allem nicht, dass mein Vater -nicht suchtkrank- alles unterstützt und das aus reiner Angst vor der Konfrontation, denn dann würde sein gutbürgerliches Leben aus den Fugen geraten.
Euch allen einen schönen Abend   

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Offline Chris

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Re: Angehörige
« Antwort #5 am: 23 Februar 2006, 19:20:22 »
Hallo Andrea,

ich denke nicht, das Dich hier irgendjemand für herzlos hält.
Ich hoffe auch, Du hast meinen Beitrag so verstanden wie ich es meinte.
Ich habe nur versucht, Dir verschiedene Aspekte der Sache aufzuzeigen.
Du hattest auch nicht erwähnt, das Dein Vater auch noch da (bei Deiner Mutter) ist.

In dem Fall würde ich sagen, vollzieh eine Trennung (auch innerlich) mach Dich frei, kümmer Dich um Deine Familie. Sorge dafür, das Du endlich auch mal glücklich sein kannst. Das will Dir hier niemand streitig machen.

merkst Du wie ich Deine Daumen drücke ?...quetsch quetsch  ;)

Chris
Ist wie immer, nur meine ganz private Meinung....

 

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