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Aussichtsloser Fall

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Aussichtsloser Fall
« am: 25 Januar 2006, 15:43:32 »
Eine gute Bekannte von mir weiß echt nicht mehr weiter. Sie wohnt in Thüringen und ihr Bruder N. ist stark spielsüchtig.

Es begann vor etlichen Jahren. N. war zunächst, zumindest nach außen hin, scheinbar ganz solide. Er war verheiratet und mit der damaligen Frau hat er sogar eine gemeinsame Tochter. Aus heiterem Himmel, man kann sagen „über Nacht“ hat er sich geändert, er ist sozusagen „durchgedreht“. Er ist, naja, halt eben psychisch ausgerastet. Hat sich splitternackt in der Öffentlichkeit ausgezogen und was weiß ich nicht alles für verrückte Sachen angestellt. Nun, jedenfalls hat sich daraufhin die Ehe erledigt und N. ist zurück ins Elternhaus zu seinen Eltern gezogen, das von den Eltern und der Familie seiner Schwester bewohnt wird. Aufgrund der psychischen Krankheit ist er daraufhin Frührentner geworden und steht unter Medikamenten, soweit ich weiß.

Irgendwann hat dann im Ort eine Spielhalle aufgemacht und wie es das Schicksal so wollte, hat es N., sicher zunächst aus Langeweile, auch mal in diese Spiel“hölle“ verschlagen. Erst war es nur sporadisch, doch mit der Zeit hat er immer mehr Geld dort an Geldspielautomaten verzockt. Als seine eigene Rente längst nicht mehr ausreichte, fing er an, sich Geld bei seinen Eltern zu leihen und auch zu stehlen. Die Mutter leidet sehr unter Demenz oder Alzheimer (?) und bekommt daher auch nicht so recht mit, ob Geld fehlt, ob sie ihm was gegeben hat, oder wo er sich sonst noch Geld holt. Der Vater ist ein Pflegefall und hat überhaupt keine Macht etwas zu unternehmen. Die Schwester und deren Familie kümmern sich zwar sehr um die Eltern und N., haben aber leider überhaupt keinen Einfluß darauf, was die Eltern mit ihrer Rente machen und ob sie N. ihr ganzes Geld verzocken lassen. Die Übertragung einer Kontovollmacht auf die Schwester ging zumindest schief, weil sich die Mutter das in der Bank noch anders überlegt hatte.

Mittlerweile hat die Schwester das Elternhaus von den Eltern gekauft, so daß sie wenigstens die Sicherheit haben, daß nicht noch irgendwann „Haus und Hof“ verzockt werden. Die Summe haben sie auf das gemeinsame Konto der Eltern überwiesen. Nun hat N., der eigentlich gar nicht so psychisch krank ist, wie die Ärzte glauben, seine Eltern gezwungen, die Kontovollmacht über dieses Konto, wo die Zahlung für das Haus draufgegangen ist, auf ihn zu übertragen. Zumindest hat er das geschafft, denn so psychisch krank ist er eigentlich gar nicht. Seitdem verzockt er tagtäglich von morgens bis abends bündelweise Geld in der Spielbank. Bei den Ärzten oder wenn es um’s Arbeiten geht, spielt er den psychisch Kranken und privat ist er absolut clever, was er durch hämisches Grinsen noch bestätigt. Ich habe ihn selbst kennengelernt und bin erschüttert, wie er es schafft, den Staat und Ärzte zu täuschen und das ganze Hab und Gut seiner Eltern zu verzocken. N. ist völlig normal, ich würde sagen eher brutal clever.

Bis Mitte des Jahres wird er wohl eine fünfstellige Zahl verzockt haben und das Konto restlos geplündert haben. Die Spielhalle wird’s freuen. Wenn dann die Eltern mal sterben, muß wohl oder übel die Schwester sehen, daß sie die Beerdigung zahlen kann, denn bis dahin ist alles restlos im Schlund der Spielautomaten verschwunden. Daß die Bank überhaupt jemanden, der aufgrund einer (angeblichen) psychischen Erkrankung Frührentner ist, die Bankgeschäfte überträgt ist verwunderlich. Aber der Kerl ist einfach zu clever und gerissen. Hat die Eltern gezwungen, zu unterschreiben und verzockt nun drei Renten plus das Geld für’s Haus. Ich weiß, man kann da gar nichts tun, man kann weder verbieten lassen, das Geld zu verzocken, man kann ihn nicht entmündigen lassen, man kann nur stumm zusehen, wie er das Geld für das Haus, wo die Schwester extra einen Kredit aufnehmen musste, und seine und die Rente der Eltern sinnlos in die Spielhalle trägt. So grotesk wie das ist. Und man kann rein gar nichts tun... Der Staat wird sich sicher auch hüten, etwas dagegen zu haben. Schließlich verdient er mit der Spielapparatesteuer doch einen Batzen Geld mit... bis es irgendwann mal alle ist und die Eltern gestorben sind. Und was ist dann? Wird er dann nicht vielleicht versuchen, Geld von der Schwester zu erpressen? Wird vielleicht mal irgendwann das Haus brennen, weil sie nicht auf die Erpressungen eingegangen ist, oder eingehen konnte?

Also ich traue ihm alles zu, nur das Eine nicht: Daß er merkt, daß er spielsüchtig ist und etwas dagegen unternehmen will. Dann spielt er wieder den psychisch Kranken...

Wenn in diesem Fall noch irgend ein Hoffnungsschimmer sein sollte, wären ich und sicher auch meine Bekannte sehr dankbar für jede Hilfe. Ansonsten bleibt auch mir nur noch, abzuwarten und zu sehen was noch so alles passiert.

Jürgen

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Offline Ilona

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    • Fachverband Glücksspielsucht e.V.
Re: Aussichtsloser Fall
« Antwort #1 am: 31 Januar 2006, 10:41:31 »
Lieber Jürgen,

dieser Fall hört sich sehr komplex an und ist aus der Ferne schwer zu beraten. Nur soviel: Glücksspielsucht hat viele Facetten. Unter anderem tritt diese Störung auch in Begleitung anderer Erkrankungen auf. Falls das beim Bruder deiner Bekannten so ist, was ich nicht beurteilen kann, dann sollten die behandelnden Ärzte um Rat gefragt werden. Sicher kann es auch mal vorkommen, dass jemand erfolgreich eine Krankheit vortäuscht. Wer allerdings Rente bezieht, der wird in der Regel sehr genau unter die Lupe genommen. Von daher wäre ich sehr vorsichtig mit dem Vorwurf der Vortäuschung. Und Phasen exzessiven Glücksspielens oder anderer Formen des exzessiven Geldausgebens treten im Rahmen psychsicher Erkrankungen auf. Das ist für das Umfeld sehr schwer zu ertragen und noch schwerer nachzuvollziehen.  Manchmal hilft es, wenn man sich klar macht, dass es hier um Symptome bestimmter Erkrankungen geht. In so einem Fall ist z.B.  gründlich zu prüfen, ob jemand überhaupt in der Lage ist Spielverträge abzuschließen. Bestimmte Erkrankungen führen nämlich dazu, dass man nicht in der Lage ist seine Geschäfte in volllem Umfang zu betreiben (partielle Geschäftsunfähigkeit). Das muss aber ein Arzt feststellen. Sollte es so sein, können unter bestimmten Umständen die Spielverträge rückgängig gemacht werden.

Vielleicht macht es  Sinn, wenn sich deine Bekannte zunächst gründlich über diese Form der psychischen Erkrankung beraten lässt. Wenn sie mit Wut auf ihren Bruder an die Sache ran geht, hilft das niemandem. Man muss immer mitdenken, dass er nicht simuliert. Als Laie sollte man sich zudem davor hüten, komplizierte medizinische Diagnosen zus stellen. Da kommt man leicht an seine Grenzen. Soviel auf die Schnelle.

viele Grüße, Ilona
Juristische Beratung: Kanzlei Kraft, Geil und Kollegen / Bielefeld http://www.kguk.de/
Ansprechpartnerinn: Dr. Iris Ober und Juliane Brauckmann  (Fachanwältinnen für Bankenrecht)  Terminanfragen: 0521-529930
Weitere Infos  hier: https://www.forum-gluecksspielsucht.de/forum/index.php?topic=3737.0

 

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