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Meine Geschichte

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Meine Geschichte
« am: 27 September 2019, 22:41:51 »
Hallo zusammen,
ich bin neu hier und empfinde es als sehr befreiend einmal die gesamte Geschichte loszuwerden.
Ich bin 33 Jahre alt und hatte bis vor ca. einem Jahr nie ernsthafte Geldsorgen, da ich schon immer sehr verantwortungsvoll und sparsam gelebt habe. Eines Tages hat sich dann ergeben, dass ich aufgrund der sehr intensiven TV-Werbung eine erste kleine Einzahlung bei einem Onlinecasino getätigt habe. Relativ schnell habe ich größere Gewinne erzielt, was sich dann mehr oder weniger unterschwellig zu einem ernsten Problem entwickelt hat.
Nach ca. 3 Monaten waren von meinen 18.000 EUR Ersparnissen ca. 5.000 EUR verspielt. Soweit so schlecht. Ich war der Meinung aufhören zu können. Aber dann habe ich plötzlich 12.000 EUR gewonnen und ab diesem Zeitpunkt ging es steil bergab. Seit diesem Tag - im September 2018 - habe ich den gesamten Gewinn und die Ersparnisse in Rekordzeit verspielt. Daraufhin war die Verzweiflung so groß, dass ich weiter versucht habe diesen Verlust wieder reinzuholen und jede erdenkliche Geldquelle angezapft habe. Aufgrund meiner langjährigen guten Finanzlage und Top-Bonität habe ich ohne Probleme zwei weitere Kreditkarten beantragen können. Eine Kreditkarte ist die bei meiner Hausbank, die seit jeher mit 4.000 EUR am Limit ist und die ich jedes Mal mit der im November 18 neu beantragten American Express ausgleiche.
Zunächst habe ich das alles vor der Familie verheimlichen können. Nun aber auch zu diesem Thema:
wir betreiben einen Fachversand, in dem ich Gesellschafter der GbR bin. Das Firmenkonto läuft auf den Namen meiner Eltern, ich habe bei der gleichen Bank ein Girokonto, was nicht unmittelbar mit der Firma verbunden ist. Nichtsdestotrotz ist mir mittlerweile sehr bewusst wie riskant mein Verhalten war. Im Februar 2019 habe ich bedingt durch akute Geldnot mit der Wahrheit rausrücken müssen, wobei ich die Höhe des Gesamtverlustes bewusst reduziert habe, da ansonsten die Fassungslosigkeit noch größer gewesen wäre.
Fakt ist, dass ich mir 2.000 EUR geliehen habe von den Eltern, die ich sehr schnell wieder zurückgezahlt habe. Meine Eltern waren im guten Glauben, dass die Spielsucht überwunden wäre - mehr dazu weiter unten.
Leider hat auch das nicht lange vorgehalten, denn wenige Wochen später war auch diese Summe wieder verspielt, ebenso ein drittes Mal bei einem guten Freund in gleicher Höhe. Diese Summe habe ich bis jetzt nicht zurückgezahlt.
Nun zuerst einmal noch zu der aktuellen Situation:
ich bin erst jetzt so richtig "aufgewacht" mit der Bereitschaft alles dafür zu tun, diese Situation endlich zu beenden. Ich habe aktuell folgende Schulden angehäuft:
- American Express: 5.300 EUR
- Mastercard bei Hausbank (Volksbank): 2.000 EUR
- Kredit über Auxmoney, den ich im Juni aufgenommen habe: 5.000 EUR (komplett verspielt)
- 2.000 EUR Schulden bei Freund (siehe oben)
= 14.000 EUR Schuldenstand

Mein Einkommen ist sehr solide, was die Absurdität dieses Handelns mir noch klarer macht. Ich hatte anscheinend ein gestörtes Bild von der Höhe meines Einkommens, was mich letztendlich dazu zusätzlich animiert hat, mir etwas "dazu zuverdienen". Mein Nettoeinkommen liegt bei ca. 2.500 EUR, wovon ich vor der Verschuldung monatlich mind. 500 EUR bei Seite legen konnte.
Nun nutze ich seit einigen Monaten - um die Schulden hin und her zu schieben - Skrill, um Geld von der Kreditkarte auf mein Girokonto zu buchen. Völlig irre wie ich selbst mittlerweile begriffen habe.
Zwei Probleme (neben dem eigentlichen erkannten Spielproblem):
1.) Meine Eltern dürfen IN KEINEM FALL davon erfahren, da ich schon genug Vertrauen verspielt habe.
Dabei bin ich extrem engagiert und letztlich auch erfolgreich im Betrieb, was trotzdem nichts mehr wert wäre, wenn das weitere Ausmaß der letzten Monate ans Licht käme.
2.) Meine Verlobte steckt mitten in der Vorbereitung ihres 2. Staatsexamens für ihr Medizinstudium. Ich habe ihr bewusst bis jetzt nichts von der Problematik erzählt, da ich sowie mein Bruder (der als einziger in alle Details eingeweiht ist) ebenfalls davon überzeugt ist, dass es in ihrem speziellen Falle wesentlich sinnvoller ist sie damit nicht zu belasten. Alles unter der Voraussetzung, dass ich das eigentliche Problem der Spielsucht in den Griff bekommen habe sowie die finanziellen Aspekte ebenfalls regeln kann. Ich habe in meinem Leben bereits sehr anspruchsvolle und schwerwiegende Schicksalsschläge und Probleme erfolgreich gemeistert und bin der festen Meinung das auch jetzt zu schaffen.

Zwischenanmerkung: Die extrem hohe psychische und physische Arbeitsbelastung hat mich wohl zusätzlich dazu getrieben, das habe ich auch mittlerweile erkannt und entsprechend gegengelenkt sowie mit mehr Sport und Entspannung einen Ausgleich geschaffen.

Der Weg zu diesem Ziel ist für mich noch nicht ganz klar. Denn die Spielsucht selbst habe ich im gesamten Ausmaß begriffen und ekele mich förmlich davor jemals wieder einen Euro einzuzahlen. Trotzdem wollte ich gerne sämtliche Karten und Onlinebanking-Funktionen abgeben und deaktivieren lassen - das ist mir zum jetzigen Zeitpunkt allerdings nicht möglich. Denn ich bin aktuell ja davon abhängig die Kreditkartenschulden hin und herzuschieben und nun Stück für Stück um ca. 500 EUR monatlich zu reduzieren. Einen Kredit erhalte ich als Selbständiger ohne Einbeziehung der gesamten GbR nicht (Auxmoney war eine Ausnahme). Die einzige Lösung lautet meiner Meinung nach eine Einigung mit American Express, da ich bei meiner Hausbank (die ja ebenfalls das Firmenkonto beheimatet) sehr vorsichtig bin, um diese nicht zu verärgern. Meine Rechnungen etc. habe ich bis jetzt immer pünktlich gezahlt. Ich bin mir aber überhaupt nicht sicher wie ich jetzt vorgehen soll. Denn ich habe Angst, dass Amex mir die Karte vorzeitig kündigt aufgrund der eigenartigen Skrill-Buchungen, was zwar nicht zwangsweise sein muss, aber durchaus realistisch und nachvollziehbar.

Alles in allem eine sehr komplexe Geschichte, deren Entwicklung für mich aber sehr hilfreich ist sie hier auch einmal ganz ausführlich darzustellen.
Gibt es Ratschläge, auch in Bezug auf die Abtragung meiner Schulden (unter Berücksichtigung aller Umstände)?

Vielen Dank für Eure Zeit. :)

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Offline Olli

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Re: Meine Geschichte
« Antwort #1 am: 28 September 2019, 07:55:34 »
Hi Sven!

Mir dreht sich gerade alles ...
Nicht wegen Deiner Spielsucht an sich, sondern weil mich Deine Vehemenz überrascht, weiter zu lügen und nu ja nicht die Kontrolle abzugeben,

Die Eltern dürfen nu ja nichts erfahren ... die Freundin darf nicht belastet werden ...
Und selbstverständlich bekommst Du das alles irgendwie gebacken ...

Wiesst Du ... ich lese so etwas immer wieder - war im Grunde nicht anders.
Und doch wundere ich mich, aus heutiger Sicht, wie Du und ich so denken können, bzw. konnten.

Wir kämpfen, wo es gar nichts zu kämpfen gibt. Dadurch können wir auch gar nicht gewinnen, sondern nur verlieren.
Denn die Energie, die sinnvoll in eine Genesung gsteckt werden könnte, verpufft bei der Jongliererei mit Geld und den Lügen, die den Liebsten aufgetischt werden.

Eine Spielsucht lebt genau davon. Verheimlichen, Lügen - alles mit sich alleine ausmachen.
Das gibt Raum für das potentielle nächste Spiel.

Daher gilt es sein Leben - seine Standpunkte - komplett über den Haufen zu werfen.
Die guten Sachen werden bei diesem Neuanfang - so eine Art Reset - wieder übernommen - an den schlechten wird gearbeitet.

Du bist mit Deinen Eltern in einer GbR. Damit trägst Du Verantwortung. Wenn Du die Karre in den Sand setzt, dann hat das direkte finanzielle Auswirkungen auf Deine Eltern.

Sie haben diese Gesellschaftsform mit Dir gewählt, weil sie Dir vertrauen. Du bist ihr Sohn, ihr Liebling, für den sie sicherlich ihr letztes Hemd hergeben würden,

Deine Freundin - auch sie möchte sicherlich nicht nur eine reine Lebensgemeinschaft in Form einer WG mit Dir teilen.
Auch sie vertraut Dir. Dieses Vertrauen gibt ihr Sicherheit. Du dankst es ihr gerade mit Lügen.

Lieber Sven - Du baust Dir da ein Kartenhaus, welches nur allzu schnell einfallen kann - über Dir einstürzen kann!

Sage Deinen Eltern bescheid und auch Deiner Freundin. Offenbare die absolute Wahrheit.
Dann erst können sie Dich unterstützen. Dafür ist Familie da.

Na klar werden sie erst entsetzt sein - noch nicht mal unbedingt wegen des Geldes, sondern wegen Deiner Vertrauensbrüche.
Doch dann werden sie einsehen, dass Du an Deinem Verhalten arbeiten möchtest - es abstellen möchtest.
Sie werden merken, dass Du ihnen vertraust und ihre Hilfe annehmen möchtest.

Doch es ist ratsam, dass sie sich Dir zuliebe mit der Glückspielsucht auseinander setzen.
So müssen sie und Du begreifen, dass es bei der Glückspielsucht keine Heilung gibt.
Wir können die Sucht zum Stillstand bringen - doch sie wird immer in uns schlummern - wartet nur darauf bei Unachtsamkeit wieder ans Tageslicht zu kommen.

Rufe doch Montag einfach mal die kostenlose Hotline an und bespreche das Ganze anonym mit einem Profi. Was hälst Du davon?

Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
Hier geht es zum Samstagsmeeting_ https://us02web.zoom.us/j/87305340826?pwd=UnFyMlB6bkwyTHU3NGVISWFGNSs2

Re: Meine Geschichte
« Antwort #2 am: 01 Oktober 2019, 14:53:04 »
Hallo Sven,

Wie sieht es aus bei dir?
Aus meiner Erfahrung kann ich sagen:
Ich bin zwischendurch immer wieder "aufgewacht"
wollte es alleine hinbekommen und war guter Dinge.
Aber ich habe es nicht geschafft. Ich habe diese kurze Energie verschwendet. Habe super tolle Lösungen gefunden, wo ich dachte jetzt hörst du auf und du hast zwar Schulden aber das kriegst du hin...
Und dann wieder gespielt.
Das einzige, was mir geholfen hat, war mich jemandem anzuvertrauen. In diesem Fall meine Partnerin, weil ich sie schon belogen und ihr Vertrauen missbraucht habe. Die Person, mit der ich mein Leben verbringen will. Schlechte Grundlage. Ich hatte massive Angst davor, musste es aber tun, sonst hätte ich ihr und mir weiter etwas vorgemacht. In meinem Fall ist es positiv verlaufen, habe aber mit allem schlimmen gerechnet, vor allem,dass sie mich verlässt.

Man macht sich etwas vor, zwischendurch, man ist ja ein Mensch der rational denken kann und die Tragweite überblicken kann und ja einfach nur aufhören muss damit... aber so läuft das bei einer Sucht nicht. Das habe ich und viele andere zu spüren bekommen.

Ich wünsche Dir alles Gute.
Und wenn du es jetzt noch nicht geschafft hast und keine Lösung gefunden hast , gib nicht auf.


 

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