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"Hallo Mama"

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Offline Jörn

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"Hallo Mama"
« am: 17 Januar 2008, 06:35:23 »

((( Ein philosophischer Brief an meiner Mutter, den sie nicht erreichen wird, oder erreichen sollte. Trockenrausch oder seelische Weiterentwicklung ? Was sagt ihr als Experten darüber ?)))


Hallo Mama,

ich kann mich sehr gut zurück erinnern, dass du du davon erzähltest, dass du Papa`s Tot verraus sehen konntest, in Form eines Traumes. Nur ich weiß es. Ebenso weiß ich nur, dass du hättest eher als Papa dein Leben gelassen, und wir dich eher als Papa unter die Erde gebracht hätten, damals wegen Brustkrebs bzw. Kehlkopfkrebs (obwohl du niemals an einer Ziegartten geschnuppert hattest, aber ich kenne deine Leidensgeschichte, wie du deine Kindheit erlebt hattest), ich war damals erst 9 (meine anderen Brüder 12 und 15).

Trotz wechselner Lebensumstände (wie z.B. 2te Weltkrieg) für die du nichts konntest, hattest du dich immer wieder gesundheitlich tapfer geschlagen, erst Recht als Papa vor 20 Jahren recht früh starb, auch an gesundheitlichen Folgen.

Seit ich nicht mehr zocke, erfahre ich immer wieder neue Familiengehimnisse, ich als jüngster Sohn nun mehr, als die anderen zweien.

Du bist begeisterte Astrologiefan (Horoskopfan), und du machtest mir kürzlich darüber Mut, dass es sich lohnt neue Wege beruflich einzuschlagen, auf Grund der Tatsache, dass du auch weißt, dass ich nicht gut gelitten bin, zur Zeit bei der Arbeit, und was ich aktuell mitmache.

Du hast es geschafft zu erleben Oma zweier Enkelkinder zu werden, (Dank meines großen Bruders)  die inzwschen Schulpflichtig sind.

Ich kenne dich und deine (liebenswerten) Verrücktheiten. Ich verstehe nur nicht, warum mein anderer Bruder verzweifelt davon provetieren möchte/könnte von dein Ableben. Vor allen was hat er gesundheitlich davon ? Er ist für sein Leid selber verantwortlich.... genauso, wie ich das meinige mit der Spielsucht.

Nun stecke ich in einer „Zwickmühle“ – ich weiß aber ebenso auch, dass dich dieser Brief niemals erreichen würde, weil das meinige Seelenleben mit meinen Gleichgesinnten teile. Ich träumte davon, dass du bald entgültig du dich verabschiedest von dein Leben, leider aus den gesundheitlichen Gründen, die du schon mal vor 2 Jahren erlebt hattest, nur viel heftiger.  Weiter träumte ich, dass ich das nicht verkratet hätte, und meine zwei  Brüder versuchten mir zu helfen, es zumindest zu verstehen, dass es soweit kommen musste.

Nun ja, wie gesagt – "nur" ein Traum, genauso wie deiner von Papa. Nun sind inzwischen 2 Stunden vergangen, und ich hatte diese Gedanken mal auf Papier gebracht, damit sie mir nicht verloren gehen.

Du sollst noch lange leben, und mach dir kein Kopf, was ich für ein Mist, wie diesen, nachts träume.  Du bist mehr für mich, als nur eine Mama - eher eine sehr gute Freundin, weil ich auch meine Leidensgeschichte mitgemacht hatte (bevor ich Zocker wurde), wie du in dein Leben.

In ganzer voller Liebe
Dein jüngster Sohn
Jörn
« Letzte Änderung: 17 Januar 2008, 06:44:59 von Jörn »
"Alte Türen werden sich schließen - neue Türen werden sich auftun - ich muss nur diese neue Türen nacheinander öffnen..."

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Offline Jörn

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So... die Katze mal aus den Sack lassen ;)
« Antwort #1 am: 23 Januar 2008, 22:28:24 »
So....

Jetzt ist die Katze aus den Sack. Ich habe gestern mit meiner Mutter telefoniert, und habe über mein Alptraum gesprochen. Naja, was heißt hier Alptraum. Ein Traumdeuter würde diese Sache anders deuten. Ich glaube kaum, dass jemand in der Lage wäre über die Zukunft zu träumen.

Na gut, sterben müssen wir alle mal. Meine Mutter ist auch nicht mehr die jüngste. Aber in einen Alter, wo es eigentlich nicht lohnen sollte darüber zu sprechen. Es ist nur markarbar, dass ihre Jahrgänge immer näher kommen, wenn ich die Todesanzeigen der Tageszeitung lese. Vor allen in Lokalbereich.


Ich fühle mich auf jeden besser, als ich mich mit meiner Mutter aussprechen konnte darüber.

Gute 24
Jörn
"Alte Türen werden sich schließen - neue Türen werden sich auftun - ich muss nur diese neue Türen nacheinander öffnen..."

Re: "Hallo Mama"
« Antwort #2 am: 24 Januar 2008, 00:55:15 »
Hallo Jörn!

Ich hatte gedacht das du wenigstens so ein oder zwei antworten auf deinem Thread bekommst, dem ist ja leider nicht so obwohl sich doch sonst einige sehr "geschreiblich" ;D engagieren... ;D ;) <-- dies soll kein persönlicher Angriff auf irgendjemanden sein!!!

Ich fasse mich kurz :) Geh mal weg von der Überlegung ob es ein "Trockenrausch" oder eine seelische "Weiterentwicklung" ist... Du bist es, und wenn dich eine Sache längere Zeit beschäftigt, egal in welcher Form dann sollte man nach Möglichkeiten suchen um besser damit umzugehen. Du hast es getan, mit einem Posting und mit einem Gespräch mit deiner Mutter...

Ich persönlich halte es zudem auch für sehr wichtig und positiv wenn man sich ab und zu mit dem Tod beschäftigt oder mal darüber spricht weil es nun auch zum Leben gehört...

Und ich kenne das mit den Todesanzeigen in den lokalen Blättern... Aber wenn ich merke das es mich zu sehr runterzieht dann lasse ich es meistens eine Weile... ;)

Oft denke ich, das ein großer Teil von uns "Spielern oder ehem. Spielern" sehr sehr sensibel ist... aber auch daran, das wir nicht "zu oft" einige schlechtere Lebensumstände von uns ausschließlich an der Spielsucht festmachen sollten. Man läuft da manchmal Gefahr wenn man an die schrecklichen Momente denkt die man dadurch erfahren hat... ::)


Einen lieben Gruß!

ICH SELBST

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Marzipine

Re: "Hallo Mama"
« Antwort #3 am: 24 Januar 2008, 12:19:05 »
Hallo Jörn,
Dein Schreiben, eigentlich gerichtet an Deine Mutter, habe ich so hingenommen. Was soll man antworten?
Meine Mutter ist tot, Juli 2005!
Ich danke ihr sehr oft, das letzte mal im Oktober. Ich schreibe in einem Jenseits-Forum, eigentlich schon viele Jahre (genau 5), seit mein Mann tot ist.

Mein letzter Dank:
Posted from 141.2.86.215 by Martina on October 29, 2007 at 12:11:44:

Am 12.11.07 ist mein Mann nun 5 Jahre tot. Damals hatte ich Halt in diesem Forum gesucht. Mein Mann nahm sich das Leben, er legte sich vor eine Bahn.
Damals dachte ich nicht, dass ich das überlebe. Im Februar 2003 hatte ich eine Begegnung mit ihm. Darüber habe ich damals auch berichtet. Caro hatte zum 1. Todestag mir einen Kurzcheck zukommen lassen. Nun ja ich habe es nicht geschafft, das alles zu verarbeiten. Ich fing an mich selbst zu zerstören. Schritt für Schritt. Ich wohnte in einer Stadt mit einer bekannten Spielbank. Nie im Leben war ich in einer Spielbank. Sie wurde mein zu Hause. Meinen Beruf habe ich gerade noch bewältigt aber meine Gedanken waren nur noch Automaten. So fing ich an meinen Mann zu verdrängen, alle Sorgen die damit zu tun hatten waren weg, nur noch Spielen war angesagt. Ich ging die Bach runter ohne wenn und aber. Im Juli 2005 verlor ich durch Krebs meine Mutter, ich konnte mich von ihr verabschieden und wieder ging Spielen. Ich lieh mir Geld von Kollegen, Freunden und Bruder. Ich habe gar nicht versucht an meine Toten zu denken, ich war eine Marrionette. Ca. 1 Jahr nach dem Ableben meiner Mutter kam die Wende. Ich spüre sie ist da, kann es nicht erklären aber spüren. Sie weinte auch. Anfang Oktober 2006 begann ich meine stationäre Therapie. Seit diesem Tag geht es wieder aufwärts mit mir. Den Tod meines Mannes habe ich abgearbeitet, Tag für Tag und endlich losgelassen. Meine Mutter ist bei mir. Ich spüre, dass sie mir hilft. Immer wenn ein Loch kommt, ist dort ein Gefühl der Ruhe und dann passiert etwas Gutes in meinem Leben. Ich wohne nun in einer anderen kleinen Stadt (familiär, d.h. im Haus meiner verst. Großmutter mütterlicherseits) mit Garten u. Terrasse. Ich habe nun einen Hund und meine Tochter, inzwischen erwachsen, hat eine eigene Wohnung. Ich entdecke ganz neue Seiten an mir, liebe Blumen, war ein Hobby meiner Mutter, ist jetzt auch mein Hobby, früher konnte ich damit nichts anfangen, ja ich genieße seit dem Jahre 2007 wieder mein Leben. Ich habe einen wunderschönen Urlaub gemacht mit meinem Bruder u. Familie.
Ich schreibe das hier, weil ich meiner Mutter danken möchte. Ich weiß, dass sie dazu beiträgt, dass ich mein Leben wieder ganz im positiven Griff habe. Dass meine Umwelt, Kollegen, Freunde und Famlie mich wieder lieben, das ich wieder Liebe geben kann und natürlich seit Oktober 2006 keine Spielbank mehr besucht habe. Ich danke meiner lieben Mutter für alles, sie zeigt mir den richtigen Weg und ich bin mir auch sicher, dass sie da, wo sie jetzt lebt, sehr glücklich ist. Sie wäre am 20.12.07 70 Jahre alt geworden. Sie war hier auf Erden eine starke u. gute Frau und ist es auch heute noch, wo immer sie sein mag.
LG Martina

Was ich Euch hier zu lesen gebe, ist kein Witz, es ist so wie es da steht meine ganz feste Überzeugung und mein Glaube. Bitte denkt daran, falls Jemand darauf antworten möchte!!

Ja Jörn das schöne bei Dir, Deine Mutter ist lebendig, Du kannst sie riechen, anfassen, ihre Tränen trocknen.
Ich dagegen kann nur noch zu ihr sprechen, an sie denken und bitten, dass sie bei mir bleibt, mich nicht alleine lässt. Eine Mutter ist etwas so wichtiges, wir sind ein Teil von der Mutter.
Es ist sehr schön, dass Du mit Deiner Mutter gesprochen hast, es ist für Dich und sie wichtig!
LG Martina




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Offline andreasg

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Re: "Hallo Mama"
« Antwort #4 am: 25 Januar 2008, 09:14:46 »
Hallo Jörn, hallo Martina,
nein, das ist kein Witz. Das ist eine ernsthafte Aufarbeitung. Es ist vor allem ein sehr, sehr intimer Bereich von dem ihr mir an eurem Telen einen Anteil gibt. Meine Eltern leben beiden noch, Mutter ist 80 Jahre, Vater 85 Jahre alt. Und ich habe das Glück , Heute an der für beide beginnenden Aufarbeitung ihres Lebens teilhaben zu können. Dort , wo in meiner Kindheit eisiges Schweigen herrsche, kommt nun Licht hinein.
In meinem Bekanntenkreis habe ich Menschen, die sich von ihren verstorbenen Nächsten in Briefen verabschieden. Wirklich das Unausgeschrochene zum Ausdruck bringen können. Ich wünsche es Euch als einen Ort des Friedens.
Schöne 24 Stunden
Andreas
Demut ist die anhaltende Ruhe im Herzen

 

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