Unterstützen Sie unsere Arbeit Jetzt spenden!
Hallo Gast
Online-Selbsthilfegruppen Glücksspielsucht
» Mittwochsgruppe    |    » Samstagsgruppe
     

Zockerträume

  • 11 Antworten
  • 4151 Aufrufe
Zockerträume
« am: 10 Oktober 2018, 14:47:51 »
Hallo zusammen, ich möchte mich erst einmal kurz vorstellen. Ich bin 51 und zocke seit mindestens 40 Jahren. Eigentlich nur am Spielautomaten, sehr selten Lotto oder Rennbahn. Früher war das mit dem Jugendschutz noch nicht so ausgeprägt und ich denke, dass ich bereits als Kind spielsüchtig war. Auf den Stuhl gestiegen, um an den Münzschlitz zu kommen... Mein Verdienst ist gut und jeden Monat gehen 500,00 bis 1.000,00 € in die Automaten. Trotz gutem Lohn habe ich im Leben finanziell nicht viel auf die Kette gekriegt. Die potentielle Eigentumswohnung ist im Automaten verschwunden. Ca. 30.000,00 € Schulden, die ich aber ohne Rückstände bediene.Ein bisschen Hoffnung macht mir die neue Spieleverordnung, die das Spielen ein bisschen komplizierter macht. Diesen Monat hab ich (noch) nicht viel verspielt, ´"nur" ca. 200,00 €), sondern mehr in die Schuldenregulierung gesteckt.
Spielpausen habe ich bislang eigentlich nur gemacht, wenn gar kein Geld aufzutreiben war. Eigentlich möchte ich natürlich spielfrei werden, denke aber nicht, dass ich es schaffen kann.
Was im Oktober Positiv ist, ich habe ein Sparbuch mit ein paar Tausend Euro, an die ich aber nicht rangehe. Geld wäre vorhanden, im Moment widerstehe ich. Das gibt Hoffnung.
Was negativ ist: Wenn ich ein paar Tage nicht spiele, kommen nächtliche Träume von Automatengewinnen. Mein Gehirn erfindet sogar neue Automatenspiele mit sagenhaften Dauerserien. Ich vermute, dass Dopamin oder irgendein anderes Belohnungsmittel fehlt und durch das Vorgaukeln produziert wird. Ziemlich erschreckend und dadurch ist mir auch bewusst, was für ein Suchtdruck mich erwartet, wenn ich dauerhaft aufhören würde. Was ich mich frage: Wann lässt zumindest dieser akute Suchtdruck nach? Gibt es Medikamentöse Hilfe?
Wann ging es denjenigen von Euch, die es geschafft haben besser?
Natürlich gibt es das Suchtgedächtnis, aber kann man sagen, wie lange man durchhalten muss, um zu sagen "ich bin im Moment trocken?"
Viele Grüße

Re: Zockerträume
« Antwort #1 am: 10 Oktober 2018, 17:22:09 »
Mit einer ambulanten Therapie war er 2 Wochen wirklich schlimm aber zum aushalten dann wurde es jede Woche weniger.
Bis auf ab und zu wo ein Ereignis fast einen Rückfall produziert.
Gegen diese muss man sich dann so gut wie möglich absichern.

Wenn man anfangen will muss man es aber auch aus freien Stücken wirklich wollen sonst bring es nichts.
Auch dieses ein wenig reduzieren usw.. ist Mist.

Ganz oder gar nicht.
Nicht dies heute ist Neujahr ich höre mit dem rauchen auf..... alles Quatsch... man muss wollen.
Dann ist es auch zu schaffen für mich aber immer nur in Verbindung mit einer Therapie.

Man macht sich vorher so einen Kopf aber wenn man erstmal dabei ist entwickelt sich bei den meisten auch ein gewisser Ehrgeiz.
Deine Träume werden sich verschieben und sich anpassen.
Du träumst dann eben was du mit dem gesparten Geld alles machen kannst.. usw..

Versuch macht Klug.
Was hast du zu verlieren ???

*

Offline TAL

  • *****
  • 539
Re: Zockerträume
« Antwort #2 am: 10 Oktober 2018, 22:56:33 »
Hallo Balduin,

erstmal Willkommen an Bord. :)

Zitat
Spielpausen habe ich bislang eigentlich nur gemacht, wenn gar kein Geld aufzutreiben war. Eigentlich möchte ich natürlich spielfrei werden, denke aber nicht, dass ich es schaffen kann.
Damit hast du schon von vorneherein aufgegeben. Nimm ein Feuerzeug, geh auf den Balkon, und verbrenn dein Sparbuch, das geht einfacher, streßfreier, und ist kurz und schmerzlos...

...nein. Im Ernst...

...diese Denkweise kenn ich nur zu gut, hab mir das auch immer gesagt, das ist eine gute Rechtfertiging, es gar nicht erst zu versuchen, oder, im Falle des 'Nicht-Schaffens', den Frust darüber in Grenzen zu halten. Resignation. Niedrige Erwartungen - weniger Enttäuschung.
Du verkaufst dich damit aber unter Wert. Natürlich kannst du das schaffen! Sieh es mal so: Du hast mit Sicherheit schon viel mehr 'durchgestanden'. Das Durchhaltevermögen hast du also.

Anfangs war es wirklich nicht einfach. (Ich habe aber auch keine Therapie gemacht, muß ich dazu sagen. Mir war nichtmal bewußt, daß es sowas gibt.)
Was lief da falsch bei mir?
Ich tat mir so leid, ich hätte mich glatt selbst beheult - wenn ich nicht schon genug damit beschäftigt gewesen wäre, das Universum, das Karma und selbst des Nachbars Pudel für meine Situation verantwortlich zu machen.
Gott... was hatte ich der Welt bloß getan?
Aber das gibt sich. Geht halt nicht von heute auf morgen. Der Weg in die Sucht war schließlich auch ein schleichender, progressiver Prozeß.
Du solltest davor wirklich nicht zurückschrecken, du machst das ja aus einem bestimmten Grund. Für dich.

Ist halt ein echtes Stück Arbeit an einem selbst, also etwas, was mir von Natur aus mal so gar nicht zusagte. Ich war mir doch eigentlich egal... Hauptsache, man ließ mich in Ruhe...
Eines meiner Probleme in dem Zusammenhang war immer: Geduld.
Sie ist eine Tugend, nur schien ich immer abwesend gewesen zu sein, wenn die Portionen verteilt worden sind.
Prinzipiell hatte ich eigentlich genug davon, Aussitzen war mein zweiter Vorname. Paßt alles schon irgendwie! Es haperte nur an einer Stelle: finanzielle Engpässe. Die gingen mir mal so richtig auf die Nerven und mußten sofort irgendwie beseitigt werden (guter Witz, weiter im Text), somit wurde meine Geduld gerade im ersten Monat konstant auf die Probe gestellt. Das geht so nicht, da muß ich was machen (Ja. Ich bin echt ein Genie, ich weiß. Zumindest im Ansatz war das im Nachhinein betrachtet jetzt aber gar nicht mal sooo die falsche Denkweise... Machen!).
Ich brauchte immer sofortige Resultate. Diese 'Denke' abzustellen, bzw. zu ignorieren, im Angesicht eines kleinen Haufens Kupfer für einen großen Haufen Monat, ist da schon eine beachtliche Hürde.
Dabei wäre das doch eigentlich ein Klacks. Hatte das vorher ja auch immer irgendwie überstanden. Und ich wollte das ja jetzt eh alles ändern, also sind das jetzt die letzten vier Wochen vom alten Leben, richtig? Also... einmal noch...
Jetzt erst recht.
Dieser innere Konflikt war ziemlich zermürbend.

Wichtig ist, sich seiner Situation immer bewußt zu sein. Halbe Sachen funktionieren nämlich nicht. 'Nur' 200€ - da muß ne Null stehen, für den Rest deines Lebens.

Ich mußte grad schmunzeln wegen 'Im Moment'... oh ja... da war ja was.
Sollte es nicht eher heißen 'Ab jetzt'? ;)

'Trocken' bist du wohl ab dem Zeitpunkt, an dem du dich bewußt dazu entschließt, aufzuhören, ab dem du es wirklich willst. 'Geschafft' hat man es allerdings nie. Es werden immer wieder Situationen kommen, in denen deine Entscheidung auf die Probe gestellt wird, manchmal ohne Vorwarnung. Das sollte man nie außer Acht lassen.

Mach es einfach, es kann doch nur besser werden. Dann kennst du bald auch deine persönlichen Antworten auf deine Fragen.
Ist sicher für alle irgendwie verschieden.
« Letzte Änderung: 10 Oktober 2018, 23:00:44 von TAL »

*

Offline taro

  • *****
  • 726
Re: Zockerträume
« Antwort #3 am: 10 Oktober 2018, 23:20:38 »
Moin und herzlich willkommen Balduin,

du bist 1 Jahr jünger als ich, sicher kennst Du noch die Crown. Das Geräusch an der Risikoleiter "dipdüdidüdidüpdüp" habe ich bis heute noch im Kopf. Ich habe dann zum Roulette gewechselt,  höre ich zufällig eine Kugel rollen im Fernsehen setze ich im Kopf sofort auf eine Zahl, das passiert automatisch ich kann nichts dagegen tun. 

Das gute daran,  es hat keine Macht mehr auf mich,  es ist nicht schlimm. Ich bin jetzt über 25 Jahre spielfrei. 

Das tolle,  mit dem lösen von der Spielsucht habe ich ein komplett neues Leben geschenkt bekommen.
Viel schlimmer als das verspielte Geld ist das verspielte Leben.  Egal zu welchem Zeitpunkt der Spielstop kommt,  es lohnt sich immer!

Mit dem Entschluss,  mit dem spielen aufzuhören gibt es kein Leid mehr.  Momente der Suchtdrucks sind kurz, jedes überstanden mal gibt es Schub. Das erste halbe Jahr war wie fliegen, soviel neue Eindrücke und neues Leben.

Es lohnt sich.

Taro

Re: Zockerträume
« Antwort #4 am: 11 Oktober 2018, 11:03:29 »
Danke für Eure Beiträge. Hier ist wirklich viel Kompetenz im Forum und ich finde es bewundernswert, dass hier auch Teilnehmer nach 25 Jahren Spielfreiheit ihre Zeit investieren und Erfahrungen weitergeben. Ich habe noch die Automaten vor Augen, wo mit 10 bzw. 20 Pfennig gespielt werden konnte und als ich letztens davon einen ausgemusterten sah, hab ich Herzklopfen bekommen. Erinnerungen an Glücksgefühle aus der frühen Kindheit. Völlig "bekloppt" aber das zeigt auch wieviel Suchtpontential in diesen Dingern steckt. Aber das wissen wahrscheinlich die meisten hier. Dass ich spielsüchtig bin, weiß ich seit mindestens 25 Jahren. Ich bin froh, dass ich das Online Geldzocken nie angefangen habe und das werde ich auch nie tun.
Hab mich nie in den völligen Ruin getrieben und es geschafft mein Umfeld fast komplett außen vor zu lassen.
Aber das Leben verläuft schon nach dem Motto: Rechne dich reich und zock dich arm. Stundenlohn ausrechnen, wenn man mal am Automaten gewonnen hat, gute Lebensmittel einkaufen, wenn Gewinne da waren und sich über die "kostenlosen" Leckereien freuen, befriedigt volltanken....
Und an 95 % der Zockertage mit leerer Geldbörse aus der Spielo und billiges Zeug mit der Kreditkarte eingekauft.
Hab in der Vergangenheit auch schon unrechtmäßig Geld an mich genommen, bin aber nie "aufgeflogen". Leihe mir privat kein Geld und seit ich gut verdiene, hab ich auch Niemanden mehr betrogen. Natürlich kein Grund stolz zu sein...
Ich denke, zum Aufhören gehört sehr viel und ihr habt es richtig erkannt, dass ich mich durch meine Analyse vor Enttäuschungen schützen will. Zu oft vorgenommen aufzuhören und nicht einmal einen Tag geschafft. Peinlich vor einem selbst und erst recht vor anderen, die ich deshalb nicht einbezogen habe.
Ich will jetzt beginnen (bin aber ehrlich gesagt nicht richtig überzeugt und habe im Moment schon wieder Vorbehalte und Ängste im Kopf).Ich habe  ein kostenloses Spiel auf dem Handy wo man sich "Belohnungen" erarbeiten kann, ich weiß dass ich das löschen muss und das mache ich gleich. Dann muss ich auch aufhören Karten am PC zu legen, weil es da auch Belohnungen gibt.
Ich denke, dass ich meine Zeit sinnvoll nutzen kann. Aktiv bin ich ohnehin und jedes Wochenende unterwegs.Um Geld gespielt habe ich diese Woche nicht, aber jeden Abend auf dem Sofa gelegen und das kostenlose Handyspiel gespielt. Ich bin gespannt, was für ein Suchtdruck entsteht, wenn ich jede Art von Belohnungsspiel unterlasse.
Ich versuche, ein bisschen zu schreiben, wie es mir ergeht.
Grüße

*

Offline taro

  • *****
  • 726
Re: Zockerträume
« Antwort #5 am: 11 Oktober 2018, 11:42:38 »
Moin Balduin,

da Du ja noch so am zweifeln bist versuche doch mal folgendes,
nimm Dir einen grossen Zettel,  am besten DIN A3 und schreibe auf, was Du alles verlierst, wenn Du mit dem Zocken aufhörst.
Wenn Du lange genug den leeren Zettel studiert hast, schreibe auf den gleichen Zettel was Du alles gewinnst wenn Du aufhörst, wenn Du Ihn nicht voll bekommst, gehe in die SHG und beginne zu leben,  schreibe Deinen Zettel weiter.

Was meinst Du, wie lange es braucht bis er voll ist.

Taro

Re: Zockerträume
« Antwort #6 am: 11 Oktober 2018, 11:50:58 »
Moin Taro,
Handyspiel ist gelöscht. Und ich hoffe es ist ein guter Anfang. Setze mich heute Abend mal an den Zettel.
VG

Re: Zockerträume
« Antwort #7 am: 12 Oktober 2018, 10:00:01 »
Auf dem Zettel steht noch nicht viel. In drei Jahren schuldenfrei und mehr Zeit ist erstmal der Anfang..
Leider bin ich beim zappen bei einer Dauerwerbesendung eines Online Casinos hängengeblieben. Eine halbe Stunde zugeschaut, wie alle paar Minuten Slots gedreht werden....
 >:(

*

Offline Olli

  • *****
  • 6.756
Re: Zockerträume
« Antwort #8 am: 12 Oktober 2018, 10:14:32 »
Hi Balduin!

Installiere Dir k9webprotection mit einer Vertrauensperson, die Dir das Passwort verwaltet.

Über kurz oder lang wirst Du schon Deine Abstinenzenscheidung(en) finden müssen.
Doch akut könnte Dir die kostenlose Software ein gute Stütze sein erst gar nicht mehr die schädlichen Seiten besuchen zu können.
Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
Hier geht es zum Samstagsmeeting_ https://us02web.zoom.us/j/87305340826?pwd=UnFyMlB6bkwyTHU3NGVISWFGNSs2

Re: Zockerträume
« Antwort #9 am: 12 Oktober 2018, 10:21:11 »
Hi Olli,
danke für den Tip. Die Sendung war leider im Fernsehen und ich konnte einfach nicht wegzappen bzw. hab immer zurückgeschaltet.
Viele Grüße

*

Offline taro

  • *****
  • 726
Re: Zockerträume
« Antwort #10 am: 12 Oktober 2018, 10:24:50 »
Moin Balduin,

du hast mit dem zweiten Teil angefangen, zuerst schreib bitte auf, was Du verlierst wenn Du nicht mehr spielst oder Slotmaschienen betrachtest.
Die Antwort ist ein Schlüssel.

taro

Re: Zockerträume
« Antwort #11 am: 15 Oktober 2018, 09:14:28 »
Ich habe länger darüber nachgedacht, was ich verliere und mir sind zwei Punkte eingefallen: Ich komme beim Zocken von einer inneren Unruhe in eine Ruhe (nicht immer, aber manchmal ist es schon fast meditativ mit der Autospieltaste....) und ich veriere die (seltenen) Momente der Euphorie wenn mal ein großer Gewinn kommt.
Gewinnen kann ich die Kontrolle über mein Leben.

 

Wir danken dem AOK Bundesverband für die Finanzierung des technischen Updates dieses Forums