Glücksspielsucht => Tagebuch => Thema gestartet von: MarcoR am 01 Januar 2022, 19:43:45

Titel: Spielsüchtig
Beitrag von: MarcoR am 01 Januar 2022, 19:43:45
Hallo liebe Gemeinde

Auf eine Vorstellung meiner Person wollte ich absehen und einfach schreiben was mich belastet. Doch nun sitz ich hier und weiss ehrlich gesagt nicht wie Ich überhaupt anfangen soll.
Viel gelesen und vor langer Zeit selbst in einem Forum aktiv gewesen. Doch habe ich das Gefühl einer Ohnmacht.
Viele Gedanken und Worte und doch habe ich Angst!
Angst im Sinne von öffnen. Angst vor Veränderungen (woher sollen sie kommen?!). Angst endlich ein ''normaler'' Mensch zu werden.

Ich bin 45 Jahre und die Spielsucht begleitet mich nun 29 Jahre und es kotzt mich nur noch an.

Ich habe so viele Höhen und noch mehr Tiefen hinter mir, dass es mir nur noch die Kehle zu schnürt. Ich bin Spielautameten-abhängig und habe dadurch soooo viel verspielt! Damit meine ich nicht nur das Geld. Nein, Vertrauen, Ehrlichkeit, und weiss der Geier noch alles. Geld mag zwar wichtig sein und gerade finanziell schlecht da zu stehen ohne zu wissen wie man seine Miete bezahlt oder Stromrechnung begleicht, so fühle ich mich allein.
Nicht dass ich ein Gemütsmensch bin. Ich war schon immer ein Einzelgänger, in allen Bereichen.
Dennoch zerstörte meine Sucht so vieles. Viele Beziehungen, viel Vertrauen, mein Ego.

Dieses ständige ''nun unternimm doch endlich mal was'' wurde stets belächelt und ganz bewusst ignoriert, gerade weil ich wusste, in schlimmen Zeiten steht Hilfe bereit.

Wie oft habe ich versucht auf zu hören, Therapie gemacht (2mal), sperren lassen usw. Das Online Gedöns lässt mich Gott sei Dank seit einigen Jahren kalt.
Ich kriege den Scheiss einfach nicht gebacken zu sagen Schluss jetzt. Nein, ich riskiere mal eben meine Nächste Beziehung. Ja Sie weiss davon und unterstützt mich nicht in Form von Geld. Auch wenn eine Art Coabhängigkeit vorherrscht.

Ich bin in einer gut funktionierenden Beziehung und dennoch zieh ich mich hin und wieder zurück (getrennte Wohnungen).
Hin und wieder kommt das Gefühl in mir hoch, dass ich nicht weiss was ich wirklich will!
Aber eins weiss ich, dass mich die ganze Zockerei krank macht. Nein, nicht nur selig , auch körperlich.

Für mich ist spielen kein Glück auch wenn man immer auf das Beste gehofft hatte. Eines weiss ich mit all den Jahren, ich bin langsam aber sicher am Ende und Ja, ich will nicht mehr!


Danke

Titel: Re: Spielsüchtig
Beitrag von: Olli am 01 Januar 2022, 20:35:26
Hi Marco!

Herzlich willkommen!

Zitat
Eines weiss ich mit all den Jahren, ich bin langsam aber sicher am Ende und Ja, ich will nicht mehr!

Na, dann höre eben auf!

Nein, ich bediene nicht die Vorurteile in meiner Antwort, die einem sonst so entgegen schlagen. Ich meine das ernst: Höre auf! Jetzt!
Ich habe 20 Jahre am Automaten verbracht und ich habe über 40 Jahre geraucht. Weisst Du, was das Schwierigste an der Abstinenz war? Das Beginnen!
Was mache ich nur danach? Was verliere ich? - Diese und ähnliche Fragen helfen nicht - sie blockieren und halten Dich ab von den Veränderungen.
Welche Fragen hast Du an Dich, wenn Du an die Abstinenz denkst?

Anderes Thema ... 2 Therapien hast Du hinter Dir ... wie wäre es mit einer Dritten? Haben die anderen Dir wenigstens bedingt geholfen? Was hast Du aus ihnen mitgenommen? Wie sah die Nachsorge aus?
Wieso kam es wieder zum Rückschritt in die alten Verhaltensmuster?

Titel: Re: Spielsüchtig
Beitrag von: MarcoR am 01 Januar 2022, 20:54:03
Aufhören.....Witzbold

Ich denke du weisst warum.

Aufhören hier und jetzt. Wie oft habe ich da versucht.. wer nicht vor mir!
Meine Anforderungen an mich selbst waren immer die Abstinenz, und was mich davon abhielte war die unverbesserliche Sucht!
Ich weiss was ich zu tun habe oder wie ich zu reagieren habe was die Therapien betrifft. Diese waren sehr intensiv und im nachhinein sehr aufschlussreich.

Ich lebe frei von Vorurteilen und sonstigen.

Abstinenz bedeutet für mich Freiheit, aber soweit kam es nie!

Alte Verhaltensmuster....gute Frage.Weil ich Ich bin?!
Titel: Re: Spielsüchtig
Beitrag von: Dennis47 am 01 Januar 2022, 21:11:57
Alte Verhaltensmuster....gute Frage.Weil ich Ich bin?!

Bist du das, was du tust? Beschreibt das deine erfüllende Lebensentfaltung?
Was gibt dir das Spielen, was dir das Leben anderweitig nicht gibt? Wieso riskiert man Beziehungen für etwas Illusionäres, was einem emotional etwas vorgaukelt, dessen Preis man jedoch bereit ist ständig blind zu zahlen? Den man aber immer wiederkehrend bereut, kurzzeitig und nicht nachhaltig?

Machen wir uns doch nichts vor, ich war selber Spieler, Olli auch und der Großteil der Gemeinschaft hier ebenso.
Ich habe zwar nie eine Therapie in Anspruch genommen, wobei das jetzt keine Handlungsempfehlung für jedermann darstellen soll, aber ich habe mir irgendwann die Frage gestellt, "Warum machst du das einfach und wieso opferst du dafür soviel deiner beruflich eh schon eingestanzten Freizeit für derartige "Erlebnisse", die am Ende eigentlich nur wirtschaftlichen Schaden verursachen."

Und ganz wichtig -> Was vernachlässige ich dafür oder welche Gefühle versuche ich eigentlich dafür überhaupt zu kompensieren?
Titel: Re: Spielsüchtig
Beitrag von: MarcoR am 01 Januar 2022, 21:34:16
Ich bin nie dass was ich Tue!

Mein Leben an sich sieht viel zu traurig aus um drüber zu reden.

Die Jagd nach dem großen Gewinn,nach der Bestätigung jemand zu sein. Einfach akzeptiert zu werden.
Gefühle sind für mich nur relativ. Schlimm genug,denn ich glaube an mich!

ich versuche , doch allein nicht zubwältigen!
Titel: Re: Spielsüchtig
Beitrag von: Dennis47 am 01 Januar 2022, 22:03:42
Mein Leben an sich sieht viel zu traurig aus um drüber zu reden.

Die Jagd nach dem großen Gewinn,nach der Bestätigung jemand zu sein. Einfach akzeptiert zu werden.

Hast du schon einmal mit deinem Hausarzt/Hausärztin über deine Gedanken gesprochen? Vielleicht sind primär deine möglicherweise depressiven Gedanken der Grundstein für die Folgen, mit denen du nach wie vor zu kämpfen hast.

Glücksspiel und Gewinne können nichts bestätigen (Ich mein, was könnte durch diese Handlung überhaupt die eigene Wertigkeit verbessern?), denn du und dein finanziell- sowie auch soziales Leben leiden doch am Ende lediglich dadurch. Wenn andere Menschen wissen das du ein suggerierter erfolgreicher Glücksspiel Zockerer bist, weil du vielleicht Abends zuvor einen hohen Gewinn ergattert hast, dann kannst du bestimmt nicht mit Anerkennung und/oder Wertschätzung von deinen Mitmenschen außerhalb des Casinos rechnen. Ganz im Gegenteil.
Titel: Re: Spielsüchtig
Beitrag von: Fury am 01 Januar 2022, 22:24:46
Es geht mir ähnlich:
Ich habe mich mal versucht zu beobachten, eine andere Perspektive einzunehmen und zu analysieren, warum ich spiele.
Es ist - zumindest bei mir - vieles gefühlsgesteuert und entzieht sich einen Großteil meiner eigenen Kontrolle und ist nicht rational.
Ich spiele Sportwetten und am Anfang ist es einfach spannend zu wetten und unterhaltend und für mich eine Art Lebensqualität.
Aber es kommt halt immer auf die Menge an und bei mir ist es so, dass - sobald ich verliere - etwas mehr einsetze, um den Verlust zu kompensieren.
Es ist quasi immer derselbe Ablauf: Wenn ich nur etwas verliere (Einsatz), in Summe zwar immer noch im Plus zur Ursprungssumme, aber etwas weniger, als ich zuletzt hatte, dann spiele ich weiter.
Oftmals hat es dann geklappt und ich kam finanziell vorwärts, aber dann fängt es früher oder später wieder von vorne an - bis dann alles Geld weg ist.
Nach dem Totalverlust kommt dann der Kater und ich wundere mich dann immer wieder, wie ich so dumm sein konnte und ich nicht zufrieden war mit dem bisschen Plus zur Ursprungssumme und ich alles eingesetzt habe.
Aber es kam, wie es kommen musste: sobald etwas Zeit vergangen war, hatten sich die negativen Gefühle gelegt und das "wohlige" Gefühl war wieder da und von dort heraus, dachte ich, wäre es schön wieder etwas "Spaß" zu haben und bei dem aktuell laufenden Spiel "dabei zu sein".
Während des Spielens denke ich auch immer wieder: es muss nur jetzt nochmal klappen, aber das leider immer wieder - nach dem Spiel ist quasi immer wieder vor dem Spiel. Obwohl ich gedanklich weiß, dass dies nicht immer gut gehen kann.
Dazu passt auch eine Behauptung dich ich mal gelesen habe, dass ein Spieler innerlich den Wunsch hat zu verlieren - aber das ist nicht wahr. Es ist nur das Gefühl, das nicht zu widerstehende Verlagen, welches mich "dominiert".
Genauso wie bei den Vorsätzen nicht mehr zu spielen: ich meinte es immer Ernst "zu dem Zeitpunkt", aber die Situation ändert sich "immer".
Wahrscheinlich ist es genauso mit dem abnehmen...wenn man satt ist und keine Genusssucht fühlt, fasst man den "festen" Entschluss bspw. weniger Süßkram zu essen, aber die Situation ändert sich auch dort immer wieder...
Und dieses Gefühl ist in einer Art und Weise klug und perfide, es weiß genau, wann es einen sanft zuflüstert oder extrem unter Druck setzen muss.
Ich spiele quasi jetzt weiter aus Trotz (auch aus gesundheitlich anderen Gründen), weil ich denke, dass diese Gefühle, die mich "zwingen" (oder nötigen) zu spielen nicht meine sind und mir praktisch die Suppe eingebrockt hat - vielleicht kann ich auch nicht anders...
Aber ich weiß auch, dass dieses Gefühl nicht der Verlierer und unerbittlich ist, (zumindest) ein ganzes Leben Zeit hat und nicht mit sich diskutieren lässt...
Meiner Meinung hilft es hier nur sich bspw. sperren zu lassen und die Möglichkeiten zu spielen zu reduzieren oder gänzlich auszuschließen.

Soviel zu meiner Ansicht/Position...
Titel: Re: Spielsüchtig
Beitrag von: andreasg am 01 Januar 2022, 22:25:32
Hallo Markor,

und Herzlich Willkommen im Club! Eine spontane Frage sei mir erlaubt: Bist Du ein Kopffüßler? Wie können Geist, Seele und Körper das aushalten, was Du beschreibst. Wenn Du eine passende Antwort weißt, brauchst Du nur Deinen IQ auf Trab zu bringen, und der dürfte sehr hoch sein, oder täusche ich mich da?

Emotionen, die auf Abwehr und Angriff gepolt sind, triggern immer wieder und stärker die Sucht an. Also noch mehr den Verstand dagegen halten, und was dann geschieht, ist die Flucht in die Traumwelten. So lese und verstehe ich Deinen Beitrag.

Als ich exessiv spielte wohnte ich in einem kleinen Ort, unmittelbar vor einem Bergzug. Ich ging gerne wandern, da war ich in Bewegung, und nichts störte meine Einsamkeit. Auf der anderen Bergseite war ein Ort, an dessen Bahnhof fuhr stündlich ein Zug in die Großstadt. Ich wanderte nicht, ich marschierte drauf los, bloß nicht den Zug versäumen! - Sonst wäre ich zu spät in die Spielstätte gekommen. Als ich Anfing aufzuhören, habe ich eine Präventionssendung gesehen: ein Spieler unternahm eine Wanderung, und sah genau hin, was die Natur auf der Anhöhe zu bieten hatte. In Folge dessen ging ich ferner an einem Bachlauf entlang, schaute, hörte und staunte. Die Zeit gekam einen Charakter von Hier und Jetzt.

Meine 3 Klinikaufenthalte vermittelten mir , wie zur Bestätigung diese Bewegungsgeschicke. So habe ich mich selber - Geist, Seele und Körper - kennen gelernt.

Die Abstinenz vom selbstzerstörerischen Glücksspiel war meine Eintrittskarte in das Leben.

Du hat auch die Wahl, nimm Dir, was Du brauchst.

schöne 24 Stunden
Andreas
Titel: Re: Spielsüchtig
Beitrag von: andreasg am 01 Januar 2022, 22:35:10
Mir gehen gerade ein paar Asterix - Zitate durch den Kopf:

"Ich bin viel zu spät geboren, ich einer viel zu antiken Welt",

dass sagte der Zenturio, als die Gallier seine Legion aufgerieben hatten.

Hallo Fury, auch Dir ein Herzliches Willkommen,
auch wenn wir uns hier treffen, weil wir den Wunsch haben, mit dem Spielen aufzuhören!

Carpe diem
;

Titel: Re: Spielsüchtig
Beitrag von: MarcoR am 01 Januar 2022, 22:51:19
Hallo Fury

Danke dir für dein ausführlichen Bericht doch leider triggert er mich zu sehr. Sorry.. Im Grunde genommen weis ich was ich zu tun und zu lassen habe....

andreasg, deine Beiträge in allen Ehren...gut oder doch nicht so schlecht erkannt!!!

Die Wahl hat ein jeder.
Momentan gibt mir ein guter Jack ein gutes Gefühl Schlimm genug...
Titel: Re: Spielsüchtig
Beitrag von: Dennis47 am 01 Januar 2022, 23:00:26
Momentan gibt mir ein guter Jack ein gutes Gefühl Schlimm genug...

Ich erwarte nicht das du auf meine gut gemeinten Worte reagierst, aber insbesondere meine anfänglichen Worte scheinen nicht unbegründet zu sein.

https://www.deutsche-depressionshilfe.de
Titel: Re: Spielsüchtig
Beitrag von: Fury am 01 Januar 2022, 23:01:15
Hmmm...vielleicht werde ich falsch verstanden, aber jemanden zu "triggern" ist nicht meine Absicht und so sehe ich meinen Beitrag auch nicht.

Die Quintessenz sollte eigentlich eigentlich folgende sein: Aus meiner Sicht kann ich nicht aufhören, auch wenn ich wollte.

Somit habe ich eigentlich keine Wahl und habe quasi resigniert, da ich mich von außen oder vom Körper gesteuert fühle...(auch im Zusammenhang mit einer Depersonalisationsstörung)

Ich kann nur versuchen etwas dagegen zu stellen - bspw. mich über OASIS sperren zu lassen oder die Finanzen abzugeben...
Eine Psychotherapie hat mir z. B. ganz wenig geholfen...

Das ist aber nur meiner Sicht der Dinge und ich sehe dies nicht als allgemeingültig an...
Natürlich kann man sagen, dass die Gefühle erst recht Macht über einen erlangen, wenn man sich diesen nicht mehr entgegen stellt, aber ich habe vieles versucht und wie gesagt sehe ich die Gefühle als "dominierend" an...
Titel: Re: Spielsüchtig
Beitrag von: Dennis47 am 01 Januar 2022, 23:06:04
Somit habe ich eigentlich keine Wahl und habe quasi resigniert, da ich mich von außen oder vom Körper gesteuert fühle...(auch im Zusammenhang mit einer Depersonalisationsstörung)
Ich kann nur versuchen etwas dagegen zu stellen - bspw. mich über OASIS sperren zu lassen oder die Finanzen abzugeben...

Nein, sorry, ich bin kein Arzt und kein Psychologe, aber hier müssen Gedanken neu programmiert werden, mit Hilfe von Menschen die sich darauf spezialisiert haben.
Titel: Re: Spielsüchtig
Beitrag von: Fury am 01 Januar 2022, 23:17:30
Ist auch nur meine bescheidene Sicht der Dinge...
Wenn ich mir den Großteil der Menschheit so ansehe, gäbe es da eine Menge, in vielen Bereichen, neu zu "programmieren", aber ich bin mir nicht sicher, ob hier Ärzte/Psychiater (mittels NLP oder sonst wie) ausreichend sind, aber eine andere Möglichkeit gibt es wohl auch nicht...aber das gehört hier wohl nicht mehr hin und ist Off-Topic...
Titel: Re: Spielsüchtig
Beitrag von: Wolfgang am 02 Januar 2022, 00:20:57
Tja Fury, du hast es oben in deinem längeren Beitrag sehr gut beschrieben. So läuft es ab und nicht nur bei dir. An Marco gerichtet wiederhole ich die Worte von Olli. "Das schwierigste an der Abstinenz ist das Beginnen".
Es muss von dir selbst kommen. Bis Mai vergangenen Jahres habe ich exzessiv gespielt und bis Ende Juli täglich 30 -40 Zigaretten gequalmt. Also habe ich nach dem Saufen und dem Spielen nun auch das Rauchen an den Nagel gehängt. Und auch Andreas hatte damals auf dem Weg zu seinem  Zug ein Ziel. Den Weg dorthin hat er aber nicht wahrgenommen. Jetzt sieht er auch den Weg dorthin und der ist spannend.
Höre auf! Jetzt!
Titel: Re: Spielsüchtig
Beitrag von: Sepp am 02 Januar 2022, 08:43:30
@Fury: sehr, sehr gut beschrieben. So ist bzw war es bei mir auch!
Am Anfang habe ich nur aus Spaß bzw Langeweile gewettet. Aber nach ein paar Verlusten verliert man die Kontrolle...
Mittlerweile habe ich es zwei Wochen ohne wetten geschafft. Ich hoffe, ich bleibe stark....
Titel: Re: Spielsüchtig
Beitrag von: andreasg am 02 Januar 2022, 11:06:09
Guten Morgen Fury,

leider sehe ich Widersprüche, aber es hat natürlich mit mir selber zu tun, und es ist ja blos nicht Deine Angelegenheit.

Als ich mit dem Spielen aufhören mußte, sah ich mich ja meines Lebenssinns beraubt. Was blieb mir denn, wenn ich nicht mehr spielte?
Es gab damals keine Spielhallensperren, kein Oasis, kein Corona, ich wußte nicht einmal, wie man einen Computer einschaltet, ich hatte keine Freunde, geschweige eine Freundin, aber immerhin einen miesen Job, und das Spielen sollte mir bei der "Gehaltsaufbesserung helfen". Ich wurde in meiner Selbsthilfegruppe vor die Entscheigung gestellt: entweder mit dem Spielen aufgehen, oder weggeschickt zu werden, also eine unerwünschte Person zu sein.

Das wollte ich nicht, also spielte ich nicht mehr, bis zum nächsten Rückfall,, und noch ein Rückfall und wieder einer. Immerhin schämte ich mich fürchterlich darüber, und hatte wohl eine, rot - grünen Gesichtsausdruck! Also fing ich an, mir die Spielfreiheit zu wünschen, und dabei Ziele zu setzen, die ich für unmöglich hielt: am prägnantesten war der Wunsch, meine Schwester in England wieder besuchen zu können. Daran meke ich Heute noch , wenn ich an die folgenden Ereignisse auf der Insel denke, daß Wünsche wahr werden.

Es sind möglicherweise rhetorische Spitzfindigkeiten, die zwischen Wollen - und - Wünschen stehen. Das Wollen hat für mich bildlich etwas mit geballten Fäusten zu tun, das Wünschen, mit nach oben gerichteten Handflächen. Ich habe mich meinem Chef gezeigt, und die gewünschte Gehaltsverbesserung ist eingetreten, ich habe mir in der SHG einen Freundeskreis aufgebaut, aber auch gelernt Rückschläge zu akzeptieren, und das Beste daraus zu machen. Ohne das Spielen hat mein Leben wesentlich mehr Spektren, mehr Raum und Zeit zum Leben bekommen.

Es ist für mich hier ein Gewinn, ins Forum zu schauen, Eure Beiträge zu lesen, und einfach Verstehen zu können. Wenn es nicht gleich funkt, oder wenn ich dabei an meine Mängel komme, dann bitte um Verständnis, wenn ich dem nachgehe.

Eine schöne spielfreie Zeit
Andreas
Titel: Re: Spielsüchtig
Beitrag von: Fury am 02 Januar 2022, 13:02:08
Es ist wohl sinnvoll seinen Fokus auf etwas anderes zu richten, sich mit etwas anderem zu beschäftigen und vielleicht raus aus der Wohlfühlzone zu kommen.
Natürlich führen aber auch andere Wege zur Sucht, die keine "Wohlfühlzone" voraussetzen, sondern im Gegenteil hier die Spielsucht ein Ventil/Kanal ist...

Vielleicht bin ich nur unzufrieden mit meinem Los, weil ich immer dachte "so etwas kann mir nicht passieren" und ich erkannt habe, dass es illusorisch ist über alles (zumindest was einen selbst betrifft) die Kontrolle zu haben.

Aber wer hat die Kontrolle denn dann?

Leute mit kranker Sexualität oder Übergewichtige mit ca. 300kg...sind die es alle selber Schuld oder ist es ein Ausdruck "falscher Programmierung", der man nachgeben muss oder es verdammt schwer ist ihr zu widerstehen?
Wenn ich den Vergleich der Spielsucht mit Übergewicht/Genusssucht betreibe (wenn man ihn denn betreiben kann oder sollte): Auch hier ist es für manche leicht, sich die Pfunde anzufuttern, aber diese wieder abzubauen ist dann manchmal extrem schwer.
Für manche schwerer als für andere und für einige wieder eine zu schwere Last...es ist extrem vielschichtig und es gibt vielleicht auch nicht "die universelle" Lösung, zumindest nicht auf der Ebene, auf die Ärzte/Psychiater usw. arbeiten.

Aber es ist wohl schon richtig, dass alles mit dem ersten Schritt beginnt und man für sich den Entschluss fassen muss - auch wenn der Weg steinig ist...sich dabei Hilfe zu holen ist dann sicherlich keine Schande.
Titel: Re: Spielsüchtig
Beitrag von: Someone87 am 02 Januar 2022, 13:29:03
@Fury irgendwie verkomplizierst du alles ziemlich. Und deine Vergleiche mit anderen Problemen/Süchten sind zwar gut gemeint, bringen dir aber nichts.
Denn es geht um dich und um sonst niemand.

Anstatt daher deine Sucht und deren Auslöser mit anderen zu vergleichen, solltest du dich wirklich nur auf dich konzentrieren.

Sich einzureden wie unfassbar schwer das Aufhören ist hilft auch nicht. Es ist, um dann doch einen Vergleich zu anderen Süchten zu ziehen;-), wie beim Rauchen: Es ist überhaupt nicht schwer aufzuhören. Dass es schwer ist, wird einem nur eingeredet und irgendwann wird es zur selbsterfüllenden Prophezeiung.
Titel: Re: Spielsüchtig
Beitrag von: andreasg am 02 Januar 2022, 17:26:51
Wie ist das eigentlich für den 300 KG Mann. Wenn der Einkaufen geht, kommt der mit einem Einkaufswagen aus? Bekommt er seine Ruhe, seine Ausgeglichenheit, wenn Tag und Nacht das Mahlwerk knirscht, Hat der 300 KG Mann schon umgebaut, wie kommt er zur Tür hinaus? Was ist, wenn er mal ein Bedürfnis hat, wie viel Klopapier braucht er? Wenn dann die Magengeschwüre kommen, die Fettleber quillt, die Diabetis die Libido außer Kraft setzt, wie sehr, muß er mit seinen 300 KG kämpfen?

Den Kampf aufgeben, heißt nicht als Fettsack auf dem Teppich rumzuliegen, sondern, den Arxch hoch, und in Bewegung kommen.

Gott tut für uns das, was wir alleine nicht tun können, die Fußarbeit aber müssen wir selber bewältigen.

Diesem Leitsatz nach, der so nach Widerspruch schreit, zu folgen, ist eine reale Befreiung. Morgens nehme ich meine Tabletten ein, Indekationen sind ja beschrieben, rühre meine Haferflocken an, und die Ballaststoffe sorgen für den Biorhythmus, ohne daß ich mir Sorgen darüber machen brauche.

Bin ungefähr bei 120 ..

Liebe Grüße
Andreas
Titel: Re: Spielsüchtig
Beitrag von: MarcoR am 02 Januar 2022, 20:53:55
Hallo

Ich muss mich leider für gestern entschuldigen, hab leider aus totalen Frust und Ärger zu tief ins Glas geguckt.was Gott sei Dank sehr sehr selten vorkommt
Nichts desto trotz bleiben die Probleme.
Mein heutiger Tag bestand überwiegend  aus schlafen .
Kein Schritt vor die Tür gemacht.

Ich werde mich morgen mal ans Telefon setzen und meine alte SHG anrufen.
Ich hoffe diese gibt es noch.Vor allem wäre es auch gut zu wissen wie es derzeit gehandhabt wird während des Pandemiegeschehens.

Ansonsten geht es mir nicht so besonders.umso mehr freu ich mich morgen wieder arbeiten zu können.

Titel: Re: Spielsüchtig
Beitrag von: MarcoR am 14 Januar 2022, 19:50:58
Hallo liebe Gemeinde

Werde mich nach einigen Tage wieder mal zu Wort melden.

Seit meinem ersten Eintrag hier bin ich spielfrei. Dies resultiert in erster Linie dass ich a) nicht die Mittel dazu habe und b) ich nicht mehr WILL!

Habe die letzten Tage viel gearbeitet, mich gefühlmässig einigermassen erholt und wieder einen klaren Kopf bekommen.
Leider gibt es meine alte SHG nicht mehr und ich bin noch auf der Suche nach einer geeigneten in meiner Region.
Kontakt zu einem seit Jahren spielfreien Freund habe ich wieder aufgebaut und ich möchte Ihn nicht mehr missen. Viel zu oft belächelt und immer wieder an meinem eigenen Ich gescheitert, so versuchte Er immer wieder mich zu ''bekehren''. Ich weiss, er hatte nie Unrecht und ich weiss, Er wollte nur mein bestes. Doch dass lag und liegt nun mal nur an mir Allein.
Qualvolle Stunden und Tage liegen hinter mir. Suchtdruck ohne Ende usw.
Wie oft habe ich mich gefragt, gibt es noch Dinge die einen Freude bereiten?? Ich konnte mir keine Antwort geben.
Natürlich gibt es sie.Und genau dies gilt sie wieder zu holen. Freude am Leben!

Und nun versink ich erstmal in einem Buch. Lesen habe ich auch total vernachlässigt. Leider

Allen ein schönes und erholsames Wochenende gewünscht
Titel: Re: Spielsüchtig
Beitrag von: Wolfgang am 15 Januar 2022, 11:04:27
Hallo Marco, ich zog die Freude am Leben aus dem Spiel. Was kann es schöneres geben, als vollkommen abzuschalten und in diese (Schein ) Welt einzutauchen? Zumindest solange bis der Kater einsetzt. Und der kam regelmäßig nach dem verzocken der Kohle. Aber als ich wieder Kohle hatte, dann empfand ich auch wieder ein Hochgefühl und Freude am Leben. Ich konnte ja wieder zocken...
Also Vorsicht wenn du das eigentliche Leben nur deshalb wiederentdeckst, weil andere Freuden derzeit nicht finanzierbar sind.
Halte dich an deinen Freund, er hat die Dinge erlebt von denen wir hier sprechen.

Alles Gute auf deinem Weg

Gruß
Wolfgang
Titel: Re: Spielsüchtig
Beitrag von: MarcoR am 21 Januar 2022, 19:07:46
Hallo

Ja Wolfgang, da hast Du vollkommen Recht. Der ständige Kater nach jedem Gezocke war immens. Das jammern immens groß. Aber sobald das Suchtmittel Namens Geld wieder verfügbar war, war alles vergessen und man fing an sich wohl zu fühlen. Trotz aller versprechen an mich selbst, so fing ich immer wieder an zu versuchen  mich zu kontrollieren. Nun ja, als Süchtiger gibt es kein kontrolliertes Spielen!

Ich hole mein Leben nun Stück für Stück zurück. Es wird ein langer und steiniger Weg, aber ich weiss nun, es lohnt sich.
Ich habe die letzten Jahre viel Leid erfahren müssen. Immer wenn man denkt es geht nicht mehr schlimmer, wurde man eines besseren belehrt. Das brauch und will ich nicht mehr.

Gerade jetzt habe ich eine private Inso hinter mir und dies will ich nutzen um positive Veränderungen zu erreichen.

Ich bin weiterhin spielfrei. Mir geht es soweit gut und ich führe viele Gespräche. Ich versuche nun alles was Schlupflöcher darstellen zu eliminieren. Gerade das finanzielle.

Ausserdem kann ich mich auch besser auf meinen Job konzentrieren. Ich arbeite viel und gern.

Ich weiss, ich befinde mich auf dem richtigen Weg. Denn für mich gibt es nur eins: Spielfrei zu bleiben und nicht müde zu werden.


Schönes und erholsames Wochenende wünsche Ich.

Titel: Re: Spielsüchtig
Beitrag von: MarcoR am 25 Januar 2022, 21:04:14
Hallo und guten Abend

Ich bin seit dem 1.1.2022 weiterhin spielfrei. Dennoch beschäftigen mich so viele Fragen und ich kann mir keine Antwort drauf geben. So sehr ich es auch versuche....
Warum bin gerade Ich spielsüchtig?? Es hatte damals alles mit einem ''Erfolgserlebnis'' angefangen.
Warum liess ich es weiterhin zu??
Warum bin ich durch all diesem Mist ein schlechter Mensch??
Es litt ja nicht nur Ich unter diesen ganzen Umständen, sondern mein ganzes familiäre Umfeld sowie Partnerschaften.

Ständig versucht Vertrauen wieder aufzubauen, aber im Endeffekt nur enttäuscht, belogen, betrogen. Wie oft hatte ich diesen Punkt, wo mir einfach alles egal war. Man vertraute mir sowieso nicht mehr, egal in welcher Hinsicht. Also wozu noch kämpfen. Natürlich ist der Schmerz am größten, wenn es das Ende ist. Sei es Beziehung, Freundschaft usw.

Wie oft zog ich mich zurück, versuchte mein eigenes Ego dennoch zu stärken. Und immer wieder auf der falschen Spur. Egal wie ich reagierte, was ich tat oder wie ich handelte. Ich konnte es eh niemanden mehr recht machen.
All die ganzen Vertrauensbrüche, finanziellen Tiefen, hatten mich dennoch nicht davon abgehalten aufzuhören. Jahr ein, Jahr aus.

Es hatte lange gedauert, dass ich mich jetzt an diesem Punkt befinde, wo es nicht mehr geht, wo ich nicht mehr will!

Ich will einfach nicht mehr, ich kann nicht mehr!


Danke
Titel: Re: Spielsüchtig
Beitrag von: Wolfgang am 25 Januar 2022, 23:45:20
Hallo Marco,
alles was du hier schreibst, kann ich 1:1 aus eigener Erfahrung bestätigen. Wir haben wirklich vieles versaut und man darf eigentlich nicht darüber nachdenken. Allein die monatliche Rate für diese Halsabschneider sorgt für Missmut. Ich spiele einige Monate schon nicht mehr und sehe durchaus die Fortschritte und Erfolge. Aber ich kann gedanklich nicht loslassen. Nicht im Sinne von  "ich will/muss jetzt spielen",  sondern im Umgang mit den nachhaltigen Schäden der Sucht. Ich kann z.B. Nachts immer noch nicht richtig schlafen und habe Zeiten in denen ich einfach geknickt in der Ecke sitze.
Aber am täglichen Erfolg ziehe ich mich immer wieder hoch und schöpfe die für diesen Weg nötige Energie.
Für dich das allerbeste und lasse dich nicht vom Weg abbringen.

Gruß Wolfgang
Titel: Re: Spielsüchtig
Beitrag von: Olli am 26 Januar 2022, 13:08:58
Hi Marco!

Stelle Dir einmal vor, könntest Deine Sucht von Dir abspalten als eigenständige Person. Ihr zwei seit alleine. Ihr sitzt nebeneinander auf einer Bank. Die Sucht erzählt Dir tottraurig den Inhalt Deines Beitrags. Was würdest Du tun? So rein intuitiv?

Ich würde ein wenig näher an ihn heran rücken. Einen Arm würde ich um ihn legen. Wahrscheinlich würde ich noch nicht einmal etwas sagen. Ich würde einfach da sein für ihn, ihm zuhören, ihn trösten. Ich würde ihm mein Mitgefühl zeigen.

Würde ich ihm vorwerfen, dass er ein schlechter Mensch wäre? Er weiss doch, was er falsch gemacht hat. Er weiss, dass er gegen seine eigenen Werte verstoßen hat. Rein rational weiss er es! Wir sind aber keine rein rationalen Wesen. Unser Leben wird durch Emotionen bestimmt. Die Emotionen werden von der Sucht maskiert - ohne es zu wollen.
Was hilft also? Eine Inventur des Inneren ... denn ... wenn etwas nicht funktioniert hat, dann heisst es dieses Etwas auf eine andere Art anzufassen. Dazu sollte man aber zunächst einmal eine Bestandsaufnahme machen, damit wir nicht blind herumstochern mit dem "anders machen".
Also ... wer bist Du? Mit welchen Charaktereigenschaften könntest Du Dich beschreiben? Wie wärest Du gerne?
Gegen welche Werte hast Du verstoßen und wie sorgst Du dafür, dass Du sie künftig einhälst?
Irgendwo hier im Forum habe ich mal die "12 Schritte, aber wie?" der AS (anonyme Spieler, heute GA) eingestellt. Darin findest Du einige Ansätze, wie Du Deine Inventur aufbauen kannst.

Du darfst Dir also ruhig Selbstmitgefühl entgegen bringen. Die anstehenden Veränderungen brauchen ihre Zeit. Irgendwann schnippst Du mit den Fingern (machst vielleicht eine neue Inventur) und Dir fallen auf einmal viele Veränderungen an Dir auf, die Du bewusst angestoßen, aber gar nicht wahr genommen hast. Habe also ruhig auch Geduld mit Dir.

Wieso ist Dir die Frage, wieso gerade Du spielsüchtig geworden bist, so wichtig? Wieso quälst Du Dich damit? Was bringt Dir das?
Ist es Selbstmitleid?
Es ist doch ganz einfach ... es ist, wie es ist ... und nun mache das Beste daraus!
Das Selbstmitleid versetzt Dich in die Vergangenheit, was so viel bedeutet wie: Du lebst nicht im Jetzt!

Stelle Dir ruhig Fragen ... ich verspreche Dir, die Flut an Fragen wird nicht abbrechen, wenn Du dies zulässt. Die Fragen müssen aber ein Ziel haben: Dich im Jetzt voran zu bringen!

Zitat
Egal wie ich reagierte, was ich tat oder wie ich handelte. Ich konnte es eh niemanden mehr recht machen.
Wem hast Du mit dem Rückzug denn am Meisten geschadet? Ist es denn nicht logisch, dass das nicht funktioniert? Sich Frust oder sonstige negative Emotionen ansammeln und sich dann in der Sucht ihr Ventil suchen? Die Anderen so in die Irre geführt werden und ihre Enttäuschung mit der Zeit anwächst?

Erlaube Dir doch Du selbst zu sein! Du musst nicht perfekt sein ... darfst Ecken und Kanten haben. So sind wir doch alle.