Ich müßte auch nochmal einkaufen, bevor wir wegfahren... ich prokrastiniere da grad mal wieder.
Eben... sie fuhr einfach woandershin.
Ich habe lange in einem Supermarkt in Hamburg-St. Georg gearbeitet, in der Nähe des Hauptbahnhofs. Dort waren solche "Begegnungen" an der Tagesordnung. Wir hatten sogar einen Sicherheitsdienst. Ich habe zum Glück selten kassieren müssen, trotzdem mußte ich mich regelmäßig damit auseinandersetzen, wenn es Streß gab. Mein Chef schickte immer mich vor, um zu verhindern, daß es eskaliert. Er war ein ziemlicher Choleriker, und er wußte das.
Einmal erwischte unser Wachmann jemanden beim Klauen, nahm ihm die Flasche ab, gab sie beim Reingehen einem Kassierer, und zerrte ihn ins Büro. Auf dem Weg dorthin griff er im Vorbeigehen eine andere Flasche aus dem Regal, schraubte sie auf, und trank sie in einem Zug aus... all das, während der Wachmann ihn buchstäblich hinter sich herschliff.
Er kotzte im hohen Bogen das ganze Lager voll... in der Flasche war Olivenöl, er hatte nichtmal auf das Etikett geguckt.
Mein Chef tobte, der Wachmann brüllte und knallte die Bürotür hinter sich zu. Es war mir unangenehm, ich wollte lieber woanders sein, doch ich holte die Putzmaschine und begann würgend, es aufzuwischen, während ich aufpassen mußte, nicht auf dem Ölfilm auszurutschen.
Ja, Sucht hat viele abstoßende Gesichter. Die Frau im Bademantel, der Mann mit dem Olivenöl, die abgemagerte junge Frau, die aussieht wie 60, mit einer Hand voll speckiger Centstücke für ihr trockenes Brötchen, die sich beim Warten in der Kassenschlange zitternd den Schorf von den Unterarmen kratzt... oder ich.
Am Ende haben wir es aber alle selbst in der Hand.
Ich sollte mich auch mal aufraffen, sonst wird das heute nichts mehr...