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24 Stunden und hoffentlich für immer

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Re: 24 Stunden und hoffentlich für immer
« Antwort #15 am: 10 März 2022, 08:51:24 »
Hallo Forum, hallo liebes Tagebuch!

Samstag, Sonntag, Montag, Dienstag, Mittwoch und heute Donnerstag - so lange habe ich nun nicht mehr gespielt! In Geld ausgedrückt: knapp 600 € nicht verspielt.
Und bisher geht es mir gut. Am Anfang habe ich viel über meine Angst geschrieben, dass das was ich tue, rechtliche Konsequenzen für mich haben kann. Und diese Angst ist immer noch da. Olli hatte mich in seinem Beitrag etwas beruhigt, dass es doch unwahrscheinlich ist, dass mir dahingehend etwas passiert. Und doch, mit dem Spielen dachte ich nie, dass ich mich strafbar verhalte.

Aber dieses neue Wissen hat mir auch geholfen, mich vom Spielen zu lösen und zwingt mich dazu, mich damit auseinanderzusetzen, warum ich die letzten 5 Jahre mein ganzes Geld verpulvert habe, Kredite aufgenommen habe, Monat für Monat in Furcht gelebt habe, wie ich das alles bezahlen soll, den Lebensstandard für mein Kind und mich aufs Minimum gesetzt habe — was für ein Wahnsinn!!!

Gestern Abend habe ich einen Überschlag gemacht, der mich nochmal entsetzt hat: knapp 45.000 Euro verloren (30‘ davon in Kredite).
Und wisst ihr was? Gestern habe ich meinem Kind ein Buch gekauft über Dinosaurier und es sollte 25 € kosten. Teuer dachte ich, und dann dachte ich mir „hallo, soviel haste mal eben in 2 Minuten rausgehauen ohne mit der Wimper zu zucken“  :-\
Ja, da kann man eigentlich nur traurig drüber lächeln.

Im Moment kümmere ich mich nur um mein Kind und mich (habe diese Woche Urlaub). Gestern habe ich mir neuen Nagellack gekauft und mich um meine Hände gekümmert. So ordentlich habe ich sie schon keine Ahnung wann gesehen. Und wenn ich diese Woche weiterhin standhaft bleibe, möchte ich mir nächste Woche den Friseur leisten, auch den seit Jahren nicht gesehen.
Ja, ich weiß, nicht sehr aufregend, aber für mich sind diese kleinen Schritte sehr wertvoll und jetzt möchte ich wieder nur weinen, weil ich immer mehr aus einem Alptraum aufwache. Aber ich darf nicht undankbar sein, denn ich habe noch mein Kind, die Arbeit, das Haus, unsere Haustiere.

Auf in die nächsten 24 Stunden  :)
Liebe Grüße, Caro

Re: 24 Stunden und hoffentlich für immer
« Antwort #16 am: 11 März 2022, 21:57:06 »
Hallo Forum, hallo liebes Tagebuch!

Samstag, Sonntag, Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag und nun Freitag Abend - so lange habe ich nun nicht mehr gespielt!

Mir geht es immer noch gut. Dieser Spiel- oder Suchtdruck beschäftigt mich nicht so sehr. Dass heißt nicht, dass nicht schon mal der Gedanke aufkommt - gerade Abends, wenn alles ruhig ist und ich Zeit für mich habe.
Aber dann zwinge ich mich dazu, solche Gefühle wie Scham zuzulassen. Darüber nachzudenken wieviel Geld ich verloren habe, was ich die letzten Jahre stattdessen mir davon hätte leisten können.
Ich bedaure auch die verlorene Zeit, fast noch mehr als das Geld.

Und dann versuche ich auch Gefühle wie Erleichterung zu spüren, dass es diesen Monat nicht knapp ist; dass alles an Rechnungen durchgeht :-)
Ich schaue mir andere Leute an, wie sie durch die Straßen schlendern und stelle mir vor, dass sie ein ganz normales Leben führen. Sich im Grunde zur Zeit nur über die Spritpreise ärgern, aber auch schon wieder den nächsten Urlaub planen oder irgendeine andere Anschaffung - einfach weil sie mit Geld umgehen können, gespart haben.
Und da möchte ich auch wieder hin! So wie früher, bevor das alles begann. Ich habe immer mehr Sehnsucht danach.

Auf in die nächsten 24 Stunden!
Liebe Grüße, Caro

Re: 24 Stunden und hoffentlich für immer
« Antwort #17 am: 12 März 2022, 00:07:46 »
Hallo Caroli,
ich wünsche dir auf deinem Weg alles Gute.
Weiter so!!!
"Nur wer weiß, woher er kommt, weiß, wohin er geht"
(Theodor Heuss)

*

Offline andreasg

  • *****
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Re: 24 Stunden und hoffentlich für immer
« Antwort #18 am: 12 März 2022, 22:41:42 »
Hallo Caro,

geh hinaus, genieße Dein Leben.

Tue einfach so, daß , was andere Leute auch tun. Lass die alten Gespenster ihre Ketten tragen.
Du mußt Dich nicht mehr verstecken, am wenigsten vor Dir selber!

Einen schönen Sonntag,
Andreas,
Demut ist die anhaltende Ruhe im Herzen

*

Offline Olli

  • *****
  • 7.310
Re: 24 Stunden und hoffentlich für immer
« Antwort #19 am: 13 März 2022, 08:02:07 »
Hi Caroli!

Der achte Tag bricht an - die Sonne ist trotz Abstinenz doch wieder aufgegangen. Für die Welt kann es also nicht von elementarer Wichtigkeit sein dem Glücksspiel zu frönen oder der Abstinenz einen weiteren Tag hinzu zu zählen.
Doch ich meine die Welt dort draussen. Für die Welt in uns ist es von enormer Wichtigkeit.
Von Hartmut habe ich am Mittwoch ein schönes Bildnis gehört. Die Sucht ist wie ein Flussbett. Es hat einige Zeit gebraucht, damit es entsteht. Es brauchte Zeit, damit es die Wassermassen der Sucht aufnehmen konnte.Aus einem feinen Rinnsal wurde ein ausgewaschenes Bett.
Wenn wir nun spielfrei werden, dann entziehen wir dem Fluss lediglich das Wasser - das Flussbett trocknet aus. Es existiert aber weiter. Es ist bereit sofort - hier und jetzt - neue Wassermassen aufzunehmen. Der Rückfall wird scheußlicher als alles bisher Dagewesene, da das Wasser durch die Austrocknung keinen Halt im Bett findet.
Ich hätte hier das medizinische Halbwissen bemüht, welches ich mir angeeignet habe. Hätte von Nervenzellen und Synapsen gesprochen. Davon, dass das Gehirn aus mehreren Bereichen besteht, die Informationen durchlaufen. Hätte von Abkürzungen geschwafelt, damit die Reaktionszeit verkürzt wird. (Du bist aber groß, Schmusetiger ...). Durch Abstinenz verkümmernde Synapsen - aber nicht alle, da auch "normale" Ereignisse  - ein Geräusch, ein Geruch, eine visuelle Sinneswahrnehmung ... mit dem Glücksspiel verknüpft ist im Oberstübchen. Ach, es wäre viel länger geworden mit all dem Kram.
Auch wenn Dein Empfinden des Suchtdruckes gerade nicht so hoch ist, so sei Dir gewiss - er wird kommen.
Bereite Dich daher vor auf seinen Besuch. Stelle Dir vor, wie Du ihm die Haustür aufmachst, er Deine Hand ergreift und sie schüttelt. Überlege Dir, wie Du ihn wieder auf Abstand bekommst, ihn eine Weile aushälst, um ihm dann an der Tür hinterher zu winken mit der Freude, die man beim Abschied einer lästigen Person empfindet.
Unser Thema im Webmeeting am Mittwoch war Loslassen. Es ist Borns Thema gewesen, Gott habe ihn selig.
Man kann nicht loslassen, wenn man festhält. Eigentlich gibt es eine Vorbereitung und dann das Ereignis.
Es gibt Personen, die das Glücksspiel reduzieren - sich Grenzen setzen kein eigenes Geld einzusetzen, wie Born aber stattdessen "geschenkte" Boni verzocken. Das hat mit Loslassen nichts zu tun.
Ich wurde Mittwoch im Meeting gefragt, wie ich losgelassen habe. Es brauchte nach vielen Jahren "nur" noch einen Gehaltseingang, den ich fast vollständig innerhalb weniger Stunden verspielt hatte. Ich war wütend auf mich selbst. Ich war enttäuscht von mir. Wieder werde ich mich im Spiegel nicht mehr anschauen können, weil ich es satt hatte einen Lügner zu sehen. Ich packte all das zusammen und wandelte es in Motivation um. Wie oft hatte ich mir schon geschworen mit dem Glücksspiel zu brechen - um diesen Schwur bei nächster Gelegenheit zu brechen. Doch in dieser Nacht war das anders - ich wusste, dass dieser Schwur anders war. Es war erwas hinzu gekommen - eine echte Entscheidung. Das wusste ich damals nicht - aber ich fühlte es.
Wut, Enttäuschung und all solche Sachen können auf zwei Wegen eingesetzt werden. Um zu verharren in der Sucht, wäre die erste Möglichkeit. Dann wird das Selbstmitleid benutzt, um die Komfortzone nu ja nicht zu verlassen. Nichts ist sicherer, als das, was man kennt - und sei es noch so selbstzerstörerisch.
Die zweite Möglichkeit ist die, die Motivation zu nutzen für Veränderungen. Veränderungen zum eigenen Wohl. Sich ins kalte Wasser zu werfen und zu sehen, was da kommt. die kleinen und großen Augenblicke zu erkennen, wo das normale Leben wieder ins Bewusstsein fließt - mit all seinen Facetten. Zu erkennen, dass Veränderung zum Leben dazu gehört und nichts Schlimmes bedeuten muss - Stagnation jedoch zumeist das genaue Gegenteil bedeutet.

Hier sehe ich Dich gerade. Fühlt sich das nicht schön an?

Na klar ist es auf der einen Seite bedauerlich, was Du alles an Geld verzockt hast. Hier sprichst Du davon, wie es Dich quält, wenn Du darüber nachdenkst, was Du Dir da alles hättest leisten können. Wer spricht da aus Dir? Der gesunde oder der süchtige Part?
Der Gesunde müsste Dich darauf hinweisen, dass Du womöglich weniger intensiv die Freude darüber verspürt hättest, wie jetzt die Scham. Der Süchtige freut sich, dass Du Dich schlecht fühlst - es macht ihm seine Arbeit leichter Dich zum Rückfall zu bringen.
Tatsache ist doch, mal unabhängig von der Frage der Rechtmäßigkeit, dass wir uns eine Dienstleistung erkauft haben. Sind wir einmal über einen gewissen Punkt hinaus, dann erfüllt die Suchtausübung einen Zwecke. (Synapsen - Abkürzungen)

Das Geld ist nicht weg - es hat derzeit nur ein Anderer. Es kann wieder kommen - garantiert nicht durch erneutes Glücksspiel - aber durch "normale" Einkünfte. Macht dieser Gedanke den Verlustschmerz nicht ein wenig erträglicher?

Die Zeit ist tatsächlich verloren. Die Erfahrungen, die wir hier hätten machen können, sind auf der Strecke geblieben.
Auch hier kann ich wieder überlegen, welchem Teil in mir ich helfe, wenn ich dem Bedauern zu viel Raum schenke?
Indem ich trauere und mit meinem Schicksal hadere, verschwende ich weitere wichtige, weil beschränkte, Lebenszeit.
Das Leben findet immer im Jetzt statt.
Erfreue Dich an Deinem Kind - siehe zu, wie es selbst seine Welt entdeckt - und genieße dieses Wunder.
Du kannst noch so alt werden, Du bleibst zu einem Teil immer auch noch ein Kind - und Du hast Deine eigenen Wunder.

Ich sollte mal frühstücken, ansonsten bremst mich erst die maximal zulässige Anzahl an Buchstaben je Beitrag ... ;)
« Letzte Änderung: 13 März 2022, 08:08:21 von Olli »
Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
Hier geht es zum Samstagsmeeting_ https://us02web.zoom.us/j/87305340826?pwd=UnFyMlB6bkwyTHU3NGVISWFGNSs2

*

Offline andreasg

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Re: 24 Stunden und hoffentlich für immer
« Antwort #20 am: 13 März 2022, 10:11:03 »
Hallo Caro,

ii
ch will - Dir gerade Dein Tagebuch zuschreiben, habe aber wohl Verständnis dafür, mein eigenes zu bekritzeln, so mag es geschehen.

Eune Gute Nacht und eine schöne Zeit

Andreas
« Letzte Änderung: 13 März 2022, 22:22:29 von andreasg »
Demut ist die anhaltende Ruhe im Herzen

 

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