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Studie: Fast jeder zweite Spieler ist süchtig

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Offline Ilona

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Studie: Fast jeder zweite Spieler ist süchtig
« am: 09 Dezember 2010, 16:19:32 »
Studie: Fast jeder zweite Spieler ist süchtig
   
Medium: Weser-Kurier
Datum: 09.12.2010
   
Experten haben im Auftrag der Regierung Spielhallen besucht / Bremer Suchtforscher nennt Ergebnis alarmierend

VON BERND SCHNEIDER

Bremen. Fast jeder zweite Spieler in Automaten-Spielhallen ist süchtig, jeder sechste stark suchtgefährdet. Das hat eine Befragung von Spielern im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft ergeben, die seit September vorliegt und offenbar unter Verschluss gehalten wird. Seit Anfang des Monats sickern erste Ergebnisse durch. Und "die sind alarmierend", findet der Bremer Suchtforscher Psychologie-Professor Gerhard Meyer.

591 Spieler in Niedersachsen, Bayern und Sachsen wurden zu ihrem Spielverhalten gefragt, davon waren 447 in Spielhallen, 144 in Gaststätten. Das Wirtschaftsministerium wollte herausfinden, wie sich die seit 2006 geltende Rechtsgrundlage für das Automatenspiel auswirkt.

Ergebnis der Studie: Jeder Fünfte versenkt "alles verfügbare Geld" im Schlitz der Automaten oder muss sich sogar zusätzliche Mittel verschaffen. "Unter 447 zufällig ausgesuchten Spielern in Spielhallen waren 42 Prozent pathologische Spieler", fasst Meyer die Ergebnisse zusammen, "16 Prozent waren problematische Spieler."

Selbstständige spielen häufiger

Für die Diagnostik seien zehn international anerkannte Kriterien angelegt worden, etwa:

Ist das Spiel zentraler Lebensinhalt?
Wird das Ausmaß verheimlicht?
Steigen die Einsätze?
Scheitern Versuche, mit dem Spielen aufzuhören?
Geht es nach Verlusten am Automaten am nächsten Tag zurück in die Spielhalle, um diese auszugleichen?
Drei- bis viermal "Ja" zeigen ein problematisches Spielverhalten an, darüber hinaus ist von Sucht die Rede.

75 Prozent der Spieler sind Männer, überdurchschnittlich häufig vertreten sind unter den Automaten-Spielern Selbstständige, Arbeitslose, Ausländer und Realschulabsolventen. Deutlich unterdurchschnittlich häufig spielen dagegen Abiturienten und Beamte.
Nach der einschlägigen Verordnung sind die Gewinne an Geldspielautomaten klar begrenzt. Denn "rechtlich ist das Automatenspiel kein Glücksspiel", erläutert Meyer, "es handelt sich um ein Unterhaltungsspiel mit Gewinnchance." Maximal 500 Euro darf ein solcher Automat deshalb pro Stunde ausschütten. Inzwischen gibt es aber verschiedene Tricks, diese Grenze auszuhebeln. So genügt es, den Geldeinsatz im Automaten in "Punkte" umzuwandeln, und schon lässt sich der mögliche Gewinn um ein Vielfaches über die 500-Euro- Grenze heben. Bei der Rück-Umwandlung von Punkten in Geld halten sich die Automaten dann wieder an die rechtlichen Vorgaben: Die Beträge klappern in stündlichen 500-Euro-Teilbeträgen aus dem Automaten. Eine Auszahlung von 10000 Euro, die bis Januar noch möglich ist, zieht sich dann über 20 Stunden hin.
Weil manchem Spieler das zu lange dauert, zahle jede dritte Spielhalle oder Gaststätte die Gewinne auch illegal am Tresen aus, heißt es in der Studie. Außerdem würden die Automaten unerlaubt "vorgeglüht", also mit Geld und Punkten gefüttert, bevor ein Spieler einsteigt. Der Spieler erwirbt dann die Punkte und startet automatisch mit höheren Einsätzen und Gewinnchancen am Automaten. Im Schnitt werden die Automaten mit 50 Euro "vorgeglüht", in der Studie werden aber auch Beträge bis 1000 Euro genannt.
"Die Branche hat den Bogen überspannt", sagt Meyer. Was die Einnahmen angeht, habe das Unterhaltungsspiel das Glücksspiel längst überflügelt: "Der Bruttospielertrag in Spielhallen lag im Jahr 2009 bei 3,34 Milliarden Euro." Die Spielbanken dagegen – nur dort ist Glücksspiel legal – hätten lediglich ein Fünftel ausgewiesen, 600Millionen Euro. Und: "80 Prozent aller Spielsucht-Klienten in den Beratungsstellen haben Probleme mit Spielautomaten, nicht mit der Spielbank."
Der Suchtforscher schlägt daher tiefgreifende rechtliche Änderungen vor. Der finanzielle Verlust am Automaten pro
Stunde müsse auf 10 Euro, der höchste Gewinn auf 60 Euro begrenzt werden. Es soll verboten werden, das Geld in Punkte oder Sonderspiele umzuwandeln, und der Speicher der Automaten muss nach einer Stunde gelöscht werden. Gewinne – ob Geld, Punkte oder Sonderspiele – könnten dann nicht mehr übertragen werden. "Damit würde man der Spielsucht entgegenwirken." Wenig geeignet sei dagegen der Vorschlag aus der Studie, "Spielerkarten" auszustellen, die den Maximalverlust auf 200 Euro pro Tag begrenzten. Meyer: "Dann geht der Spieler in die nächsten Halle und fängt von vorne an." Außerdem sei "der Missbrauch vorprogrammiert": "Wer sagt denn, dass die Spielhallen Mitarbeitern nicht eine zweite Karte ausstellen?"

Seit September liege die Studie vor, sagte Meyer. Bis gestern sei sie noch nicht an die Länder-Innenministerien weitergereicht worden. Dort werde gerade der Glücksspielstaatsvertrag neu ausgehandelt: "Den Ländern werden solche wichtigen Informationen bewusst vorenthalten", warf er der Bundesregierung vor. Die Interessen der Betreiber würden offenbar höher bewertet als die Suchtgefahren. Gerhard Meyers: "Die Studie kommt eben vom
Ministerium ,für’ Wirtschaft."
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