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Was kann ich glauben, wieviel Druck ist richtig?

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Was kann ich glauben, wieviel Druck ist richtig?
« am: 31 Oktober 2011, 12:05:35 »
Hallo zusammen, ich bin Wikki (w) und bin der Meinung dass mein Mann Glücksspielsüchtig ist. Er hat bislang Sportwetten gemacht. Als ich ihn vor vier Jahren kennenlernte hat er täglich online gewettet. Ich habe ihn öfters darauf angesprochen, habe mich aber immer beruhigen lassen. An Sucht hatte ich irgendwie gar nicht gedacht. Nur an schräges Hobby. Da er immer genug Geld hatte (so dachte ich)ist mir auch nach unserer Hochzeit nichts aufgefallen. Wir hatten getrennte Konten - auch nachdem wir ein Kind bekommen haben. Als mir aber das Online-Wetten doch zu viel wurde, habe ich verlangt dass er damit aufhören soll, weil er ja nur noch auf Fußballergebnisse fixiert ist. Er ist immer gestresst und innerlich sehr unruhig. Vor zwei Wochen kam mir der ewige Geldmangel komisch vor und ich habe zum ersten Mal all seine Konten geprüft. (Kto-Auszüge lagen offen rum). Ich habe einen Schock bekommen, denn alle drei Konten sind bis zum Anschlag überzogen und von einem Konto wurden fast täglich 200 bis 500 Euro abgehoben. Manchmal im Halbstundentakt, vor allem an einem Geldautomaten, der fern unserer Wohnung ist (allerdings neben einem Wettbüro).

Ich habe das Thema direkt angesprochen und mein Mann hat nach und nach zugegeben gewettet zu haben. Er gehe nun in eine Sportbar und wettet nicht mehr online. Als ihm doch irgendwie einleuchtete dass das Wetten überhand genommen hat, hat er eingewilligt mit in eine Beratung (Caritas zu gehen). Er hat mir direkt die Kontokarten und Kreditkarte gegeben und mich gebeten alle Konten zu überwachen.

Nach der Beratung sagte er dass er einsieht sehr falsch gehandelt zu haben, aber weiß, dass er sofort damit aufhören kann. (Das glaube ich NICHT).

Mittlerweile ist eine Woche vergangen - ich habe die enge Familie und meinen Hausarzt eingeweiht. Innerhalb der Familie hat es auch schon ein sehr gutes, offenes Gespräch gegeben. Ich war leider aufgrund der Erkenntnis, dass wir ein ernsthaftes Problem haben erst mal nicht mehr arbeitsfähig und bin dabei MICH zu sammeln.

Mein Mann hat gestern zugegeben dass er sich irgendwie befreit fühlt, er aber schon an das Wetten denkt. Aber solange ihm die Grundlage "Geld" fehlt, er ja auch nicht wetten gehen kann. Er möchte es schaffen davon loszukommen (sagt er). Aber süchtig sei er nicht!

Ich habe ihm klar gesagt, dass ich zu ihm stehe - sofern er sich mit sich selbst auseinandersetzt und ehrlich darüber spricht wie es mit seinem Spielwunsch aussieht. Ich werde KEIN Leben in Lug und Betrug weiterführen können, werde ihn aber unterstützen wieder auf den richtigen Weg zu kommen. Sollte er sich nicht mit seinem Problem auseinandersetzen muss ich mich trennen (meine ich)

Ich habe Angst dass er mir etwas vormacht. Er kann einem, wie ich nun weiß, das Blaue vom Himmel vorlügen ohne dass ich es merke. Ich muss meinen Sohn und mich schützen mit in den Strudel gezogen zu werden. Ich werde aber nicht bei dem ersten ernsthaften Problemen unsere Familie aufgeben.

Wie kann ich mich richtig verhalten. Wieviel Druck ist richtig?

Mein Mann hat gebeten, dass er sich erst mal selbst beobachten muss. Er ist bei der Caritas zu zwei Infogruppen angemeltet. Dort will er auch hingehen.

Ich besuche nun auch eine SHG, die für Angehörige und Spieler ist.

Ich hoffe auf Eure Antworten

VG Wikki


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Offline Otte

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Re: Was kann ich glauben, wieviel Druck ist richtig?
« Antwort #1 am: 31 Oktober 2011, 12:45:37 »
Hatte zwar gerade was anderes vor, aber ich halte es für äußerst wichtig, Dir erstmal zu antworten. Also, klar ist Dein Mann offensichtlich Glücksspielsüchtig, aber er muss es selbst erkennen u. dann handeln. Du kannst nur etwas für Dich tun, SHG ist sehr gut, Deinen Mann ansprechen ist auch sehr gut, Trennung evtl., wenn er weiterlügt

und es ihm auch klar sagen. Außerdem Kreditkarten u. anderes erstmal wegnehmen, wenn er es denn zuläßt, auch Bargeld nur in geringen Mengen im täglich mitgeben.

Das hört sich zwar im 1. Moment nach Entmündigung an, ist aber, wenn er aufhören will zu spielen (was scheinbar noch nicht ganz der Fall ist) sehr wichtig, vielleicht läßt er sich ja auch darauf ein. Außerdem sollte Dein Mann auch unbedingt zu einer SHG gehen.

Falls er auch online spielt, alle Programme sperren lassen (Programm Gamblock, gibt´s im Internet zu kaufen, sollte aber jemand anderes dann installieren.)


Glaube mir, ich spreche aus eigener Erfahrung als Glücksspielsüchtiger, habe auch erst nach 2 Jahren aufgehört zu spielen (jetzt seit 3 Wochen), da ich so nicht mehr leben konnte.

L.G. Otte

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Offline Olli

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  • 6.907
Re: Was kann ich glauben, wieviel Druck ist richtig?
« Antwort #2 am: 31 Oktober 2011, 16:25:16 »
Hi Wikki!

Herzlich willkommen!

Du scheinst mir eine starke Persönlichkeit zu besitzen.
Außerdem scheinst Du für Dich ganz klare Grenzen zu ziehen.
Gut so - halte bitte genau daran ganz fest.

Der Spieler verschiebt im Laufe seiner Krankheit diese Grenzen immer mehr.
Nach innen sind sie absolut plausibel - nach aussen erscheinen sie irrsinnig.

Ich habe Angst dass er mir etwas vormacht. Er kann einem, wie ich nun weiß, das Blaue vom Himmel vorlügen ohne dass ich es merke.

Daher ist viel schlimmer - er merkt es auch nicht - und macht er es doch, dann verdrängt er es. Wir Spieler nämlich sind sowas von herzensgut ...
Wir haben nur ein Problem - an allererster Stelle kommst nicht Du - nicht Dein Kind ... sondern die Suchtausübung.

Von daher ist Deine Konsequenz für ein anhaltendes "wir" absolut wichtig.
In erster Linie schützt Du Dich selbst - das ist kein Egoismus - das ist Dein gesunder Selbsterhaltungstrieb - und an zweiter Stelle zeigst Du ihm, wo er Grenzen überschreitet.


Die Karten abzugeben wird nicht reichen - die zwei Termine werden nicht reichen.
Spielsucht ist eine Krankheit, die uns unser Leben lang begleiten wird.
Wir können sie zwar zum Stillstand bringen, dies geht jedoch nur, wenn wir uns intensivst mit uns auseinandersetzen.

Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
Hier geht es zum Samstagsmeeting_ https://us02web.zoom.us/j/87305340826?pwd=UnFyMlB6bkwyTHU3NGVISWFGNSs2

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Offline Otte

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Re: Was kann ich glauben, wieviel Druck ist richtig?
« Antwort #3 am: 31 Oktober 2011, 18:14:23 »
Hier nochmal Otte:

Ich kann Olafs Worte u. Kommentar nur bestätigen.

Alles Gute, Otte

 

Re: Was kann ich glauben, wieviel Druck ist richtig?
« Antwort #4 am: 01 November 2011, 09:53:24 »
Hallo zusammen, danke für Eure Antworten. Mir ist schon klar dass er spielsüchtig ist. ER merkt, dass das Wetten aus dem Ruder gelaufen ist und möchte, so wie er sagt, auch damit aufhören. Angeblich war er seit über einer Woche auch nicht mehr wetten.

Ich habe das Gefühl etwas Fingerspitzengefühl haben zu müssen, damit er selbst erkennt dass er süchtig ist. Er hat mich um Kontokontrolle gebeten. Dass heißt es darf keine Abbuchung von ihm vorgenommen werden. Er hat aus einem eigenen Betrieb auch Bareinnahmen. Hierrüber wird von einer Angestellten ein Kassenbuch geführt. Jede Auszahlung an ihn ist nachweisbar. Er muss mir dann die Belege zeigen wohin das Geld eingezahlt wurde. (Er hat drei Konten) Einen für seinen Betrieb, zwei private). Ich hole zwei Mal in der Woche Kto-Auszüge und kontrolliere. Sollte er sich Bargeld holen, hat er ein großes Problem - MIT MIR!

Danke für die Blumen.... ich weiß nicht ob ich eine starke Persönlichkeit bin... ich bin sehr klar - das stimmt und ich bin auch sehr konsequent.... allerdings habe ich große Angst, dass unsere kleine Familie zerbricht. Ich bin so verunsichert, weil ich nicht weiß was alles auf mich zukommen kann.

Mein Mann erzählt mir, dass er zwar öfters an das Wetten gedacht hat, aber es befreiend fand nicht wetten gegangen zu sein. Er will erstmal in die beiden Grupen zur Caritas gehen und dann offen sein für das was kommt. Er sagt, dass er sich beobachten will.

Soll ich das alles nicht glauben?? Was kann ich denn glauben?? Wenn ich nichts glaube, dann kann ich doch gar keine Hoffnung mehr haben, dass er schafft mit dem Wetten dauerhaft aufzuhören.

Ich habe übrigens eine Kindersicherung auf unserem PC installiert. Er kann zwei Tageszeitungen aufrufen und Ebay. Ich wollte auch nicht, dass er dauernd Fußballergebnisse aufrufen kann. Geht natürlich auch über Videotext - allerdings nicht so unauffällig.

Also was an Regularien reicht und was nicht finde ich bestimmt noch raus (ich muss es wohl auch erst erfahren) - aber wieviel Druck ist richtig, dass mein Mann sich mit der Problematik befasst? Wir reden derzeit täglich darüber - er beteuert, dass er selbst herausfinden möchte ob es eine Sucht oder eine Gewohnheit ist. Muss ich ihm dieses denn nicht auch zubilligen?? Ich bin bestimmt schon einen Schritt weiter als er....

Viele Grüße von Wikki

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Offline Olli

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Re: Was kann ich glauben, wieviel Druck ist richtig?
« Antwort #5 am: 01 November 2011, 11:00:15 »
Guten Morgen!

Ich habe das Gefühl etwas Fingerspitzengefühl haben zu müssen, damit er selbst erkennt dass er süchtig ist.

Dann verabschiede Dich mal schnell von dem gefühl des "Müssens".
Der Einzige, der in der Pflicht ist, ist er selbst.
DU kannst ihn zu nichts zwingen.
Einsicht kannst Du ihm nicht einbläuen.
Mit der Dir gesetzten Verpflichtung nimmst Du ihm seine eigene Verantwortung für sein und Euer Leben ab.
Du brauchst auch keinerlei Druck ausüben.
Bleibe bei DIR - so schwer Dir das auch fällt.
Zeige ihm, was Du dir wünschst - benenne Deine Regeln - und auch Deine Konsequenzen.

Die Abgabe der Kontogewalt ist schon mal nicht schlecht.
Nun versucht sie in eine "gemeinsame Finanzverwaltung" zu wandeln.
Es geht nicht nur darum, ihm den Zugang zu seinem Suchtmittel zu verbauen - das alleinen wäre wieder nur eine Abgabe von Verantwortung - es gaht auch darum, den Umgang mit Geld - dem gesetzlichen Zahlungsmittel - neu zu erlernen.

allerdings habe ich große Angst, dass unsere kleine Familie zerbricht
Diese Angst ist durchaus begründet.
Doch wenn Du bei Dir bleibst, wie beschrieben, dann liegt es an ihm – und Du brauchst Dir niemals Vorwürfe zu machen, sollte es zu einer Trennung kommen.

Ich bin so verunsichert, weil ich nicht weiß was alles auf mich zukommen kann.

Male Dir jetzt keine Horrorszenarien aus. Fakt ist nun mal, dass er sich bewegt.
Ob er es aufrichtig meint, wird erst die Zukunft zeigen.

Ich bin bestimmt schon einen Schritt weiter als er....

Ja, denn Du bist hier und informierst dich …

Frage ihn doch mal, ob er sich hier nicht auch registrieren möchte – oder, wenn Du das nicht möchtest – z.B. bei mir oder in Thoras Forum?


Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
Hier geht es zum Samstagsmeeting_ https://us02web.zoom.us/j/87305340826?pwd=UnFyMlB6bkwyTHU3NGVISWFGNSs2

Re: Was kann ich glauben, wieviel Druck ist richtig?
« Antwort #6 am: 01 November 2011, 11:45:11 »
Hallo Olli, danke für Deine klaren Worte. Die helfen mir sehr. Du hast mir meine Augen noch mehr geöffnet.

Ich möchte weiter mit Euch hier im Gespräch bleiben und berichte auch gerne was passiert. Ich habe auch noch viel zu lesen hier - meinem Mann werde ich das Forum empfehlen! Ob er es nutzt liegt bei ihm.

Lieben Gruß

Wikki

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Offline Otte

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Re: Was kann ich glauben, wieviel Druck ist richtig?
« Antwort #7 am: 01 November 2011, 19:34:23 »
Hallo Wikki, auch ich möchte Dir nochmal antworten. also, Du bist schon richtig davor, für Dich selbst, aber wie schon beschrieben, er ist selbst verantwortlich für sich.
Sollte er es wirklich ernst meinen mit den Gruppen u. dort auch hingehen hat Dein Mann schonmal einen richtigen u. sehr wichtigen Schritt für sich getan.

Ob er nun Spielsüchtig ist, oder nur Gewohnheit, muss Dein Mann allerdings natürlich selbst herausfinden, hoffentlich belügt er sich nicht selbst dabei.

Ich selbst wollte auch 2-3 Jahre nicht wirklich wahrhaben, das ich Abhängig vom Glücksspiel bin, aber seitdem ich es für mich selbst zugegeben habe u. dagegen was unternehme, geht es mir wesentlich besser. Brauche nicht´s mehr zu verheimlichen od. mich selbst belügen, kann alles offen u. ehrlich auf den Tisch legen. Gott sei Dank. Das ist eine solche Befreiung für mich, das kannst du Dir nicht vorstellen, od. vielleicht doch.
Auf jeden Fall tue was für Dich selbst, damit Du u. Dein Kind nicht daran kaputtgehst.

Ich weis nicht, ob es Gruppen f. Angehörige von Spielsüchtigen gibt, aber vielleicht kannst du ja zu den genannten Gruppen auch zusammen mit Deinem Mann gehen, wenn er es denn möchte.
Alles Gute, Otte


alles Gute für Euch, Otte

Re: Was kann ich glauben, wieviel Druck ist richtig?
« Antwort #8 am: 01 November 2011, 20:19:19 »
Hallo Otte, auch an Dich ein großes DANKESCHÖN! In Dortmund gibt es eine SHG für Angehörige und Spielsüchtige. Da war ich letztens und werde weiterhin hingehen. Falls mein Mann auch dort hingehen möchte überlasse ich ihm die Entscheidung ob wir zusammen gehen oder ob er lieber ohne mich frei reden möchte. Mit mir fände ich natürlich besser - aber könnte verstehen wenn er das nicht möchte.

Der Austausch mit Euch tut mir gut!

Alles Gute

Wikki

 

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