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Er ist jetzt trocken doch süchtig nach der Spielsucht

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Anfang 2006, haben sich die Wege meines Freundes und mir getrennt. Er ist zur Therapie gefahren und ich merkte, welch eine Last dadurch von mir abging. Zwar hatte er sich nach der Therapie wieder gemeldet, doch ist er wieder genauso schnell auch wortlos verschwunden. Dieses Jahr, wieder das Selbe. Er rief mich vor zwei Monaten überraschend an und wollte etwas klären. Wir fingen an uns an den Wochenenden wieder zu treffen und der erste Eindruck von ihm war der eines trockenen und ziemlich zufriedenen Menschen.

Seit über einem Jahr spielt er nicht mehr. Ich gestand ihm, dass ich dies nie für möglich gehalten hatte. Er bat mich, alles langsam anzugehen und ich sagte, kein Problem. Doch schnell verfiel er wieder in sein altes Verhalten, welches ich damals zum Teil, mit der Spielsucht in Zusammenhang brachte. Doch insgeheim denke ich, dass die Spielsucht, wie vielleicht jede andere Sucht, nur ein Ventil für etwas anderes ist. Ist es in der Vergangenheit passiert, in der Kindheit, jetzt, ich weiß es nicht. Als Mensch, der selbst eine sch**ß Kindheit hatte und nie zu einer Sucht griff muss ich gestehen was Sucht angeht, ein Anfänger auf diesem Gebiet zu sein.

Wie gesagt, wir trafenn uns jedes Wochenende seitdem. Ich merkte zwar nach drei Wochen, das wieder Gefühle meinerseits da sind, doch diese Gefühle haben wohl meinen Verstand geschärft und somit merkte ich recht schnell, was abgeht. Wenn wir uns trafen, dann immer bei mir zuhause. Ich kochte, ich machte, er war wie der König im gemachten Bett. Irgendwann fing es an mich zu stören, da ich selbst nicht viel Geld habe und plötzlich für zwei zu kochen, geht schon ins Geld. Nicht einmal kam von ihm die Idee, mich einzuladen. Unternahmen wir mal was (welch ein Witz, gerade einmal in zwei Monaten), zahlte jeder für sich. Ich wollte auf den Antikmarkt, er nicht, zu viele Menschen. Ins Kino, er nicht, spielt eh nichts gescheites. Wenn ich in meiner eigenen Wohnung es wagte TV zu schauen, wurde ich regelrecht angepöpelt, wie kann man so etwas nur freiwillig sehen. Für meine Person schien er eigentlich kein sonderliches Interesse zu haben. Er fragte mich nie wie mein Tag war und wie es geht. Auch meine täglichen Geschichten interessierten ihn nicht. Das sagte er einmal auch. Also fragt Ihr Euch bestimmt, über was wurde immer geredet? Über ihn, über ihn, über seine Sucht, über ihn, über seine Suchtkumpel, über seine vier SHG, über sein Buch, welches bestimmt ein Bestseller wird wenn es mal fertig wird, über seine Zukunft als Suchtberater, über seine eigene SHG, eigentlich ging es immer nur um ihn. Ganz ehrlich, 48 Stunden als nicht Süchtiger, nur über Spielsucht zu reden, war nicht gerade meine Leidenschaft, doch ich hörte ihm zu, gab ihm meinen Rat, denn er sollte ja wieder mein Partner werden und sich wieder bei mir wohl fühlen. Ich entwarf für seine Gruppe einen Flyer. Den Lob bekam ich von seinem Gruppenleiter, nicht von ihm. Dann entwarf ich eine Broschüre. Auch da kein Kommentar von ihm. Der Mann ist so mit Sucht benebelt, dass er was anderes nicht wahr nimmt. Er rauchte auch viel mehr als früher und hatte innerhalb von 12 Monaten, es wieder auf vier gescheiterte Beziehungen gebracht.

Doch mit der Zeit kamen auch wieder die Agressionen, wegen nichts. Er fing wieder an, die Arbeit zu schwänzen weil er keinen Bock auf seinen 1-Euro-Job hat. Er regte sich über Dinge auf und ich merkte, dass egal was ich sagte, er wollte sich aufregen. Als Jemand, der nach 20 Jahren, gerade mal 12 Monate trocken ist zeigte er null Verständnis für die, die den Weg ins Trockene noch vor sich haben. In einem anderen Forum wurde er Mitglied. Die letzten zwei Wochenenden unserer Zweisamkeit, verbrachte er täglich mit mindestens sieben Stunden in diesem Forum, wo er sich an den Beiträgen und Antworten teilweise bis zur Agression hochschaukelte. Wenn er mal was geschrieben hatte und dafür im Forum keinen Lob bekam, war er beleidigt. Ich sagte ihm mal, ich wäre stolz auf ihn. Dazu sagte er nur, dass mein Stolz ihm nichts bedeuten würde. Er erzählte mir zwar nie, was in den vier SHG gesprochen wird, doch würden dort viele lügen und sich selber was vormachen. In einer der Gruppen ist er seit vier Jahren. Drei davon als nasser Spieler. Man hat ihn trotzdem aufgenommen und immer gerne gesehen. Man hat ihm seine Zeit gelassen, doch dieses Verständnis will er anderen gegenüber nicht aufbringen. Er ist wütend, wenn man Nasse reinlässt. Er ist wütend, wenn Leute sich selbst belügen. Ich fragte ihn mal, ob er dies den Leuten dann wenigstens auch vor den Kopf werfen würde? Seine Antwort überraschte mich nicht. Er sagte nein, denn nach meiner Meinung ist er dafür zu feige.

Ich bestand auch durch sein reges Bett wechseln, auf einen HIV Test. Den machten wir auch, doch heute denke ich, hat er bei dem Test, bezüglich der 12 Wochen Abstinenz gelogen und somit auch meine Gesundheit in Gefahr gesetzt. Auch andere Lügen kam hoch, die nicht hätten Lügen werden müssen. Er weiß, ich bin nicht eifersüchtig und was vor mir war, war halt vor mir. Seine SMS waren so neutral und minimal, dass er sie jedem hätte schicken können. Als sein bester Kumpel von der ersten Therapie uns besuchen kam, sagten der Kumpel und seine Frau, dass er mich wie Eis behandeln würde. Das wäre keine Beziehung und man sollte lieber den Schlusstrich ziehen. Ich fragte ihn drei Tage bevor ich Schluss machte, was er denn für mich empfinden würde. Er würde mich mögen, doch wäre er immer noch so mit der Sucht beschäftigt, dass er mir keinen Stellenwert geben kann. Wir schliefen einmal miteinander. Die Entzündung, die ich durch ihn dabei bekam, behandel ich heute noch. Sogar bei dem einen Sex war er so woanders, dass er nicht ..... naja egal.

Am Samstag wo ich sagte es reicht, sollte er um 15 Uhr vorbei kommen. Um 14 Uhr kam ne SMS, er wäre auf einem Sommerfest. Nicht mehr und nicht weniger. Auf meine SMSfrage, welches Fest, bekam ich keine Antwort. Eine Stunde später teilte ich ihm per SMS mit, dass es besser wäre, wir machen Schluss und dass er sich vielleicht etwas passenderes als Partnerin finden sollte. Am Tag darauf wollte er vorbei kommen und erklären. Diese Erklärung outete sich indem er mich in meiner eigenen Wohnung wie ein Asozialer anbrüllte, dass die Nachbarn schon aus ihren Fenstern rüber schauten. Er behauptete, sein Gruppenleiter hätte mich doch aufs Sommerfest eingeladen. Ich sagte klar und deutlich Nein, das hat er nicht. Doch auf meine Frage, wieso sein Gruppenleiter mich erst einladen muss und wieso er mich nicht selbst mitnehmen konnte, kam keine Antwort. An diesem Tag merkte ich, wie dieser 40-jährige Mann dringend Hilfe braucht, die er komplett verweigert. Er würde da schon selbst rauskommen sagt er. Therapeuten könnten ihn nicht verstehen. Dazu müsste man auch mal süchtig gewesen sein. Er stand vor mir wie damals, als wir schon einmal zusammen waren, wie ein vergessener fünf Jahre alter Junge. Als er ging, öffnete ich die Tür für ihn und verschloss sie, nachder er aus der Wohnung war. Und wieder merkte ich, welch eine Last diese sieben Wochen in Wahrheit für mich gewesen sind. Ich merkte auch, ich habe die Kraft nicht mehr, da dieser Mann in seiner eigenen Welt lebt. Er schmeißt zwar sein Geld nicht mehr aus dem Fenster, aber er lebt von der Sucht. Genauso wie ein Ex-Raucher, der täglich in eine verqualmte Kneipe geht um wenigstens noch mitzurauchen. Ich frage mich, ob er diese Sucht liebt und vielleicht nie ohne sie leben kann, denn ist es nicht Sinn der Sache immer mehr Abstand zu gewinnen, um endlich wieder ein normales Leben führen zu können? Wie will er wieder einen festen Job bewältigen, wenn er schon mit den fünf Mal in der Woche 1-Euro-Job-Verantwortung nicht klar kommt? Wie will er eine Wohnung erhalten, wenn er jetzt schon wütend ist, in dem betreuten Wohnheim, Strom- und Kabelgebühren zahlen zu müssen? Wie will er jemals mit Geld umgehen können, wenn er sich weiter Geld leiht und nicht vor hat, es zurück zu zahlen? Seine Schulden lassen ihn kalt. Dafür gibt es ja, den Schuldenberater. Als ich ihn am Vaterstag fragte, wie es ihm ginge, sagte er nur gehessig, er wäre nur der Erzeuger von seinen zwei Kindern. Verantwortung für egal was, hat er bis heute nie übernommen. Entweder wird es verdrängt, unter den Teppich gekehrt oder die Geschichte so manipuliert, dass die Verantwortung ja nicht bei ihm liegt. Ich weiß, es sollte mir egal sein und das ist es auch, doch ich wollte auch meine Frust endlich mal aus mir raus schreiben. Die Gefühle verscnwanden genauso schnell, wie sie wieder da waren und ich denke, das ist auch gut so und sollte auch so bleiben. Er ist nichts für mich und auch wenn sich das vielleicht egoistisch anhört, dann bin ich es bezogen auf ihn, endlich auch mal.

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Offline Jörn

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Re: Er ist jetzt trocken doch süchtig nach der Spielsucht
« Antwort #1 am: 30 Mai 2007, 23:23:45 »
Interessant Beitrag, wie aussieht, frage ich mich, was du dir da angelacht hattest. Ernsthaft, ich habe schon viele Erfahrungsberichte aus den SGH, aber ebenso von deren Angehörigen gehört, was bei denen so abgeht. Aber was du da hattest, das ist mir so noch nie zu Ohren gekommen.

Es ist nicht immer leicht als Co-Abhängige zu zusehen, wie jemand als Betroffener sich selber das Leben schwer macht. Prinzipien über andere stellen. Andere Maßregeln usw. Quasi das ganze volle Programm.

Du erwähntest Stolz. Das einzige worauf ich stolz bin, dass ich meine längste Zeit spielfrei bin, und heute gehe ich auch nicht spielen. Aber mehr eigentlich nicht. Dafür nehme ich mich nicht mehr so/zu wichtig, ich bin nicht besser oder schlechter, wie andere Betroffene.

Ich weiß, wie sehr es für mich als Betroffener es sein kann, wieder im Alltag zu sein, täglich mit kleinen/größeren Konfliktsituationen klarkommen. Aber das sind Baustellen, die ich selber gemacht habe bzw. Nachwehen von der Nassen Zeit, wo ich noch voll drauf war. Aber es rechtfertig nicht, dass ich Verantwortung abgebe und die Schuld dann bei andere suche.

Ich habe kürzlich hier berichtet, dass selbst in meiner spielfreien Zeit meine Partnerschaft in die Brüche gegangen war. In kurzen Sätzen zusammen gefasst, dass wir körperlich uns nicht mehr gerecht worden. Zwar sind wir heute gute Freunde, tat mir auch anfangs auch schwer, aber es geht, was ich niemals glauben konnte, dass das möglich ist.

Dein Ex muss wohl noch viel lernen, wie es aussieht, und wenn er mit dieser Masche weiter so verfährt, wird es kurz über lang wieder am Tropf hängen, wahrscheinlich.

Ich musste den untersten Weg gehen, um von meiner Sucht weg zu kommen, einfaches kapitulieren hätte nicht mehr ausgereicht. Und heute noch bin ich sehr demütig, aber ebenso voller Sehnsucht, dass ich mir zumindest moralisch wieder was besser geht, weil manche noch nicht begriffen haben, dass ich schon längst bereit bin, Konsequenzen aus mein vergangenen Tagen zu ziehen, wo es bei dein Ex schon schwieriger ist.

Sei froh, dass du ihn los bist. Wahrscheinlich ist dieser einfach nur undankbar und selbstsüchtig.     
« Letzte Änderung: 30 Mai 2007, 23:25:48 von Jörn »
"Alte Türen werden sich schließen - neue Türen werden sich auftun - ich muss nur diese neue Türen nacheinander öffnen..."

 

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