Oh. Hier ist der Rest geblieben. Mhh... eine Geschichte hat sicher jeder... nun... nachdem ich hier eine Weile schon 'rumhänge' ist es wohl wirklich an der Zeit, sich mal vorzustellen. Die Frage ist... vom Offensichtlichen mal abgesehen... wo fange ich an...?
Ich habe erst kürzlich angefangen, mich überhaupt mit meiner Vergangenheit auseinanderzusetzen. Deshalb ist das Ganze recht neu für mich, obwohl ich schon eine Weile 'abstinent' bin. Darüber zu lesen, daß es tatsächlich andere gibt, denen es genauso ging und geht wie mir, war anfangs eine sehr überwältigende Erfahrung, um es mal gelinde auszudrücken. Das Motto für mich war immer: einfach vergessen, und darauf warten, daß es eines Tages vorbei ist. Ich wollte es einfach nicht wahrhaben, und bin über 15 Jahre lang vor mir selbst weggelaufen. "Reiß dich verdammt nochmal zusammen!". So einfach ist es aber nicht, das merkt man dann leider doch hin und wieder mal. Die Abstände werden länger, aber ganz weggehen wird das nie. Es hat viel dazu beigetragen, daß ich die Person bin, die ich heute bin. Mein Verhalten anderen gegenüber, die Entscheidungen, die ich treffe... Dieser antrainierte Selbstzerstörungsmechanismus prägt einen nunmal für's Leben, wäre ja auch verwunderlich, wenn nicht...
Okay. Da ich die ursprüngliche Antwort auf Rainer's Post noch in meinen Notizen habe:
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Ich hatte es nichtmal gegoogelt (das hier schon, aber meine erste 'Landung' an einem Ort dieser Art nicht). Wie gesagt... meine Herangehensweise war immer, das Ganze zu verdrängen und irgendwie auszusitzen. Aus den Augen, aus dem Sinn. Paßt schon irgendwie.
Ich war in einem anderen Forum unterwegs, da ging es mehr um so Sachen wie "Was eß ich zum Mittag?" oder "Ich brauch ein neues Fahrrad, wer hätte eine gute Empfehlung?". Eines Tages, ich war auf der Arbeit, schrieb jemand ein neues Thema über seine neue 'Einkommensstrategie'... er war wirklich euphorisch. Ich dachte nur 'Verdammte Scheiße, das ist nicht dein Ernst!'. Ich hab hin und her überlegt, ob ich was sage... ich hätte mich damit wohl geoutet, und außerdem bin ich ja ich, und nicht er. Wird ja wohl kein anderer so bescheuert sein...
Mein Telefon klingelte, ich ging ran, dann stellte sich heraus, ich mußte gar nicht antworten. Inzwischen hatten etwa 10 Leute ihm gesagt, wie abgrundtief dämlich dieser Gedanke war. Der erste Beitrag war ein Link zu einer Seite mit dem Kommentar "Benutz die Suchfunktion und überdenk deinen Plan." Hab draufgeklickt, aber erstmal dort weitergelesen und dann erst zu Hause gesehen, was es war. Zum Glück war ich zu diesem Zeitpunkt allein. Das erste, was ich las, war das Tagebuch von jemandem, der seit 10 Jahren dort postete. 6.000 Beiträge. Ich hab zwei Wochen zum Lesen gebraucht. Das tat wirklich weh. Hätte nie gedacht, daß die Geschichte eines Fremden einen so mitnehmen kann, aber ich wußte, mit der Einstellung schafft er es nicht. Er war mal zwei Jahre spielfrei, dann mal ein paar Monate hier und da, aber letztlich... ich kenne das Gefühl nur zu gut... nicht zu wissen, warum und wofür...
Hello darkness, my old friend...Er hat darüber gesprochen, die Leute haben ihn verstanden. Das erste Mal in meinem Leben, daß ich eine Geschichte wie meine las. Ein weiterer Mensch hinter einer Statistik. Ein verkorkstes Leben, und doch geht man immer wieder dorthin zurück, der Komfort des Bekannten Übels...
Das meinte ich mit 'Du bist nicht allein'. Leute, die offen darüber reden, wie beschissen es ihnen dabei geht, und daß sie ein Problem haben, mit dem sie manchmal nicht fertig werden. Natürlich wußte ich, daß andere ein Problem hatten. Andere... aber natürlich nicht ich. Außerdem war es ja nicht so, daß man sich groß unterhalten hätte "He... ich glaub, ich bin krank." Klar kam mal einer nicht wieder. Hab aber nie gefragt. War wie gesagt nie so der große Redner. Laßt mich bloß in Ruhe, ich bin eigentlich gar nicht da...
Kann jetzt auch nicht behaupten, die großen Bekanntschaften geschlossen zu haben. Die Gesichter würd ich wohl wiedererkennen, einige Namen auch, aber sonst...
Ich würde jedenfalls keinen auf der Straße ansprechen...
Würde ich dir sagen, wie lange der in meinem anderen Beitrag erwähnte Tag her ist, würdest du mich auslachen, und letztlich macht es auch keinen Unterschied. Im Endeffekt geht es nur darum, eine unsägliche Dummheit um jeden Preis zu vermeiden. Die Tage, die hinter mir liegen, sind irrelevant, ich habe sie nie gezählt (das Datum ließ sich aber anhand eines alten Untermietvertrages, den ich noch habe, und des integrierten Windows-Kalenders leicht rekonstruieren, als ich drüber nachgedacht habe). Wichtig ist das hier und jetzt. Und das wird auch immer so bleiben.
Ich habe seit dem Tag vor ein paar Monaten, an dem ich dort landete, mehr gelernt über mich und diese Krankheit als in den 16 Jahren zuvor. Für mich war es sogar neu, daß es tatsächlich ein Wort gibt für dieses verhaßte Gefühl, das jegliche Vernunft postwendend außer Kraft setzt. Auf mich selbst einwirken zu lassen, daß ich suchtkrank bin, und besonders, daß sich das auch niemals ändern wird, war wohl mit am schwersten. Eigentlich wußte ich das tief in mir drin natürlich, aber ich hab es immer vorgezogen, nicht darüber nachzudenken.
Das wird schon irgendwann...
Mein erster je geschriebener Beitrag war, wie gesagt, nur eine sachliche Antwort auf eine Frage. Die Erstellerin klang verzweifelt, und kein anderer war da. Ich habe meine eigene Geschichte nie irgendwo aufgeschrieben. Ich komme mir immernoch so unglaublich dämlich vor...
Ja. Für mich war es auch immer etwas, was einfach da war. Ein ständiger Begleiter. Andere spielen halt Golf oder sammeln Briefmarken...
Überleben, ja, mehr war es nicht. Ich habe mich immer weiter in die Scheiße reingeritten, aber es trotzdem geschafft, stets weiterzumachen. Die Grenzen waren fließend, und ich habe sie regelmäßig herabgesetzt, den Umständen angepaßt. Ohne war keine Option, das konnte ich mir nicht vorstellen, der Gedanke war mir viel zu abwegig, außerdem schaffe ich das eh nicht. Blieb nur weitermachen. Mit allen Mitteln. Alles andere war zweitrangig.
Genau das meine ich. Erst kam die Nie-Wieder-Euphorie, dann eine wirklich schwere Phase, wo ich am liebsten die Wände hochgekrochen wäre, weil mein Hirn mir ständig penetrant weismachen wollte, daß ich für's Nicht-Spielen einfach nicht geschaffen bin, und dann das schlimmste, die große Leere. Und jetzt? Macht man das so? Ich geh mal nen Kaffee trinken... oder auch zwei... war's das?
Erinnerungen? Ich bilde mir natürlich ein, welche zu haben, aber Fakt ist... für etlich Jahre meines Lebens habe ich keine. Man sitzt irgendwo an einem Tisch mit Leuten "Wißt ihr noch damals...?" und ich denke nur "Nein, das wollt ihr nicht wissen."
Ganz zu schweigen von all dem Leid, was ich anderen zugefügt habe... Ich habe nämlich immernoch diese Stimme im Kopf, die mir sagt "He... das ist lange her... solange du keine Dummheiten machst, hast du dir deinen inneren Frieden verdient. Um reinen Tisch zu machen müßtest du alte Wunden aufreißen, wäre es das wirklich wert? Verstehen würde es eh keiner. Gäbe nur leichtes Schulterzucken."
Geld ist das kleinste Problem. Das war mir recht schnell klar. Als ich letztlich schuldenfrei war, empfand ich das sogar als hinderlich. Immerhin war es immer eine deutliche Mahnung, sich die Konsequenzen ins Bewußtsein zu rufen. Das fiel dann weg. Alles Roger. Mhh... könnteste ja mal wieder... nein!
Ich habe auch immer alles in mich reingefressen. Probleme hatten andere. Ich denke aber heute... es gab da eine Zeit... wenn ich da gewußt hätte, daß man mir helfen kann, hätte ich es angenommen.
Konjunktiv.
Sag ich ja... ich war ein naiver Idiot.
Ist aber heute noch so. Um Hilfe zu bitten fällt mir schwer, auch bei alltäglichen Sachen. Lösungen finden ist jetzt leichter, mein Horizont hat sich da etwas erweitert...

natürlich nur sofern ich es irgendwie selbst erledigen kann.
Damals waren die Probleme hausgemacht, ja. Ich wäre fast daran zerbrochen (Oh Gott, ich armes Tütü, hat jemand nen Keks?). Aber im Endeffekt waren sie alle lösbar, es war so einfach, und doch hab ich's so lange nicht gesehen...
Meine Lebensgeschichte ist unspektakulär. Ich war einfach nur jahrelang auf Selbstzerstörungskurs. Davon abgesehen... keine Ahnung. Bin halt nicht die hellste Kerze auf der Torte.

Mir geht's ganz gut heute. Letztlich isses nur der nagende Zweifel, ob ich nicht vorher mit der Ignoranz vielleicht besser gefahren bin. War ganz okay da mit dem Kopf im Sand. Hat mir vieles erspart. Das ständig wiederkehrende Gefühl, eines Tages einmal die Oberhand zu verlieren war jetzt nicht so toll, aber sonst... ist ja immer gutgegangen.
Lernen... das bezog sich darauf, sich halt eben nicht so zu verhalten, wie man es jahrelang 'antrainiert' hat. Sowas wie Konflikten aus dem Weg zu gehen, Leute zu meiden, nicht über Dinge zu reden, einigen Situationen unsicher gegenüberzustehen. Ich habe mich aber damit abgefunden, daß es nicht geht. Ich fühle mich auch wohler, wie es ist, wenn ich ehrlich bin. Manchmal mag ich meine kleine Welt halt eben doch.

So... noch jemand wach?
Hätte vorher Kaffee ausschenken sollen...
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Also, was ich eigentlich sagen wollte: Hallo zusammen. Danke, daß ihr da seid. Ihr und andere habt mir in dieser kurzen Zeit mehr geholfen, als ihr euch vorstellen könnt. Danke für die Offenheit und dafür, daß ihr jeden Tag auf's Neue zeigt, daß es absolut in Ordnung ist, mit einem solchen Kapitel zu leben und damit umzugehen.
Und nein... ich bin (erstaunlicherweise) absolut nicht betrunken. -.-