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So funktioniert Lobbyismus

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Offline Ilona

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So funktioniert Lobbyismus
« am: 09 März 2009, 17:13:13 »
Lobbyisten: Strippenzieher an der Spree
Nie war es für Unternehmen wichtiger, die Politik auf ihre Seite zu ziehen - gerade in Zeiten der Krise haben Lobbyisten Hochkonjunktur. Nachteilige neue Verordnungen und Gesetze können ganze Branchen in Existenznot bringen. Ein Lobbyist erzählt, wie sich Unternehmen wehren.

BERLIN. Was darf?s denn sein? Suchen Sie nur den direkten Kontakt zu einem entscheidenden Politiker? Geht?s um die etwas wohlwollendere Formulierung eines Absatzes in einer steuerrechtlichen Verordnung? Um ein Gutachten, mit dem das umstrittene Wirken Ihrer Branche plötzlich in hellsten Farben erstrahlt? Allein in Berlin gibt es mindestens 5 000 Menschen, die Ihnen bei der Erfüllung all dieser Wünsche gern behilflich sind.

Gerade in Zeiten der Krise haben Lobbyisten Hochkonjunktur. Denn nie war es für Unternehmen wichtiger, die Politik auf ihre Seite zu ziehen - Opel und Schaeffler lassen grüßen. Nachteilige politische Weichenstellungen können Betriebe oder auch ganze Branchen direkt in die wirtschaftliche Katastrophe lenken. "Es fehlt das Polster. Falsche Entscheidungen der Politik, die ein Unternehmen sonst ohne weiteres wegstecken kann, können fatale Folgen haben", sagt ein Lobbyist, der sich über gute Geschäfte freut, aber seinen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen möchte.

Anders Andreas Geiger. Der Rechtsanwalt und Managing Partner der Kanzlei Alber & Geiger, steht zu seinem Metier. Der Lobbyist pendelt zwischen Brüssel und Berlin, zwischen EU-Kommission, Politik, Ministerien und Unternehmen. "Die Deutschen lernen langsam, dass Lobbyismus nichts mit Mauschelei und Intransparenz zu tun haben muss. Im Gegenteil. Unsere Tätigkeit hat zum Ziel, Gesetzgebungsprozesse und Verwaltungsverfahren zu verbessern, sie durchschaubarer zu gestalten", ist Geiger überzeugt.

Der Anwalt sitzt in seinem Berliner Büro direkt am Checkpoint Charlie in unmittelbarer Nachbarschaft zu vielen Kanzleien und Agenturen, die sich auf die Lobbyarbeit spezialisiert haben. Sie springen in eine Bresche, die Verbände auf vielen Politikfeldern haben entstehen lassen. Geiger: "Das Problem des Gesetzgebers in Deutschland ist, dass er oftmals nicht den ausreichenden Input von Fachleuten und Praktikern bekommt." Institutionalisiert sei der Input im Gesetzgebungsverfahren nur über die Verbändeanhörung. Doch die reiche nicht mehr aus.

Wie Lobbying in der Praxis abläuft, erzählt Geiger an diesem Fall: Der Deutsche Lottoverband wehrt sich gegen den Glücksspielstaatsvertrag, der es Privatunternehmen verbietet, via Internet die Teilnahme am staatlichen Lottospiel zu vermitteln. Vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) sind gleich mehrere Verfahren gegen dieses Verbot anhängig, das es so auch in anderen EU-Staaten gibt. Parallel laufen Klagen gegen den Vertrag vor einem deutschen Verwaltungsgericht, und EU-Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy leitet ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland und andere Staaten ein.

Das Problem in diesem Fall: Die Verfahren hängen. Entscheidungen können Jahre dauern. "So lange können die Lottovermittler nicht warten", sagt Geiger. An dieser Stelle kommen Lobbyisten ins Spiel wie Alber & Geiger. Sie unterhalten sich zunächst auf Arbeitsebene mit der Kommission, schließlich auch mit McCreevy selbst.

Der Kommissar müsste für eine rasche Entscheidung all seine Amtskollegen auf seine Seite ziehen. Doch nicht alle Kommissare wollen in dieser Frage klar Stellung beziehen, haben die jeweiligen Interessen ihrer Länder im Hinterkopf. Schließlich bitten die Lobbyisten die Politik um Hilfe. Ein Europaparlamentarier stellt eine parlamentarische Anfrage an McCreevy - will wissen, warum die Vertragsverletzungsverfahren nicht vorangehen.

Jetzt bekommt McCreevy die Bühne, die er braucht. Er räumt auf mit der offiziellen Sichtweise der deutschen Behörden, die Tätigkeit der Vermittler sei als verbotenes Glücksspiel anzusehen. McCreevy macht unmissverständlich klar, dass er die Position der Deutschen für europarechtswidrig hält. Angesichts dieser eindeutigen Positionierung des EU-Kommissars dürfte sich hierzulande jeder Staatsanwalt dreimal überlegen, ob er gegen die privaten Lottovermittler strafrechtlich vorgehen will. Geiger: "Das hilft unseren Mandanten enorm."

Der Fall ist ganz typisch. Lobbyisten heben Verfahren, die auf der Arbeitsebene hängen, auf die politische Ebene. "Das ist völlig legitim und hilft, Klarheit für alle Beteiligten zu schaffen", betont Geiger. Ob Anti-Dumping-Verfahren oder Telekomderegulierung - Lobbyisten müssen oft als Übersetzer zwischen Politik und Verwaltung einspringen. Was früher ein Branchenverband allein erledigte, geschieht häufig mit Unterstützung einer auf die Lobbyarbeit spezialisierten Agentur oder Kanzlei. Immer gezielter erfolgt der Einsatz solcher "hired guns". Geiger: "Wir machen den Entscheidern deutlich, welche fatalen Konsequenzen eine einzelne Verwaltungsentscheidung für ein Unternehmen oder eine Branche haben kann." Lobbyisten weisen unverblümt darauf hin, welche Schadensersatzforderungen von Firmen auf die Politik zukommen, sollten Neuregelungen durch Gerichte wieder gekippt werden.

Einen anschaulichen Überblick über die Mittler zwischen Politik und Wirtschaft gibt der "Lobby-Planet Berlin - Der Reiseführer durch den Lobbydschungel", den die Organisation Lobby-Control kürzlich herausgegeben hat. Die Karte zeigt, dass Lobbyisten in Berlin-Mitte ganze Straßenzüge bevölkern. Im Internationalen Handelszentrum etwa findet sich Wilmer Hale. Die Kanzlei hat sich auf Beratung an der Schnittstelle von Recht, Wirtschaft und Politik spezialisiert. Sie beschäftigt über 1 000 Anwälte weltweit. In direkter Nähe hat sich die Agentur Fischer Appelt niedergelassen, zu deren Spezialitäten ebenfalls das Lobbying zählt. Auch auf der Friedrichstraße sind Kommunikationsberatungen wie Hill & Knowlton oder Burson-Marsteller zu finden.

Lobby-Control will mit dem Reiseführer das Bewusstsein für die Schattenseiten der Lobbyarbeit wecken: "Unethische Lobbypraktiken, privilegierte Zugänge und Machtungleichgewichte gefährden unsere Demokratie", heißt es im Vorwort. Lobby-Control bemängelt den wachsenden Einfluss der Lobbyisten und wirft der gesamten Branche mangelnde Transparenz vor.

Tatsächlich gibt es keine gesetzlichen Regeln für die Arbeit der Lobbyisten, selbst ein verpflichtendes Register - in Ländern wie den USA längst üblich - sucht man hierzulande vergebens. Völlig unklar ist in den meisten Fällen auch, welcher Berater von welchem Unternehmen oder Verband für welche Arbeit wie bezahlt wird. Längst haben große Teile der Branche erkannt, dass es so nicht weitergeht. Die Forderung nach größerer Transparenz findet immer mehr Anhänger.

Auch Lobbyist Geiger bemüht sich, das Image seiner Branche zu verbessern. "In Deutschland herrscht in den Köpfen einiger noch immer das Bild von der Hinterzimmer-Kungelei vor. Doch darum geht es beim Lobbyismus, wie wir ihn verstehen, überhaupt nicht. Im Gegenteil: Ich bin für größtmögliche Transparenz. Jeder soll wissen, für wen wir handeln."

Hinzu kommt: Lobbyisten für Firmen oder Verbände bekommen immer mehr Gegenwind von Umwelt- und Verbraucherschützern. Diese haben ihre Arbeit in höchstem Maße professionalisiert und stoßen in der Politik auf offene Ohren. "Da müssen die Wirtschaftslobbyisten kräftig dagegen halten, wenn sie wahrgenommen werden wollen", sagt ein Branchenvertreter.

http://www.absatzwirtschaft.de/Content/Communication/Handelsblatt-News/default.aspx?_p=1003932&_t=fthb&hid=2229128
Handelsblatt News 8.3.09
Juristische Beratung: Kanzlei Kraft, Geil und Kollegen / Bielefeld http://www.kguk.de/
Ansprechpartnerinn: Dr. Iris Ober und Juliane Brauckmann  (Fachanwältinnen für Bankenrecht)  Terminanfragen: 0521-529930
Weitere Infos  hier: https://www.forum-gluecksspielsucht.de/forum/index.php?topic=3737.0

 

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