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Meine Glücksspielhistorie

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Meine Glücksspielhistorie
« am: 04 November 2023, 19:40:14 »
Hallo zusammen, dies ist mein erster Beitrag und ich schreibe in vollstem Leid und Enttäuschung über mich selbst

Zu meiner Person: ich bin 19j männlich und betreibe Sportwetten seit ich 14 bin. Damals noch über einen Account vom Kollegen eines Schulkameraden und mit geringen Beträge aber mit dem 18. Geburtstag wurde alles sehr schlimm.

Zuerst ging ich mit einem Kollegen ins Casino und gewann 13.500€ am Automaten durch einen 75c Spin und eingezahlten 20€ - eine riesige Summe für einen 18 Jährigen Sparfuchs mit damals weniger als 3000€ auf dem Konto.

Jetzt stehe ich da. Heute mehr als 1000€ verspielt, das Geld für den Führerschein und seit ich 18 bin mehr als 20.000€ weg. Einfach so- meine Beziehung vor dem Aus und zum 4. des Monats kein Geld mehr- ich weiss nicht was ich tun soll. Und Schulden durch meine Handyrechnung von 700€ habe ich ganz vergessen anzüführen.

Langsam verliere ich die Kontrolle über alles und denke bereits seit Monaten nur noch ans Wetten, kaum ist Geld auf dem Konto wirds ‚investiert‘

Meine Freundin weiß wegen meiner Sucht bescheid aber nicht dass ich seit geraumer Zeit wieder exzessiv wette aber macht Anspielungen darauf dass sie denkt, mein erarbeitetes Geld sei eh bald wieder weg wenn ich es nicht meinen Eltern geben würde (mit dem heutigen Tag ist es bereits weg)

Ich habe mich entschlossen, eine Therapie zu machen, bin mir aber noch unsicher ob deren Wirkung. Dennoch werde ich am Montag nach wochenlangem Herauszögern hoffentlich dort anrufen.

Ich wollte mal meine Geschichte in Worte fassen um eventuell andere Meinungen zu hören.

Re: Meine Glücksspielhistorie
« Antwort #1 am: 05 November 2023, 00:10:28 »
Hallo

Das was du schreibst ist das kranke sucht verhalten ganz normal wenn man einmal drinnen ist in der Materie.
Aber eins kann ich dir sagen und das musst du mir auch glauben ich spreche aus einer langjährigen Erfahrung als spielsüchtiger, du musst im Kopf klar werden und es wollen spielfrei zu sein sonst bringt die ganze Hilfe nichts was du in Anspruch nimmst. Du selber musst es von dir aus wollen du selber bist die erste Hilfe was es gibt dann kommt erst der Rest der dir helfen kann.
Lass keine Zeit mehr vergehen und fang an damit tue es für ein besseres leben das vor dir steht. Viel Glück und alles gute

*

Offline Olli

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Re: Meine Glücksspielhistorie
« Antwort #2 am: 05 November 2023, 07:36:31 »
Hi Chain!

Herzlich willkommen!

Na, das hört sich doch mal nach einem Plan für Montag an! :) Mache es auch. Du wirst nicht gefressen werden!
Der Schritt heraus aus dem "mit sich alleine ausmachen" ist ungemein schwer - warum wohl? Weil er wichtig ist! Das weisst Du auch selbst. Wir brauchen Input von außen.
Schaue mal, wie sehr Du Dich als Opfer Deiner Sucht siehst. Das bist Du aber gar nicht. Es ist nur das, was Du glaubst. Tatsächlich liegt es in Deiner Hand Deine Sucht zu stoppen, wie Sepp schon ausführte, und alle Anderen in der Suchthilfe sind die Werkzeuge, denen Du Dich bedienen darfst.

In diesem Stadium der Sucht bist Du noch hin und her gerissen. Soll ich das wirklich machen? Ist vielleicht doch noch alles gar nicht so schlimm? Was werden die da in der Beratung von mir denken? Muss ich mich da etwa nackig machen?

Nun, die Frage ist doch: Wer bist Du? Und wer möchtest Du eigentlich sein? Was hat die Sucht seit Deinen Kindheitstagen mit Dir gemacht? Entspricht das Deinem Wertegefüge?

Als Beispiel bringst Du selbst Deine Freundin an, die gar nicht das ganze Ausmaß Deiner Sucht weiß. Ja wieso nicht? Weil Du es verschweigst - weil Du nicht darüber redest - weil Du sie belügst! Wenn Dir das nicht gewaltig gegen den Strich gehen würde, hättest Du es hier nicht angebracht.
Wenn wir lügen, dann müssen wir an das glauben, was wir da von uns geben, damit es auch glaubwürdig ankommt. Damit belügen wir uns aber auch selbst - und merken es irgendwann selbst gar nicht mehr. Um also ein aufrechter Kerl zu sein, musst Du absolut aufrichtig Dir selbst gegenüber sein und auch Deinen Liebsten gegenüber. Das lässt sich durch Übung erreichen.

Nach Unterstützung zu bitten, ist eine Kompetenz! Nutze sie ruhig!

Schade, dass Du gestern nicht ins Meeting gekommen bist. Das kannst Du gerne nächste Woche Samstag machen.

Für heute füllst Du erst einmal den OASIS-Sperrantrag aus - befristet auf 99 Jahre - und schickst ihn ab. Was hälst Du davon? Du setzt Dir selbst ein Zeichen, dass Du das nun durchziehst ...
https://rp-darmstadt.hessen.de/sites/rp-darmstadt.hessen.de/files/2022-03/musterantrag_auf_selbstsperre.pdf

Infos darüber findest Du hier:
https://rp-darmstadt.hessen.de/sicherheit-und-kommunales/gluecksspiel/spielersperrsystem-oasis/spieler-faqs

 
Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
Hier geht es zum Samstagsmeeting_ https://us02web.zoom.us/j/87305340826?pwd=UnFyMlB6bkwyTHU3NGVISWFGNSs2

Re: Meine Glücksspielhistorie
« Antwort #3 am: 08 November 2023, 12:56:20 »
Tatsächlich habe ich am Montag beim Therapeuten angerufen und habe einen Termin nächsten Montag aber bin sehr skeptisch, da dieser eher auf Themen wie Burnout und Entscheidungsfindung spezialisiert ist. Jedoch gib ich dem ganzen Mal eine Chance und möchte mir wirklich helfen lassen.

Auch durch die stärkenden Worte in diesem Forum habe ich das Gespräch zu meiner Freundin gesucht und werde auch noch mit meinen Eltern reden

Welche Schritte haben euch so auf dem Weg weg von der Spielsucht geholfen? Z.b. ein Counter wie lange man schon spielfrei ist oder ähnliches- würde mich interessieren
Grüße Chain

*

Offline Ilona

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    • Fachverband Glücksspielsucht e.V.
Re: Meine Glücksspielhistorie
« Antwort #4 am: 08 November 2023, 13:06:58 »
Das ist doch schon mal ein guter Schritt, der Abstand zur Zockerei schafft.
Kurze Nachfrage: Hast du bewusst einen niedergelassenen Psychotherapeuten gesucht? Erster Ansprechpartner wäre eigentlich eine Beratungsstelle:
https://www.gluecksspielsucht.de/adr/index.php

LG Ilona
Juristische Beratung: Kanzlei Kraft, Geil und Kollegen / Bielefeld http://www.kguk.de/
Ansprechpartnerinn: Dr. Iris Ober und Juliane Brauckmann  (Fachanwältinnen für Bankenrecht)  Terminanfragen: 0521-529930
Weitere Infos  hier: https://www.forum-gluecksspielsucht.de/forum/index.php?topic=3737.0

Re: Meine Glücksspielhistorie
« Antwort #5 am: 08 November 2023, 18:36:28 »
Hallo Chain43,
jeder von uns ist anders bzw helfen ihm unterschiedliche Vorgehensweisen. Olli und Ilona haben die meiste Erfahrung und besten Vorschläge. Trotzdem sucht sich daneben jeder noch selbst Wege der Auf- und Verarbeitung.

Sperren sind ganz wichtig jedoch gibt's noch so viele illegale Casinos dass es immer Möglichkeiten gibt diese zu umgehen.
Mir persönlich hat es vor etwas mehr als einem Jahr sehr geholfen als ich über Artikel erfahren habe dass eben nicht wie von den Casinos vorgegaukelt eine vorhandene Lizenz nicht eine in D gültige sein muss. Von diesem Zeitpunkt an habe ich mich immer mehr damit beschäftigt.
Illegal war in keinster Weise je mein Ding. Das war mit Sperren mein erster großer Block.
Zeitgleich habe ich hier das Forum gefunden und mich die Monate darauf sprichwörtlich zu Tode gelesen. Ich habe so viel Elend von anderen aufgesaugt was mich auch immer wieder an meine eigene Karriere erinnert hat. Auch die Rubrik der Angehörigen war dabei und das hat mich sehr berührt. Das merkt man in seiner eigenen Spirale gar nicht wie man andere damit belastet.
Ich habe auch gegenübergestellt was mir das spielen bringt und was ich vernachlässigt habe.
Das ist anfangs gar nicht so real aufzufassen, aber Monate später wenn der Irrsinn nachlässt, natürlich immer wieder mit kleinen schlechten Gedanken an Zocken, merkt man bewusst was es für schönes im Leben gibt das ausgeblendet würde. Und Geld ist hier nicht das hauptsächliche glaube mir.
Gezählt habe ich anfangs nicht, erst nach ca 6 Monaten. Dafür nutze ich das Tagebuch wenn auch nicht so viel wie andere. Ich teile mich mit meinen kleinen Erfahrungen dafür gerne bei anderen mit.

ABER über allem steht der unbedingte Wille aufhören zu wollen. Und dieser muss von dir ausgehen.

Du packst das!

LG Roy
Ich bin kein Anwalt sondern gebe nur meine eigene Meinung wieder

*

Offline Olli

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Re: Meine Glücksspielhistorie
« Antwort #6 am: 08 November 2023, 19:45:10 »
Hi Chain!

Na. das waren doch schon mal mutige Schritte. Groß, weil sie wichtig waren und bestimmt viel Überwindung gekostet habe. Aber dann auch wieder so "klein", weil sie machbar waren, nicht wahr? Es werden noch viele kleine Schritte folgen, die Dich aber Großes bei Dir bewirken lassen.

Genug des Lobes ... ;)

Ich habe noch gar nicht rein gesehen ... https://www.verspiel-nicht-dein-leben.de/playoff
Sollte kein Counter enthalten sein, lade Dir die "Rauschfrei"-App runter. Da ist einer drin ... :)
Hier findest Du eine Notfallkarte: https://www.gluecksspielsucht.de/materialbestellung/media/pages/material/notfallkarte-spielsucht/a16d7f7c9a-1666605789/fags-notfallkarten.pdf
Drucke Dir einen Kalender aus und hefte ihn an Deinen Kühlschrank. Für jeden spielfreien Tag malst Du das entsprechende Feld mit einem Textmarker grün aus. Für den Rest darst Du Dir eine Farbe aussuchen ... Nimm einen Stift, der schon fast leer ist, Du wirst ihn vielleicht gar nicht benötigen ... :)
Hier geht es zum Samstags-Webmeeting: https://www.forum-gluecksspielsucht.de/forum/index.php/topic,4941.0.html
Lade Dir auch ein Haushaltsbuch herunter, konfiguriere es und trage täglich Deine Einnahmen und Ausgaben ein.
Lade Dir zudem eine Schutzsoftware auf alle internetfähigen Medien herunter.
Kündige Dein Onlinebanking und Kreditkarten. Das kannst Du Dir in ein oder zwei Jahren wieder einrichten ... sofern Du es überhaupt benötigst ...

Wichtigstes Werkzeug: Fragen stellen!
Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
Hier geht es zum Samstagsmeeting_ https://us02web.zoom.us/j/87305340826?pwd=UnFyMlB6bkwyTHU3NGVISWFGNSs2

Re: Meine Glücksspielhistorie
« Antwort #7 am: 08 November 2023, 22:48:21 »
Vielen Lieben Dank für eure umfangreichen und hilfsbereiten Antworten

@Ilona tatsächlich gibt es Beratungsstellen in der Nähe aber ich Wohne in Österreich und hierzulande gibt es eine Initiative, welche 15 Therapeutische Stunden finanziert und das wollte ich in Anspruch nehmen. Sollte dies nicht wirken, werde ich mich an eine Beratungsstelle wenden.

Auch die Rubrik der Angehörigen werde ich mir gleich im Anschluss mal ansehen, möchte gar nicht wissen was für ein Leid ich den Menschen in meinem Umfeld bringe..

Auch mit meinen Eltern habe ich gesprochen und meine Mutter hat mir die Schulden an diese über die Handyrechnung von 700€ verzeiht und gemeint, ich könne es ihr zurückzahlen, wenn es mir besser ginge und ich mein Leben besser im Griff hätte

Hätte nicht gedacht, dass ich in meiner Familie und Freundin so einen Rückhalt habe und bin nun erfreut darüber was die Zukunft bringt

Danke an euch alle für die netten Worte und Tipps- das bedeutet mir sehr viel :))

 

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