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Was soll ich machen?

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Was soll ich machen?
« am: 28 Dezember 2023, 22:14:25 »
Hallo,
ich hätte nie gedacht, dass ich hier schreiben werde.
Heute ist mir der Boden unter den Füßen weggezogen worden. Mein Mann mit dem ich 2 Kinder habe und seit 20 Jahren zusammen bin, hatte immer mal wieder gespielt. Es ging nie um große Summen. Meistens online und dabei war ich nie. Ich habe ihn mal gefragt, ob er Spielsüchtig ist. Natürlich verneinte er alles. Da sein Konto immer ok war und ich ihn nie spielen sah glaubte ich alles.
Bis heute! Heute weiß ich nun zu 100% dass er Spielsüchtig ist. Er hat es heute zum ersten Mal gesagt. Ganze 60000 Euro Schulden! Von denen ich nichts! gemerkt habe.
Ich bin wirklich überfordert. Ich bin wütend! Ich muss ehrlich gestehen, dass ich momentan kein Verständnis für ihn habe, da die Wut so groß ist. Er hat ein stabiles Umfeld wir lieben uns und seine Kinder sind sein ein und alles! Warum hat er mir vorher nichts gesagt? Wie sollen wir die Schulden begleichen? Ich bin echt fertig! 

 Er möchte uns nicht verlieren und wäre zu einer Therapie bereit. Mein erster Gedanke war, er soll hier raus ich will ihn nicht mehr. Ich möchte erst mal eine räumliche Trennung aber wie soll ich das den Kindern erklären?
Dann wiederum weiß ich, dass er krank ist. Sollte ich nicht an seiner Seite stehen?

Mir geht momentan alles durch den Kopf!

Viele Grüße und danke fürs „zuhören“


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Offline Mk83x

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Re: Was soll ich machen?
« Antwort #1 am: 29 Dezember 2023, 04:23:31 »
Hallo Jusy80,

Willkommen in dem Forum! Ich kenne selber das Problem und habe selbst um die 80.000€ Schulden durchs Zocken. Es ist einfach ne Krankheit, ne Sucht wo man eben alleine raus muss. Bei mir hat das aufgehört, indem ich einige Klagen gegen Online Casinos eingereicht habe und ich wusste, ich darf ab jetzt nicht mehr spielen, sonst wird es alles nur noch schlimmer.

Wenn du es noch schlimmer haben willst, dann trenn dich mit den Kindern aber ich finde, du solltest ihm beistehen und gemeinsam ne Lösung finden (Umschulden = kleinere Rate) damit es euch nicht zu sehr belastet. Er muss dir halt eben alles offen legen. Er soll dir sein Konto übergeben damit du eben die Kontrolle hast und ihm immer nur das Notwendigste gibst, was mancher Mann natürlich auch nicht toll findet.

Das erste was du mit ihm klären solltest, hat er nur bei einer Bank nen Kredit mit einer Rate oder verschiedene Kredite genommen? Ich würde dir Raten erstmal friedlich die Sache angehen. Ich kann deinen Frust verstehen, es ist nicht leicht in der heutigen Zeit wo alles teurer wird noch extra Spielschulden zu haben, aber leider ist das nun mal so gekommen.

Grüße


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Offline Olli

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Re: Was soll ich machen?
« Antwort #2 am: 29 Dezember 2023, 08:57:12 »
Hi Jusy!

Herzlich willkommen!

Nun, es hat nichts mit Dir zu tun, dass er Dich angelogen hat - und das über wohl längere Zeit. Du hättest nichts machen können, was ihn "eher" dazu verleitet hätte, sich Dir zu öffnen.
Wir Spieler sind stinknormale Menschen. Als Solche wissen wir, was den Regeln und Normen entspricht. Eher intuitiv für die Meisten wissen wir auch sehr wohl, wenn wir gegen Werte einer sozialen Gruppe - hier in Eurer Beziehung - versoßen.
Damit das nicht zur Regel wird, hat die Natur die Scham erfunden. Sie ist eine mächtige Emotion und soll die Verstöße verhindern. Bei einer Sucht jedoch ist sie oft kontraproduktiv. Da wird sie genutzt, sich selbst zu schützen.
Dein Mann hat also sich und seine Sucht geschützt, indem er Dich belogen hat.
Das alles wird aber nicht mit einem Paukenschlag geschehen sein. Alles wird ganz harmlos angefangen haben. Glücksspiel ist ja nun mal so konzipiert, dass es Spaß machen und den Spieler dadurch binden soll. Es spricht die Emotionen an ... ausgesuchte Emotionen aus der Gefühlspalette, die aber verstärkt wahrgenommen werden. Zumal sind es Glück, Wut oder sogar Hass. Es ist einer Sucht egal, ob die Gefühle positiv oder negativ sind.
Nach einer Gewöhnungsphase kommt die Problemphase. Sie schleicht sich ein. Hier werden sowohl die aufgewendeten Zeiten erhöht, als auch der Einsatz. Die geschilderten Gefühle werden durch das körpereigene Belohnungssystem über situationsbedingt ausgestoßene Endorphine, u.a. Dopamin, erlebt. Der Körper gewöhnt sich aber an die höheren Dosen und so wird die Suchtausübung gesteigert.
Zeit und auch Geld sind aber endlich. Bei der Zeit hat Dein Mann es wohl so gehalten, dass er sie auf Zeiten außerhalb des Familienlebens verlagert und dort eingedämmt hat. Beim Geld hat er dies nicht mehr geschafft. Es wird mit einer Kontoüberziehung angefangen haben. Da dort die Zinsen viel zu hoch sind, wird er den ersten kleinen Kredit aufgenommen haben. Über die Zeit wurde der Überziehungsrahmen wieder ausgenutzt ... und am Ende des Tages sind 60.000 € an Krediten aufgelaufen.
Wenn Du nun denkst ... er hätte aber doch jederzeit mit Dir reden und dem Ganzen ein Ende setzen können, dann hast Du Recht. Aber ... wie hätte er Dir das alles erklären sollen? Er weiss doch selbst nicht, wieso er handelt wie er handelt.
Zu der Scham gesellte sich mit der Zeit auch Schuld. Denn Dein Mann ist nicht dumm ... er weiss selbst, dass die Tilgungsrate der Familienkasse fehlt.
Obwohl die Auswirkungen der Sucht sich sehr wohl nun auf die Familie auswirken, so haben aber die Ursachen nichts mit ihr zu tun. Die liegen einzig und alleine bei ihm.

Zitat
Er möchte uns nicht verlieren und wäre zu einer Therapie bereit.

Das ist die richtige Motivation, aber mit dem falschen Motiv ... :) Er sollte das Hilfesystem für sich selbst in Anspruch nehmen. Der Rest ergibt sich dann von selbst ... wenn es ihm wieder gut geht, wird es auch Euch gut gehen.
Nächste Woche Samstag ist wieder Webmeeting. Oben links steht ein Link zu einem Thread, in dem alles erklärt ist, was Du wissen solltest. Du bist herzlich eingeladen, daran teilzunehmen, gerne auch mit Ehemann.

Zitat
Mein erster Gedanke war, er soll hier raus ich will ihn nicht mehr. Ich möchte erst mal eine räumliche Trennung aber wie soll ich das den Kindern erklären?
Dann wiederum weiß ich, dass er krank ist. Sollte ich nicht an seiner Seite stehen?

Natürlich kannst Du Dich trennen, wenn Du möchtest. Im Moment erscheint mir aber Deine Verletzung das Hauptmotiv zu sein und nicht fehlende Liebe. Mit meiner Schilderung da oben möchte ich Dir helfen, einmal einen Schritt zurück zu treten und Dir ein "besseres Bild" zu machen, wie man so schön sagt. Vielleicht aber auch um "das Große und Ganze" zu sehen?
Ich finde es übrigens super, dass Du Dich sofort an das Hilfesystem gewandt hast. Auch das ist nicht selbstverständlich!

Zitat
Wie sollen wir die Schulden begleichen?

Nur um es mal zu betonen: Es sind SEINE Schulden! Du hast nichts unterschrieben und er haftet bei einer Trennung selbst dafür.
Dann muss geklärt werden, ob das nur die Spitze des Eisberges war. Du erinnerst Dich ... Scham und Schuld ... gibt es noch Kreditkarten, die er ausgereizt hat? Weitere versteckte Kredite? Er muss alles erst mal auf den Tisch legen.
Einigen Suchtberatungsstellen, z.B. der Caritas, sind Schuldnerberatungsstellen angeschlossen. Hier empfiehlt es sich, sich ausgiebig beraten zu lassen. Sollte eine Privatinsolvenz sinnvoll sein, dann ist er in 3 Jahren nach Start der PI wieder schuldenfrei.

Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
Hier geht es zum Samstagsmeeting_ https://us02web.zoom.us/j/87305340826?pwd=UnFyMlB6bkwyTHU3NGVISWFGNSs2

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Offline Olli

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Re: Was soll ich machen?
« Antwort #3 am: 29 Dezember 2023, 09:11:05 »
Zitat
Er soll dir sein Konto übergeben damit du eben die Kontrolle hast und ihm immer nur das Notwendigste gibst, was mancher Mann natürlich auch nicht toll findet.

Entschuldige, das ist etwas ungünstig ausgedrückt, weshalb ich mal mein Veto einlege ... :)

Vom Grundsatz her ist es schon richtig, ich würde den Fokus aber nicht auf "Kontrolle", sondern auf gemeinsames Geldmanagement legen. Machen wir uns nichts vor ... wir Spieler haben zu einem Großteil verlernt, sofern wir es überhaupt je gelernt haben, mit dem gesetzlichen Zahlungsmittel "Geld" umzugehen. Für uns ist es Suchtmittel. Wie der Alkoholiker zur Flasche greift, greifen wir zum Portemonnaie oder zur Kreditkarte.
Wir können den Umgang aber wieder erlernen und dabei können uns unsere Angehörigen sehr gut unterstützen. Mal Hand aufs Herz, so manche Angehörige profitiert auch davon ... :)
Bei einem "gemeinsamen Geldmanagement", welches immer zum Ziel haben sollte befristet zu sein, werden die Einnahmen und die Ausgeben gemeinsam besprochen! Es wird überlegt, wo Einsparpotential besteht und es werden auch Ausgaben geplant. Dazu setzt man sich eben regelmäßig zusammen und geht das durch.
Natürlich hat der Partner hier auch die Aufgabe, ein Auge auf den Süchtigen und seine Ausgaben zu werfen. Er hat aber jederzeit das Recht das Ganze zu stoppen, wenn er merkt, dass er z.B. hintergangen wurde.
Die angesprochene "Kontrolle" dient dem Süchtigen lediglich zur Motivation "alles richtig zu machen".
Weder soll der Angehörige zum Kontrolletti mutieren, noch der Spieler zum Kleinkind.

In meiner Familie wurde nämlich genauso gehandelt. Es hat MIR kein bisschen geholfen. Im Gegenteil habe ich mich dagegen aufgelehnt ... 20 Jahre Suchtausübung waren die Folge ... (wobei es nicht nur daran gelegen hat ... )

 
Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
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