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Online-Selbsthilfegruppen Glücksspielsucht
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Die Sucht als Pendel? Von einem Extrem ins Nächste.

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Hallo zusammen,

ich hatte das Forum eine lange Zeit nicht mehr besucht, habe es aber nochmal aus "Nostalgie" Gründen nochmal aufgerufen.
Warum genau kann ich nicht sagen. Wahrscheinlich um mich nochmal an mein dunkelstes Kapitel in meinem Leben zu erinnern.
Als Mahnruf oder Gedenken, wenn man das so ausdrücken kann.

Mein Name ist Thomas, ich bin mittlerweile 38 Jahre alt und war vor über 8 Jahren abhängig vom Glückspiel.
Fast 9 Jahre bin ich mittlerweile trocken, keine Halle mehr betreten, nur hin und wieder Lotto was ich ebenfalls Anfang des Jahres aufgegeben habe.

Mir ging es finanziell richtig dreckig, ich bin an einer Insolvenz vorbeigerauscht und habe mühsam innerhalb von 4 Jahren sämtliche Schulden (über 25k) abbezahlt.
Die Schufa Einträge hatte ich dann noch 3 Jahre, dann wurden diese gelöscht. Ich bin wieder voll kreditfähig mit 98 %.

Mir ist allerdings nun folgendes Verhalten an mir aufgefallen: In meiner aktiven Zeit habe ich logischerweise das Geld nur so rausgeworfen, wie es reingekommen ist.
Alles verballert, konstant über mehrere Wochen im Laufe des Monats das Geld vom Konto abgehoben.

Mittlerweile habe ich das Gefühl dass, das Pendel in die andere Extreme umgeschlagen hat. Nämlich in einen Sparzwang.
Es wird gespart an allen Ecken und Enden, gebunkert was das Zeug hält. Ausgaben nur noch das rein Nötigste. Pfennigfuchserei, Angebotsjagd und Ausgaben pressen bis der Arzt kommt.

Kennt ihr dieses Phänomen? Ich habe leider das Gefühl, dass ich mir nichts mehr gönnen kann.
Vermutlich weil die innerlich die Panik habe, wieder so zu enden, wie es in meiner aktiven Zeit war.
Schulden sind bei mir absolut undenkbar und ich glaube das gerade Glückspieler sehr sensibel in Geldmanagement geworden sind nach stilgelegter Sucht.

Würde mich mal interessieren, ob hier noch weitere Personen sind, die es ähnlich geht.
An alle aktiven: Ich wünsche euch ganz viel Kraft & Erfolg bei eurem Ausstieg. Als Aussteiger kann ich sagen es lohnt sich.
Selbst wenn es mir jetzt schwer fällt Geld auszugeben, lebt es sich damit wesentlich entspannter, als von Monat zu Monat zu leben.

VG
Thomas

Re: Die Sucht als Pendel? Von einem Extrem ins Nächste.
« Antwort #1 am: 01 Mai 2025, 11:30:27 »
Hallo Thomas,

mir geht es auch wie von dir beschrieben.
Wir verbinden wahrscheinlich jetzt den Kauf von nicht unbedingt notwendigen Dingen mit Verschwendung. So in etwa erkläre ich mir das. Denn Verschwendung war ja zwangläufig ein Teil unserer Sucht.
Aber ganz ehrlich? Ich habe kein schlechtes oder unerfülltes Leben. Auch wenn ich das wenige was derzeit übrig bleibt, nicht für den Konsum/Belohnung nutze. Hin und wieder paar Klamotten o.ä. sind drin und das reicht mir.
Ich nehme wieder teil am Leben, ohne das es mich Geld kostet. Das zwitschern der Vögel im Wald, die entspannenden Spaziergänge, oder das Füttern von Tieren. Alles kostenlos.
Ok, für das Wildvogelfutter + paar Packungen Haferflocken bezahle ich ca. 25 Euro im Monat. Aber das mache ich gerne, weil es mir gut tut.

Dir alles Gute weiterhin!

Gruß Wolfgang

"Nur wer weiß, woher er kommt, weiß, wohin er geht"
(Theodor Heuss)

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Offline Wolke 7

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  • 1.498
Re: Die Sucht als Pendel? Von einem Extrem ins Nächste.
« Antwort #2 am: 01 Mai 2025, 13:01:27 »
Hallo Thomas,

ich habe wie du, mit sehr viel Anstrengungen meine Schulden abbezahlt und fange jetzt wieder bei 0 an zu sparen....es stehen einige Sachen an. Renovierung, Auto ,Kühlschrank, Zähne,Fenster,.....

Trotzdem spare ich nicht bis zum Erbrechen ,sondern ich gehe gerne Essen oder ins Cafe oder kaufe mir eine Schallplatte oder sowas. Am liebsten gebe ich Geld für Erlebnisse mit dem Partner oder Freunden aus. Wir nennen das immer so ,dass wir Erinnerungen sammeln.

Wenn ich beim Einkaufen was leckeres sehe und es ist etwas teurer,  kaufe ich es trotzdem,wenn ich grad Lust drauf habe.

Sinnlos sollte man sein Geld nicht rauswerfen, aber für nützliche und schöne Dinge und Erinnerungen kann man schon mal was ausgeben. Wenn ich sterbe ,braucht der Fährmann nur eine Münze von mir und die legt mir auch noch ein anderer auf die Stirn.

Sei nicht so streng mit dir . Achte auf dich und  dein Geld ,aber vergiss  nicht darüber hinaus zu leben. 

Ich habe damals nur an allen Ecken und Enden gespart, um mehr Geld fürs zocken haben.......jetzt ist dieser Geiz mir fremd geworden. 

Alles Gute und einen schönen 1. Mai

LG Wolke


*

Offline Olli

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  • 7.720
Re: Die Sucht als Pendel? Von einem Extrem ins Nächste.
« Antwort #3 am: 01 Mai 2025, 13:08:31 »
Hi Thomas!

Wenn Du an Deine aktive Zeit zurückdenkst und einfach mal die Ausgaben fürs Glücksspiel außer acht lässt ... war da nicht auch schon der Zwang zu sparen da? Schließlich wolltest Du Dir doch was Gutes damit tun ... Dir etwas gönnen ... das Glücksspiel!

Nun hast Du erfreulicherweise das Glücksspiel dran gegeben. Den Sparzwang dafür allerdings nicht ...

Und ja, das Phänimen kenne ich auch. Nachdem ich das Glücksspiel an den Nagel gehangen hatte, sparte ich für eine eigene Wohnung. Dann bauten meine Schwester mit ihrem Mann und ich gemeinsam. Auch hier musste ich wieder sparen. Viele Dinge mussten im Laufe der Zeit noch ins Haus investiert werden.

Heute verfüge ich über genug Geld und weigere mich trotzdem, 39.000 € für eine Küche auszugeben. Selbst wenn es eine Markenküche ist, ist das Meiste davon doch nur Presspappe ... 1.700 für einen Oberschrank, netto ... plus dies plus jenes ... Da warte ich einfach noch ein Weilchen und koche in meiner 4.500 € Küche, die nun 15 Jahre alt ist, noch ein wenig länger.
Allerdings habe ich nie auf den Preis geschaut, wenn ich irgend etwas fest verbaut habe. Das Gartenhäuschen ... die Markise ... 3 * ca. 4 m² Glas-Alu-Mosaik, Fliesen ... etc.

Sich etwas zu gönnen braucht einen anderen Blick auf sich selbst, als zur aktiven Zeit. Hattest Du Probleme mit Deinem Selbstwert, als Du noch spieltest? Demnach hättest Du es doch gar nicht verdient, Dir etwas zu gönnen ... oder?

Stelle Dir doch mal die Frage, was Du Dir wünschst?! Ist es etwas kurzfristig Erreichbares? Oder doch mittel- oder längerfristig? Ist es nur Wunschdenken? Oder ist es mehr? Wenn Letzteres ... dann setze es um! Scheibeinkleister ... wenn es Dir dann doch nicht gefällt, dann hast Du es wenigstens versucht ... :)
Wenn Du aber Spaß dran hast, dann nehme dies auch bewusst wahr! So streiche ich auf meiner Treppe oft mal schnell über das bereits erwänte Glas-Alu-Mosaik ... und erfreue mich daran ...

Mein Schwager schaut gerade nach neuem Pflaster für die Einfahrt. Das Erste ist einfach Schrott und ist auch damals unter aller Sau verbaut worden. Na klar bin ich da dabei ... Vielleicht verspüre ich dann auch diese (teils unterbewusst) Freude, wenn ich künftig drauf fahre?

Mit 38 habe ich damals aufgehört ... :)

Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
Hier geht es zum Samstagsmeeting_ https://us02web.zoom.us/j/87305340826?pwd=UnFyMlB6bkwyTHU3NGVISWFGNSs2

Re: Die Sucht als Pendel? Von einem Extrem ins Nächste.
« Antwort #4 am: 01 Mai 2025, 13:48:52 »
Servus Thomas,
ich bin in drei Tagen 2,5 Jahre spielfrei.
Nach fast zwei Jahrzehnten Exzesse was diesen Mist angeht. Da war das Geld, ob vorhanden oder nicht, eigentlich egal. Früher war ich zumindest sicherheitsbewusst. Und genau das hat sich bei mir jetzt wieder eingestellt. Immer soviel auf dem Girokonto damit ich die Kosten des Folgemonats abdecken kann und auf meinem Sparkonto noch einige Tausender für richtig wichtige Notfälle. Alles was darüber hinaus sich angesammelt hat gebe ich allerdings schon gerne aus.
Lotto spiele ich auch in unregelmäßigen Abständen aber maximal für 10 Euro.

Alles Gute für Dich weiterhin! Ich werde Dir folgen was die Abstinenz betrifft.

LG Roy

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Offline andreasg

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  • 2.224
Re: Die Sucht als Pendel? Von einem Extrem ins Nächste.
« Antwort #5 am: 01 Mai 2025, 14:32:54 »
Hallo Thomas,

ich habe mal gelesen, daß süchtige Spieler zu Geiz neigen, weil sie eben Spielgeld bunkern. Als ich mit dem Spielen aufgehört habe, war es eine Sensation, in ein Kaufhaus zu gehen, und mir ein Herrenhemd zu kaufen. Das brachte mich in eine Euphorie!
Ich bin später arbeitslos geworden, Insolvenz des Arbeitgebers, Spieldruck hatte ich - nicht ausgelebt, REHA und dann meine Hartz IV - Zeit, später Krankschreibung bis zur EM - Rene, ich war gewöhnt, kein Geld zu haben!
Heute bin ich Pflegepatient. Durch das Pflegegeld konnte ich einiges in meinem Haushalt neu anschaffen, aber auch meine Mediensucht wollte bedient werden. Ich bin immer noch in einem + mitteleren vierstelligen Konto, aber gerade für meine Gesundheit brauche ich die Rücklagen. Ich schreibe täglich mein Haushaltsbuch, das hilft mir, Akitva und Passiva, Soll und Haben zu verstehen.
Ich habe als 37 jähriger aufgehört, zu spielen.

schöne 24 Stunden
Andreas
Demut ist die anhaltende Ruhe im Herzen

Re: Die Sucht als Pendel? Von einem Extrem ins Nächste.
« Antwort #6 am: 01 Mai 2025, 16:11:21 »
Hallo in die Runde  :)

Vielen Dank für die zahlreichen Antworten!

Hi Thomas!

Wenn Du an Deine aktive Zeit zurückdenkst und einfach mal die Ausgaben fürs Glücksspiel außer acht lässt ... war da nicht auch schon der Zwang zu sparen da? Schließlich wolltest Du Dir doch was Gutes damit tun ... Dir etwas gönnen ... das Glücksspiel!


Ehrlich gesagt nicht. In meiner aktiven Zeit wurde das Geld nur so rausgeballert. Sobald der 1. des Monats anstand und alle notwendigen Abbuchungen erfolgt sind ging es direkt in die Halle.

Obwohl wenn ich über deine Frage nachdenke, Olli.... wenn dann das Geld verzockt war, schaltete ich in den "Überlebensmodus" wo jeder Euro 3x umgedreht wurde. Im Kopf wurden den Rest des Monats Rechnungen angestellt, einmal was ich noch verzocken kann und
was ich zum leben zwingend brauche.
Und diese Einsparungen waren krass einschneidend, die Sucht war so präsent, dass auch am Essen gespart worden ist (bin mit 50kg extrem untergewichtig). Ich trage z.T. immer noch die Klamotten, die ich in meiner Kindheit gekauft hatte.
Geld abheben findet nur noch 1x im Monat statt. Ich habe Schuhe getragen, die an den Sohlen komplett verlöchert waren (im Winter damit zu laufen war schei. kalt ).
Ich wurde sogar von einer Arbeitskollegin angesprochen, ob wir nicht zusammen ein paar Schuhe kaufen gehen sollen (war richtig unangenehm, sie hat die Löcher an den Sohlen gesehen, die Socken gingen kaputt) aber nicht weil ich das Geld nicht hatte, sondern weil mein
"Überlebensmodus" mir mitgeteilt hat das die Schuhe noch "ok" sind. Letzendlich gab es eine Aktion auf meiner Arbeit, wo Schuhe verschenkt worden sind. Da habe ich dann das neue Paar bekommen.

Ich habe das Gefühl das die Spielsucht zwar erfolgreich bekämpft wurde (nicht besiegt / sie ist NIEMALS besiegt) , sprich mehr Geld kommt rein & ist verfügbar, aber der "Überlebensmodus" ist immernoch (wenn auch geschwächt) aktiv.
Bin seit 2020 schuldenfrei, 2023 wurde die Schufa bereinigt und seit 2 Jahren ringe ich nun mit diesem "Sparphänomen".

Keine Ahnung wie ich mir das wieder antrainieren soll.

VG

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Offline Wolke 7

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Re: Die Sucht als Pendel? Von einem Extrem ins Nächste.
« Antwort #7 am: 01 Mai 2025, 16:34:19 »
Kauf dir doch morgen mal ein Paar Sommerschuhe.....kleine Aufgabe ,dir für kleines Geld was Gutes zu tun . Ein Paar Schuhe für 25€ .

Und danach setzt du dich irgendwo in die Sonne und kaufst dir ein Eis und genießt die Sonne, die Schuhe,das Eis und deine Spiel- und Schuldenfreiheit. Sei stolz auf dich.

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Offline Rubbel

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  • 1.152
Re: Die Sucht als Pendel? Von einem Extrem ins Nächste.
« Antwort #8 am: 01 Mai 2025, 17:09:43 »
Willkommen Thomas, hallo! :)
Ich kenn' das  mit dem 'Überlebensmodus' ganz gut. Auch das Gucken u. Überlegen nach Entwöhnung und Schuldenfreiheit: kann, will, muss ich das haben? Ganz schön teuer ...
Wenn ich lese,  dass Du stark untergewichtig bist, dann stelle ich mir vor, wie Du Dir - wie damals -  regelrecht alles 'vom Mund absparst'.
Dir also wie früher nix gönnen magst.
Mir hat ein Elternteil früher sehr oft gesagt: 'Du wirst nie zu was kommen. Und Du hast nichts Gutes verdient' (so in etwa).
Vor allem, wenn ich mal wieder nicht 'gespurt' habe, und das war schon in früher Pubertät. Hopfen u. Malz seien  bei mir verloren, etc. etc.
Jetzt les' ich Deine Texte und denke daran.
Klar sind die meisten Dinge völlig überteuert, und Vieles braucht kein Mensch, vor allem keine Statussymbole!

Was ich allerdings heute wichtig finde, ist Gesundheitsfürsorge, Pflege, Friseur, Klamotten, in denen wir uns wohl fühlen, allen voran allerdings gute Ernährung. (Und Interesse an politischem Geschehen, incl.)
Kauf Dir erst mal gutes ESSEN!! Gesundes. Versorg' Dich damit und lass' es Dir schmecken. Und dann kleide Dich ein, alles egoistisch.
Pfeif' auf überholte Überzeugungen und trainiere das! (das ist wie die Gewohnheit beim Glücksspiel: Es steigert sich von allein, ist heut bloß, wo wir weg sind davon, was FÜR, nicht gegen uns.)

Alles Gute
Rubbel
« Letzte Änderung: 01 Mai 2025, 17:19:26 von Rubbel »
--Meist ist Geist geil--

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Offline TAL

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Re: Die Sucht als Pendel? Von einem Extrem ins Nächste.
« Antwort #9 am: 02 Mai 2025, 16:08:46 »
Hallo Agent008,

am Montag fragte ein Kollege "Habt ihr schon Geld drauf?" (Er ist gerade am Umziehen). Jemand anders antwortete "Nein, leider nicht. Ich habe nur noch einen 50er."
Sie sahen mich an. "Hä? Ah. Nee, keine Ahnung. Ich achte da gar nicht drauf."
"Typisch. Tztz. Diese gelassene Einstellung hätte ich auch gerne."
Eine Einschätzung, die falscher eigentlich nicht sein könnte. Aber da habe ich mal wieder gemerkt, wie dankbar ich dafür bin, nicht mehr Spielen zu müssen.

Als ich damals mit dem Spielen aufgehört hatte, wog in noch 47kg bei einer Körpergröße von 1,80m. Bloß keine unnötigen Ausgaben. Damals arbeitete ich (unter Anderem) in einem Supermarkt. Dort mußte ich einmal die Woche in einem Nebenraum die angelaufenen Lebensmittel abschreiben. Das war immer der einzige Tag jede Woche, an dem ich zumindest annähernd ausreichend aß...
Das mit dem 'Geiz' war bei mir auch sehr lange danach noch so. Ich konnte mir nichts 'gönnen', weil ich es irgendwie für Verschwendung hielt. Habe auch ewig überlegt, mir ein paar Schuhe zu kaufen ("Brauchst du das wirklich?"... "Vielleicht werden die ja noch günstiger") - und tat es am Ende dann doch nicht. Habe auch noch einiges an Kleidung aus meiner Jugend, wobei ich die auch tatsächlich noch gerne trage.
Mein Einkommen ist mit der Zeit deutlich gestiegen - meine Ausgaben aber nicht wirklich signifikant, nichtmal nachdem ich schuldenfrei war.

Inzwischen ist es aber besser geworden, bin bei etwa 65kg, was zwar immernoch zu wenig ist, aber ich arbeite dran.
Am Anfang des Monats packe ich immernoch alles an Geld beiseite, was ich nicht brauche. Aus den Augen, aus dem Sinn.
Meine Abneigung gegenüber Menschenmassen überwiegt heutzutage aber. Das heißt, ich gehe in einen einzigen Supermarkt, kaufe, was ich brauche, und gehe wieder raus. Der Einkaufszettel wird in der richtigen Reihenfolge geschrieben, um unnötige Wege zu vermeiden. Dabei achte ich nicht (mehr) auf die Preise. Hauptsache schnell raus. Da gibt es seltsamerweise nur zwei Ausnahmen: Waschpulver und Kaffeebohnen. An den Regalen gehe ich immer vorbei, und gucke, ob es im Angebot ist. Wenn ja, kaufe ich es, auch wenn das Alte noch nicht leer ist.

Ich würde selber nie auf die Idee kommen, essen zu gehen. Bin ich aber mit Anderen unterwegs, ist mir das egal. Ich mache dann halt, was man so macht. Die müssen es ja wissen. Ohne Nachdenken. Auch wenn meine bessere Hälfte sagt "Bring mal nach der Arbeit das und das mit", dann mache ich es.
Ist irgendwie komisch. Solange ich eine Entscheidung nicht selber treffen muß, fällt es mir nicht sonderlich schwer, Geld auszugeben. Ich will es dann nichtmal wiederhaben. Nur selber sagen "Ich kaufe jetzt dies und das." geht noch nicht wirklich gut.

Habe es inzwischen auch aufgegeben, mich über meine Bank zu ärgern, die mir ständig einen Dispo einräumt, den ich dann immer wieder rausnehmen lassen muß, oder die Abhebelimits einfach löscht.
Gut, dann ist es eben so. Im Ernstfall wäre das wahrscheinlich eh egal.

Jedenfalls steckt dahinter wahrscheinlich noch viel Mißtrauen mir selbst gegenüber, auch wenn ich bisher eigentlich bewiesen haben sollte, daß das nicht nötig ist.

Aber auch daraus können 'Muster' entstehen.
'Einfach so' scheint irgendwie nicht zu gehen.

Re: Die Sucht als Pendel? Von einem Extrem ins Nächste.
« Antwort #10 am: 02 Mai 2025, 23:06:06 »
Edit Olli: Vollzitat entfernt

Hi Tal,

Wahnsinn. Ich finde gerade massive Parallelen von deinen Worten zu meiner Situation.
Erstmal Riesen Respekt zu den 65 kg. Für so ein Gewicht würde ich töten - buchstäblich.
Habe leider zusätzlich eine Essstörung, die mir auch hin und wieder in die Quere kommt.

Darf ich fragen ob du sportlich aktiv bist? Hatte mir schon überlegt mich ggfs. im Fitnessstudio oder in einem Verein anzumelden.
Aber hier kommen die Kosten natürlich hinzu... aber was noch schwerer wiegt ist meine Agoraphobie.

Leider habe ich noch immer viele Baustellen, die mir erst nach der Glückspielsucht in den Vordergrund gerückt sind.
Was ich faszinierend finde, ist die Tatsache dass, das Glückspiel so einnehmend ist, dass andere psychische Leiden nahezu vollständig in den Hintergrund rücken.

Für mich ein Paradebeispiel wie zerstörerisch Glückspielabhängigkeit sein kann.
Was mich regelrecht wütend macht, ist die Werbung im Fernsehen. Ein Spot nach dem anderen voll mit Glückspielwerbung.

Danke für eure Beiträge!
« Letzte Änderung: 03 Mai 2025, 07:10:13 von Olli »

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Offline Wolke 7

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  • 1.498
Re: Die Sucht als Pendel? Von einem Extrem ins Nächste.
« Antwort #11 am: 03 Mai 2025, 05:12:55 »
Mit einer Verhaltenstherapie könntest du die Essstörungen ,die Agoraphobie und die Spielsucht behandeln .......auch wenn du jetzt spielfrei bist ,kannst du über das extreme Sparverhalten sprechen, aber mit den anderen Probleme bist du auch gut ausgelastet und in einer Verhaltenstherapie sehr gut aufgehoben. Könntest du dir  vorstellen diese Probleme mit professioneller Hilfe anzugehen?

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Offline TAL

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Re: Die Sucht als Pendel? Von einem Extrem ins Nächste.
« Antwort #12 am: 06 Mai 2025, 17:06:08 »
Nein, ich mache keinen Sport. Für Sachen wie Fitneßstudio bin ich zu faul, und für die meisten Sportarten zu grobmotorisch. Es macht mir auch nicht wirklich Spaß. Schon in der Schule war das ein Graus für mich.

Eine Eßstörung habe ich zum Glück nicht, zumindest nicht im 'klassischen' Sinn. Da ich aber kein wirkliches Hungergefühl kenne (Durst auch nicht - Beides merke ich erst, wenn ich Kopfschmerzen bekomme, einen extrem trockenen Mund, oder mein Kreislauf 'spinnt') 'vergesse' ich es nur einfach, wenn meine tägliche Routine nicht ist, wie sie gehört. Ich esse auch immer dasselbe - das macht es im Alltag leichter. Gerät mein 'Gleichgewicht' aus den Fugen, geht wirklich gar nichts mehr in meinem Kopf. Hält das länger an, wird das dann schon gefährlich.
Leider.
Da ist dann ein Gewichtsverlust schon nervig, aber meist noch das geringste 'Problem', wenn ich nicht gegensteuere.
Corona war so eine Zeit, da ging in meinem Kopf gar nichts mehr. Das triggert meinen Fluchtinstinkt. Extrem. War wirklich nicht leicht, und hat sehr viel Kraft gekostet. Zu einem früheren Zeitpunkt wäre das wahrscheinlich schiefgegangen.

Ich würde meine Abneigung gegen viele Leute, hohe Geräuschpegel und Gedränge auch nicht wirklich eine Angst nennen. Es ist eher innerer Streß, der sich so weit steigern kann, daß mein Kopf 'abschaltet', und ich nur noch weg will, weil ich immense Schwierigkeiten habe, Unwichtiges 'auszublenden'. Es 'prasselt' immer alles auf mich ein. Schwer zu beschreiben. Heute weiß ich zumindest, daß man das eine 'Reizfilterschwäche' nennt.

Ajo, ich gebe es nur ungern zu, aber ich bin schon auf das Entgegenkommen (und ja, auch die Toleranz) meiner Mitmenschen angewiesen. Das ist ein sehr unangenehmes Gefühl für mich, wenn ich merke, daß Menschen dies 'instinktiv' tun. Zumindest die Meisten. Das hilft dem Selbstwertgefühl auch nicht unbedingt.

Aber ich habe aber gelernt, damit zu leben. Es ist eben, wie es ist.
Denn ja, Spielfreiheit bedeutete für mich, daß ich mich mit mir auseinandersetzen mußte, statt immer wieder davonzulaufen.
Das war beileibe kein einfacher Weg, und er ist auch noch lange nicht beendet.

Ich schaue überhaupt kein fern. Aber wenn ich solche Werbung mal irgendwo sehe, bin ich auch immer irritiert darüber, daß das überhaupt erlaubt ist. Bei Alkohol und Zigaretten hat man es doch letztendlich auch begriffen. Warum hier nicht?
Für mich selbst ist das eigentlich egal - ich weiß, wo das enden kann, also lasse ich es.
Aber jüngere Menschen sehen diese Verharmlosung auch.
Das verursacht bei mir innerlich immer sowas wie ungläubiges Kopfschütteln.

 

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