Guten Morgen!
Da läuft im Hintergrund gerade was im Rahmen der Migration, weshalb ich hier nun gerne antworten möchte:
Zu: "Ich wünschte, dass meine Eltern mich ein einziges Mal nicht wieder aufgenommen hätten", frage ich mich, wie die Situation genau war. Hast du gesagt: ja, ich schlafe tatsächlich lieber wieder in meinem Bett- aber fairerweise muss ich auch sagen, ich spiele noch? Und bist wieder eingezogen? Oder warst du tatsächlich in diesen(r) Situation(en) spielfrei (und wolltest das auch bleiben) und bist dann für einen "Neustart" wieder zuhause eingezogen?
Denn- und das nehme ich mal noch eine Weile zum Nachdenken mit: Dann wäre der Rauswurf "unumkehrbar" und die Tür für immer zu. Damit muss ich mich schon anders auseinandersetzten als mit: ich kann dir jetzt nicht weiterhelfen, aber bin für dich da, wenn du von mir wieder mehr brauchst als Geld, Bett und Essen.
Wie ich schon sagte, befand ich mich in einem Konflikt. Auf der einen Seite die Werte und Normen, deren Einhaltung von mir verlangt wurde. So interpretierte ich einen davon als: Spiele nicht am Automaten! Doch es war das Kreuz meiner Erziehung ,,, ein Vater mit narzistischen Zügen, der Regeln aufstellte, aber sich selber nicht dran hielt. Sonntag Mittag wird um 12 Uhr 30 gegessen! Wer war nicht pünktlich? Er ... Kam ich aber mal ein wenig später dazu, dann war die Hölle los. Ich sollte nicht am Automaten spielen ... er tat es aber! Ja, er verheimlichte es sogar vor mir.
Die andere Seite des Konfliktes war das Automatenspiel selbst. Es war bei mir positiv besetzt. Ich empfand es als entspannend, auch wenn ich viel später dann feststellte, dass ich den Stress den Alltags mit Stress im Spiel auszugleichen versucht hatte. Der Automat stellte keine Anforderungen an mich. Er war da, wenn ich ihn brauchte.
Wie gerne hätte ich den Erwartungen meines Vaters genügt. Doch das war ein Ding der Unmöglichkeit. Na klar sagte er mir hier und da, dass er stolz auf mich wäre. Doch wehe, wenn ich nicht spurte, dann wurde alles wieder zurück genommen. Was machte das bloß mit mir? Ich lebte in einer Habachtstellung! Ja bloß nichts falsch machen ...
Also versprach ich alles, als ich wieder aufgenommen wurde. In dem Moment der Gespräche wollte ich auch unbedingt die Erwartungen erfüllen. Doch als dann wieder Ruhe einkehrte, da dieskutierte die Sucht in mir mit mir, bis ich langsam wieder anfing.
Als ich meine Abstinenzentscheidung getroffen hatte und schon 2 Monate spielfrei war, erzählte ich es meinem Vater. Das Ergebnis: Rauswurf! Seit dem letzten Gespräch musste ich ja wieder gespielt haben, um nun "nur" 2 Monate spielfrei gewesen zu sein.
Solche Denkstrukturen pflanzen sich auch in der Familie fort. Einige Jahre später gab es ein Gespräch mit meiner älteren Schwester. Ihr sagte ich, dass ich nun schon 7 Jahre spielfrei sei. Die resignierte Antwort: Wie ... erst?
Ich konnte also nie etwas "richtig" machen. Egal wie gut ich etwas machte, das Haar in der Suppe versaute wieder alles. Erst viel später verstand ich, dass diese Haare gar nicht von mir waren sondern von denen, die es im Mund wiedergefunden hatten.
Ich fragte dort oben bereits, was das alles mit mir gemacht hatte. Mein Selbstwert war im Keller. Er hat mich zur Untätigkeit gebracht. Längst hätte ich mir doch eine Wohnung suchen können. Doch womit sollte ich das bezahlen? Kaution? Einrichtung? Die Miete? Also nahm ich es hin wieder in meine 9 m² zu ziehen und mich auch ausbeuten zu lassen.
Wer kümmerte sich um Haus und Garten, während alle anderen auf der Terrasse saßen und sich die Sonne auf die Bäuche haben scheinen lassen?
Ich kam von der Arbeit nach Hause. Meine Mutter stellte mir den Teller mit Essen auf den Tisch und noch bevor ich den ersten Bissen zum Mund führen konnte: Hier ist noch ein Angebot/Rechnung/Sonstwas, was Du auf dem Computer schreiben sollst. Hier musst Du ... bla...bla...bla ...
Ja, so einige Male war ich auch monatelang spielfrei. Allerdings wusste ich selbst, dass es immer nur Spielpausen waren. Das Markante an einer Pause ist ja, dass sie wie die berüchtigte Wurst, einen Anfang und ein Ende hat. In diesen Zeiten konnte ich mir auch viele schöne Urlaube erlauben rund um den Globus.
Was ist passiert, als ich rausgeworfen worden bin? Einige Male war meine Schwester just zu der Zeit im Urlaub und ich zog in ihre Wohnung ein. Nach maximal 2 Wochen kam der Anruf und ich packte meine Koffer, um zurückzuziehen. Einmal ging dies aber nicht. Also schlief ich mitten im Winter 2 Wochen im Auto. Ich hatte von einem dienstlichen Raum mit Dusche den Schlüssel, also konnte ich mich dort morgens frisch machen. Nach der Arbeit aber, was sollte ich da machen? Ich machte das, was ich gewohnt war zu tun: Ich ging in die Spielhallen. Hier spielte ich dann nicht mehr an den Geldspielautomaten, sondern es gab damals "Punktegeräte" ohne Auszahlung.
Was wäre passiert, wenn ich komplett rausgeworfen worden wäre? Ich bin damals schon an meine Grenzen gestoßen und war froh, dass ich wieder im warmen Bett schlafen durfte. Meine sauberen Klamotten gingen dem Ende zu. Nun, ich hätte etwas verändern müssen ... aus mir selbst heraus. Eine Wohnung suchen, spielfrei bleiben, um die Kosten dafür bezahlen zu können. Ich hätte Verantwortung übernehmen müssen für mich selbst.
Natürlich hätte ich es mir auch gewünscht, dass die Türen nicht gänzlich verschlossen worden wären bei einem Komplettrausschmiss. Der letzte Satz des Zitates wäre auch mein Wunsch gewesen und betone diesen Denkansatz auch immer den Angehörigen gegenüber. Auf der anderen Seite allerdings läuft der Angehörige hier auch Gefahr vom Spieler manipuliert zu werden. Nicht dass dies mit Absicht und mit Vorsatz geschieht, der Spieler wird ja selbst von seiner Sucht manipuliert.
Trotz alledem ist er die einzige Person, die wirklich sagen kann, ob ein Abstinenzwille vorhanden ist oder nicht. Der Angehörige ist dem hilflos ausgeliefert. Daher können für ihn nur Taten zählen.
Wenn ich also sehe, dass Dein Sohn eine Therapie gemacht hat, gleichzeitig aber gelogen worden ist und Eure Hilfsangebote umgangen wurden, dann ist der junge Mann diesen Weg nur gegangen, um Euch zufrieden zu stellen. Die Therapie war dann eine Unannehmlichkeit, die vorbeigeht - genauso wie eine erzwungene Abstinenz.
Was erhoffst Du Dir von dem gemeinsamen Termin bei der Therapeutin? Geht es hier nicht auch eher um Deine Seelennot?
Du darfst Deinem Sohn sehr gerne sagen: Das ist Deine Sucht, also kümmere Du Dich darum!
Schaue mal, wie Du Dich nun fühlst, da er wieder gespielt hat. War da bei Dir nicht die Enttäuschung groß? Nicht nur über Deinen Sohn, sondern auch ... über Dich selbst? Was hättest Du noch tun können? Was hast Du übersehen? Hättest Du hier und da vielleicht anders regieren sollen? Soll ich nicht doch, entgegen aller Aussagen von Ehemaligen, dem Jungen seine Schulden bezahlen, damit er es einfacher hat? ...
NEIN! Weg mit diesen Gedanken! Es ist seine Sucht! Es ist seine Verantwortung! Belasse sie ihm auch! Egal was Du machst, er ist derjenige, der zum Erfolg oder zum Scheitern führt - nicht Du! Distanziere Dich von seiner Sucht! Achte Du auf Dich!
2013 kam es zum großen Krach mit meinen Eltern. Daraufhin gab es 7 Jahre Sendepause - keinen Kontakt. Damals habe ich gelernt meine Eltern loszulassen. Etwas, was eigentlich schon 28 Jahre früher hätte geschehen sollen. Doch da steckte ich ja noch tief in meiner Sucht. Im Nachgang betrachtet war es das Beste, was mir passieren konnte. Traurig ... aber wahr ...